Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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17. November 2010
Hl. Gertrud von Helfta


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Wenn wir schon nicht alles entschuldigen können, so können wir doch zumindest die Absicht entschuldigen.« Aus diesen Worten spricht eine gottergebene Gutmütigkeit, die menschliche Beziehungen erleichtern und in der Gesellschaft friedensstiftend wirken kann. Sie stammen aus der Feder von Mutter Mary MacKillop, und zwar zu einer Zeit, als ihr einzelne kirchliche Würdenträger viel Leid bescherten. Sie wurde am 19. Januar 1995 von Johannes-Paul II. seliggesprochen, und Papst Benedikt XVI. hat sie am 17. Oktober dieses Jahres heiliggesprochen.

Mary MacKillop wurde am 15. Januar 1842 als Tochter schottischer Einwanderer in Fitzroy bei Melbourne geboren. Australien war da bereits seit mehreren Jahrzehnten Aufnahmeland für eine wachsende Anzahl von Immigranten, vor allem aus Großbritannien und Irland. Kurz vor Marys Geburt war ein Benediktiner der englischen Abtei Downside, Bede Polding, zum ersten Administrator des neugeschaffenen apostolischen Vikariats von Australien, Tasmanien und Neuseeland ernannt worden. Das riesige Vikariat verfügte damals über gerade mal 28 Priester, die 40 000 Katholiken auf einer Fläche von nahezu der Größe Europas zu betreuen hatten.

Ihren Blick vergaß man nicht so schnell

Mary wuchs unter schwierigen Bedingungen auf:  Der fehlende Sinn ihres Vaters für das Praktische, die bisweilen überzogenen Ansprüche ihrer Mutter und die Geburt vieler Geschwister belasteten sie sehr. Als junges Mädchen ritt sie voll Übermut die wildesten Pferde zu, und es machte ihr Spaß, Rinderherden zu treiben; sie war dennoch ein Mädchen wie alle anderen und ging gern zum Tanz. 1860 holte sie ein Onkel als Gouvernante für seine kleinen Söhne zu sich; diese bestätigten im Nachhinein ihren segensreichen Einfluss: „Man konnte Mary nicht mit einer schlecht gemachten Arbeit kommen; den Blick, den sie einem dann zuwarf, vergaß man nicht so schnell.«

In dieser Zeit lernte Mary Pater Julian Tenison Woods kennen, der in Australien eine Kongregation von Schulschwestern gründen wollte, um eine passende Erziehung für junge Katholiken anbieten zu können, vor allem für die Ärmsten unter ihnen. Mary fühlte sich ohnehin zu einem gottgeweihten Leben berufen, und die Begegnung mit Pater Woods war entscheidend. 1866 eröffnete sie zusammen mit zwei ihrer Schwestern eine Schule in Penola (Südaustralien) unter der Leitung von Pater Julian. Im Jahr darauf wurde dieser nach Adelaide berufen, um dort den neuen Bischof zu unterstützen: Seine Versetzung war eine glückliche Fügung, denn das neue Institut konnte nun auch in der Hauptstadt Südaustraliens Fuß fassen. Mary – die den Ordensnamen Schwester Mary of the Cross (Maria vom Kreuz) annahm – und ihre Gefährtinnen legten ihre Gelübde am 15. August ab; das war die Geburtsstunde der ersten australischen Ordenskongregation, der Sisters of St. Joseph of the Sacred Heart (Schwestern des heiligen Josef vom Heiligen Herzen), der sogenannten „Josephitinnen«. Unter dem Patronat des heiligen Josef gingen die Schwestern mit großem Eifer an die Erfüllung ihres Bildungsauftrags; besonders wichtig waren ihnen dabei Armut und völliges Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. In einem Brief an ihre Mutter äußerte sich Schwester Mary begeistert über ihr neues Leben: „Welches Glück dürfte Euch der Gedanke bereiten, dass einige Eurer Kinder als Ordensleute Gott dienen wollen, dass sie sich nichts so sehr wünschen wie Seelen zu Ihm zu führen ... Wie viele Leute geraten auf Abwege durch die Gleichgültigkeit und die Kälte derer, die mehr an ihr ewiges Heil denken könnten und müssten und viel weniger an diese elende Welt! – Bedenke, liebe Mama, wie viel Arbeit zu tun ist und wie wenige Menschen sie erledigen, und danke Gott dafür, dass Er einer Deiner Töchter gestattet hat, für Ihn zu arbeiten.«

Die ganze Unternehmung war ein Wagnis. Pater Julian schrieb in sein Tagebuch: „Gott wollte, dass sein Werk einzig durch seinen Beistand gelingt und nicht durch die üblichen Faktoren menschlichen Erfolgs. Ich verfügte über etwas, was die Regierung mit all ihren Mitteln niemals kaufen konnte: den sichtbaren Eifer und die aufopfernde Selbstlosigkeit der Mitar–beiterinnen des Instituts des heiligen Josef zu Ehren Gottes.« Gott sandte dem Institut zahlreiche Neuberufe-nen; bald trafen aus allen Landesteilen Anfragen um die Entsendung von Ordensschwestern für den Schulbetrieb ein. 1869 zählte das Institut bereits 70 Mitglieder; die meisten waren Lehrerinnen an rund 20 Schulen in Adelaide sowie an anderen Orten der riesigen Diözese. Daneben widmeten sich die Schwestern u.a. auch der Betreuung von Alten, Behinderten, Waisen, Obdachlo–sen und gefährdeten Mädchen.

Ein Grundrecht

Pater Julian und Schwester Mary vom Kreuz waren  überzeugt, dass der spezifische Charakter katholischer Erziehung niemals durch willkürliche staatliche Eingriffe verfälscht werden darf. Sie wollten lieber arm und den Grundsätzen des Glaubens treu bleiben, als alle möglichen finanziellen Mittel zu erhalten und dafür ihre für eine wahrhaft christliche Erziehung unabdingbare Freiheit aufzugeben. Zudem sollten Eltern, die von Gott die Aufgabe bekommen haben, für die Erziehung ihrer Kinder zu sorgen, ihrer Meinung nach auch die Freiheit und die Möglichkeit haben, sich dabei von kompetenten Personen ihrer Wahl helfen zu lassen.

„Als Erstverantwortliche für die Erziehung ihrer Kinder haben die Eltern das Recht, für sie eine Schule zu wählen, die ihren Überzeugungen entspricht. Das ist ein Grundrecht. Die Eltern haben die Pflicht, soweit wie möglich solche Schulen zu wählen, die sie in ihrer Aufgabe als christliche Erzieher am besten unterstützen. Die Behörden haben die Pflicht, dieses Elternrecht zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass es auch wirklich ausgeübt werden kann« (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2229). Schulen spielen in der Tat eine entscheidende Rolle in der menschlichen Erziehung: „Die Erziehung des Gewissens ist eine lebenslange Aufgabe. Schon in den ersten Jahren leitet sie das Kind dazu an, das durch das Gewissen wahrgenommene innere Gesetz zu erkennen und zu erfüllen. Eine umsichtige Erziehung regt zu tugendhaftem Verhalten an. Sie bewahrt oder befreit vor Furcht, Selbstsucht und Stolz, falschen Schuldgefühlen und Regungen der Selbstgefälligkeit, die durch menschliche Schwäche und Fehlerhaftigkeit entstehen können. Gewissenserziehung gewährleistet die Freiheit und führt zum Frieden des Herzens. Bei der Gewissensbildung ist das Wort Gottes Licht auf unserem Weg. Wir müssen es uns im Glauben und Gebet zu eigen machen und in die Tat umsetzen. Auch sollen wir unser Gewissen im Blick auf das Kreuz des Herrn prüfen. Wir werden dabei durch die Gaben des Heiligen Geistes und das Zeugnis und die Ratschläge anderer unterstützt und durch die Lehre der kirchlichen Autorität geleitet« (Katechismus, Nr. 1784-1785).

Für Schwester Mary und ihre Gefährtinnen mussten Erzieherinnen ihre Aufgabe nach dem Vorbild des Nährvaters der Heiligen Familie im Geiste unbedingten Vertrauens auf Gott erfüllen: „Unsere Schulen sind schlicht, aber strikt und rein katholisch und einzig für die Armen da. Die Schwestern, die sich um diese Schulen kümmern, sind ebenfalls schlicht und arm an weltlichem Wissen. Sie widmen sich nur deshalb der Erziehung, weil sie durch ihren glorreichen Patron, den heiligen Josef, auf Gott vertrauen, um die für ihre Arbeit erforderlichen Mittel zu erhalten. Wir sind uns unserer Schwäche bewusst und wagen uns an unsere Aufgabe nur heran, weil wir auf Ihn hoffen und weil wir wissen, dass Er seine Herrlichkeit gern durch die Schwäche an sich bzw. durch die Armseligkeit seiner Werkzeuge offenbart.«

Bei der Seligsprechungsfeier Mary MacKillops in Sydney am 19. Januar 1995 hob Papst Johannes-Paul II. die Bedeutung des Patronats des heiligen Josef für die neue Kongregation besonders hervor: „Der heilige Josef hat sich sein ganzes Leben lang der liebenden Vorsehung Gottes anvertraut. Josef von Nazareth war ein Mann grenzenlosen Vertrauens. Nur auf diese Art konnte er die einzigartige Berufung leben, die er von Gott empfangen hatte, nämlich Gemahl der Jungfrau Maria und Beschützer des Gottessohnes selbst zu sein.«

„Sich bei Ihm ausruhen«

Im Mai 1867 legte Pater Julian die Grundgesetze des  Instituts schriftlich nieder; sie wurden im folgenden Jahr vom Bischof von Adelaide gebilligt. Im Dezember 1869 gründeten die Schwestern ein Haus in Brisbane in Queensland. Doch schon bald kam es dort zu Schwierigkeiten. Mutter Mary schrieb an Pater Julian: „Wir fühlen uns alleine; kaum jemand denkt an uns, es gibt kein freundliches und vertrautes Herz, das uns zu Hilfe kommt; doch nein, Pater, ich irre mich! Wir haben doch eins. Sie wissen, dass wir das Heiligste Herz Jesu haben, jenes Herz, das über allen anderen steht; statt uns allein zu lassen, wenn wir versucht sind, unter unserer Einsamkeit zu leiden, eilt Es herbei und lädt unseren müden Geist freundlich ein, sich bei Ihm auszuruhen. Ach, ohne die Liebe des Herzens Jesu und ohne die freundliche und zärtliche Fürsorge unserer unbefleckten Mutter wären wir recht schwach und allein; aber mit ihnen sind wir stark und furchtlos – welche Stürme uns auch immer drohen ...«

Es brauten sich weitaus schlimmere Stürme zusammen. In Mutter Marys Abwesenheit verschärfte sich die Situation in Adelaide: Eine Gruppe von Diözesanpriestern lehnte das neue Institut rundweg ab und forderte dessen Auflösung. Ein solches Klima der Feindseligkeit erwartete Bischof Sheil bei seiner Rückkehr von einer langen, ermüdenden Europareise, die er zur Teilnahme am ersten Vatikanischen Konzil unternommen hatte. Für die Klagen gegen die Schwestern zeigte er sich zunächst wenig empfänglich: Er hatte sie schließlich selbst eingesetzt. Doch nach und nach konnten ihn die Unzufriedenen auf ihre Seite ziehen; ihre Beschwerden betrafen im Wesentlichen die Weigerung der Schwestern, eine staatliche Finanzierung zu akzeptieren, sowie die angeblich mangelnde Eignung einzelner Schwestern für das Lehramt. Bischof Sheil ließ sich überzeugen, dass er die Grundgesetze ändern müsse, und wollte seinen Willen schließlich unter Überschreitung seiner Befugnisse durchsetzen. Das konnten die Schwestern nicht hinnehmen. In der Tat dürfen nach dem Kirchenrecht die Grundgesetze einer einmal von einer zuständigen Behörde anerkannten religiösen Kongregation nicht ohne die Zustimmung des Generalkapitels geändert werden. Angesichts der Weigerung Mutter Marys griff Bischof Sheil zu einer extremen Maßnahme und exkommunizierte sie am 22. September 1871 in Gegenwart des Konvents. Die Schwestern ließen sich daraufhin beinahe einmütig lieber von ihren Gelübden entbinden als die Grundgesetze zu akzeptieren, die der Bischof ihnen aufzwingen wollte und denen sie keinen Gehorsam schuldeten. Innerhalb weniger Tage mussten sie ihre Ordenstracht ablegen, die Stadt verlassen und waren fortan auf die Barmherzigkeit treuer Christen angewiesen: Die Kongregation existierte nicht mehr.

Gott näher denn je

Nachträglich beschrieb Mutter Mary ihre Gefühle in  dem Augenblick, als der Bischof vor mehreren Priestern die Exkommunikation über sie verhängte, so: „Ich empfand so viel Liebe, ... eine Art Ehrfurcht vor dem Urteil, das mit solchem Impetus gegen mich verkündet wurde. Ich weiß nicht, wie ich das Gefühl beschreiben soll, aber ich war durch und durch glücklich und fühlte mich Gott näher denn je. Dieses Gefühl der stillen, friedlichen Gegenwart Gottes werde ich niemals vergessen.« Mutter Mary wurde von befreundeten Familien aufgenommen und von einer Jesuitengemeinschaft moralisch unterstützt; um Ärger zu vermeiden, durfte sie allerdings keinen Kontakt zu den Schwestern unterhalten und musste, so schwer es ihr auch fiel, weltliche Kleidung tragen. Von ihrem einsamen Zufluchtsort schrieb sie: „Nie hatte ich einen so sicheren und verlässlichen Frieden im Herzen verspürt wie seit Kurzem. Die erhabenen Wege Gottes kommen mir so schön vor ... Etwas schien mir zuzuflüstern: ‚In einigen Jahren wird dieser bedrückende Skandal völlig aus dem Gedächtnis der Menschen getilgt sein, und die Kirche wird fester verankert sein denn je: nicht nur in Adelaide, sondern auch in sämtlichen Siedlungen.'«

Im folgenden Februar erkrankte Bischof Sheil schwer. Kurz vor seinem Tode sah er ein, dass er schlecht beraten gewesen war, bereute die ungerechte Behandlung der Schwestern und hob das Urteil gegen Mutter Mary auf. Zum Fest des heiligen Josef am 19. März 1872 konnten die Schwestern zu ihrer großen Freude die Ordenstracht wieder anlegen. Gleichwohl gab es viele Schwierigkeiten, vor allem materieller Art. An manchen Tagen hatten die Schwestern nicht genug zu essen. Eine von ihnen notierte: „Was machte das schon? Wir hatten Mutter Mary, wir hatten unsere Ordenstracht und wir waren tagein, tagaus glücklich.« Für Mutter Mary kam die positive Lösung der Situation einem Sieg gleich. Doch sie brach darüber nicht in Jubel aus, denn sie machte sich keine Illusionen über die Zukunft: „Mein Weg wird immer der Weg des Kreuzes sein. Ich will es nicht anders, und ich liebe und lobe den sanften Willen, der mir meine Ration zuteilt. Es wäre mir unmöglich, etwas anderes zu wollen.«

„Jesus fordert seine Jünger auf, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen (Mt 16,24), denn er hat für uns gelitten und uns ein Beispiel gegeben, damit wir seinen Spuren folgen (1 Petr 2,21). Er will diejenigen, denen sein Erlösungsopfer zuerst zugutekommt, an diesem Opfer beteiligen ... „Es gibt keine andere Leiter, um zum Himmel emporzusteigen, als das Kreuz» (Rosa v. Lima, Vita)« (Katechismus 618).

Am 28. März 1873 brach Mutter Mary nach Rom auf, um für ihre Kongregation die Approbation des Heiligen Stuhls zu beantragen. Ihre Begegnung mit Papst Pius IX. beschrieb sie folgendermaßen: „Am Pfingstsonntag hatte ich die Freude, den Heiligen Vater zu sehen und von ihm einen warmherzigen Segen für mich und meine lieben Schwestern zu bekommen ... Was er zu mir sagte und wie er es sagte, nachdem er erfuhr, dass ich ‚die Exkommunizierte' gewesen war, zeigte mir, dass der Papst das Herz eines Vaters hat; und als er mir seine geliebte Hand aufs Haupt legte, empfand ich so viel, dass ich es nicht einmal versuchsweise in Worte fassen kann.« Mutter Mary verließ Europa erst, nachdem sie mehrere Länder besucht und sich über die besten Unterrichtsmethoden informiert hatte. Nach ihrer Heimkehr Ende 1874 wurde sie von ihren Töchtern mit größter Freude empfangen. Sie berief das Generalkapitel der Kongregation für den 19. März 1875 ein, um alle über die Entscheidung Roms zu informieren: Die Kongregation wird vom Heiligen Stuhl anerkannt, wenn im Gegenzug einige Änderungen in der Lebensführung der Nonnen vorgenommen werden.

Eine bewundernswerte Nachsicht

Wie Mutter Mary vorhergesehen hatte, gab es trotz  der Unterstützung aus Rom reichlich Schwierig-keiten. Der neue Bischof von Adelaide, Reynolds – einst ein großer Unterstützer der Schwestern –, ließ sich weismachen, Mutter Mary sei ihres Amtes unwürdig. Er konnte sich ebensowenig wie einige andere australische Bischöfe damit abfinden, dass das Institut der Schwestern des heiligen Josef als Kongregation nach päpstlichem Recht anerkannt worden war und dass dessen Leitung nicht der Hoheit der Diözesanbischöfe unterstand. Bischof Reynolds maßte sich das Recht eines Vorgesetzten an und verwies Mutter Mary der Diözese von Adelaide. Sie zog nach Sydney, wo sie vom neuen Erzbischof, Kardinal Moran, herzlich aufgenommen wurde; er sollte ein Freund und Beschützer des Instituts werden. Der Kardinal wurde bald vom Heiligen Stuhl beauftragt, die Vorwürfe Bischof Reynolds gegen die Gründerin zu untersuchen. In einem Brief an die Schwestern bewies Mutter Mary eine bewundernswerte Hochachtung und Nachsicht dem Bischof gegenüber: „Wir wollen davon ausgehen, dass alles in guter Absicht geschehen ist, und niemals vergessen, was dieser gute Bischof in der Vergangenheit für uns bedeutet hat; ich brauche bestimmt keine von euch, meinen wahren Töchtern, zu bitten, in diesen schweren Zeiten nie etwas zu sagen oder zu tun, was dem Bischof, seinen Geistlichen oder seinem Volk schaden könnte. Jetzt müssen wir demütiger, geduldiger und barmherziger sein denn je und vergeben ... Aus diesem Schmerz ist viel Gutes erwachsen, und das wird sich weiter fortsetzen.«

Mutter Mary wirft hier einen Blick von Außen, einen Blick des Glaubens auf die schmerzlichen Ereignisse ihres Lebens und greift die Lehre des hl. Paulus auf: Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alles mitwirkt zum Guten (Röm 8,28). „Das bezeugen die Heiligen immer wieder: Die hl. Katharina von Siena sagt deshalb zu denen, die an dem, was ihnen zustößt, Ärgernis nehmen und sich dagegen auflehnen: ‚Alles geht aus Liebe hervor, alles ist auf das Heil des Menschen hingeordnet. Gott tut nichts außer mit diesem Ziel'« (Katechismus 313).

Die Vorsehung belohnte die Geduld der Schwestern tatsächlich. Am 25. Juli 1888 bestätigte die römische Kongregation für die Verbreitung des Glaubens die zentrale Leitung des Instituts der Schwestern des heiligen Josef und die Verlegung des Mutterhauses nach Sydney.

„Erkennt uns der heilige Josef als seine Kinder?«

Im März 1891 wurde der 25. Gründungstag des  Instituts gefeiert. Mutter Mary schrieb an die Schwestern: „Liebe Schwestern, wenden wir uns an diesem Festtag vertrauensvoll an unseren glorreichen Patron; bitten wir ihn, für uns all das zu erlangen, was wir brauchen, um demütig und treu zu werden. Wenn wir keine geistige Demut besitzen, werden wir nur dem Namen nach ‚Schwestern des heiligen Josef' sein. Der heilige Josef, unser Vater, war demütig und unscheinbar. Wenn er bei uns keinen Wunsch erkennt, ihm in dieser Hinsicht nachzueifern, wie sollte er uns dann als seine Kinder erkennen, wie sollte er bei seinem Ziehsohn für uns beten?... Bringt die ganze – wirkliche oder eingebildete – Ungerechtigkeit unserem glorreichen Schutz-heiligen als Opfer dar, damit er es seinem Ziehsohn, unserem göttlichen Bräutigam, zu Füßen legt, und betet darum, dass ihr solche Dinge vergessen könnt. Wie können wir Frieden und Nächstenliebe praktizieren, wenn wir uns ständig an vergangene Beleidigungen erinnern?«

Die folgenden Jahre verbrachte Mutter Mary damit, die einzelnen Häuser der Kongregation in Australien und Neuseeland zu besuchen. Im Januar 1899 wurde sie nach einigen Jahren freiwilligen Rückzugs wieder zur Generaloberin gewählt. Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich indes. 1902 erlitt sie einen Schlaganfall, nach dem sie zunächst nicht mehr laufen konnte und am rechten Arm gelähmt war. Mit der Zeit gewann sie ihre Bewegungsfähigkeit zurück und konnte sich mit einer Gehhilfe fortbewegen. Bald ließen jedoch ihre Kräfte nach, und am 8. August 1909 gab sie ihre Seele an Gott zurück. Heute leben etwa 1000 Schwestern des heiligen Josef verstreut in Australien, Neuseeland, im östlichen Timor, Europa und Südamerika.

„Inmitten der unermesslichen Weite des australischen Kontinents ließ sich die selige Mary MacKillop weder durch die große Wüste und den Busch, noch durch die geistliche Wüste, in der sich viele ihrer Landsleute befanden, beirren«, betonte Papst Johannes-Paul II. „Mutig bereitete sie dem Herrn den Weg, unter beschwerlichsten Bedingungen. Auch heute sieht sich die christliche Gemeinschaft mit zahlreichen modernen ‚Wüsten' konfrontiert: den Wüsten der Gleichgültigkeit und der Intoleranz, des Rassismus und der menschlichen Verachtung, der Unfruchtbarkeit des Egoismus und der Gottlosigkeit: der Sünde in all ihren Formen und Ausprägungen, wobei der Skandal der Sünde durch die sozialen Kommunikationsmittel noch gesteigert wird. Wenn die Kirche stets an das Gesetz Gottes erinnert, das in das Herz der Menschen eingeschrieben und im Alten wie im Neuen Testament offenbart ist, so geschieht das nicht aus einem willkürlichen Festhalten an einer überholten Tradition und an verstaubten Ansichten heraus, sondern deswegen, weil der von seinem Schöpfer und Erlöser getrennte Mensch sein Schicksal nicht vollenden und keinen Frieden finden kann.«

Bitten wir die heilige Mary MacKillop, sie möge uns durch die Demut, die Vergebung und eine tiefe Nächstenliebe auf den Weg des wahren Friedens, der Jesus Christus ist, führen!

Dom Antoine Marie osb

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