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19. Juli 2002 Hl. Symmachus, Papst |
Wir müssen demnach dringend jene soziale Liebe entwickeln, die die menschliche und christliche Brüderlichkeit von uns fordert. Insbesondere die «gesellschaftlich-wirtschaftlichen Probleme lassen sich nur mit Hilfe aller Formen von Solidarität lösen: Solidarität der Armen untereinander, der Reichen mit den Armen, der Arbeiter untereinander, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Unternehmen und Solidarität unter den Nationen und Völkern. Die internationale Solidarität ist eine Forderung der sittlichen Ordnung. Der Weltfriede hängt teilweise von ihr ab» (Katechismus der Katholischen Kirche, 1939-1941).
Am 1. Oktober 2000 wurde vom Papst eine beherzte amerikanische Frau, Katharina Drexel, heiliggesprochen; weil sie erst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchte, begriff sie die Bedeutung der Solidarität und trug so zum Fortschritt und zum sozialen Frieden bei.
Ein solides Kapital sammeln
Da wegen der Bankengeschäfte des Vaters häufig Reisen nach Europa unternommen wurden, hatten Katharina und ihre Schwestern Gelegenheit, die Wunder und die berühmten Orte der Alten Welt zu besuchen. Katharina war stets fröhlich, hatte Freude am Reisen und beurteilte dank ihrer tiefen Religiosität alles nach seinem wahren Wert. Aber alles hinterließ bei ihr ein Gefühl der Unzufriedenheit. Keine Landschaft, keine kulturelle Größe konnte die brennenden Wünsche ihres Herzens erfüllen. Denn «Gott allein macht satt», wie der heilige Thomas von Aquin schrieb (Kommentar zum Credo). Zwar hat jeder Mensch das Verlangen nach Glück, wie der heilige Augustinus bemerkt: «Gewiss wollen wir alle glücklich leben, und im Menschengeschlecht gibt es niemanden, der diesem Satz nicht zustimmt.» Doch dieses Verlangen hat seinen Ursprung in Gott; er hat es dem Herzen des Menschen eingepflanzt, um ihn an sich zu ziehen, da er allein dieses Verlangen zu stillen vermag. Denn Gott beruft uns zur Seligkeit. Er «hat uns ins Dasein gerufen, damit wir ihn erkennen, ihm dienen, ihn lieben und so ins Paradies gelangen» (Katechismus der Katholischen Kirche, 1718-1721).
1879 wurde Emma krank. Die damals 21-jährige Katharina pflegte sie liebevoll während ihrer drei Jahre dauernden Krankheit. Die Begegnung mit dem Leiden läuterte ihren bereits hellsichtigen Blick auf das Leben. Ihr wurde klar, dass der Reichtum die große Gottheit der Zeit war und dass dennoch nichts aus dem riesigen Vermögen der Drexels das Leiden Emmas lindern oder ihren Tod verhindern konnte. Katharina fragte sich nach der wahren Bedeutung von Reichtümern und Ehren und dachte ernsthaft über den Sinn des Lebens nach; sie begriff, dass «das wahre Glück ... nicht in Reichtum und Wohlstand, nicht in Ruhm und Macht, auch nicht in einem menschlichen Werk - mag dieses auch noch so wertvoll sein, wie etwa die Wissenschaften, die Technik und die Kunst - und auch in keinem Geschöpf, sondern einzig in Gott, dem Quell alles Guten und aller Liebe» liegt (Katechismus, 1723).
Umsonst sollt ihr geben
Nach einer weiteren Reise, diesmal in den weiten amerikanischen Westen, wo Katharina ihre erste Begegnung mit dem Leben der Indianer hatte und ihre ersten Schenkungen an die Mission machte, wurde die Familie Drexel von einem weiteren Schlag heimgesucht. Vater Francis starb am 15. Februar 1885 und hinterließ seinen drei Töchtern ein riesiges Vermögen zum Erbe.
Katharinas Gesundheit war durch den Tod ihrer Eltern angeschlagen; um sie wieder auf die Beine zu bringen, schlugen ihr ihre Schwestern eine Kur in Bad Schwalbach in Deutschland vor. Sie nutzten ihren Aufenthalt in Europa, um Priester und Nonnen für die Missionierung der Indianer in den Vereinigten Staaten zu gewinnen, und fuhren im Januar 1887 nach Rom, wo sie von Papst Leo XIII. in Privataudienz empfangen wurden. Als Katharina den Heiligen Vater bat, Missionare zu den Indianern zu entsenden, erhielt sie die unerwartete Antwort: «Warum werden Sie, mein Kind, nicht selbst Missionarin?» - «Heiligkeit», erwiderte sie, «ich habe nicht um Nonnen gebeten, sondern um Priester.» Sie hat den Sinn der vom Papst gestellten Frage nicht recht verstanden, doch die Unruhe, die sie schon seit längerem bedrängt hatte, erreichte ihren Höhepunkt: Bereits seit ihrem vierzehnten Lebensjahr fühlte sie sich ständig zum Ordensleben hingezogen; sie hatte sogar oft mit ihrer Stiefmutter darüber gesprochen, doch sie wurde von dieser in keiner Weise dazu ermuntert. Eine Berufung zur Klosterfrau, ja, aber zur Missionarin ... Daran hatte sie nie gedacht!
Im September des gleichen Jahres besuchte Katharina in Begleitung ihrer Schwestern die Missionsstationen für Indianer in Dakota; sie reiste zu Pferde, im Wagen und mit der Eisenbahn durch raue und gefährliche Gegenden. Dort traf sie Red Cloud, den berühmten Häuptling der Sioux und sah den erbärmlichen Zustand der Indianer mit eigenen Augen. Gleich nach ihrer Heimkehr entschloss sich Katharina zu einer systematischen Unterstützung der Mission bei den Indianern. In vier Jahren finanzierte sie den Bau von dreizehn Schulen. Zu dieser Hinwendung zu den Indianern gesellte sich die Sorge um das Schicksal der amerikanischen Schwarzen, die zwar offiziell gleichberechtigt waren, aber nach wie vor ungerecht behandelt wurden.
Eine heilvolle Perspektive
Lange Zeit wurde Katharina von ihrem geistlichen Betreuer, Bischof James O'Connor von Omaha, davon abgeraten, einer religiösen Berufung zu folgen, da er sie für unfähig hielt, die damit verbundene Askese auszuhalten; er forderte sie zum Nachdenken, Warten und Beten auf. Im November 1888 schließlich, als er in einem Brief Katharinas las, welche Angst und Traurigkeit sie beim Warten empfand, änderte Bischof O'Connor seine Meinung und schlug ihr drei religiöse Kongregationen vor. Katharina antwortete, sie wünsche sich einen Missionsorden für die amerikanischen Indianer und Schwarzen; doch es gab keinen! Bischof O'Connor ermutigte sie daraufhin, selbst eine neue Kongregation zu gründen. Katharina konnte sich für dieses Vorhaben nicht begeistern: «Die Verantwortung eines solchen Rufes erdrückt mich fast, weil ich an den dafür erforderlichen Tugenden unendlich arm bin.» Doch der Bischof blieb bei seiner Meinung, und Katharina kapitulierte am 19. März 1889, dem Festtag des heiligen Josef: «Das Fest des heiligen Josef brachte mir die Gnade, den Rest meines Lebens den Indianern und Schwarzen zu widmen und mich voll und ganz Ihren Ansichten darüber anzuschließen, was für das Heil dieser Völker am besten sei.» Bischof O'Connor bat nun die Schwestern der Barmherzigkeit in Pittsburgh, Katharina für das Klosterleben auszubilden. Sie wurde am 7. November 1889 in deren Noviziat aufgenommen; doch schon wenige Monate später verlor das Projekt durch den Tod von Bischof O'Connor seinen einzigen Förderer. Obwohl dieser Tod scheinbar so fatal war, läuterte er die Seele Schwester Katharinas und bereitete sie auf ihre künftige Aufgabe vor. Dann kam ihr Erzbischof Patrick Ryan von Philadelphia zu Hilfe und bot ihr seine Unterstützung an.
Das Schicksal der Heiligen Familie
Die Kommunität wurde häufig von Bischöfen und Priestern der Mission aufgesucht, die Schwester Katharina um Nonnen baten. Doch auf den Rat von Erzbischof Ryan hin wartete die Gemeinschaft dreieinhalb Jahre, bevor sie ein erstes Pensionat in der Mission der heiligen Katharina von Santa Fe (New Mexico) eröffnete. Die Schwestern lebten sich trotz des schweren Lebens an diesem beinahe wüstenähnlichen Ort gut ein. Sie wurden von den Indianern respektiert und beschützt. Eines Tages, als Mutter Katharina die Opfer einer Seuche in einem der Missionsstation nahegelegenen Dorf pflegen wollte, wurde ihr der Zutritt verwehrt: Die Indianer hingen zu sehr an ihr, um zuzulassen, dass sie sich der Ansteckungsgefahr aussetzte.
Auf ihren zahlreichen Reisen über den Kontinent stieß Mutter Katharina oft auf Ablehnung und teilte so das Schicksal der Heiligen Familie in Bethlehem, was sie zu folgender Überlegung inspirierte: «Es passt sehr gut zu uns, dass die Bewohner dieser Stadt keinen Platz für uns und unser Werk haben. Wie wahr, dass die Höhle von Bethlehem die große Erzieherin der Welt ist ... Denkt unbedingt an Den, in den verliebt zu sein ich mich bekenne! Seid verliebt in seine Demütigungen.»
Katharina Drexel hat auf ein Vermögen verzichtet, um freiwillig die Armut auf sich zu nehmen, und diese Armut war ihr teuer, wie folgende, an eine ihrer Nonnen gerichteten Zeilen bezeugen: «Wenn Sie sich von den Dingen der Erde losgelöst haben, werden Sie das Reich Gottes in sich haben. Wenn Sie sich nicht lossagen, so werden Sie überzeugt sein, dass viele Dinge notwendig sind, und Sie werden schließlich so weit kommen, ein Leben der Bequemlichkeit zu führen. Gott erfüllt den, der leer ist.» Sie hatte gemerkt, dass die «Liebe zu den Armen ... mit der ungezügelten Liebe zum Reichtum oder mit dessen egoistischen Gebrauch unvereinbar» ist (Katechismus, 2445). Vor allem hatte sie aber begriffen, dass die beste Art, den Armen und Randgruppen zu helfen, darin besteht, an ihrer Gesamtentwicklung zu arbeiten. «Es geht nicht einfach darum, alle Völker auf das Niveau zu heben, dessen sich heute die reichsten Länder erfreuen», mahnt Papst Johannes-Paul II., sondern «vielmehr darum, in solidarischer Zusammenarbeit ein menschenwürdigeres Leben aufzubauen, die Würde und Kreativität jedes einzelnen wirksam zu steigern, seine Fähigkeit, auf seine Berufung und damit auf den darin enthaltenen Anruf Gottes zu antworten. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung steht die Ausübung des Rechtes und der Pflicht, Gott zu suchen, ihn kennenzulernen und nach dieser Erkenntnis zu leben» (Enzyklika Centesimus annus, 1. Mai 1991, Nr. 29). Daher beschränkten sich die Anstrengungen des neuen Instituts nicht auf eine einfache materielle Wohltätigkeit, sondern umfassten auch eine humane und christliche Bildung für die benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Die Liebe zu den Armen «betrifft nicht nur die materielle Armut, sondern auch zahlreiche Formen kultureller und religiöser Armut» (Katechismus, 2444).
Das tiefste Band
Warum «Schwestern des Allerheiligsten Sakramentes»? Mit ihrem Scharfblick hatte Katharina erkannt, dass das tiefste Band zwischen den Menschen die Eucharistie, die lebendige Gegenwart Jesu, ist und somit auch zwischen allen Rassen, die in ein- und demselben Land zusammenzuleben berufen sind. «Jesus ist die einzige Quelle wahren Friedens», sagt Johannes-Paul II.. «Es kann keine Hoffnung auf wahren Frieden in der Welt geben außer in Christus. Wie sorgt Christus für diesen Frieden? Er hat ihn durch sein Opfer verdient. Er hat sein Leben hingegeben, um die Versöhnung zwischen Gott und dem Menschen herbeizuführen. Dieses Opfer, das die menschliche Familie zur Einheit drängt, wird in der Eucharistie gegenwärtig gemacht. Und so ist jede Eucharistiefeier die Quelle einer neuen Friedensgabe. Die Selbsthingabe Christi ist mächtiger als alle spaltenden Kräfte, die die Welt bedrücken» (Auf dem eucharistischen Kongress, 11. März 1988).
Die Wohltaten der Eucharistie kamen denn auch jeder einzelnen Tochter Mutter Katharinas zugute; sie schrieb: «Die Ordensfrau braucht Kraft. In der Nähe des Tabernakels findet die Seele Kraft, Trost und Entsagung. Die Ordensfrau braucht Tugenden. Jesus im Heiligen Sakrament ist unser Vorbild an Tugend. Die Ordensfrau braucht Hoffnung. Im Heiligen Sakrament besitzen wir das kostbarste Unterpfand unserer Hoffnung. Die Hostie enthält den Keim des zukünftigen Lebens.»
Im September 1912 wurde Mutter Katharina bei einem Besuch der Missionsstation in New Mexico mit Typhus angesteckt. Sie schien dem Tode nahe zu sein und sagte: «Ich befinde mich in einem vollkommenen Frieden.» Doch nach einem Aufenthalt auf der Krankenstation des Mutterhauses wurde sie wieder gesund und nahm ihre Arbeit wieder auf. Im April 1913 schiffte sie sich erneut nach Rom ein, wo sie die endgültige Anerkennung ihrer Kongregation entgegennahm.
Eine wirkungsvolle Art zu beten
Das schöne Vorbild der heiligen Katharina Drexel ist ein Ansporn für unser persönliches Verhalten. Die heilige Rosa von Lima sagte: «Wenn wir den Armen und Kranken dienen, dienen wir Jesus.» Darin liegt der Grund dafür, dass die Kirche stets eine besondere Vorliebe für die Armen hatte.
Für die, die weder die Mittel noch die Kraft haben, den Armen unmittelbar zu helfen, stellen die letzten zwanzig Lebensjahre der heiligen Katharina Drexel ein Orientierungslicht dar. Sie fügte sich dem Willen Gottes, indem sie ihre Leiden annahm und eifrig betete. «Durch sein Leiden und seinen Tod am Kreuz hat Christus dem Leiden einen neuen Sinn gegeben: es kann uns nun ihm gleichgestalten und uns mit seinem erlösenden Leiden vereinen [...] Durch das Gebet können wir erkennen, was der Wille Gottes ist und Ausdauer erhalten, um ihn zu erfüllen. Jesus lehrt uns, dass nicht jener, der viele Worte macht, in das Himmelreich eintritt, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt (Mt 7,21)» (Katechismus, 1505 und 2826).
Möge der Herr Ihnen sowie allen, die Ihnen teuer sind, diese Gnade gewähren!