Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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19. Juli 2002
Hl. Symmachus, Papst


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

«Ein heute weit verbreiteter Irrtum liegt darin, dass man das Gesetz der Solidarität und Liebe zwischen den Menschen in Vergessenheit geraten lässt, jenes Gesetz, das sowohl durch den gemeinsamen Ursprung und durch die nämliche Vernunftnatur aller Menschen, gleichviel welchen Volkes, vorgeschrieben und auferlegt ist, wie auch durch das Opfer der Erlösung, das Jesus Christus am Altar des Kreuzes seinem himmlischen Vater darbrachte der sündigen Menschheit zum Heil» (Pius XII., Enzyklika Summi pontificatus).

Wir müssen demnach dringend jene soziale Liebe entwickeln, die die menschliche und christliche Brüderlichkeit von uns fordert. Insbesondere die «gesellschaftlich-wirtschaftlichen Probleme lassen sich nur mit Hilfe aller Formen von Solidarität lösen: Solidarität der Armen untereinander, der Reichen mit den Armen, der Arbeiter untereinander, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Unternehmen und Solidarität unter den Nationen und Völkern. Die internationale Solidarität ist eine Forderung der sittlichen Ordnung. Der Weltfriede hängt teilweise von ihr ab» (Katechismus der Katholischen Kirche, 1939-1941).

Am 1. Oktober 2000 wurde vom Papst eine beherzte amerikanische Frau, Katharina Drexel, heiliggesprochen; weil sie erst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchte, begriff sie die Bedeutung der Solidarität und trug so zum Fortschritt und zum sozialen Frieden bei.

Ein solides Kapital sammeln

Katharina Maria Drexel wurde am 26. November 1858 in Philadelphia (im Nordosten der USA) geboren. Ihr Vater Francis, ein Katholik, besass zusammen mit seinen beiden Brüdern einen internationalen Bankentrust, der Gesellschaften in New York und London umfasste. Ihre Mutter Hannah starb vier Wochen nach der Entbindung und hinterließ zwei Töchter, Elisabeth und Katharina. Bald danach ging Francis eine zweite Ehe mit Emma Bouvier ein; aus dieser Verbindung ging eine weitere Tochter, Louise, hervor. Als Angehörige der high society von Philadelphia waren die Drexels sehr freigebig und ließen Wohltätigkeitseinrichtungen großzügige Spenden zufließen. Auch ohne dass seine Umgebung etwas davon ahnte, bemühte sich Francis, Bedürftigen beizustehen. Insbesondere versuchte er, eingewanderte Priester kennenzulernen und zu unterstützen, die gekommen waren, um ihren mittellosen Landsleuten zu dienen. Nach seiner Heimkehr von der Arbeit pflegte er jeden Tag geraume Zeit allein in seinem Zimmer mit Beten zu verbringen. Um die Kinder an den Umgang mit Armen zu gewöhnen, hielt Emma ihr Haus dreimal pro Woche für diese geöffnet. Beide Ehepartner waren überzeugt, dass ihr Reichtum eigentlich Gott gehörte und dass sie ihn einsetzen mussten, um den Armen zu helfen. Buchstabengetreu befolgten sie den Rat des heiligen Paulus: Den Reichen in dieser Welt schärfe ein, nicht hochmütig zu sein und ihre Hoffnung nicht auf den trügerischen Reichtum zu setzen, sondern auf Gott, der uns alles reichlich bietet zum Genuss. Gutes sollen sie tun, reich werden an guten Werken, mitteilsam sein, an die anderen denken und so einen Schatz sich sammeln als gute Grundlage für die Zukunft zur Erreichung des wahren Lebens (1 Tim 6,17-19). Die Familie versammelte sich jeden Tag zum gemeinsamen Gebet und wohnte jeden Morgen der Heiligen Messe bei. Emma sorgte dafür, dass ihre Töchter eine umfassende humanistische Bildung bekamen: Literatur, Mathematik, Philosophie, Kunst, Musik und Sprachen. Der materielle Wohlstand befreite die Töchter nicht von der Pflicht, kochen zu lernen und ihre eigenen Kleider selbst zu nähen.

Da wegen der Bankengeschäfte des Vaters häufig Reisen nach Europa unternommen wurden, hatten Katharina und ihre Schwestern Gelegenheit, die Wunder und die berühmten Orte der Alten Welt zu besuchen. Katharina war stets fröhlich, hatte Freude am Reisen und beurteilte dank ihrer tiefen Religiosität alles nach seinem wahren Wert. Aber alles hinterließ bei ihr ein Gefühl der Unzufriedenheit. Keine Landschaft, keine kulturelle Größe konnte die brennenden Wünsche ihres Herzens erfüllen. Denn «Gott allein macht satt», wie der heilige Thomas von Aquin schrieb (Kommentar zum Credo). Zwar hat jeder Mensch das Verlangen nach Glück, wie der heilige Augustinus bemerkt: «Gewiss wollen wir alle glücklich leben, und im Menschengeschlecht gibt es niemanden, der diesem Satz nicht zustimmt.» Doch dieses Verlangen hat seinen Ursprung in Gott; er hat es dem Herzen des Menschen eingepflanzt, um ihn an sich zu ziehen, da er allein dieses Verlangen zu stillen vermag. Denn Gott beruft uns zur Seligkeit. Er «hat uns ins Dasein gerufen, damit wir ihn erkennen, ihm dienen, ihn lieben und so ins Paradies gelangen» (Katechismus der Katholischen Kirche, 1718-1721).

1879 wurde Emma krank. Die damals 21-jährige Katharina pflegte sie liebevoll während ihrer drei Jahre dauernden Krankheit. Die Begegnung mit dem Leiden läuterte ihren bereits hellsichtigen Blick auf das Leben. Ihr wurde klar, dass der Reichtum die große Gottheit der Zeit war und dass dennoch nichts aus dem riesigen Vermögen der Drexels das Leiden Emmas lindern oder ihren Tod verhindern konnte. Katharina fragte sich nach der wahren Bedeutung von Reichtümern und Ehren und dachte ernsthaft über den Sinn des Lebens nach; sie begriff, dass «das wahre Glück ... nicht in Reichtum und Wohlstand, nicht in Ruhm und Macht, auch nicht in einem menschlichen Werk - mag dieses auch noch so wertvoll sein, wie etwa die Wissenschaften, die Technik und die Kunst - und auch in keinem Geschöpf, sondern einzig in Gott, dem Quell alles Guten und aller Liebe» liegt (Katechismus, 1723).

Umsonst sollt ihr geben

Emma starb im Januar 1883. Um seine Töchter abzulenken, beschloss Herr Drexel, wieder eine Europareise mit ihnen zu unternehmen. Am 18. November 1883 wurde Katharina in der Basilika San Marco in Venedig auf ein Bild der Seilgsten Jungfrau aufmerksam und hörte, wie diese zu ihr sprach: Umsonst habt ihr empfangen; umsonst sollt ihr geben. Katharina erkannte sogleich die Stelle aus dem Evangelium wieder (Mt 10,8), die den heiligen Franz von Assisi so tief beeinflusst hatte. Das junge Mädchen verehrte diesen Heiligen nämlich sehr, dessen Liebe zur Natur und dessen Eifer für die Armen sie teilte. Das gehörte Wort erschien ihr wie eine Orientierung für ihre Zukunft, selbst wenn sie noch nicht wusste, auf welche Art sie «geben» musste.

Nach einer weiteren Reise, diesmal in den weiten amerikanischen Westen, wo Katharina ihre erste Begegnung mit dem Leben der Indianer hatte und ihre ersten Schenkungen an die Mission machte, wurde die Familie Drexel von einem weiteren Schlag heimgesucht. Vater Francis starb am 15. Februar 1885 und hinterließ seinen drei Töchtern ein riesiges Vermögen zum Erbe.

Katharinas Gesundheit war durch den Tod ihrer Eltern angeschlagen; um sie wieder auf die Beine zu bringen, schlugen ihr ihre Schwestern eine Kur in Bad Schwalbach in Deutschland vor. Sie nutzten ihren Aufenthalt in Europa, um Priester und Nonnen für die Missionierung der Indianer in den Vereinigten Staaten zu gewinnen, und fuhren im Januar 1887 nach Rom, wo sie von Papst Leo XIII. in Privataudienz empfangen wurden. Als Katharina den Heiligen Vater bat, Missionare zu den Indianern zu entsenden, erhielt sie die unerwartete Antwort: «Warum werden Sie, mein Kind, nicht selbst Missionarin?» - «Heiligkeit», erwiderte sie, «ich habe nicht um Nonnen gebeten, sondern um Priester.» Sie hat den Sinn der vom Papst gestellten Frage nicht recht verstanden, doch die Unruhe, die sie schon seit längerem bedrängt hatte, erreichte ihren Höhepunkt: Bereits seit ihrem vierzehnten Lebensjahr fühlte sie sich ständig zum Ordensleben hingezogen; sie hatte sogar oft mit ihrer Stiefmutter darüber gesprochen, doch sie wurde von dieser in keiner Weise dazu ermuntert. Eine Berufung zur Klosterfrau, ja, aber zur Missionarin ... Daran hatte sie nie gedacht!

Im September des gleichen Jahres besuchte Katharina in Begleitung ihrer Schwestern die Missionsstationen für Indianer in Dakota; sie reiste zu Pferde, im Wagen und mit der Eisenbahn durch raue und gefährliche Gegenden. Dort traf sie Red Cloud, den berühmten Häuptling der Sioux und sah den erbärmlichen Zustand der Indianer mit eigenen Augen. Gleich nach ihrer Heimkehr entschloss sich Katharina zu einer systematischen Unterstützung der Mission bei den Indianern. In vier Jahren finanzierte sie den Bau von dreizehn Schulen. Zu dieser Hinwendung zu den Indianern gesellte sich die Sorge um das Schicksal der amerikanischen Schwarzen, die zwar offiziell gleichberechtigt waren, aber nach wie vor ungerecht behandelt wurden.

Eine heilvolle Perspektive

Katharina erkannte in all diesen Armen Kinder Gottes wieder, die zu Ihm geführt werden mussten. Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, habt ihr mir getan (Mt 25,40), wird Jesus am Jüngsten Tag zu denen sagen, die Werke der Barmherzigkeit getan haben. Die Perspektive des göttlichen Gerichts ist ein für unser irdisches Leben notwendiges Licht; so empfiehlt der heilige Benedikt, oft daran zu denken (Regel, Kap. 4). «Das Letzte Gericht wird bis in die äußersten Folgen an den Tag bringen, was jeder während seines Erdenlebens an Gutem getan oder nicht getan hat» (Katechismus, 1039). Der heilige Augustinus bemerkt, Gott werde sich an die Bösen wenden und zu ihnen sagen: «Ich hatte für euch meine kleinen Armen auf die Erde gesetzt. Ich, ihr Haupt, thronte im Himmel zur Rechten meines Vaters - aber auf Erden hatten meine Glieder Hunger. Wenn ihr meinen Gliedern zu essen gegeben hättet, wäre eure Gabe bis zum Haupte gelangt. Als ich meinen kleinen Armen einen Platz auf der Erde zuwies, setzte ich sie zu Boten ein, um eure guten Werke in meine Schatzkammer zu bringen. Ihr habt nichts in ihre Hände gelegt, darum besitzt ihr bei mir nichts.»

Lange Zeit wurde Katharina von ihrem geistlichen Betreuer, Bischof James O'Connor von Omaha, davon abgeraten, einer religiösen Berufung zu folgen, da er sie für unfähig hielt, die damit verbundene Askese auszuhalten; er forderte sie zum Nachdenken, Warten und Beten auf. Im November 1888 schließlich, als er in einem Brief Katharinas las, welche Angst und Traurigkeit sie beim Warten empfand, änderte Bischof O'Connor seine Meinung und schlug ihr drei religiöse Kongregationen vor. Katharina antwortete, sie wünsche sich einen Missionsorden für die amerikanischen Indianer und Schwarzen; doch es gab keinen! Bischof O'Connor ermutigte sie daraufhin, selbst eine neue Kongregation zu gründen. Katharina konnte sich für dieses Vorhaben nicht begeistern: «Die Verantwortung eines solchen Rufes erdrückt mich fast, weil ich an den dafür erforderlichen Tugenden unendlich arm bin.» Doch der Bischof blieb bei seiner Meinung, und Katharina kapitulierte am 19. März 1889, dem Festtag des heiligen Josef: «Das Fest des heiligen Josef brachte mir die Gnade, den Rest meines Lebens den Indianern und Schwarzen zu widmen und mich voll und ganz Ihren Ansichten darüber anzuschließen, was für das Heil dieser Völker am besten sei.» Bischof O'Connor bat nun die Schwestern der Barmherzigkeit in Pittsburgh, Katharina für das Klosterleben auszubilden. Sie wurde am 7. November 1889 in deren Noviziat aufgenommen; doch schon wenige Monate später verlor das Projekt durch den Tod von Bischof O'Connor seinen einzigen Förderer. Obwohl dieser Tod scheinbar so fatal war, läuterte er die Seele Schwester Katharinas und bereitete sie auf ihre künftige Aufgabe vor. Dann kam ihr Erzbischof Patrick Ryan von Philadelphia zu Hilfe und bot ihr seine Unterstützung an.

Das Schicksal der Heiligen Familie

Am 12. Februar 1891 legte Katharina Drexel als erste «Schwester des Allerheiligsten Sakramentes für die Indianer und die Schwarzen» ihr Gelübde ab. «Die Gelübde schränken zwar die Freiheit ein», bemerkte sie, «doch sie schenken uns die Freiheit, das Gute zu tun. Wir sind gestärkt, um die Lasten zu tragen und Dinge zu tun, die unmöglich scheinen.» Den üblichen Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams fügte sie ein weiteres hinzu, nämlich die Mutter und Dienerin der Indianer und der Schwarzamerikaner zu sein. Da das Kloster ihrer neuen Stiftung noch nicht fertiggestellt war, eröffnete sie ihr Noviziat in Torresdale, in der Sommerresidenz ihrer Familie. Bald hatten sich ihr zehn Novizinnen und drei Postulantinnen angeschlossen. Ein Jahr später zählte die Gemeinschaft einundzuknzig Mitglieder! Die Schwestern bezogen das im Bau befindliche Kloster noch vor seiner Fertigstellung und nahmen so etliche Härten auf sich, da sie kein Wasser, kein Licht und keine Heizung besaßen. «Jede Prüfung, die wir hinnehmen müssen», schrieb die Gründerin, «ist ein Akt der Barmherzigkeit Gottes, um uns von der Erde loszulösen und Gott näherzubringen.»

Die Kommunität wurde häufig von Bischöfen und Priestern der Mission aufgesucht, die Schwester Katharina um Nonnen baten. Doch auf den Rat von Erzbischof Ryan hin wartete die Gemeinschaft dreieinhalb Jahre, bevor sie ein erstes Pensionat in der Mission der heiligen Katharina von Santa Fe (New Mexico) eröffnete. Die Schwestern lebten sich trotz des schweren Lebens an diesem beinahe wüstenähnlichen Ort gut ein. Sie wurden von den Indianern respektiert und beschützt. Eines Tages, als Mutter Katharina die Opfer einer Seuche in einem der Missionsstation nahegelegenen Dorf pflegen wollte, wurde ihr der Zutritt verwehrt: Die Indianer hingen zu sehr an ihr, um zuzulassen, dass sie sich der Ansteckungsgefahr aussetzte.

Auf ihren zahlreichen Reisen über den Kontinent stieß Mutter Katharina oft auf Ablehnung und teilte so das Schicksal der Heiligen Familie in Bethlehem, was sie zu folgender Überlegung inspirierte: «Es passt sehr gut zu uns, dass die Bewohner dieser Stadt keinen Platz für uns und unser Werk haben. Wie wahr, dass die Höhle von Bethlehem die große Erzieherin der Welt ist ... Denkt unbedingt an Den, in den verliebt zu sein ich mich bekenne! Seid verliebt in seine Demütigungen.»

Katharina Drexel hat auf ein Vermögen verzichtet, um freiwillig die Armut auf sich zu nehmen, und diese Armut war ihr teuer, wie folgende, an eine ihrer Nonnen gerichteten Zeilen bezeugen: «Wenn Sie sich von den Dingen der Erde losgelöst haben, werden Sie das Reich Gottes in sich haben. Wenn Sie sich nicht lossagen, so werden Sie überzeugt sein, dass viele Dinge notwendig sind, und Sie werden schließlich so weit kommen, ein Leben der Bequemlichkeit zu führen. Gott erfüllt den, der leer ist.» Sie hatte gemerkt, dass die «Liebe zu den Armen ... mit der ungezügelten Liebe zum Reichtum oder mit dessen egoistischen Gebrauch unvereinbar» ist (Katechismus, 2445). Vor allem hatte sie aber begriffen, dass die beste Art, den Armen und Randgruppen zu helfen, darin besteht, an ihrer Gesamtentwicklung zu arbeiten. «Es geht nicht einfach darum, alle Völker auf das Niveau zu heben, dessen sich heute die reichsten Länder erfreuen», mahnt Papst Johannes-Paul II., sondern «vielmehr darum, in solidarischer Zusammenarbeit ein menschenwürdigeres Leben aufzubauen, die Würde und Kreativität jedes einzelnen wirksam zu steigern, seine Fähigkeit, auf seine Berufung und damit auf den darin enthaltenen Anruf Gottes zu antworten. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung steht die Ausübung des Rechtes und der Pflicht, Gott zu suchen, ihn kennenzulernen und nach dieser Erkenntnis zu leben» (Enzyklika Centesimus annus, 1. Mai 1991, Nr. 29). Daher beschränkten sich die Anstrengungen des neuen Instituts nicht auf eine einfache materielle Wohltätigkeit, sondern umfassten auch eine humane und christliche Bildung für die benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Die Liebe zu den Armen «betrifft nicht nur die materielle Armut, sondern auch zahlreiche Formen kultureller und religiöser Armut» (Katechismus, 2444).

Das tiefste Band

Als Gründerin verfasste Mutter Katharina eine Lebensregel für die Schwestern des Heiligen Sakramentes. Im Juli 1907 nahm sie in Rom eine erste Genehmigung des heiligen Papstes Pius X. entgegen und wurde kurze Zeit später zur Generaloberin des Instituts der «Schwestern des Allerheiligsten Sakramentes für die Indianer und die Farbigen» gewählt.

Warum «Schwestern des Allerheiligsten Sakramentes»? Mit ihrem Scharfblick hatte Katharina erkannt, dass das tiefste Band zwischen den Menschen die Eucharistie, die lebendige Gegenwart Jesu, ist und somit auch zwischen allen Rassen, die in ein- und demselben Land zusammenzuleben berufen sind. «Jesus ist die einzige Quelle wahren Friedens», sagt Johannes-Paul II.. «Es kann keine Hoffnung auf wahren Frieden in der Welt geben außer in Christus. Wie sorgt Christus für diesen Frieden? Er hat ihn durch sein Opfer verdient. Er hat sein Leben hingegeben, um die Versöhnung zwischen Gott und dem Menschen herbeizuführen. Dieses Opfer, das die menschliche Familie zur Einheit drängt, wird in der Eucharistie gegenwärtig gemacht. Und so ist jede Eucharistiefeier die Quelle einer neuen Friedensgabe. Die Selbsthingabe Christi ist mächtiger als alle spaltenden Kräfte, die die Welt bedrücken» (Auf dem eucharistischen Kongress, 11. März 1988).

Die Wohltaten der Eucharistie kamen denn auch jeder einzelnen Tochter Mutter Katharinas zugute; sie schrieb: «Die Ordensfrau braucht Kraft. In der Nähe des Tabernakels findet die Seele Kraft, Trost und Entsagung. Die Ordensfrau braucht Tugenden. Jesus im Heiligen Sakrament ist unser Vorbild an Tugend. Die Ordensfrau braucht Hoffnung. Im Heiligen Sakrament besitzen wir das kostbarste Unterpfand unserer Hoffnung. Die Hostie enthält den Keim des zukünftigen Lebens.»

Im September 1912 wurde Mutter Katharina bei einem Besuch der Missionsstation in New Mexico mit Typhus angesteckt. Sie schien dem Tode nahe zu sein und sagte: «Ich befinde mich in einem vollkommenen Frieden.» Doch nach einem Aufenthalt auf der Krankenstation des Mutterhauses wurde sie wieder gesund und nahm ihre Arbeit wieder auf. Im April 1913 schiffte sie sich erneut nach Rom ein, wo sie die endgültige Anerkennung ihrer Kongregation entgegennahm.

Eine wirkungsvolle Art zu beten

1935 erlitt Mutter Katharina bei einem Besuch der Missionsstationen im Westen der Vereinigten Staaten einen schweren Herzanfall und musste sich aus dem aktiven Leben zurückziehen. Sie lebte jedoch noch etwa zwanzig Jahre in ständigem Gebet und ertrug ihre Gebrechen mit Geduld. «Das demütige und geduldige Annehmen des Kreuzes, gleich welcher Art es auch sei, ist das höchste Werk, das wir tun müssen», hatte sie geschrieben. Sie weihte sich ganz jenem kontemplativen Leben, von dem sie in ihrer Kindheit geträumt hatte und das ihr nun endlich zuteil wurde. «Ich habe eine äußerst wirkungsvolle Art zu beten entdeckt», bekannte sie. «Das Herz Jesu ist auch mein Herz, da ich ein Glied seines Leibes bin, und mit seinem Herz werde ich zu Gott, meinem Vater, beten, und mein Gebet wird immer erhört werden.» Am 3. März 1955 gab Mutter Katharina Marie Drexel ihre Seele friedlich an Gott zurück und vereinte sich in der ewigen Seligkeit mit Jesus, ihrem himmlischen Bräutigam. Heute zählt ihre Kongregation 229 Schwestern, die auf dem Gebiet der Erziehung, der Seelsorge und der Gesundheitsfürsorge den Ärmsten und Verwahrlosesten unter den Indianern und Schwarzen in 14 amerikanischen Ländern von Haiti bis Guatemala dienen.

Das schöne Vorbild der heiligen Katharina Drexel ist ein Ansporn für unser persönliches Verhalten. Die heilige Rosa von Lima sagte: «Wenn wir den Armen und Kranken dienen, dienen wir Jesus.» Darin liegt der Grund dafür, dass die Kirche stets eine besondere Vorliebe für die Armen hatte.

Für die, die weder die Mittel noch die Kraft haben, den Armen unmittelbar zu helfen, stellen die letzten zwanzig Lebensjahre der heiligen Katharina Drexel ein Orientierungslicht dar. Sie fügte sich dem Willen Gottes, indem sie ihre Leiden annahm und eifrig betete. «Durch sein Leiden und seinen Tod am Kreuz hat Christus dem Leiden einen neuen Sinn gegeben: es kann uns nun ihm gleichgestalten und uns mit seinem erlösenden Leiden vereinen [...] Durch das Gebet können wir erkennen, was der Wille Gottes ist und Ausdauer erhalten, um ihn zu erfüllen. Jesus lehrt uns, dass nicht jener, der viele Worte macht, in das Himmelreich eintritt, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt (Mt 7,21)» (Katechismus, 1505 und 2826).

Möge der Herr Ihnen sowie allen, die Ihnen teuer sind, diese Gnade gewähren!

Dom Antoine Marie osb

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