Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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13. Mai 2020
Fest U.L.F. von Fatima


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Der heilige Karl! Wie oft habe ich vor seinen Reliquien in der Kathedrale von Mailand gekniet!“, bekannte der heilige Papst Johannes-Paul II. am 4. November 1978, kurz nach seiner Wahl auf den Stuhl Petri. „Wie oft habe ich über sein Leben nachgedacht und im Geiste die riesenhafte Gestalt des Gottesmannes und Dieners der Kirche Karl Borromäus betrachtet: Kardinal, Erzbischof von Mailand und Konzilsvater! Er ist eine der zentralen Figuren der im 16. Jh. auf dem Konzil von Trient beschlossenen Kirchenreform, dem Konzil, das stets mit seinem Namen verbunden bleibt. Er war auch einer der Begründer der Institution der kirchlichen Seminare, die vom II. Vatikanischen Konzil vollumfänglich bestätigt wurde. Zudem war er ein Seelsorger, der sich niemals von der Angst beherrschen ließ; ein Diener der Leidenden, der Kranken, der Todeskandidaten. Mein Taufspatron!“

Karl Borromäus (italienisch Carlo Borromeo) wurde am 2. Oktober 1538 auf Burg Arona in der nord-italie-nischen Provinz Lombardei geboren. Sein Vater war Graf Gilberto Borromeo, der Gouverneur der Region Lago Maggiore, seine Mutter Margherita di Medici, die ältere Schwester des künftigen Papstes Pius IV. Karl war das zweite von sechs Kindern. Seine Mutter starb 1547, als er gerade 9 Jahre alt war; sein Vater heiratete wieder. Dank einträglicher Bank- und Handelsunternehmungen war die Familie reich. Da Karl als Zweitgeborener für den geistlichen Stand bestimmt war, empfing er mit 12 Jahren die Tonsur und wurde von seinem Vater nach Mailand geschickt, wo er bei einem berühmten Lehrer Latein lernen sollte. Ab 1552 studierte er in Padua beim künftigen Kardinal Francesco Alciato weiter. Sein Vater gewährte ihm nur eine bescheidene monatliche Zuwendung, so dass er mitunter Mühe hatte, über die Runden zu kommen. Karl litt unter seiner demütigenden finanziellen Situation, doch in seinen Briefen äußerte er weder Ungeduld noch Klagen.

1558 begab sich Karl nach Mailand zu seinem Onkel, Kardinal di Medici, musste jedoch bereits einige Wochen später zur Beerdigung seines Vaters nach Arona zurückkehren. Er war nun 19 Jahre alt. Obwohl er nicht der älteste Sohn war, baten ihn seine Angehörigen, die Handelsgeschäfte der Familie zu übernehmen. Trotz zahlreicher Unterbrechungen gelang es ihm daneben dank seines Eifers und seiner Zielstrebigkeit, 1559 sein Studium als Doktor iuris utriusque, d.h. als Doktor sowohl des Zivilrechts als auch des kanonischen Rechts, abzuschließen. Im Sommer desselben Jahres starb Papst Paul IV. (Gian Pietro Carafa). Das danach eröffnete Konklave wählte im Dezember 1559 Karls Onkel, den Kardinal Giovanni Angelo di Medici, zum Papst, der den Namen Pius IV. annahm.

Vom Guten Hirten geleitet

Am 3. Januar 1560 rief Pius IV. Karl zu sich nach Rom, betraute ihn bereits rund 10 Tage nach seiner Wahl mit der Verwaltung der päpstlichen Besitztümer und ernannte ihn am 31. Januar zum Kardinal. Karl bat, man möge zur Feier seiner Ernennung kein öffentliches Freudenfest in Mailand veranstalten, sondern stattdessen zehn Messen zu Ehren des Heiligen Geistes in Arona zelebrieren. Bald wurde er zum apostolischen Administrator im Erzbistum Mailand bestellt. Da er noch keinerlei Weihen empfangen hatte, musste er die Verwaltung seiner Diözese vorerst einem Weihbischof seiner Wahl anvertrauen. „Schon in jungem Alter wurde Karl Borromäus zum Kardinal der heiligen römischen Kirche und zum Erzbischof von Mailand ernannt“, sagte Johannes-Paul II. über ihn. „Er wurde berufen, ein Hirte der Kirche zu werden, weil er sich selbst vom Guten Hirten leiten ließ. So sorgte er für seine Kirche und bekam Anteil am unergründlichen Mysterium Christi, des ewigen und einzigen Hirten unsterblicher Seelen, der alle Jahrhunderte und Generationen überdauert und ihnen das Licht des ‚kommenden Zeitalters’ schenkt“ (4. November 1984). Im Folgenden wurde Kardinal Borromäus auch zum päpstlichen Legaten in verschiedenen Regionen Italiens sowie zum Protektor mehrerer Länder und Orden beim Heiligen Stuhl ernannt. Zudem versah er als „Kardinalsneffe“ das Amt des päpstlichen Privatsekretärs. Die unverhohlene Vetternwirtschaft Pius’ IV. trug in diesem Fall segensreiche Früchte: Der 22 Jahre junge Karl Borromäus setzte sich vehement und unermüdlich im Dienste der Kirche ein.

Hartnäckigkeit und geduldige Diplomatie

Daneben führte Karl nach wie vor die Geschäfte der Familie Borromäus und studierte fleißig weiter. In seiner Freizeit spielte er Laute sowie Violoncello, widmete sich regelmäßig einem damals in Italien beliebten Ballspiel und gründete eine literarische Akademie. 1561 errichtete er weitgehend aus eigenen Mitteln ein Kolleg in Padua, die erste Einrichtung, die den Empfehlungen des Konzils von Trient zu den Priesterseminaren entsprach. Dieses 1537 von Paul III. einberufene, aber erst 1545 in Trient eröffnete Konzil war mehrfach aus politischen Gründen unterbrochen worden. Papst Paul III. hatte sich eine umfassende Kirchenreform vorgenommen, namentlich im Kontext der protestantischen Reformation, die an den Grundlagen des Glaubens rüttelte und Missstände im Leben der Kirche anprangerte. Die katastrophale Situation der katholischen Welt verlangte nach einer kontinuierlichen Fortsetzung des Konzils, doch es gab zahlreiche Hindernisse, insbesondere vonseiten der damaligen Herrscher: Maximilian von Österreich, Philipp II. von Spanien und vor allem König Karl IX. von Frankreich. Kardinal Borromäus versuchte, die Hindernisse zu beseitigen. Sein eifriger Einsatz zum Wohl der Christenheit, seine Beharrlichkeit und geduldige Diplomatie führten schließlich dazu, dass die Sitzungen am 18. Januar 1562 wieder aufgenommen wurden. Er selbst blieb in Rom, unterhielt jedoch eine umfangreiche Korrespondenz mit den Gesandten des Papstes beim Konzil und lenkte die Debatten gewissermaßen aus der Ferne. Trotz großer Schwierigkeiten konnte das Konzil am 4. Dezember 1563 abgeschlossen werden – 18 Jahre nach seiner Eröffnung in Trient; die Reform des Breviers und des Messbuchs, die Redaktion eines Katechismus für Seelsorger sowie die Revision des lateinischen Bibeltextes sollte der Heilige Stuhl zu Ende führen.

Zur großen Erleichterung der gesamten Christenheit bestätigte Pius IV. am 26. Januar 1564 feierlich die Dekrete der Konzilsversammlung. Der Pontifex berief eine Kommission von drei Kardinälen ein, die unter der Leitung von Karl Borromäus die Umsetzung der Konzilsdekrete überwachen sollte. Dass das Konzil einen guten Abschluss gefunden hatte, war nach Ansicht des Papstes seinem Neffen Karl zu verdanken. „Er gilt als der Mann, der nicht nur der treueste Vollstrecker desselben einst gewesen ist, sondern auch sein entschiedener Vorkämpfer. Ohne seine vielen Nachtwachen, seine Sorgen und Anstrengungen aller Art wäre jener Erfolg nicht erreicht worden“, schrieb der hl. Pius X. in seiner Enzyklika Editæ sæpe vom 26. Mai 1910.

In der Zwischenzeit war Karls Bruder im Alter von nur 27 Jahren verstorben. Karl wurde somit Familienoberhaupt und befand sich nun in einer paradoxen Situation: Obwohl er das einflussreichste Mitglied der päpstlichen Kurie war, hatte er noch keinerlei Weihen empfangen; er hätte also auf die Kardinalswürde verzichten, in die Welt zurückkehren, heiraten und ein herrschaftliches Leben führen können. Zum Wohl der Familie und des Herzogtums Mailand wurde er von mehreren Seiten dazu gedrängt. Selbst sein Onkel, der Papst, schien diese Möglichkeit für die Zeit nach seinem eigenen, wie er meinte, baldigen Tod ins Auge zu fassen. Doch Karl entschied sich für den Herrn sowie die Kirche und bereitete sich auf den Empfang der heiligen Weihen vor. Am 17. Juli 1563 von Kardinal Federico Cesi in der Basilika Santa Maria Maggiore zum Priester geweiht, tröstete er den etwas verärgerten Heiligen Vater mit den Worten: „Seien Sie nicht betrübt, ich habe mich für die Braut entschieden, die ich schon seit Langem wollte.“ Er wurde am 7. Dezember in der Sixtinischen Kapelle zum Bischof geweiht.

Der Wunsch nach Rückzug

Aufgrund seiner Ämter fühlte sich Karl verpflichtet, in der Nähe des Papstes zu bleiben; er verlor darüber seine Mailänder Diözese jedoch nicht aus den Augen, sondern ließ sie nach eigenen Vorgaben von anderen Bischöfen leiten. 1565 reiste er nach Mailand und berief ein Provinzialkonzil ein, das er persönlich leitete (die Provinz umfasste damals 16 Diözesen). Am liebsten hätte er sich von allen Geschäften zurückgezogen und in ein Kloster begeben. Doch sein Freund, der ehrwürdige Bartholomäus von Braga (Dominikaner und Erzbischof von Braga in Portugal), konnte ihn davon abbringen und überzeugen, dass er sehr wohl an dem Platz sei, an dem Gott ihn haben wolle. Die folgenden Jahre in Rom waren vor allem den Vorbereitungen zur Reform des Messbuchs und des Breviers sowie der Abfassung des von den Konzilsvätern bestellten Katechismustextes gewidmet. Karl war auch Mitglied einer Kommission, die mit der Revision der liturgischen Musik beauftragt war.

Als er die Nachricht erhielt, dass sein Onkel, der Papst, erkrankt sei, eilte er an dessen Lager; doch der Zustand des Heiligen Vaters war hoffnungslos. Karl bereitete ihn – unterstützt vom hl. Philipp Neri – auf den Tod vor. Pius IV. starb am 10. Dezember 1565; das Konklave wählte im Januar 1566 Kardinal Michele Ghislieri zum neuen Papst, der auf Karls Rat hin den Namen Pius V. annahm. Der Pontifex äußerte den Wunsch, dass Karl bei ihm bleiben möge; doch nachdem dieser in der Kurie alle notwendigen Maßnahmen zur Wahrung der Kontinuität ergriffen hatte, bekam er schließlich die Erlaubnis, in seine Diözese zurückzukehren, um sie persönlich zu leiten.

„Wie aber das Amt fortdauern sollte, das vom Herrn ausschließlich dem Petrus, dem ersten der Apostel, übertragen wurde und auf seinen Nachfolger übergehen sollte, so dauert auch das Amt der Apostel, die Kirche zu weiden, fort und muss von der heiligen Ordnung der Bischöfe immerdar ausgeübt werden“, mahnt das II. Vatikanische Konzil. „Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung, die jedoch ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden können“ (Konstitution Lumen gentium, Nr. 20 und 21).

„Durch das Auflegen der Hände und die Worte der Weihe wird die Gnade des Heiligen Geistes so übertragen und die heilige Prägung so aufgedrückt, dass die Bischöfe in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgaben Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, übernehmen und in seiner Person handeln“, lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche. „Der Bischof erhält vor allem eine Gnade der Stärke. Dies befähigt ihn, seine Kirche wie ein Vater und Hirt kraftvoll und klug zu leiten und zu schützen in selbstloser Liebe zu allen und in besonderer Weise zu den Armen, Kranken und Notleidenden. Diese Gnade drängt ihn, das Evangelium allen zu verkünden, seiner Herde Vorbild zu sein und ihr auf dem Weg der Heiligung voranzugehen, indem er sich in der Eucharistiefeier mit Christus, dem Priester und Opfer, vereint und nicht davor zurückschreckt, für seine Schafe sein Leben hinzugeben“ (Nr. 1558 und 1586).

Unter dem Schutz Mariens

Karl unternahm zunächst eine Wallfahrt nach Loreto, um sein Episkopat unter den Schutz Mariens zu stellen, und traf am 5. April 1566 in Mailand ein, wo er sich gleich an die Reformierung seiner großen Diözese machte. Er begann bei sich selbst und seinem Bischofs-palast: Er verschenkte einen großen Teil seiner persönlichen Besitztümer an die Armen und führte fortan ein bescheidenes Leben. Karl war großgewachsen und ziemlich korpulent; deshalb unterzog er sich schweren Kasteiungen. Er fastete, d.h. er verzichtete auf jede Nahrung abgesehen von einer einzigen Mahlzeit, die er, wie in der alten Kirche üblich, am späten Nachmittag nach der Vesper zu sich nahm; wie vom hl. Augustinus und dem hl. Ambrosius empfohlen, spendete er das an seiner Tafel gesparte Essen den Armen. Er engagierte sich auch in der Gefängnisseelsorge.

Kardinal Borromäus suchte die Priester für die verschiedenen Ämter seiner Diözese sorgfältig aus. Sein Generalvikar war ein in Rechtsfragen besonders kenntnisreicher Mann und führte ein vorbildliches Leben. Die für die Rechtsprechung zuständigen Richter wurden gut bezahlt, um jeder Versuchung der Käuflichkeit zuvorzukommen. Karl reformierte das Domkapitel und sorgte dafür, dass die Domherren, von denen er unermüdlichen Einsatz im Beichtdienst erwartete, dogmatisch gut geschult waren. 1577 forderte er sie auf, das Gemeinschaftsleben und das gemeinsame Stundengebet wieder aufzunehmen. Das Diözesanseminar gestaltete er getreu den Dekreten des Konzils von Trient. Dank seines diplomatischen Geschicks und seiner Güte wurden die Reformen gut aufgenommen.

Karls Sorge galt auch den Bruderschaften, die sich um die christliche Unterweisung der Kinder bemühten. Sein Vorbild stieß in vielen anderen Diözesen auf große Resonanz. Er visitierte fünfmal seine gesamte Diözese; die nur schwer zugänglichen Bergdörfer suchte er mitunter zu Fuß auf. Im Oktober 1567 machte er sich zur Visitation dreier abgelegener Täler im Veltlin auf, einem damals unter schweizerischen Herrschaft Kreis wo wirklich alles im Argen lag. Der Klerus führte ein mondänes, mitunter anstößiges Leben und vernachlässigte seine seelsorgerlichen Aufgaben. Die Sitten des Volkes hatten sich dem schlechten Vorbild angepasst. Der Besuch des Bischofs trug sowohl beim Klerus als auch bei den Gläubigen bald reiche Früchte. An einem anderen Ort wurde Bischof Borromäus Ziel eines bewaffneten Überfalls seitens eines Domkapitels, das sich seiner Rechtshoheit nicht unterwerfen wollte und daher seine Pastoralvisite ablehnte: Das Kreuz, das er vor sich hertragen ließ, wurde von Kugeln durchlöchert, er selbst blieb allerdings unverletzt.

Ein Pistolenschuss

Karl Borromäus unterstützte die Gründung mehrerer Bruderschaften zur Betreuung von Armen sowie von Sündern und gründete selbst eine Vereinigung von Weltpriestern, die „Oblaten des heiligen Ambrosius“, die ihn in seinem Amt unterstützen sollte und in deren Tradition die 1995 von Don Massimo Camisasca ins Leben gerufene „Priesterbruderschaft der Missionare des heiligen Karl Borromäus“ steht. Während seines Episkopats hielt Karl mehrere Diözesan- und Provinzialsynoden ab, wobei er jeden Arbeitstag mit einer Ansprache eröffnete und beschloss. Ab 1567 sollte er im Auftrag des Papstes für die Wiederherstellung der Disziplin innerhalb des Ordens der „Humiliaten“ sorgen. Manche Brüder akzeptierten die von ihm ergriffenen Maßnahmen, andere leisteten Widerstand und bereiteten sogar ein Attentat gegen ihn vor. Im Oktober 1567 gab ein Bruder während einer Messe einen Pistolenschuss auf ihn ab. Obwohl er sich getroffen wähnte, signalisierte Karl, dass man den Gottesdienst fortsetzen solle. Nach Beendigung der Messe stellte man fest, dass die Kugel von seiner Haut auf wundersame Weise aufgehalten wurde. Trotz Karls Intervention beim Gouverneur von Mailand wurden vier Verschwörer verhaftet, verurteilt und hingerichtet. Der Orden der Humiliaten wurde 1571 von Papst Pius VI. verboten.

Die Ernte des Jahres 1570 fiel katastrophal aus; im Winter kam es zu einer landesweiten Hungersnot. Karl engagierte sich bis zur Erschöpfung, um die Armen zu ernähren, und konnte an manchen Tagen 3000 Personen versorgen. Manch eine reiche und mächtige Persönlichkeit folgte seinem Vorbild. Im selben Jahr nutzte Karl den vom hl. Pius V. ausgerufenen „Gebetskreuzzug“ gegen die Türkengefahr, um die Gläubigen zur Umkehr und zur Buße zu ermahnen; er appellierte auch sich selbst und seine Priester: „Die Stunde ist schon da für euch, um aufzustehen vom Schlaf (Röm 13,11). Die Mahnung des Apostels richtet sich auch an uns, Priester Jesu Christi, die wir gehalten sind, über die anderen zu wachen. Wir sind die Wachsoldaten, die Gott zum Schutz seines Volkes aufgestellt hat; wehe uns, wenn wir einschlafen! Der Herr hat uns gewarnt: Sieht jedoch der Wächter das Schwert hereinbrechen, stößt aber nicht ins Widderhorn und warnt das Volk nicht, so dass das Schwert kommt und einen von ihnen hinwegrafft, so wird dieser zwar wegen seiner Schuld hinweggerafft, sein Blut aber fordere ich aus der Hand des Wächters (Ez 33,6).“ Der schließlich von den Christen errungene Sieg über die ottomanische Flotte bei Lepanto, den man der Fürsprache der Gottesmutter zuschrieb, wurde in Mailand mit einem aufwendigen Dank- und Volksfest gefeiert.

Obwohl Kardinal Borromäus seit dem Sommer 1571 unter anhaltendem Fieber und Husten litt, reiste er nach dem Tod des hl. Pius V. im folgenden Jahr zum Konklave nach Rom. Der neue Papst nahm den Namen Gregor XIII. an. Karl nutzte die Gelegenheit, um die Ämter niederzulegen, die er in der römischen Kurie noch innehatte. Bald danach wurden vom Gouverneur von Mailand ein paar gefälschte Briefe publiziert, die belegen sollten, dass der Erzbischof die Vorrechte des spanischen Königs, zu dessen Hoheitsgebiet die Lombardei damals gehörte, in Frage stellte. Nachdem Karl alle Rechtsmittel ausgeschöpft hatte, sah sich er gezwungen, den Kanzler sowie den Gouverneur zu exkommunizieren. Nach mehrmonatiger Auseinandersetzung musste der Gouverneur seine Behauptungen schließlich widerrufen; danach bat er um Aufhebung der Exkommunikation, die Karl ihm gerne gewährte.

Zum Jubiläum 1575 reiste der Mailänder Erzbischof nach Rom. Im folgenden Jahr wurde das Jubiläum dann in der Diözese Mailand begangen, und Karl berief die vierte Provinzialsynode ein. Doch gleichzeitig brach die Pest aus. Der Erzbischof arbeitete bis zur Erschöpfung, besuchte Pestkranke sowohl zu Hause als auch in den Hospitälern. Schon zu Beginn der Seuche hatte er die Möglichkeit seines Todes im Dienste der Kranken akzeptiert. Zunächst mit einer verständlichen Zurückhaltung, die aber bald überwunden war, folgte der Klerus seinem Beispiel. Die Seuche klang in den Jahren 1577-1578 allmählich ab.

„Hier komme ich!“

Im Herbst 1584 zwang eine Wundrose am Bein den Erzbischof zur Bettruhe. Desungeachtet berief er eine Versammlung der Regionaldechanten ein, um Angelegenheiten der Diözese zu regeln, und betrieb daneben die Gründung eines Hospitals für arme Rekonvaleszente. Die Vorahnung seines baldigen Todes veranlasste ihn, sich am 15. Oktober zur inneren Einkehr an den Wallfahrtsort Varallo zu begeben und eine Generalbeichte abzulegen. Obwohl er hohes Fieber hatte, las er weiterhin jeden Tag die Messe. Bei seiner Rückkehr nach Mailand hielten die Ärzte seinen Zustand für überaus besorgniserregend. Er empfing die Letzte Ölung sowie die heilige Kommunion als Wegzehrung. Um den Bischofssitz drängten sich so viele betende Gläubige, dass der damalige Gouverneur von Mailand sich den Weg zum Palast richtiggehend freikämpfen musste. Am 3. November 1584 starb der Kardinal im Alter von 46 Jahren mit den Worten: Ecce venio! – Hier komme ich! (vgl. Offb 3,11). Die Trauerfeierlichkeiten wurden am 7. November von Kardinal Niccoló Sfondrati, dem künftigen Papst Gregor XIV., zelebriert. Der Ruf der Heiligkeit von Kardinal Borromäus wuchs und verbreitete sich rasend schnell. Er wurde am 1. November 1610 von Papst Paul V. heiliggesprochen.

„Brüder“, sagte der hl. Karl 1584 in einer Predigt über die Hochzeit von Kana, „möge Maria unsere Patronin, unsere Fürsprecherin, unsere Mutter sein! Wenn sie unsere Sache in die Hand nimmt, haben wir nichts zu befürchten, ihre Hilfe ist uns sicher. ‚O gütigste Mutter, blicke vom Himmel auf uns herab und siehe unsere Bedürftigkeit! Uns fehlt der Wein der Liebe … Maria, erbitte für uns die Verwandlung des Wassers in Wein!’ Die Jungfrau bittet uns jedoch auch, an ihren Gebeten mitzuwirken, indem wir das, was uns ihr göttlicher Sohn vorgibt, unverzüglich ausführen, damit wir die Wirkung seiner Macht in uns spüren können.“

Dom Antoine Marie osb

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