Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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13. Juni 2002
Hl. Antonius von Padua


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Am 14. August 1993 sagte Papst Johannes-Paul II. in Denver (USA) vor Jugendlichen: «Die Bedrohungen gegen das Leben nehmen mit der Zeit nicht ab. Im Gegenteil, sie nehmen immer größere Ausmaße an ... Es handelt sich um wissenschaftlich und systematisch geplante Bedrohungen. Das zwanzigste Jahrhundert wird als Epoche massiver Angriffe auf das Leben, als endlose Serie von Kriegen und andauernde Vernichtung unschuldiger Menschenleben gelten ...» (14. August 1993).

Wir stehen einer «Verschwörung gegen das menschliche Leben» gegenüber, in deren Rahmen internationale Institutionen regelrechte Kampagnen für die Verbreitung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation, der Abtreibung und der Euthanasie durchführen, unter Mitwirkung der Massenmedien. Die Anwendung dieser Praktiken wird vor der öffentlichen Meinung als Zeichen des Fortschritts und als Errungenschaft der Freiheit hingestellt, während die Verteidiger des Lebens als freiheits- und fortschrittsfeindlich verleumdet werden (vgl. Enzyklika Evangelium vitæ, 25. März 1995, Nr. 17).

In einer Stunde, in der die Welt schwer um den Frieden besorgt ist, erinnern wir an die Worte von Mutter Teresa beim Empfang des Friedensnobelpreises am 10. Dezember 1979: «Der größte Zerstörer des Friedens heute ist das gegen das unschuldige, ungeborene Kind begangene Verbrechen.» Gott kann in der Tat das Verbrechen Kains nicht ungesühnt lassen: Das Blut Abels fordert, dass Gott Gerechtigkeit schafft. Gott sprach zu Kain: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir vom Erdboden empor (Gen 4,10). Nicht nur das Blut Abels, sondern auch das Blut aller unschuldigen Ermordeten schreit zum Himmel (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2268). Und im Laufe der letzten Jahrzehnte sind Millionen Unschuldiger im Schoße ihrer Mütter getötet worden.

Der Eintritt ins dritte Jahrtausend hat in Frankreich keine Wende zu einer lebensfreundlichen Politik markiert. Seit dem Jahr 2000 ist die Verabreichung von NorLevo (der sogenannten «Pille danach», eines in Wirklichkeit abtreibenden Produktes) an Minderjährige an den Schulen ohne Einwilligung der Eltern erlaubt. Am 4. Juli 2001 hat ein neues Abtreibungsgesetz die Bestimmungen des vorhergehenden Gesetzes (1979) noch verschlimmert, das die absichtliche «Schwangerschaftsunterbrechung» (= Abtreibung) als letztes Mittel in einer Notsituation gestattet hatte. Jetzt gibt es ein «richtiges Recht auf Abtreibung», das die meisten zum Schutze des kindlichen Lebens vorgesehenen Bestimmungen abschafft; die gesetzlich erlaubte Frist wird von 10 auf 12 Wochen verlängert, die Einwilligung der Eltern bei Minderjährigen abgeschafft, die Anstiftung zur Abtreibung nicht mehr bestraft und die Verfolgungsgründe gegen Abtreibungsgegner verschärft.

Eine «gute Nachricht» für unsere Zeit

Im Kampf gegen diese Kultur des Todes und ihre dramatischen Folgen für den bürgerlichen Frieden und für die ewige Bestimmung der Menschen verweist uns die Kirche auf die Gebote Gottes, die in das Herz jedes menschlichen Wesens eingraviert sind. Als Zeugin der Liebe Gottes zu den Menschen verteidigt sie die Schwächsten und unterstreicht die Bedeutung des fünften Gebots (Du sollst nicht töten). «Seit dem ersten Jahrhundert hat die Kirche es für moralisch verwerflich erklärt, eine Abtreibung herbeizuführen. Diese Lehre hat sich nicht geändert und ist unveränderlich» (Katechismus, Nr. 2271). Um eine konkretere Anleitung zu geben, führt uns die Kirche das Vorbild der Heiligen vor Augen. So sprach Papst Johannes-Paul II. am 25. April 1994 Gianna Beretta-Molla selig, eine Mutter, deren Zeugnis für das menschliche Leben für die Menschen unserer Zeit eine «gute Nachricht» ist.

Gianna wurde als zehntes von dreizehn Geschwistern (von denen fünf frühzeitig verstarben) am 4. Oktober 1922 in Magenta (Norditalien) geboren. Die Eltern der Familie wohnten jeden Tag der Messe bei und sorgten für eine heitere und christliche Atmosphäre. An Sonntagnachmittagen begleiteten die Kinder ihren Vater auf seinen Besuchen bei Armen, Alten, Verlassenen und Hilfsbedürftigen.

Am 4. April 1928 ging Gianna zur Erstkommunion. Die Eucharistie wurde ihr von da an zur unverzichtbaren täglichen Nahrung. In der Schule war sie eine mittelmäßige Schülerin: Erst nach Beendigung der Grundschule erzielte sie einige gute Ergebnisse. Sie wurde am 9. Juni 1930 gefirmt. Auf der höheren Schule war sie immer noch nicht hervorragend. Ihr geistliches Leben hingegen war intensiv und strahlend: Eine Zeit der Besinnung jeden Morgen schenkte ihr für den ganzen Tag die Kraft und die Freude zu lieben. Von offenem Wesen, verzieh sie leicht und ertrug geduldig die Schmerzen, die sich aus charakterlichen Unterschieden ergaben. Sie schätzte die Schönheiten der Natur und nahm in den Ferien Zeichen- und Klavierstunden. Der spirituelle Werdegang und das Apostolat Giannas wurden durch die italienische Katholische Frauenaktion gefördert, der sie sich bereits im Alter von zwölf Jahren anschloss.

Eine unauslöschliche Prägung

Vom 16. bis zum 18. März 1938 nahm Gianna an Exerzitien teil, die den geistlichen Übungen des heiligen Ignatius folgten. Die Gnaden, die sie dabei empfing, prägten sie für ihr ganzes Leben. Sie ergründete die Grundwerte des spirituellen Lebens: die Notwendigkeit der Gnade und des Gebets, den Schrecken der Sünde, die Nachfolge Christi, die Kasteiung; vor allem begann sie das Apostolat als hervorragenden Ausdruck der Nächstenliebe zu sehen. Unter ihren Entschlüssen schrieb sie: «Alles tun für den Herrn ... Um Gott zu dienen, werde ich nicht mehr ins Kino gehen, ohne mich vorher zu vergewissern, dass es sich um einen anständigen und keinen Anstoß erregenden oder unmoralischen Film handelt ... Ich möchte lieber sterben als eine eine Todsünde begehen ... Jeden Tag das 'Gegrüßet seist du, Maria' beten, damit der Herr mir einen heiligen Tod schenkt ... Der Weg der Erniedrigung ist der kürzeste Weg zur Heiligkeit. Zum Herrn beten, er möge mich ins Paradies führen.» Sie lernte das innere Gebet, d.h. wie man im Grunde seines Herzens mit Gott vertraut Zwiesprache hält.

1942 verlor Gianna plötzlich ihre Mutter, die erst 53 Jahre alt war. Vier Monate später starb auch ihr Vater. Von den noch lebenden Beretta-Kindern hatten vier bereits einen Beruf, drei weitere studierten; Gianna hatte gerade Abitur gemacht. Sie hatte vor, als Missionsschwester nach Brasilien zu gehen. Bis dahin begann sie in Mailand Medizin zu studieren. Trotz der schwierigen Zeit (Italien befand sich im Krieg), arbeitete sie angestrengt. Machte sich bei ihr Müdigkeit bemerkbar, pflegte sie in die Kirche zu gehen: «Wenn ich müde bin und nicht mehr kann, erhole ich mich mit ein wenig Besinnung, um mit Jesus zu sprechen.» Doch sie litt unter ihren Schwachpunkten und vertraute einer Nonne an: «Die zwei Fehler, auf die Sie mich hinweisen, sind wahr. Ich bin eigensinnig, mache immer, was ich will, obwohl ich mein Rückgrat beugen müsste ... Ich werde mir Mühe geben. Was die Nächstenliebe angeht, versuche ich seit einiger Zeit mich zu überwinden, um nicht über meinen Nächsten zu urteilen, aber manchmal ist das wirklich schwer.» In den Ferien fuhr Gianna gerne Ski und kletterte im Gebirge.

Die Jahre ihres Universitätsstudiums waren eine für das Apostolat sehr günstige Zeit. Da sie sehr aktiv und voller Initiative war, freundete sie sich mit jungen Mädchen an, organisierte Ausflüge, Feste und Spiele, um ihre Freundinnen zur Liebe zu Gott und ihren Nächsten zu ermuntern. «Sie hörte den anderen zu und sprach wenig, antwortete jedoch treffend, als hörte sie eine innere Stimme», sagte man später von ihr. «Im Sommer pflegte sie ihre Gefährtinnen von der Katholischen Aktion in ihr Ferienhaus zu Exerzitien einzuladen.» Sie selbst erklärte: «Die Tatsache allein, dass man gut spricht, reißt keinen mit, wenn man aber mit einem Beispiel vorangeht, das ja. Die Wahrheit in der eigenen Person selbst sichtbar machen; die Wahrheit liebenswert machen, indem man sich selbst als attraktives und wenn möglich heroisches Vorbild anbietet ... Habt keine Angst, Gott, die Kirche, den Papst und die Priester zu verteidigen. Gegen diese ganze antireligiöse und unmoralische Kampagne kann man nicht gleichgültig bleiben ... Wir müssen handeln, in allen Wirkungsbereichen aktiv werden, sozial, familiär und politisch. Und arbeiten, weil alle finsteren und bedrohlichen Kräfte des Bösen sich verbündet haben.»

Beten, selbst wenn alles uns ablenkt

Doch das Handeln muss durch Gebet und Opfer unterstützt werden: «Wenn wir wollen, dass unser Apostolat nicht vergeblich, sondern wirkungsvoll sei, so müssen wir zu betenden Seelen werden. Selbst wenn alles um uns den ganzen Tag über uns vom Beten ablenkt! Dieses Gebet muss im Glauben an die Allmacht Gottes gesprochen werden, der uns helfen kann ... Und wenn wir, nachdem wir bei der Arbeit unser Bestes gegeben haben, einen Misserfolg einstecken müssen, so wollen wir ihn großherzig annehmen; ein von einem Apostel, der all seine Mittel für den Erfolg eingesetzt hat, gut hingenommener Misserfolg ist für das Heil wirkungsvoller als ein Sieg.» Oft werden von ihr die Tugend der Reinheit und die Erziehung zur wahren Liebe empfohlen: «Wie soll man die Reinheit bewahren? Indem wir unseren Körper mit der Hecke des Opfers umgeben. Die Reinheit ist eine zusammenfassende Tugend, d.h. ein ganzes Bündel von Tugenden ... Die Reinheit wird Schönheit, dann auch Kraft und Freiheit. Frei ist, wer zu widerstehen und zu kämpfen fähig ist.»

Im November 1949 nahm Gianna ihren Doktortitel in Medizin und Chirurgie in Empfang. Danach spezialisierte sie sich auf Kinderheilkunde, und zwar nicht nur aus Kinderliebe, sondern auch, um den Müttern nahe zu sein, und eröffnete eine Privatpraxis in Mesero. Jedem ihrer Kranken hörte sie mit viel Geduld und Liebenswürdigkeit zu. Waren ihre Krankheiten auf ein zerrüttetes sittliches Leben zurückzuführen, so litt sie sehr darunter und riet ihnen voller Überzeugung, ihren Lebenswandel zu ändern. Den besonders armen Kranken schenkte sie nicht nur Medikamente, sondern zusätzlich auch Geld: «Wenn ich einen Kranken behandele, der nichts zu essen hat, wozu sind dann die Medikamente gut?» Gianna betrachtete ihren Beruf als wahres Apostolat: «Jeder arbeitet im Dienste des Menschen. Wir Ärzte arbeiten unmittelbar am Menschen selbst ... Das große Geheimnis des Menschen ist Jesus: 'Wer einen Kranken besucht, hilft mir', sagt Jesus ... Wie der Priester Jesus berühren kann, berühren auch wir Jesus im Leib unserer Kranken ... Wir haben Gelegenheiten, Gutes zu tun, die der Priester nicht hat. Unsere Mission ist nicht beendet, wenn die Medikamente nicht mehr helfen; man muss die Seele zu Gott führen, unser Wort besitzt eine gewisse Autorität ... Wie nötig katholische Ärzte doch sind!»

Alle Wege des Herrn sind schön

In den ersten Monaten des Jahres 1954 stellte sich Gianna erneut die Frage nach ihrer Berufung. Nach vielem Beten entschied sie sich für die Ehe und schrieb an eine Freundin: «Die Wege des Herrn sind alle schön, wenn nur das Ziel stets dasselbe bleibt: Unsere Seele retten und viele andere Seelen ins Paradies tragen, um Gott zu verherrlichen.» Am 24. September 1955 heiratete sie Pietro Molla; das Eheversprechen wurde ihnen von Pfarrer Giuseppe Beretta, dem Bruder Giannas, abgenommen. In einem vor jungen Mädchen aus der Katholischen Aktion gehaltenen Vortrag hatte Gianna erklärt: «Jede Berufung ist eine Berufung zur Mutterschaft: physisch, geistlich und sittlich, weil Gott uns den Lebenstrieb eingepflanzt hat. Der Priester ist (geistlich betrachtet) Vater; die Nonnen sind Mütter, Mütter von Seelen ... Sich auf seine Berufung vorbereiten, bedeutet, sich darauf vorbereiten, Leben zu schenken.» Am 19. November 1956 wurde in der Familie Beretta-Molla ein Knabe, Pietro-Luigi, geboren; am 11. Dezember 1957 kam ein Mädchen, Maria Zita; am 15. Juli 1960 schließlich eine zweite Tochter, Laura. Die drei Schwangerschaften waren für Gianna schwer gewesen, doch sie hatte in ihrem Glauben Rückhalt gefunden. Um sich nach der Geburt jedes ihrer Kinder bei Gott zu bedanken, spendete sie aus ihren Ersparnissen jeweils einen dem Halbjahresgehalt eines Angestellten entsprechenden Betrag für die Mission.

Die sittliche und religiöse Erziehung ihrer Kinder lag Gianna besonders am Herzen. Sobald sie dazu in der Lage waren, ließ sie sie jeden Abend eine altersgemäße Gewissenserforschung machen, indem sie sie aufforderte, über diese oder jene Handlung nachzudenken und zu überlegen, warum Jesus wohl damit unzufrieden war. Statt sie auf der Stelle zu tadeln, wartete sie bis zum Abendgebet, um die Sache zum Thema des Tages zu machen. Sie wollte sie weder schlagen noch allzu laut mit ihnen schimpfen, denn sie meinte: «Vielleicht haben diese Kinder ihre Mama nur kurze Zeit bei sich; ich will nicht, dass sie sie in schlechter Erinnerung behalten.» Die berufliche Arbeit hinderte Gianna nicht daran, ihren Pflichten als Gattin und Mutter nachzukommen. Nach der Geburt Lauras beschloss sie jedoch, die Ausübung ihres Berufs als Ärztin aufzugeben, wenn sie ein viertes Kind bekommen sollte.

Im August 1961 kündigte sich ein weiteres Kind an. Im zweiten Schwangerschaftsmonat merkte Gianna, dass neben ihrer Gebärmutter ein harter Knoten von Tag zu Tag größer wurde und sowohl das Leben des Kindes als auch ihr eigenes bedrohte: Es handelte sich um ein Fibrom (einen Tumor), das entfernt werden musste. Gianna war sich der Risiken, die sie auf sich nehmen musste, bewusst. Ihr standen drei Lösungmöglichkeiten offen: - die Entfernung des Fibroms und der Gebärmutter mit dem darin befindlichen Kind; dieser Eingriff würde das Leben der Mutter mit großer Sicherheit retten, doch das Kind müsste sterben, und sie könnte keine weiteren Kinder bekommen; - die Entfernung des Fibroms und eine Abtreibung; die Mutter könnte überleben und später eventuell weitere Kinder bekommen; doch diese Lösung widersprach dem Gesetz Gottes; - lediglich die Entfernung des Fibroms, wobei man versuchen könnte, die laufende Schwangerschaft nicht zu gefährden; nur diese dritte Möglichkeit ließ das Kind am Leben, doch sie setzte das Leben der Mutter einer sehr ernstzunehmenden Gefahr aus.

Gianna musste als innig geliebte Gattin und glückliche Mutter von drei schönen Kindern eine Wahl treffen und entscheiden: entweder eine für ihr eigenes Leben sicherere Lösung oder die einzige Lösung zur Rettung ihres Kindes: «es oder ich», das Kind oder die Mutter. Sie entschied sich zu Gunsten des Lebens, das sie in sich wachsen fühlte; sie setzte freiwillig ihr eigenes Leben aufs Spiel. Die Liebe zum Kind war größer: «Ihr sollt euch nicht um mich sorgen, wenn nur für das Baby alles gut geht!», sagte sie nachdrücklich zu ihrer Umgebung.

Sich selbst vergessen und sich hingeben

Der Gang zum Kalvarienberg mit dem gekreuzigten Jesus nahm seinen Anfang. Vor der Operation am 6. September bat Gianna den Chirurgen erneut, sein Möglichstes zu tun, um das Kind zu retten und sich nicht um sie selbst zu kümmern. Dem Priester, der gekommen war, um ihr Mut zu machen, vertraute sie ihre Sorge an: «Ja, in diesen Tagen habe ich soviel gebetet. Ich habe mich voller Glauben und Hoffnung dem Herrn anvertraut, selbst angesichts dieses schrecklichen Wortes der Medizin: entweder das Leben der Mutter oder das Leben des Kindes. Ich habe Vertrauen zu Gott, ja; jetzt ist es an mir, meine Pflicht als Mutter zu erfüllen. Ich biete dem Herrn mein Leben zum Opfer dar. Ich bin zu allem bereit, wenn nur mein Kind gerettet wird.» Die Operation, die in der Entfernung des Fibroms unter Erhaltung des Uterus bestand, gelang: Das Kind war gerettet. Der Wunsch Giannas wurde erhört. Doch sie war sich der Tatsache bewusst, dass in einigen Monaten ihre Gebärmutter reißen konnte, was zu einer tödlichen Blutung führen würde.

Trotzdem strahlte sie eine große Freude darüber aus, dass ihre Schwangerschaft und das Leben ihres Kindes gerettet war. Sie wusste, was es bedeutet, «Mutter zu sein»: sich selbst zu vergessen und sich hinzugeben. Ohne dass jemals das Lächeln aus ihrem Gesicht wich, verbrachte Gianna die letzten Monate ihrer Schwangerschaft unter großen physischen und moralischen Schmerzen im Gebet und in der Hingabe an den Willen Gottes. Am 21. April 1962, dem Karsamstag, brachte sie eine kleine Tochter zur Welt, die auf den Namen Gianna-Emmanuela getauft wurde. Nach der Geburt verschlimmerte sich der Zustand der Mutter. Wenn der Schmerz zu groß wurde, küsste sie ihr Kruzifix, «ihren großen Trost». Sie bat um einen Priester und empfing andächtig die letzten Sakramente. Während ihres Todeskampfes wiederholte sie ständig die Worte: «Jesus, ich liebe dich! Jesus, ich liebe dich!» Gianna starb am 28. April gegen 8 Uhr friedlich im Beisein ihres Mannes, der mit ihrer Entscheidung völlig einverstanden gewesen war. Sie hatte den Herrn jeden Tag um die Gnade eines guten und heiligen Todes gebeten. Nach ihrem Eingang in das wahre, unendliche Leben hat die Selige die Ihren nicht verlassen, sondern ist mit einer noch größeren Liebe zu ihrer Fürsprecherin geworden.

Ehrung der Mütter ...

Anlässlich ihrer Seligsprechung konnte Papst Johannes-Paul II. in Gegenwart von Gianna Emmanuella sagen: «Gianna Beretta-Molla hat ihr Leben als Opfer hingegeben, damit das Wesen, das sie in ihrem Schoß trug - und das heute einer von uns ist! -, leben kann. Als Ärztin war sie sich dessen bewusst, was sie erwartete, aber sie ist vor dem Opfer nicht zurückgewichen und hat so die Heldenhaftigkeit ihrer Tugenden bestätigt. Wir möchten alle mutigen Mütter ehren, die sich ohne Vorbehalt für ihre Familie aufopfern und dann bereit sind, keine Mühe zu scheuen, alle Opfer zu bringen, um ihnen das Beste weiterzugeben, was sie in sich tragen. Wie müssen sie gegen Schwierigkeiten und Gefahren ankämpfen! Wie oft sind sie gerufen, wahrhaftigen 'Wölfen' die Stirn zu bieten, die der Herde das Leben zu nehmen und sie zu zerstreuen entschlossen sind. Und diese heroischen Mütter werden von ihrer Umgebung nicht immer unterstützt. Im Gegenteil, die von den Kommunikationsmitteln oft gespriesenen und propagierten Gesellschaftsmodelle begünstigen die Mutterschaft in keiner Weise. Im Namen des Fortschritts und der Modernität werden heute die Werte der Treue, der Keuschheit und der Aufopferung, durch die sich viele christliche Frauen und Mütter nach wie vor auszeichnen, als überholt dargestellt. So fühlt sich als Folge davon eine Frau, die beschließt, ihren Grundsätzen treu zu bleiben, oft zutiefst alleingelassen. Ihre Richtschnur ist Christus, der uns die Liebe offenbart hat, die der Vater uns so überreichlich schenkt. Eine Frau, die an Christus glaubt, findet einen mächtigen Rückhalt in dieser Liebe, die alles ertragen hat. Diese Liebe erlaubt es ihr, daran zu glauben, dass sie alles, was sie für ein empfangenes, ein geborenes, ein heranwachsendes oder erwachsenes Kind tut, gleichzeitig auch für ein Kind Gottes tut. Wie der heilige Johannes in der heutigen Lesung schreibt: Kinder Gottes heißen wir und sind es (1 Joh 3,1). Wir sind Kinder Gottes. Wenn diese Wirklichkeit sich voll offenbart, werden wir Gott ähnlich sein, denn wir werden ihn schauen, wie er ist (vgl. 1 Joh 3,2).»

Der Papst drückt seine väterliche Sorge auch um die Frauen aus, die sich für eine Abtreibung entschieden haben; in der Enzyklika Evangelium vitæ richtet er folgende ermutigende Worte an sie: «Die Kirche weiß, wie viele Bedingtheiten auf eure Entscheidung Einfluss genommen haben können... Was geschehen ist, war und bleibt in der Tat zutiefst unrecht. Lasst euch jedoch nicht von Mutlosigkeit ergreifen, und gebt die Hoffnung nicht auf... Falls ihr es noch nicht getan habt, öffnet euch voll Demut und Vertrauen der Reue: der Vater allen Erbarmens wartet auf euch, um euch im Sakrament der Versöhnung seine Vergebung und seinen Frieden anzubieten... Mit Hilfe des Rates und der Nähe befreundeter und zuständiger Menschen werdet ihr mit eurem erlittenen Zeugnis unter den beredtesten Verfechterinnen des Rechtes aller auf Leben sein können... und eine neue Betrachtungsweise des menschlichen Lebens schaffen» (Nr. 99).

«Beten wir alle darum, dass wir den Mut haben, das werdende Leben zu verteidigen und ihm die Möglichkeit zu lieben und geliebt zu werden geben», hat Mutter Teresa gesagt. «Und ich denke, dass wir so mit der Gnade Gottes den Frieden in die Welt bringen können.»

Mögen unsere Liebe Frau und der heilige Josef den inneren Frieden für uns erwirken, den das Wort Gottes durch seine Fleischwerdung der Welt bringen wollte!

Dom Antoine Marie osb

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