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13. Juni 2002 Hl. Antonius von Padua |
Wir stehen einer «Verschwörung gegen das menschliche Leben» gegenüber, in deren Rahmen internationale Institutionen regelrechte Kampagnen für die Verbreitung der Empfängnisverhütung, der Sterilisation, der Abtreibung und der Euthanasie durchführen, unter Mitwirkung der Massenmedien. Die Anwendung dieser Praktiken wird vor der öffentlichen Meinung als Zeichen des Fortschritts und als Errungenschaft der Freiheit hingestellt, während die Verteidiger des Lebens als freiheits- und fortschrittsfeindlich verleumdet werden (vgl. Enzyklika Evangelium vitæ, 25. März 1995, Nr. 17).
In einer Stunde, in der die Welt schwer um den Frieden besorgt ist, erinnern wir an die Worte von Mutter Teresa beim Empfang des Friedensnobelpreises am 10. Dezember 1979: «Der größte Zerstörer des Friedens heute ist das gegen das unschuldige, ungeborene Kind begangene Verbrechen.» Gott kann in der Tat das Verbrechen Kains nicht ungesühnt lassen: Das Blut Abels fordert, dass Gott Gerechtigkeit schafft. Gott sprach zu Kain: Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir vom Erdboden empor (Gen 4,10). Nicht nur das Blut Abels, sondern auch das Blut aller unschuldigen Ermordeten schreit zum Himmel (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2268). Und im Laufe der letzten Jahrzehnte sind Millionen Unschuldiger im Schoße ihrer Mütter getötet worden.
Der Eintritt ins dritte Jahrtausend hat in Frankreich keine Wende zu einer lebensfreundlichen Politik markiert. Seit dem Jahr 2000 ist die Verabreichung von NorLevo (der sogenannten «Pille danach», eines in Wirklichkeit abtreibenden Produktes) an Minderjährige an den Schulen ohne Einwilligung der Eltern erlaubt. Am 4. Juli 2001 hat ein neues Abtreibungsgesetz die Bestimmungen des vorhergehenden Gesetzes (1979) noch verschlimmert, das die absichtliche «Schwangerschaftsunterbrechung» (= Abtreibung) als letztes Mittel in einer Notsituation gestattet hatte. Jetzt gibt es ein «richtiges Recht auf Abtreibung», das die meisten zum Schutze des kindlichen Lebens vorgesehenen Bestimmungen abschafft; die gesetzlich erlaubte Frist wird von 10 auf 12 Wochen verlängert, die Einwilligung der Eltern bei Minderjährigen abgeschafft, die Anstiftung zur Abtreibung nicht mehr bestraft und die Verfolgungsgründe gegen Abtreibungsgegner verschärft.
Eine «gute Nachricht» für unsere Zeit
Gianna wurde als zehntes von dreizehn Geschwistern (von denen fünf frühzeitig verstarben) am 4. Oktober 1922 in Magenta (Norditalien) geboren. Die Eltern der Familie wohnten jeden Tag der Messe bei und sorgten für eine heitere und christliche Atmosphäre. An Sonntagnachmittagen begleiteten die Kinder ihren Vater auf seinen Besuchen bei Armen, Alten, Verlassenen und Hilfsbedürftigen.
Am 4. April 1928 ging Gianna zur Erstkommunion. Die Eucharistie wurde ihr von da an zur unverzichtbaren täglichen Nahrung. In der Schule war sie eine mittelmäßige Schülerin: Erst nach Beendigung der Grundschule erzielte sie einige gute Ergebnisse. Sie wurde am 9. Juni 1930 gefirmt. Auf der höheren Schule war sie immer noch nicht hervorragend. Ihr geistliches Leben hingegen war intensiv und strahlend: Eine Zeit der Besinnung jeden Morgen schenkte ihr für den ganzen Tag die Kraft und die Freude zu lieben. Von offenem Wesen, verzieh sie leicht und ertrug geduldig die Schmerzen, die sich aus charakterlichen Unterschieden ergaben. Sie schätzte die Schönheiten der Natur und nahm in den Ferien Zeichen- und Klavierstunden. Der spirituelle Werdegang und das Apostolat Giannas wurden durch die italienische Katholische Frauenaktion gefördert, der sie sich bereits im Alter von zwölf Jahren anschloss.
Eine unauslöschliche Prägung
1942 verlor Gianna plötzlich ihre Mutter, die erst 53 Jahre alt war. Vier Monate später starb auch ihr Vater. Von den noch lebenden Beretta-Kindern hatten vier bereits einen Beruf, drei weitere studierten; Gianna hatte gerade Abitur gemacht. Sie hatte vor, als Missionsschwester nach Brasilien zu gehen. Bis dahin begann sie in Mailand Medizin zu studieren. Trotz der schwierigen Zeit (Italien befand sich im Krieg), arbeitete sie angestrengt. Machte sich bei ihr Müdigkeit bemerkbar, pflegte sie in die Kirche zu gehen: «Wenn ich müde bin und nicht mehr kann, erhole ich mich mit ein wenig Besinnung, um mit Jesus zu sprechen.» Doch sie litt unter ihren Schwachpunkten und vertraute einer Nonne an: «Die zwei Fehler, auf die Sie mich hinweisen, sind wahr. Ich bin eigensinnig, mache immer, was ich will, obwohl ich mein Rückgrat beugen müsste ... Ich werde mir Mühe geben. Was die Nächstenliebe angeht, versuche ich seit einiger Zeit mich zu überwinden, um nicht über meinen Nächsten zu urteilen, aber manchmal ist das wirklich schwer.» In den Ferien fuhr Gianna gerne Ski und kletterte im Gebirge.
Die Jahre ihres Universitätsstudiums waren eine für das Apostolat sehr günstige Zeit. Da sie sehr aktiv und voller Initiative war, freundete sie sich mit jungen Mädchen an, organisierte Ausflüge, Feste und Spiele, um ihre Freundinnen zur Liebe zu Gott und ihren Nächsten zu ermuntern. «Sie hörte den anderen zu und sprach wenig, antwortete jedoch treffend, als hörte sie eine innere Stimme», sagte man später von ihr. «Im Sommer pflegte sie ihre Gefährtinnen von der Katholischen Aktion in ihr Ferienhaus zu Exerzitien einzuladen.» Sie selbst erklärte: «Die Tatsache allein, dass man gut spricht, reißt keinen mit, wenn man aber mit einem Beispiel vorangeht, das ja. Die Wahrheit in der eigenen Person selbst sichtbar machen; die Wahrheit liebenswert machen, indem man sich selbst als attraktives und wenn möglich heroisches Vorbild anbietet ... Habt keine Angst, Gott, die Kirche, den Papst und die Priester zu verteidigen. Gegen diese ganze antireligiöse und unmoralische Kampagne kann man nicht gleichgültig bleiben ... Wir müssen handeln, in allen Wirkungsbereichen aktiv werden, sozial, familiär und politisch. Und arbeiten, weil alle finsteren und bedrohlichen Kräfte des Bösen sich verbündet haben.»
Beten, selbst wenn alles uns ablenkt
Im November 1949 nahm Gianna ihren Doktortitel in Medizin und Chirurgie in Empfang. Danach spezialisierte sie sich auf Kinderheilkunde, und zwar nicht nur aus Kinderliebe, sondern auch, um den Müttern nahe zu sein, und eröffnete eine Privatpraxis in Mesero. Jedem ihrer Kranken hörte sie mit viel Geduld und Liebenswürdigkeit zu. Waren ihre Krankheiten auf ein zerrüttetes sittliches Leben zurückzuführen, so litt sie sehr darunter und riet ihnen voller Überzeugung, ihren Lebenswandel zu ändern. Den besonders armen Kranken schenkte sie nicht nur Medikamente, sondern zusätzlich auch Geld: «Wenn ich einen Kranken behandele, der nichts zu essen hat, wozu sind dann die Medikamente gut?» Gianna betrachtete ihren Beruf als wahres Apostolat: «Jeder arbeitet im Dienste des Menschen. Wir Ärzte arbeiten unmittelbar am Menschen selbst ... Das große Geheimnis des Menschen ist Jesus: 'Wer einen Kranken besucht, hilft mir', sagt Jesus ... Wie der Priester Jesus berühren kann, berühren auch wir Jesus im Leib unserer Kranken ... Wir haben Gelegenheiten, Gutes zu tun, die der Priester nicht hat. Unsere Mission ist nicht beendet, wenn die Medikamente nicht mehr helfen; man muss die Seele zu Gott führen, unser Wort besitzt eine gewisse Autorität ... Wie nötig katholische Ärzte doch sind!»
Alle Wege des Herrn sind schön
Die sittliche und religiöse Erziehung ihrer Kinder lag Gianna besonders am Herzen. Sobald sie dazu in der Lage waren, ließ sie sie jeden Abend eine altersgemäße Gewissenserforschung machen, indem sie sie aufforderte, über diese oder jene Handlung nachzudenken und zu überlegen, warum Jesus wohl damit unzufrieden war. Statt sie auf der Stelle zu tadeln, wartete sie bis zum Abendgebet, um die Sache zum Thema des Tages zu machen. Sie wollte sie weder schlagen noch allzu laut mit ihnen schimpfen, denn sie meinte: «Vielleicht haben diese Kinder ihre Mama nur kurze Zeit bei sich; ich will nicht, dass sie sie in schlechter Erinnerung behalten.» Die berufliche Arbeit hinderte Gianna nicht daran, ihren Pflichten als Gattin und Mutter nachzukommen. Nach der Geburt Lauras beschloss sie jedoch, die Ausübung ihres Berufs als Ärztin aufzugeben, wenn sie ein viertes Kind bekommen sollte.
Im August 1961 kündigte sich ein weiteres Kind an. Im zweiten Schwangerschaftsmonat merkte Gianna, dass neben ihrer Gebärmutter ein harter Knoten von Tag zu Tag größer wurde und sowohl das Leben des Kindes als auch ihr eigenes bedrohte: Es handelte sich um ein Fibrom (einen Tumor), das entfernt werden musste. Gianna war sich der Risiken, die sie auf sich nehmen musste, bewusst. Ihr standen drei Lösungmöglichkeiten offen: - die Entfernung des Fibroms und der Gebärmutter mit dem darin befindlichen Kind; dieser Eingriff würde das Leben der Mutter mit großer Sicherheit retten, doch das Kind müsste sterben, und sie könnte keine weiteren Kinder bekommen; - die Entfernung des Fibroms und eine Abtreibung; die Mutter könnte überleben und später eventuell weitere Kinder bekommen; doch diese Lösung widersprach dem Gesetz Gottes; - lediglich die Entfernung des Fibroms, wobei man versuchen könnte, die laufende Schwangerschaft nicht zu gefährden; nur diese dritte Möglichkeit ließ das Kind am Leben, doch sie setzte das Leben der Mutter einer sehr ernstzunehmenden Gefahr aus.
Gianna musste als innig geliebte Gattin und glückliche Mutter von drei schönen Kindern eine Wahl treffen und entscheiden: entweder eine für ihr eigenes Leben sicherere Lösung oder die einzige Lösung zur Rettung ihres Kindes: «es oder ich», das Kind oder die Mutter. Sie entschied sich zu Gunsten des Lebens, das sie in sich wachsen fühlte; sie setzte freiwillig ihr eigenes Leben aufs Spiel. Die Liebe zum Kind war größer: «Ihr sollt euch nicht um mich sorgen, wenn nur für das Baby alles gut geht!», sagte sie nachdrücklich zu ihrer Umgebung.
Sich selbst vergessen und sich hingeben
Trotzdem strahlte sie eine große Freude darüber aus, dass ihre Schwangerschaft und das Leben ihres Kindes gerettet war. Sie wusste, was es bedeutet, «Mutter zu sein»: sich selbst zu vergessen und sich hinzugeben. Ohne dass jemals das Lächeln aus ihrem Gesicht wich, verbrachte Gianna die letzten Monate ihrer Schwangerschaft unter großen physischen und moralischen Schmerzen im Gebet und in der Hingabe an den Willen Gottes. Am 21. April 1962, dem Karsamstag, brachte sie eine kleine Tochter zur Welt, die auf den Namen Gianna-Emmanuela getauft wurde. Nach der Geburt verschlimmerte sich der Zustand der Mutter. Wenn der Schmerz zu groß wurde, küsste sie ihr Kruzifix, «ihren großen Trost». Sie bat um einen Priester und empfing andächtig die letzten Sakramente. Während ihres Todeskampfes wiederholte sie ständig die Worte: «Jesus, ich liebe dich! Jesus, ich liebe dich!» Gianna starb am 28. April gegen 8 Uhr friedlich im Beisein ihres Mannes, der mit ihrer Entscheidung völlig einverstanden gewesen war. Sie hatte den Herrn jeden Tag um die Gnade eines guten und heiligen Todes gebeten. Nach ihrem Eingang in das wahre, unendliche Leben hat die Selige die Ihren nicht verlassen, sondern ist mit einer noch größeren Liebe zu ihrer Fürsprecherin geworden.
Ehrung der Mütter ...
Der Papst drückt seine väterliche Sorge auch um die Frauen aus, die sich für eine Abtreibung entschieden haben; in der Enzyklika Evangelium vitæ richtet er folgende ermutigende Worte an sie: «Die Kirche weiß, wie viele Bedingtheiten auf eure Entscheidung Einfluss genommen haben können... Was geschehen ist, war und bleibt in der Tat zutiefst unrecht. Lasst euch jedoch nicht von Mutlosigkeit ergreifen, und gebt die Hoffnung nicht auf... Falls ihr es noch nicht getan habt, öffnet euch voll Demut und Vertrauen der Reue: der Vater allen Erbarmens wartet auf euch, um euch im Sakrament der Versöhnung seine Vergebung und seinen Frieden anzubieten... Mit Hilfe des Rates und der Nähe befreundeter und zuständiger Menschen werdet ihr mit eurem erlittenen Zeugnis unter den beredtesten Verfechterinnen des Rechtes aller auf Leben sein können... und eine neue Betrachtungsweise des menschlichen Lebens schaffen» (Nr. 99).
«Beten wir alle darum, dass wir den Mut haben, das werdende Leben zu verteidigen und ihm die Möglichkeit zu lieben und geliebt zu werden geben», hat Mutter Teresa gesagt. «Und ich denke, dass wir so mit der Gnade Gottes den Frieden in die Welt bringen können.»
Mögen unsere Liebe Frau und der heilige Josef den inneren Frieden für uns erwirken, den das Wort Gottes durch seine Fleischwerdung der Welt bringen wollte!