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8. Januar 2019 Hl. Severin |
„Du aber, Mann Gottes, … strebe vielmehr nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Geduld, Verträglichkeit. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens (s. 1 Tim 6,11-12). In diesem Programm des hl. Paulus für seinen Schüler Timotheus können wir den künftigen spirituellen Wegweiser des seligen Lorenzo Salvi sehen, der nicht nur durch seine inbrünstigen Gebete, sondern auch durch seinen unermüdlichen Einsatz für sein Priesteramt zu einem Mann Gottes wurde. Er war sich des Auftrages, den Christus jedem Apostel erteilt hatte, voll bewusst und bemühte sich sein ganzes Leben lang, dem Vorbild des Gottessohnes zu folgen, der die Welt durch die Schmach des Kreuzes erretten wollte“ (Predigt des hl. Johannes-Paul II. zur Seligsprechung von Lorenzo Salvi am 1. Oktober 1989).
Lorenzo Salvi wurde 1782 in Rom geboren und einen Tag nach seiner Geburt getauft. Sein Vater Antonio arbeitete als Verwalter bei einer der berühmtesten Familien Roms. Seine Mutter starb einen Monat nach seiner Geburt. Antonio Salvi heiratete bald wieder und bekam mit seiner Frau Anna Maria Costa noch mehrere Kinder; Lorenzo erfuhr erst als Erwachsener, dass sie nicht seine leibliche Mutter war. Der Junge wurde von den Hauslehrern des Palastes Carpegna miterzogen; er besuchte regelmäßig die nahegelegene Kirche Sant’Eustachio und war dort als Messdiener tätig. Zu den Geistlichen, die im Palast ein- und ausgingen, zählte u.a. der Kamaldulensermönch Dom Mauro Capellari, der 1831 unter dem Namen Gregor XVI. Papst wurde. Lorenzo studierte später am damals von Weltgeistlichen geführten Collegio Romano. Einer seiner Kommilitonen dort war Gaspare del Bufalo, der spätere Gründer der Kongregation der Missionare vom Kostbaren Blut, der 1954 von Papst Pius XII. heilig--gesprochen wurde. Lorenzo war häufiger Gast in dem von Jesuiten gegründeten Oratorio del Caravita, das seine tiefe Marien-Frömmigkeit prägte.
Mit 18 Jahren bat Lorenzo seinen Vater, bei den Passio-nisten eintreten zu dürfen, die er durch die flammenden Predigten des später heiliggesprochenen Vincenzo Maria Strambi kennengelernt hatte. Die Kongregation war damals in vollem Eifer; viele der Mönche hatten ihren 1775 verstorbenen Gründer, den heiligen Paul vom Kreuz, noch persönlich gekannt. Antonio Salvi gab seinem Sohn folgende Antwort: „Ein Jahr lang will ich nichts von einer Berufung zum Mönch oder auch nur zum Priesteramt hören.“ Die Stadt Rom hatte nämlich gerade mehrere Jahre französischer Besatzung hinter sich gebracht; Papst Pius VI. war nach Frankreich verschleppt worden, wo er am 29. August 1799 starb. Unter diesen Umständen war es nicht ungefährlich, Seminarist oder Mönch zu werden. Lorenzo wiederholte seine Bitte auf den Tag genau nach einem Jahr. Sein Vater überlegte einen Moment und antwortete dann: „Wenn das dein Wunsch ist, tu, was der Herr von dir verlangt, und was auch immer dir widerfährt, denke daran, dass dieses Haus immer das Haus deines Vaters für dich bleibt. Der Herr segne dich!“
In jeder Minute
Lorenzo begab sich daraufhin in das Passionistenkloster am Monte Argentario im Süden der Toscana, wo er sein Noviziat absolvieren sollte. Er nahm den Ordensnamen Bruder Lorenzo Maria vom hl. Franz Xaver an, der den marianischen und zugleich missionarischen Anspruch seines künftigen Apostolats anmelden sollte. Doch schon bald überkamen ihn Zweifel im Hinblick auf seine Berufung zum Ordensleben. Sein Novizenmeister half ihm, die Versuchung zu überwinden; so legte er am 20. November 1802 neben den Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams auch das vierte Gelübde der Passionisten ab: die Verehrung der Passion Jesu zu fördern. Zu diesem Anlass verfasste Lorenzo ein Gebet, das er fortan an jedem Jahrestag seiner Profess wiederholte:
„Mach, o Herr, dass ich dir in dieser heiligen Kongregation jeden Tag meines Lebens getreu diene. Du bist wahrlich würdig, dass man dir auf jede Weise dient, du bist aller Ehren und ewigen Lobes würdig. Du bist wahrlich mein Herr und mein Gebieter, und ich bin dein armer Knecht, der gehalten ist, dir mit allen Kräften zu dienen. Das will ich, das ersehne ich … Du Heilige der Heiligen, Ozean der Gnade, allerseligste und unbefleckte Jungfrau, Mutter Gottes, erwirke für mich die Kraft, an diesem Tag vollauf zu erfüllen, was ich deinem Sohn versprochen habe. Leite mich und beschütze mich in jeder Stunde und jeder Minute.“
Der heilige Paul vom Kreuz, der Stifter der Passionisten, wurde 1694 geboren. 1721 zog er sich zusammen mit seinem Bruder in eine Einsiedelei zurück, wo sich beide intensiv dem Gebet widmeten. 1727 reisten sie nach Rom, um dort Kranke zu pflegen; daneben führten sie fruchtbare Gemeindemissionen zum Mysterium der Passion Christi durch. Sie prägten dadurch die künftige Lebensform der Passionisten, die sowohl streng kontemplativ als auch vom Predigtauftrag bestimmt war. Durch die Kraft, die der Stifter aus dem ständigen innigen Austausch mit Jesus schöpfte, wollte er auch in den Herzen der Menschen die Liebe entfachen, die ihn beseelte. In der Regel, die er 1775 seinen Mönchen gab, schrieb er: „Da eines der Hauptziele unserer Kongregation darin besteht, uns nicht nur dem Gebet zu widmen, damit wir uns durch die Liebe mit Gott vereinen, sondern auch unseren Nächsten zu dieser Vereinigung zu führen, werden unsere Mönche die Seelen anleiten, sich auf die Mysterien, die Leiden und den Tod Christi zu besinnen.“
Durch das Kreuz gerettet
Am 14. September 2008 erinnerte Papst Benedikt XVI. daran, dass Jesus uns durch das Mysterium seiner Passion errettet hat: „Der Sohn Gottes hat sich verwundbar gemacht, indem er wie ein Sklave wurde, gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Durch sein Kreuz sind wir erlöst. Das Marterwerkzeug, das am Karfreitag das Gericht Gottes über die Welt offenbarte, ist zur Quelle des Lebens, der Vergebung, des Erbarmens, zu einem Zeichen der Versöhnung und des Friedens geworden. ‚Um von unseren Sünden geheilt zu werden, schauen wir auf den gekreuzigten Christus!’, schrieb der heilige Augustinus. Wenn wir die Augen zum Gekreuzigten erheben, beten wir den an, der gekommen ist, um die Sünde der Welt hinwegzunehmen und uns das ewige Leben zu schenken. Die Kirche lädt uns ein, dieses glorreiche Kreuz voll Stolz zu erheben, damit die Welt sehen kann, wie weit die Liebe des Gekreuzigten zu den Menschen gegangen ist … An diesem Holz offenbart uns Jesus seine erhabene Herrschaft, er offenbart uns, dass er in Herrlichkeit erhöht worden ist. Ja, kommt, lasset uns anbeten.“
Nach Abschluss seines Philosophie- und Theologiestudiums wurde Lorenzo Salvi zur Vorbereitung auf das Priesteramt nach Rom in das Kloster Santi Giovanni e Paolo entsandt, wo er am 29. Dezember 1805 die Priesterweihe empfing. Da Papst Pius VII. die Scheidung Napoleons nicht billigen wollte, wurde er im Juli 1809 durch die Truppen des französischen Generals Radet entführt. Im folgenden Jahr wurden die religiösen Orden per Dekret abgeschafft und alle Priester verpflichtet, einen Treueeid auf den Kaiser zu schwören; Pater Salvi konnte somit sein Seelsorgeramt in Rom nur noch heimlich ausüben. 1811 erfuhr er, dass sich in einem ehemaligen Augustinerkloster in Pieve Torina, einer Kleinstadt in Mittelitalien, ein kleiner Passionistenkonvent konstituiert hatte; er begab sich unverzüglich dorthin und nahm freudig das Gemeinschaftsleben mit seinen Ordensbrüdern wieder auf. Pater Lorenzo war überaus hilfsbereit und wirkte auf Bitten der Einwohner des Städtchens sogar als Grundschullehrer. 1812 wurde er durch eine Erscheinung des Jesus-Kindes von einer schweren Krankheit geheilt; das Erlebnis öffnete seine Augen für das Mysterium der Kindheit des Erlösers und änderte sein Leben sowie sein Apostolat von Grund auf: Er gelobte, künftig für die Verehrung des Jesus-Kindes zu werben.
Gott als kleines Kind
Papst Franziskus erinnerte bei der Audienz vom 30. Dezember 2015 daran, dass wir uns zu Weihnachten vor einer Krippe versammeln. „Die Verehrung des Jesus-Kindes ist sehr verbreitet … Ich denke insbesondere an die heilige Therese von Lisieux, die als Karmelitin den Namen Therese vom Kinde Jesus und vom Heiligen Antlitz getragen hat. Sie hat es verstanden, jene ‚geistliche Kindschaft‘ zu leben und zu bezeugen, die man sich zu eigen macht, indem man in der Schule der Jungfrau Maria über die Demut Gottes nachdenkt, der für uns Kind geworden ist. Es gab eine Zeit, in der Gott ein Kind gewesen ist, und das muss seine besondere Bedeutung für unseren Glauben haben. Gewiss, wir wissen wenig über das Jesus-Kind, aber wir können viel von ihm lernen, wenn wir das Leben der Kinder betrachten. Wir entdecken vor allem, dass die Kinder unsere Aufmerksamkeit wollen. Warum müssen sie im Mittelpunkt stehen? Weil sie sich geschützt fühlen müssen. Auch wir müssen Jesus in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen und wissen, auch wenn es widersprüchlich erscheinen mag, dass wir die Verantwortung haben, ihn zu schützen. Er will in unseren Armen liegen, er möchte seinen Blick auf unseren heften können. Auch wir müssen das Jesus-Kind zum Lächeln bringen, um ihm unsere Liebe und unsere Freude darüber zu zeigen, dass es mitten unter uns ist. Er ist zu uns gekommen, um uns das Antlitz des Vaters zu zeigen, der reich ist an Liebe und Erbarmen.“
1814 zerbrach das Reich Napoleons I.; der Papst kehrte nach Rom zurück, die Dekrete gegen die Orden wurden annulliert, und die Ordensgemeinschaften konstituierten sich neu. Lorenzo kehrte in das Kloster Santi Giovanni e Paolo zurück und entfaltete neben seinem in erster Linie auf das Gebet hin ausgerichteten Leben von nun an eine rege Aktivität: Exerzitien, Volksmissionen, Briefwechsel, Seelsorge, Edition kleiner religiöser Schriften. Wie zahlreiche Hefte mit seinen Aufzeichnungen belegen, waren seine Predigten nie improvisiert: Er bereite sie stets überaus sorgfältig vor.
Das literarische Hauptwerk Lorenzo Salvis hat den Titel: „Die in das Jesus-Kind verliebte Seele“. Er schreibt darin: „Hierhin möchten wir also das ganze christliche Volk führen, das ist die freundliche Einladung an alle katholischen Gläubigen: sich in das Jesus-Kind verlieben. Da sie so die vorbildlichen Tugenden ständig vor Augen haben, die er uns bereits von der Krippe aus lehrt, sollen sie sich in seine Nachfolge begeben, um die verirrten Seelen auf den rechten Weg zurückzuführen und als Vorbild für diejenigen zu dienen, die Fortschritte machen. Sowohl die einen als auch die anderen können sicher sein, dass sie den Weg nicht verfehlen können, der ins ewige Leben führt, wenn sie den Spuren des himmlischen Kindleins folgen. Sie werden den kostbaren Charakter der geistlichen Kindschaft erlangen, mit dem der Heiland Jesus alle ausstatten will, die auf dem Weg zum Paradies sind: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen (Mt 18,3). Diese Einladung, der Kindheit Jesu Christi mit ganzem Herzen eifrig die Ehre zu erweisen, darf niemandem fremd sein. Denn wenn die Bemühung so vieler Priester und Ordensleute, die im christlichen Volk das ständige Gedenken an die Passion und an den Tod Jesu fördern wollen, sehr lobenswert ist, wie könnte es dann nicht ebenso empfehlenswert sein, die Gläubigen zu ermuntern, seiner Geburt in der Grotte von Bethlehem immer wieder zu gedenken? Dort hat das fleischgewordene Wort die erste öffentliche Primarschule aller Tuegenden eröffnet. Dort ruft alles, was das auf Stroh liegende Kind umgibt, sie uns in die Ohren, wie schon der heilige Bernhard schrieb: ‚Noch redet nicht seine Zunge, aber alles, was an ihm und um ihn ist, ruft. Der Stall ruft; die Krippe ruft; die Tränen rufen; seine Windeln rufen. Selbst seine Kindesglieder schweigen nicht, nur seine Kindheit schweigt währenddessen.’“
Ein äußerst aktiver Ordensmann
Doch Lorenzo hatte auch mancherlei Prüfungen zu bestehen. In seinem Konvent hatte man nicht immer Verständnis dafür, dass er so aktiv war und so oft das Kloster verließ; man fragte sich, wie ein der Betrachtung der Passion Christi geweihter Mönch die Verehrung des Jesus-Kindes in den Mittelpunkt seiner Predigten stellen konnte. Die Früchte seines Apostolats bewiesen jedoch, dass dabei kein ungezügelter Aktivismus vorlag, sondern ein vom Heiligen Geist angestoßenes Werk des lieben Gottes. In zahlreichen Dörfern und Städten des Latiums und der Toscana lebt noch die Erinnerung an seine Predigten und Wunder weiter. Im Städtchen Vignatello konnte er durch seinen Appell zu christlicher Vergebung diverse Ärgernisse beenden, langjährige Familienkonflikte lösen und siebzehn junge Männer zum Eintritt bei den Passionisten bewegen. In Marina, südlich von Rom, führten Lorenzos Predigten zur Beendigung langjähriger und oft blutig ausgetragener Familienfehden. Nach einer einwöchigen Mission in einer Kleinstadt empfingen nahezu alle Einwohner bereitwillig die Sakramente. 1829 und 1830 übte Pater Salvi sein Apostolat vor allem in Rom aus: Er leitete eine Mission für zweihundert in der Engelsburg inhaftierte Gefangene sowie einen Exerzitienkurs für die Geistlichen, Ärzte und Pflegekräfte des Krankenhauses San Giovanni in der Nähe des Lateran. Daneben übernahm er persönlich die Vorbereitung der römischen Kinder auf die Erstkommunion.
Der priesterliche Eifer Lorenzo Salvis setzt bereits die späteren Empfehlungen Papst Benedikts XVI. vom 26. Mai 2010 um: „Liebe Priester, sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, seid Vorbilder für die Herde! (1 Petr 5,2–3). Fürchtet euch also nicht, einen jeden der Brüder und Schwestern, die Christus euch anvertraut hat, zu ihm zu führen, in der Gewissheit, dass jedes Wort und jede Haltung, wenn sie dem Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes entspringen, Frucht tragen werden. Lebt so, dass ihr die guten Seiten der Kultur, in die wir eingebunden sind, schätzt und ihre Grenzen erkennt, in der festen Gewissheit, dass die Verkündigung des Evangeliums der größte Dienst ist, den man dem Menschen leisten kann. In diesem Leben auf Erden nämlich gibt es kein größeres Gut als das, die Menschen zu Gott zu führen, den Glauben zu wecken, den Menschen aus Trägheit und Verzweiflung aufzurichten und die Hoffnung zu schenken, dass Gott nahe ist und die persönliche Geschichte und die der Welt lenkt: Das ist letztendlich der tiefe und endgültige Sinn der Aufgabe der Leitung, die der Herr uns anvertraut hat. Es geht darum, Christus in den Gläubigen durch jenen Prozess der Heiligung Gestalt annehmen zu lassen, der in der Bekehrung der Maßstäbe, der Werteskala, der Einstellungen besteht, um Christus in jedem Gläubigen leben zu lassen. In Zusammenfassung seines seelsorglichen Wirkens spricht der hl. Paulus von meinen Kindern, für die ich von neuem Geburtswehen erleide, bis Christus in euch Gestalt annimmt (Gal 4,19).“
Das ist nichts!
Lorenzos Spiritualität war zugleich von Kraft und Milde gekennzeichnet. Sein Wort hinterließ stets einen tiefen Eindruck, da es auf einer persönlichen Erfahrung Gottes und des geistlichen Lebens gründete. Klein, lebhaft, künstlerisch begabt und anspruchsvoll, zeichnete er sich insbesondere durch große Demut, Einfachheit, Milde und Gehorsam den Vorgesetzten sowie der Regel gegenüber aus. Am Weihnachtsabend 1840 beschloss er als Vorsteher des Klosters Santi Giovanni e Paolo, mit Hilfe zweier Mitbrüder eine kleine Krippe zu bauen. Sie arbeiteten gerade daran, als ohne weitere Erklärung eine Anordnung des General-oberen eintraf, jede Dekoration zu unterlassen. Die Brüder waren versucht zu murren, doch Lorenzo sagte mit seiner gewohnten Milde: „Lasst es uns so machen; heiliger Gehorsam!“ Sein intensives geistliches Leben ging auch mit mystischen Phänomenen einher. Als er in der Kirche des Klosters Sant’Angelo in Viterbo einmal im Zustand der Levitation überrascht wurde, erwiderte er auf die ihm gestellten Fragen: „Das ist nichts. Sprecht nicht darüber!“ Zuweilen wurde ihm die Gabe zuteil, in den Gewissen zu lesen und künftige oder sich weit entfernt abspielende Ereignisse zu kennen. Mehrere Zeugen behaupteten später, sie hätten das Jesus-Kind in seinem Zimmer gesehen. Man nannte ihn immer häufiger „den Heiligen“.
Durch das Bild des Jesus-Kindes wirkte Lorenzo zahlreiche Wunder. Ein Heft aus dem Archiv der Passio-nisten über die Missionen zwischen 1828 und 1870 enthält fünf Berichte über wunderbare Heilungen, die er durch seine Fürsprache beim Jesus-Kind erreicht hatte. So soll eine Nonne, deren Bein nach einem Schlaganfall gelähmt war, geheilt worden sein, als der Passionist sie mit einem Bild des Jesus-Kindes berührte. Eine Frau aus Viterbo, die an einer schweren Herzkrankheit litt und bewegungsunfähig war, ließ sich zu einem Haus tragen, an dem Lorenzo vorbeikommen sollte. Er blieb bei ihr stehen, erkannte gleich, woran sie litt, und sagte: „Möge das Jesus-Kind Sie von dieser schrecklichen Krankheit befreien!“. Er segnete sie, und die Frau war auf der Stelle endgültig geheilt. Ein andermal brachte eine Mutter ihr missgestaltetes, taubstummes und blindes Kind zu ihm. Der Missionar streichelte es und sagte der Mutter, sie solle das Kind auf den Boden setzen, es werde ihm nichts Schlimmes passieren. Auf einmal rief das Kind: „Mama, Mama, ich kann sehen!“ Schließlich konnte er 1855 durch ein feierliches Triduum zu Ehren des Jesus-Kindes das Ende einer Choleraepidemie in Viterbo erwirken. Die durch Lorenzo erlangten geistlichen Heilungen waren noch weitaus zahlreicher, wie sein umfangreicher Briefwechsel bezeugt.
Den Karren weiterziehen
Die Jahre zwischen 1842 und 1845 waren mit intensiver Arbeit ausgefüllt: Lorenzo leitete 20 Exerzitien und 7 Volksmissionen. 1847 war er für sein Apostolat soviel unterwegs, dass er nur 27 Tage im Konvent verbringen konnte. In seinen letzten Lebensjahren litt er an einer schmerzhaften Nervenkrankheit. Angesichts der Flüchtigkeit des Lebens besann er sich auf seine wahren Ziele und bekannte: „Trotz aller Müdigkeit ziehe ich den Karren weiter; das ist das Verdienst des Jesus-Kindes, das mich kräftig unterstützt.“ Im Februar 1854 erlitt er einen Herzanfall, doch bereits im Mai war er in der Lage, am Generalkapitel seiner Kongregation teilzunehmen; er wurde dort ein weiteres Mal zum Provinzialrat ernannt. Am 10. Juni 1855 wurde er in das ein paar Kilometer südlich von Viterbo gelegene Capranica gerufen, um dort Kranke zu segnen und Sakramente zu spenden. Als er sein Kloster verließ, sagte er zum Pförtner: „Ich gehe, aber ich werde nicht zurückkehren; ich werde in Capranica sterben.“ Am Morgen des 12. Juni feierte er die heilige Messe, schrieb ein paar Briefe, machte Krankenbesuche und zog sich dann in sein Zimmer zurück. Als seine Wirtin am Abend von dort merkwürdige Geräusche hörte, betrat sie den Raum: Sie fand ihn lebend, aber in einem beklagenswerten Zustand vor. Der Arzt stellte einen Gehirnschlag fest; Lorenzo empfing die Sterbesakramente und gab am Abend, beinahe ohne Todeskampf, seine Seele an Gott zurück.
„Lorenzo Salvi kämpfte den guten Kampf des Glaubens im Geiste seiner religiösen Kongregation und arbeitete intensiv: beim Predigen von Volksmissionen, bei Exerzitien, im Beichtdienst. Allen, denen er nahekam, versuchte er, die Liebe zum armen, demütigen Christus zu vermitteln, indem er für die Verehrung des Jesus-Kindes und der Passion des Herrn warb – Zeiten, in denen die Demut und die Milde des Erlösers am deutlichsten offenbar werden. Überzeugt von der unendlichen Barmherzigkeit des Herzens Christi, wurde er nicht müde, die Menschen zum Vertrauen zu ermuntern, nach dem Vorbild des kleinen Kindes, das sich voll und ganz den starken und liebenden Armen seines Vaters anvertraut“ (Hl. Johannes-Paul II., Seligsprechungspredigt). Möge das Jesus-Kind auch die Freude und große Liebe unserer Herzen werden!