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3. Juli 2019 Fest vom hl. Thomas, Apostel |
„Ich habe keinen dringenderen – oder ebenso dringenden – freien und wohlüberlegten Wunsch als den, Jesus Christus in meiner Seele und in den Seelen meiner Mitmenschen durch Glauben, Liebe und Hoffnung regieren zu lassen“ – von dieser inneren Bestimmung ließen sich die Mitglieder des in ganz Europa verbreiteten „Christlichen Freundeskreises“ leiten, der bei der Restauration der Religion nach den Wirren der Französischen Revolution eine maßgebliche Rolle spielte. Er bildete allenthalben fromme katholische Gelehrte heran, die eine große Wirkung entfalteten. Die Seele dieser Vereinigung war Bruno Lanteri, der später auch eine Marien-Kongregation für Priester gründete.
Bruno Lanteri wurde am 12. Mai 1759 in Cuneo, einer piemontesischen Stadt im Nordwesten Italiens, als das siebte der zehn Kinder seiner Familie geboren. Sein Vater war Arzt und wurde aufgrund seiner großen Nächstenliebe auch „Vater der Armen“ genannt. Bruno war erst vier Jahre alt, als seine Mutter bei der Geburt ihres letzten Kindes starb. “Ich hatte so gut wie keine andere Mutter als die Allerseligste Jungfrau Maria“, sagte er später, “und von dieser guten Mutter hatte ich nie etwas anderes bekommen als Liebkosungen!“ 1781 weihte er sich der heiligen Gottesmutter, die er als seine wahre und absolute Herrin betrachtete. Der aufgeweckte Junge zeigte bereits früh großes Interesse am Lesen: Er wollte alles wissen, alles verstehen. Sein Vater kam ihm bei all dem gern entgegen. Mit 17 Jahren entschloss sich Bruno, in ein Kartäuserkloster zu gehen. Doch der Prior merkte bald, dass er für das harte Leben des Ordens nicht geeignet war, und schickte ihn wieder nach Hause.
Eine besondere Gnade
Bruno beschloss daraufhin, Diözesanpriester zu werden. Damals war es so üblich, dass die Priesteramtskandidaten zunächst mit Erlaubnis des Bischofs die Soutane anlegten und erst anschließend ein Theologiestudium an einer Universität oder einem Seminar aufnahmen. Bruno bekam von seinem Bischof im September 1777 die entsprechende Erlaubnis und schrieb sich an der Universität von Turin ein. Dort sah er sich plötzlich mit einem intellektuellen Umfeld konfrontiert, das stark vom Einfluss der jansenistischen Moraltheologie geprägt war: Es wurden Bücher verbreitet, die die Gläubigen – unter dem Vorwand, das sei unwürdig – vom häufigen Empfang der Sakramente abbringen sollten, die ihnen davon abrieten, in der österlichen Zeit zu den Sakramenten zu gehen. Die Christen sollten auf die Heiligenverehrung sowie das Beten des Rosenkranzes verzichten. Die Beichtväter wurden aufgefordert, nur selten und erst nach dem Verrichten zeitraubender Bußwerke durch den Pönitenten Sünden zu vergeben. Bruno Lanteri begann solche starren Sichtweisen zu übernehmen, doch in paar erfahrene Theologen verhalfen ihm zu einem ausgewogenerem Urteil. Pater Loggero, sein späterer langjähriger Sekretär, schrieb dazu: „An der Turiner Universität stand er in Kontakt mit einem Kleriker, der sich alle Mühe gab, ihn für die jansenistischen Positionen zu gewinnen. Pater Lanteri führte es auf eine einzigartige Gnade des Herrn zurück, dass er die Falschheit dieser Lehren erkannt hatte und diesem Kleriker fortan aus dem Wege gegangen war.“ 1779 lernte Bruno in Turin den ehemaligen Jesuiten Pater von Diessbach kennen (die Societas Jesu war 1773 von Papst Clemens XIV. aufgelöst worden), der einen äußerst positiven Einfluss auf ihn hatte: Er kämpfte in Wort und Schrift aktiv gegen den Unglauben, den Jansenismus und den Regalismus.
Anfang 1782 lud Pater von Diessbach Bruno ein, ihm nach Wien zu folgen, um dort Papst Pius VI. bei dessen Verhandlungen mit Kaiser Josef II. zu unterstützen; letzterer hatte sich bereits seit zwei Jahren das Recht angemaßt, die Disziplin und das Leben der Kirche maßgeblich zu beeinflussen und die Freiheit der Kirche zu beschneiden (später Josefismus bzw. Regalismus genannt). In Wien nahm Bruno an Kolloquien zum kanonischen Recht und zu theologischen Fragen teil und gewann dadurch eine Erfahrung, von der er sein ganzes Leben lang profitierte; anschließend kehrte er auf Anraten Pater von Diessbachs nach Turin zurück. Dieser hatte dort 1776 eine Vereinigung gegründet, den Christlichen Freundeskreis, dessen Ziel darin bestand, die piemontesischen Katholiken durch die Verbreitung guter Bücher zur Ehre Gottes, zu ihrer persönlichen Heiligung und zur Verteidigung von Moral und Dogmen gegen die Rationalisten zusammenzuführen. Bruno sollte sich in seinem Auftrag um diese Vereinigung kümmern.
Gut zuhören
Im Mai 1782 wurde Bruno zum Priester geweiht und im Juli zum Doktor der Theologie promoviert. Da er extrem kurzsichtig war, gewöhnte er sich während seines Studiums an, den Universitätslehrern gut zuzuhören; so konnte er später einmal sagen, er habe „mehr mit den Ohren als mit den Augen“ studiert. In Absprache mit seinem Bischof verzichtete er 1784 auf den Gemeindedienst und widmete sich ganz dem Christlichen Freundeskreis. Aufgrund von Atembeschwerden war er außerstande, vor einem großen Publikum zu sprechen; so predigte er die Geistlichen Übungen des hl. Ignatius für kleinere Gruppen und wurde ein allseits geschätzter spiritueller Mentor. Ein Jahr später legte er eine weitere Prüfung ab, die ihn zur Abnahme von Beichten berechtigte. Don Bruno verbrachte jeden Tag viele Stunden mit Frömmigkeitsübungen: Brevierlesen, inneres Gebet, Messe, Rosenkranz, Anbetung des Allerheiligsten, geistliche Lektüre. Mit großer Sorgfalt wählte er Bücher aus, die die richtige Lehre vertraten, um sie unter die Leute zu bringen, denn er hatte festgestellt, dass die jansenistischen Werke großen Schaden anrichteten. Er hielt sich täglich über die politischen, gesellschaftlichen und religiösen Ereignisse auf dem Laufenden, insbesondere über den Verlauf der Französischen Revolution, damit er das Übel, das die Gesellschaft vergiftete, bekämpfen konnte. Sowohl in seinem Leben als auch in dem seiner Mitbrüder vom Christlichen Freundeskreis nahmen karitative Werke zugunsten von Armen, Kranken, Häftlingen und sonstigen Bedürftigen breiten Raum ein.
Nach der französischen Revolution wurde das Piemont, Brunos Heimat, von Frankreich annektiert. Das von Papst Pius VII. mitunterzeichnete und 1801 von Napoleon in Kraft gesetzte Konkordat zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl wurde vom Kaiser einseitig abgeändert: Die von ihm angefügten „Organischen Artikel“ gaben ihm das Recht, sich in die Angelegenheiten der Kirche einzumischen. Um die Freiheit der Kirche zu verteidigen, verfasste Don Lanteri Traktate, die die Übergriffe des Staates anprangerten; sie wurden von den Mitgliedern des Christlichen Freundeskreises kopiert und heimlich verbreitet. 1806 setzte Napoleon im gesamten Reich einen Katechismus durch, der von allen Untertanen grenzenlosen Gehorsam dem Kaiser gegenüber forderte. Don Bruno wies in einem massenhaft verbreiteten Traktat dieses Ansinnen zurück. Daneben kämpfte er vehement gegen den Jansenismus, dem er vorwarf, er stelle Jesus Christus und seine Lehre verfälscht dar und unterschätze die göttliche Barmherzigkeit sowie Jesu Liebe zu den Sündern. Die Jansenisten wiederum warfen ihm vor, er mache es den Sündern bequem und stütze sich auf die Werke des 1787 verstorbenen heiligen Bischofs und Ordensgründers Alfons von Liguori. Dieser hatte daran erinnert, dass Jesus Christus für alle Menschen ohne Ausnahme gestorben sei und ihnen einen unermesslichen Schatz an Verdiensten für ihr ewiges Heil hinterlassen habe. Aus diesem Schatz könne jeder Mensch durch das Gebet den Beistand holen, den er benötige. Da die Gnade des Gebets allen zuteil geworden sei, hatte Alfons versichert: „Wer betet, wird sicherlich gerettet; wer nicht betet, verdammt sich sicherlich“ (zitiert im Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2744). Er hatte für das Vertrauen auf die Barmherzigkeit des Erlösers geworben und die Beichtväter ermahnt, die Absolution großzügig zu gewähren, sobald der Pönitent genügend Reue zeige. Die Kirche sprach Alfons von Liguori im Jahre 1839 heilig und verlieh ihm den Titel „Schutzpatron aller Moraltheologen und Beichtväter“. Bruno übernahm seine Lehren und wurde im Piemont als Vertreter einer gesunden Theologie sowie einer gesunden Moral gerühmt.
La Grangia
Kraft für sein spirituelles Leben schöpfte Bruno Lanteri aus den Übungen des hl. Ignatius, die er häufig praktizierte. Für ihn waren sie „ein wirkungsvolles Instrument der göttlichen Gnade und ein zuverlässiges Mittel für jeden, ein Heiliger zu werden“. Geistliche Übungen nennt man „jede Weise, die Seele vorzubereiten und instand zu setzen, damit sie alle ungeordneten Neigungen von sich entferne und nach ihrer Entfernung den göttlichen Willen suche und finde in der Regelung des eigenen Lebens zum Heile der Seele“ (Geistliche Übungen des hl. Ignatius, Nr. 1). Bruno hatte gleich zu Beginn seines priesterlichen Lebens eine Predigtreihe verfasst, die zu diesen Übungen anleiten sollte, und hörte auch später nie auf, diese Arbeit zu vervollständigen und zu verbessern, da er sie für besonders wichtig hielt. Er pflegte die Übungen, die normalerweise acht Tage lang dauerten, in Exerzitienhäusern zu predigen; als diese unter der französischen Besatzung geschlossen wurden, baute er seinen Landsitz „La Grangia“ in der Nähe von Turin zu einem Exerzitienhaus für rund 20 Personen aus. Bruno Lanteri hatte eine ganz persönliche Art, die Übungen zu predigen. Die Meditationen bekamen in seinem Munde einen ganz eigenen Reiz; vor allem deshalb, weil er da begann, wo andere aufhörten: Diese schlossen mit einer Betrachtung, die zum Erlangen der göttlichen Liebe hinführt; mit ihm tauchte man hingegen gleich zu Beginn der Exerzitien in diese Liebe ein.
In der Betrachtung zum Erlangen der göttlichen Liebe schreibt der hl. Ignatius: „Ich rufe mir ins Gedächtnis die empfangenen Wohltaten der Schöpfung, der Erlösung und der besonderen Gaben; und dabei betrachte ich mit großer Innigkeit, wieviel Gott, unser Herr, für mich getan hat und wieviel er mir von dem gegeben, was er besitzt; und weiterhin, wie sehr derselbe Herr verlangt, sich selbst mir mitzuteilen, so weit er gemäß seiner göttlichen Anordnung es vermag. Und dann lenke ich die Gedanken auf mich selbst und erwäge eindringlich nach Vernunft und Gerechtigkeit, was ich von meiner Seite seiner göttlichen Majestät anbieten und geben muss, nämlich all das Meinige und mich selbst dazu, wie einer, der etwas mit viel Innigkeit darbietet: ‚Nimm dir, o Herr, und übernimm meine ganze Freiheit, mein Gedächtnis, meinen Verstand und meinen ganzen Willen, alles, was ich habe und besitze; du hast es mir gegeben; dir, Herr, erstatte ich es zurück; alles ist dein, verfüge ganz nach deinem Willen. Gib mir nur deine Liebe und Gnade, das ist mir genug.’“ (Übungen, Nr. 234).
Unterstützung für den Papst
Im Mai 1809 beschlagnahmte Kaiser Napoleon I. den gesamten Landbesitz der Kirche, der nun Teil des französischen Reiches wurde. Auf dieses erneute Unrecht antwortete der Papst mit der Exkommunikation des Kaisers. Daraufhin ließ Napoleon den Papst entführen und als Gefangenen nach Savona bringen. Bruno Lanteris erste Sorge galt der Gründung einer Vereinigung, die für den finanziellen Bedarf des Papstes aufkommen sollte, da dieser die vom Kaiser gewährte lächerliche Zuwendung abgelehnt hatte. Dank der Unterstützung des Christlichen Freundeskreises konnte er mehrmals einen bedeutenden Geldbetrag zusammenbringen und trotz der polizeilichen Überwachung diskret an den Papst weitergeben. Der Papst wollte auch laufend über die aktuellen Ereignisse informiert werden und benötigte zudem bestimmte Dokumente, um die Auflehnung der zivilen Obrigkeit gegen seine geistliche Autorität durch entsprechende Schriften zurückweisen zu können. Dank Don Lanteris Engagement wurden sowohl in Turin als auch in Frankreich erstaunliche Kräfte mobilisiert, um den Wunsch des Papstes zu erfüllen; so musste der Chef der staatlichen Polizeibehörde feststellen, dass die von den Katholiken übermittelten Nachrichten oft schneller waren als die Eilboten der Regierung. Brunos Einsatz war nicht ungefährlich; wer dem Gefangenen in Savona Dokumente zukommen ließ, ohne sie zuvor der kaiserlichen Zensur vorgelegt zu haben, lief Gefahr, hingerichtet oder verbannt zu werden. Bruno setzte seine Tätigkeit dennoch unbeirrt fort und verhalf dem Papst so zu der Möglichkeit, Briefe zu verfassen, die an die Kardinäle und Bischöfe weitergeleitet wurden und später auch ihren Weg in die Öffentlichkeit fanden. 1811 beanspruchte der Kaiser das Recht für sich, Bischöfe einzusetzen, ohne vorher den Papst zu konsultieren, und berief ein Nationalkonzil ein. In einer vielfach verbreiteten Flugschrift prangerte Don Bruno die erneute Einmischung in die Leitung der Kirche an. Napoleon war empört und ordnete eine Reihe von Hausdurchsuchungen an, um die Verantwortlichen zu finden. Auch Don Bruno stand unter Verdacht und wurde, obwohl keine konkreten Anklagepunkte gegen ihn vorlagen, in La Grangia unter Hausarrest gestellt. Er harrte dort vom 15. März 1811 bis zum Untergang des Kaiserreichs 1814 aus. Die Zeit der Einsamkeit, der Lektüre, der Erholung und Besinnung kam ihm sehr zugute. Er empfing zahlreiche Besucher und setzte sein auf die Übungen des hl. Ignatius gestütztes Apostolat ebenso fort wie die Abfassung von Traktaten zugunsten der Kirche und des Papstes, die dann heimlich verbreitet wurden.
Nach der Abdankung Napoleons konnte Papst Pius VII. im April 1814 nach Rom zurückkehren. Bruno nahm seine Tätigkeit in Turin wieder auf und widmete sich dem Christlichen Freundeskreis sowie insbesondere dessen für Priester vorgesehenen Zweig, der unter der Verfolgung stark gelitten hatte. Die Umstände hatten sich geändert: Die strikte Geheimhaltung, die dem Schutz der Mitglieder vor Spott und weltlichen Intrigen gedient hatte, konnte aufgegeben werden, man konnte wieder ungehindert und offen arbeiten. Der Freundeskreis distanzierte sich von den zwielichtigen Geheimbünden, wie etwa der Freimaurerei, die in der Gesellschaft immer mehr Fuß fassten. Dazu wurde der Name der Vereinigung in „Katholischer Freundeskreis“ umgeändert, wobei sich die Mitglieder nach wie vor der Verbreitung guter Bücher widmeten. 1825 schrieb der damalige Leiter der Vereinigung, der Marquese Cesare d’Azeglio: „In den acht Jahren des Bestehens des Katholischen Freundeskreises wurden Hunderttausende von Büchern verteilt und über zehntausend nach Amerika verschickt.“ Der König von Piemont-Sardinien, Carlo Felice, förderte die Vereinigung und gewährte ihr anfänglich großzügige Spenden. Doch als sie von ihren Gegnern zur Zielscheibe ständiger Angriffe und Verleumdungen gemacht wurde, ließ sich der König davon beeinflussen und verfügte 1827 die Auflösung des Freundeskreises.
Eine marianische Kongregation
1815 beschlossen drei engagierte Priester aus Carignano, einem Städchen in der Nähe von Turin, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam für ihre Heiligung und für das Heil der Seelen zu arbeiten – durch Predigten, als Beichtväter, durch die Eröffnung einer Schule für Priesteramtskandidaten sowie durch aktive Wohltätigkeit zugunsten der Armen. Sie wandten sich an Bruno, damit er die Leitung der Gruppe übernehme; er war einverstanden und verfasste ein paar kurze, präzise Regeln. Bald wurde die Erlaubnis zur Gründung einer neuen Kongregation beantragt und im November 1816 vom Turiner Kapitularvikar auch erteilt (der Bischofssitz war gerade vakant). Der Name des neuen Instituts lautete: Kongregation der Oblaten der Jungfrau Maria. Die Mitglieder begannen sogleich mit der Abhaltung von geistlichen Übungen nach dem hl. Ignatius und hatten auf Anhieb großen Erfolg damit.
Don Lanteri konnte sich allerdings noch nicht endgültig von Turin verabschieden, da er dort ein „kirchliches Konvikt“ gründen wollte: ein Heim, in dem neugeweihte Priester bis zum Abschluss ihres Studiums wohnen konnten. Die anfangs bescheidene Einrichtung nahm ihre Tätigkeit im Herbst 1817 auf und wurde von einem engen Freund Brunos geleitet. Bruno selbst war damals mit der Leitung der kleinen Oblatengemeinschaft beschäftigt, zu deren erstem Patron er den hl. Thomas von Aquin, zum zweiten Alfons von Liguori bestimmte. Er wünschte, dass sich die Oblaten auf das Predigen von Volksmissionen spezialisierten, und zwar in Form von Exerzitien für ganze Pfarrgemeinden. Dieses Engagement war sehr fruchtbar, denn es befreite die durch den Jansenismus verdüsterten Herzen und öffnete sie für die Freude Christi. Innerhalb eines einzigen Jahres wurden über 1400 Personen wieder zu praktizierenden Katholiken, und das junge Institut verzeichnete eine rasch wachsende Anzahl von Berufungen.
Voller Demut
Nach den ersten Erfolgen sah Pater Lanteri den Zeitpunkt für gekommen, das Werk auf eine kanonische Grundlage zu stellen. Doch damit stieß er auf den Widerstand des neuen Erzbischofs von Turin, der Don Bruno ohne Umschweife erklärte, dass er Alfons von Liguoris Morallehre nicht gutheißen könne, da sie in seinen Augen den allgemeinen Sittenverfall begünstige. Zudem sehe er keinen Bedarf für die Gründung einer neuen Kongregation. Zwei Jahre verstrichen, ohne dass eine zufriedenstellende Lösung gefunden werden konnte. Da den Oblaten auch von anderer Seite Schwierigkeiten bereitet wurden, wurde ihre Situation schließlich unhaltbar. So beschloss Pater Lanteri voller Demut, das Institut aufzulösen, ohne irgendwelche Beschuldigungen oder Klagen gegen seine Feinde zu erheben. Im Juli 1820 gingen die Oblaten freiwillig auseinander; mehrere von ihnen wollten sich den Jesuiten anschließen. Auch Don Bruno unternahm Schritte in diese Richtung. Anlässlich einer Exerzitienveranstaltung erkannte er jedoch den Willen Gottes ganz klar: Statt ins Noviziat der Jesuiten einzutreten, sollte er im Vertrauen auf Maria das Institut der Oblaten zu neuem Leben erwecken. Im September 1825 sagte ihm Msgr. Rey, der neue Bischof von Pinerolo, mit Blick auf die Wiedererrichtung des Instituts die Approbation bereits vorab begeistert zu. 1826 führte Pater Lanteri auf Ersuchen des Bischofs eine große Volksmission in dessen Kathedrale durch. Der große Erfolg dieser Mission bewegte Don Bruno dazu, die Neugründung der Oblaten in Pinerolo vorzunehmen. Die Kongregation wurde durch ein päpstliches Breve vom 1. September 1826 bestätigt und 1827 auf Empfehlung des Erzbischofs auch von König Carlo Felice anerkannt.
Bruno Lanteri ließ sich in Pinerolo nieder, wo ihn jedoch bald die Kräfte verließen. Anfang 1830 litt er bereits unter vielerlei Gebrechen, doch sein Leben verlief in stetigem inneren Gebet, in liebevoller, friedlicher Achtsamkeit für die Gegenwart Gottes. Er ließ eine Öffnung in die Wand seines Zimmers zur benachbarten Kapelle brechen, um das Tabernakel zu sehen. Die Marien-Verehrung hatte nach wie vor einen besonderen Platz in seinem Herzen. In seinen letzten Tagen sagte er zuweilen: „Ich sehe eine schöne Dame mit einem schönen Kind auf dem Arm, und sie verlässt mich nie!“ Solange er die Kraft dazu hatte, las er noch selbst die heilige Messe – zum letzten Mal am 19. März 1830, dem Festtag des hl. Josef. Am 5. August begann seine Agonie. „Liebt einander, liebt einander sehr und bleibt immer vereint in euren Herzen, koste es, was es wolle!“, murmelte er seinen Söhnen zu. Kurz nachdem er die Worte Jesu Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien wie wir (Joh 17,11) gehört hatte, tat er seinen letzten Atemzug. Es ist bereits ein Seligsprechungsprozess für Bruno Lanteri eingeleitet worden.
Bitten wir die Allerseligste Jungfrau, sie möge uns einen glühenden Eifer im Dienste des Herrn schenken, welchen Hindernissen und Schwierigkeiten wir auch dabei begegnen!