Über die Landungsstege des New Yorker Hafens gingen in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts zwischen fünfzig- und zweihunderttausend Italiener jährlich auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen an Land! Sie träumten alle vom Reichwerden, doch sie lebten zusammengepfercht in den bevölkerungsreichsten Vierteln der großen Städte; im Sommer arbeiteten sie als Hilfs- oder Dockarbeiter, als Maurer, Bergleute oder Gleisbauer; im Winter waren sie zumeist zur Arbeitslosigkeit verdammt. Um das Maß vollzumachen, hatten die fast ausnahmslos katholischen Einwanderer kaum geistlichen Beistand. In dieser verzweifelten Situation trat eine junge italienische Nonne, Mutter Francesca Saverio Cabrini, auf den Plan. Als sie gebeten wurde, Schwestern im Dienste ihrer emigrierten Landsleute zu entsenden, nahm sie die Herausforderung an; damit begann ihr einmaliges Heldenepos.
Francesca Saverio Cabrini wurde am 15. Juli 1850 als letztes von dreizehn Kindern in Sant'Angelo, einer Vorstadt von Lodi in der Nähe von Mailand (Italien) geboren. Als eifrige Katholiken erzogen die Eltern Cabrini ihre Kinder unter den Augen Gottes in einer zutiefst liebevollen Atmosphäre. Die jüngste Tochter empfing bei der Taufe die Vornamen Maria Francesca, wurde jedoch zu Hause nur «Cecchina» gerufen. Die zwei Monate zu früh geborene Kleine war sehr empfindlich und litt unter einem tückischen Fieber, konnte aber wundervoll lächeln. Im Alter von elf Jahren bekam sie von ihrem Beichtvater die Erlaubnis, ein privates Keuschheitsgelübde abzulegen, das sie von Jahr zu Jahr erneuerte, bis sie mit neunzehn Jahren ihre Jungfräulichkeit für immer Christus weihte. Abends wurde im Familienkreise zusammen gebetet und in den Jahrbüchern der Verbreitung des Glaubens gelesen. Bei dieser Lektüre fühlte Maria Francesca den brennenden Wunsch in sich erwachen, Missionarin in China zu werden. 1870 wurde die Familie von einem schweren Schicksalsschlag heimgesucht: Sie verlor kurz nacheinander beide Eltern.
«Gründen Sie doch selber eine!»
Eines Tages bat der Gemeindepfarrer Francesca, sie möchte eine kranke Lehrerin an einer Schule in Vidardo vertreten. Sie blieb zwei Jahre dort, gewann die Herzen der Kinder, lehrte sie die Liebe zu Gott sowie Respekt vor ihm und erwies sich als ausgezeichnete Pädagogin. Vom Bürgermeister des Dorfes erhielt sie die Erlaubnis, den Religionsunterricht an der Schule wieder einzuführen. Da Francesca sich jedoch zu einem gottgeweihten Leben berufen fühlte, suchte sie um Aufnahme in die Gemeinschaft der Damen vom Heiligsten Herzen nach, allerdings vergeblich, denn Gott hatte andere Pläne. 1874 schlug ihr der Bischof von Lodi, Mgr. Gelmini, eine etwas sonderbare Ausbildung zur Nonne in einem Waisenhaus, dem Haus der Vorsehung, in Codogno vor, welches von einer alten Dame, Signorina Tondini, geführt wurde. Der Bischof wünschte, dass Francesca nicht nur Novizin, sondern auch Reformerin werde, was ihr reichlich Widerspruch von Fräulein Tondini einbrachte. Doch ihre Mühe war nicht vergebens: Nicht nur der Unterricht wurde besser, ihre Verwaltung machte sich auch im Alltagsbetrieb des Hauses bemerkbar. Es wurden weitere junge Mädchen aufgenommen, und Francesca merkte, dass sie sich ebenfalls zum Ordensleben hingezogen fühlten. Nach drei Jahren legte sie zusammen mit sieben Gefährtinnen ihre Gelübde in die Hände des Bischofs ab, der sie zur Leiterin des Hauses ernannte. Signorina Tondini verweigerte Schwester Cabrini den Gehorsam und machte ihr das Leben unmöglich, was bei dieser regelrechte Angstattacken auslöste. Trotz aller Bemühungen der frischgebackenen Nonnen war die Lage des Hauses völlig verfahren. Sechs Jahre nach der Ankunft Schwester Cabrinis wurde es von Bischof Gelmini geschlossen: «Sie wollen Missionarin werden», sagte er zur ihr. «Die Zeit ist da. Ich kenne keine Einrichtung von Missionsschwestern; gründen Sie doch selber eine!» Ihre einzige Anwort lautete: «Ich werde ein Haus suchen.» Sie ließ sich in einem ehemaligen Franziskanerkloster nieder, das Unserer Lieben Frau der Gnaden geweiht war. Das Gebäude musste instandgesetzt werden, die Armut war erdrückend; nichtsdestotrotz wurde am 14. November 1880 eine neue Ordenskongregation gegründet, das Institut der Missionsschwestern des Heiligsten Herzens. Die erste Messe in der Kapelle wurde von Mgr. Serrati, dem Propst von Codogno, zelebriert; er ließ über dem Altar ein Bild des Heiligsten Herzens anbringen; dieser Brauch wurde fortan in allen Gründungen des Instituts beibehalten. Unter der Leitung von Schwester Cabrini und der Aufsicht von Propst Serrati beschlossen die Schwestern, ein Waisenhaus und eine Schule aufzumachen. Viele Eltern schickten ihre Kinder auf diese recht arme Schule, da sie sich sicher waren, dass diese dort eine christliche Erziehung bekamen. Denn Italien war damals in den Händen einer kirchenfeindlichen Obrigkeit; Katholiken mussten große Opfer bringen, um ihren Kindern den Glauben weitergeben zu können.
Dieses Beispiel ist von großer Bedeutung für die Familien unserer Zeit, denn die christliche Erziehung der Kinder gehört zu den Hauptaufgaben der Eltern. «Da die Eltern ihren Kindern das Leben schenkten, haben sie die überaus schwere Verpflichtung zur Kindererziehung», lehrt das II. Vatikanische Konzil. «Daher müssen sie als die ersten und bevorzugten Erzieher ihrer Kinder anerkannt werden ... Den Eltern obliegt es, die Familie derart zu einer Heimstätte der Frömmigkeit und Liebe zu Gott und den Menschen zu gestalten, dass die gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie der gesellschaftlichen Seite hin davon getragen wird. So ist die Familie die erste Schule der sozialen Tugenden, deren kein gesellschaftliches Gebilde entraten kann ... Wenn auch die Erziehungsaufgabe in erster Linie der Familie zufällt, so bedarf diese doch der Hilfe der gesamten Gesellschaft» (Dekret Gravissimum educationis, 3). Daher sollten die Bemühungen all derer ermutigt und unterstützt werden, die Strukturen zur Förderung von Schulen errichten, an denen eine wirklich katholische Erziehung erteilt wird. Die vielfältigen Schwierigkeiten auf diesem Gebiet sollten uns zu mehr Freigebigkeit bewegen, aber auch unsere Gebete zum heiligen Joseph, dem Beschützer der Familien, beleben.
«Nicht eines, sondern zwei!»
Das neue von Mutter Cabrini gegründete Institut lebte nur für das Herz Jesu; sein Ziel war die Verherrlichung und Tröstung des Heiligsten Herzens. In diesem Geiste erzog die Oberin die jungen Mädchen, die an ihre Tür klopften, dazu, ein reiches Innenleben zu führen und schlicht, demütig, bußfertig und vor allem gehorsam zu sein. Demut bedeutete für sie nichts anderes als die Wahrheit über sich selbst, die vollkommene Hingabe an den Willen Gottes und das Vertrauen auf dessen Gnade, um die einem obliegenden Aufgaben erfüllen zu können. «Die wahre Missionarin denkt nie: 'Welches Amt wird man mir übertragen? Wohin wird man mich schicken?' Sie sollte niemals sagen: 'Ich kann dieses oder jenes nicht machen; ich bin dazu nicht fähig.' Ob sie zur Generaloberin gewählt, ob sie in eine Schulklasse geschickt wird, um Kinder zu unterrichten, oder ob sie eine Treppe fegen soll: Sie sollte ihre Aufgabe willig erledigen ... So ist die wahre Liebe, die tätige Liebe, die von jedem persönlichen Interesse frei ist; diese starke Liebe solltet ihr alle haben. Ihr habt euch dem Heiligsten Herzen Jesu geopfert; in der totalen Selbstverleugnung liegt das Wesen eurer Heiligkeit.»
1882 eröffnete die Kommunität eine Schule in Grumello. Zwei Jahre später folgte eine weitere in Mailand. In den folgenden sieben Jahren wurden ebenso viele Häuser gegründet. Um für die Zukunft vorzusorgen, wollte Mutter Cabrini ein Haus in Rom eröffnen und eine spezielle Anerkennung des Papstes erhalten. Man riet ihr unter Hinweis auf das geringe Alter ihres Instituts und die zahlreichen bereits bestehenden Nonnenklöster in der Ewigen Stadt davon ab. Bei einer Audienz erläuterte Mutter Cabrini dem Kardinalvikar von Rom, was sie wollte. Zu ihrer großen Enttäuschung erhielt sie folgende Antwort: «Seien Sie folgsam und kehren Sie nach Hause zurück. Sie werden zu einem günstigeren Zeitpunkt wiederkommen.» Nach einiger Zeit wurde sie von Kardinal Parocchi zurückgerufen; er fragte sie: «Nun, Mutter Cabrini? Sind Sie immer noch bereit zu gehorchen?» - «Gewiss, Eminenz.» - «In diesem Fall erlaube ich Ihnen nicht nur, ein Haus in Rom zu gründen; ich befehle Ihnen, zwei zu gründen. Das eine wird eine freie Schule in Porta Pia sein. Das andere ein Haus für Kinder in Aspra.» Sie traute ihren Ohren nicht! Am 12. März 1888 wurden die Institutsregeln in Rom gebilligt.
«Nicht in den Osten, sondern in den Westen!»
In dieser Zeit lernte Mutter Cabrini den Bischof von Piacenza, Mgr. Scalabrini, kennen, der sich um die Not der in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Italiener sorgte. Er bat sie hinzufahren und ihren Landsleuten zu helfen; Mutter Cabrini war hin- und hergerissen, denn sie dachte immer noch an ihren Kindheitstraum: China! Anlässlich einer Audienz bei Papst Leo XIII. schilderte sie diesem ihre Zweifel: «Nicht in den Osten», erwiderte der Heilige Vater, «sondern in den Westen. Das Institut ist noch jung. Gehen Sie in die Vereinigten Staaten! Sie werden dort ein weites Wirkungsfeld finden.» Der Papst hatte gesprochen, und durch ihn Christus. Mutter Cabrini zögerte nicht weiter. «Bei den Stiftern und Stifterinnen erscheint der Sinn für die Kirche immer lebendig und zeigt sich in ihrer vollkommenen Teilnahme am kirchlichen Leben in allen seinen Dimensionen und im bereitwilligen Gehorsam den Bischöfen, insbesondere dem Bischof von Rom gegenüber. Vor diesem Horizont der Liebe zur heiligen Kirche, Säule und Fundament der Wahrheit (1 Tim 3,15), begreifen wir die Ergebenheit eines Franz von Assisi dem 'Herrn Papst' gegenüber, den kindlichen Unternehmungsgeist einer Katharina von Siena dem gegenüber, den sie den ,süßen Christus auf Erden' nennt, den apostolischen Gehorsam und das Sentire cum Ecclesia eines Ignatius von Loyola. Ähnliche Zeugnisse stellen die volle kirchliche Gemeinschaft dar, die Heilige sowie Stifter und Stifterinnen zu ganz verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen und oft sehr schwierigen Umständen gegeben haben. Auf diese Vorbilder müssen Personen des geweihten Lebens immer wieder Bezug nehmen, um den heutzutage besonders aktiven zentrifugalen und zersetzenden Antriebskräften entgegenzuwirken» (Johannes-Paul II., Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 25. März 1996, Nr. 46).
Am 31. März 1889 landete Mutter Cabrini mit sechs Begleiterinnen in New York. Da es kein Kloster gab, verbrachten die Nonnen ihre erste Nacht in einem armseligen Haus in «Little Italy» im Herzen von Lower Manhattan. Am folgenden Tag wurden sie von Erzbischof Corrigan überaus frostig empfangen: «Ich habe Sie nicht so früh erwartet, Schwester. Die Lage ist die, dass es hier nichts zu tun gibt. Es tut mir leid, dass Sie gekommen sind. Sie sollten mit dem gleichen Schiff nach Italien zurückfahren.» In entschiedenem Ton gab die Oberin eine kurze Antwort: «Nein, Exzellenz, nein. Das können wir nicht machen. Ich bin aus Gehorsam dem Heiligen Vater gegenüber nach New York gekommen, ich werde hier bleiben.» Dank großzügiger Spenden von wohlhabenden Leuten konnte Mutter Cabrini bald ein erstes Waisenhaus eröffnen. Nach kurzer Zeit waren sie und ihre Schwestern in ganz «Little Italy» bekannt. Diese schlichte Frau mit ihrem durch häufige Krankheiten ausgezehrten Körper überraschte durch die Beherztheit, mit der sie menschlich unmögliche Werke in Angriff nahm. Im Laufe der folgenden Jahre entstanden überall auf dem amerikanischen Kontinent vom Norden bis in den Süden Schulen, Pensionate, Waisenhäuser und Hospitäler, ganz abgesehen von weiteren Gründungen in Europa. Beim Tode von Mutter Cabrini zählte ihre Kongregation 67 Häuser! So viele wunderbare Werke konnte sie nur dank dem wesentlichen Zug ihrer Spiritualität vollbringen: ihrem unerschütterlichen Gottvertrauen. Sie schrieb einmal: «Seit so vielen Jahren, in denen das Institut besteht, haben Jesus und Maria alles für mich gemacht. Wenn manchmal Dinge nicht so gut gelaufen sind, so nur, weil zu viel von mir darinnen steckte. Ich komme ruhig voran, wie ein Kind, das in den Armen seiner Mutter ruht ... Omnia possum in Eo qui me confortat! Alles vermag ich in dem, der mich stärkt! (Phil 4,13)» Dass die Gaben des Heiligen Geistes, insbesondere die Gabe des Rates, in ihrem Leben gegenwärtig waren, ist ganz offenkundig. Diese Gabe vervollkommnete die Tugend der Klugheit und ließ sie durch eine Art übernatürlicher Intuition rasch und sicher beurteilen, was zu tun war, vor allem in schwierigen Fällen. Vielen Heiligen stand diese Gabe zum fast gewohnheitsmäßigen Gebrauch zur Verfügung. Die heilige Johanna von Orléans zum Beispiel hätte ohne eine besondere Inspiration des göttlichen Geistes niemals ihre von den besten Heerführern bewunderten Feldzüge entwerfen können. Die erstaunlichen Leistungen Mutter Cabrinis sind in diesem Lichte zu sehen. Mochte ihr Vorgehen auch befremden und mitunter scheinbar menschliche Prognosen ignorieren, ihre Folgsamkeit gestattete es dem Herrn, durch sie die Nöte zahlreicher mittelloser Personen in außergewöhnlicher Weise zu lindern.
Die Orangen des Papstes
In tiefer Treue zum Heiligsten Herzen Jesu führte Mutter Cabrini unter ihren in Bezug auf Herkunft, Temperament, Erziehung und Sprache so unterschiedlichen Töchtern eine Einheit der Herzen herbei. «Ich werde mich darum bemühen, unter den Schwestern die Einheit der heiligen Nächstenliebe zu erhalten», schrieb sie. «Ich werde sie mit wirklicher Mutterliebe lieben und daneben versuchen, ihnen allen zu dienen und in jeder einzelnen Schwester das Abbild meines geliebten Bräutigams und der Allerseligsten Jungfrau Maria zu sehen.» In mütterlicher Fürsorge interessierte sich die Oberin für jede ihrer Töchter, bat sie, ihr zu schreiben, und antwortete ihnen trotz ihrer erdrückenden Aufgaben stets zuverlässig. Sie wachte auch über ihre Gesundheit und zögerte nicht, denen, die Linderung benötigten, diese zu verschaffen.
In einem Vorort von Buenos Aires (Argentinien) lernten die Schwestern ihres Instituts eine unglückliche Frau kennen, die seit Jahren in Sünde lebte und auch viele junge Mädchen dazu verführte. Ängstlich darauf bedacht, die Seele dieser Frau zu retten, besuchten sie sie oft und beschworen sie, ihr Leben zu ändern, doch vergebens. Schließlich sagte eine der Schwestern zu ihr: «Sie werden uns nicht wiedersehen, aber erinnern Sie sich jedesmal, wenn Sie die Glocke unseres Klosters schlagen hören, daran, dass dort Nonnen leben, die beten und leiden, damit die Seele, die Sie um jeden Preis verderben wollen, gerettet wird!» Und jedesmal, wenn die Glocken ertönten, hallten diese Worte im Geiste der armen Frau nach. Allmählich gewann die Gnade die Oberhand; die Frau bekehrte sich, verließ ihr verrufenes Haus und zog in ein Kloster, wo sie kurze Zeit später starb.
Bei ihrer Rückkehr nach Rom im Frühjahr 1902 musste sich Mutter Cabrini von Fieber und Müdigkeit erschöpft ins Bett legen. Die Ärzte glaubten, es gehe mit ihr zu Ende. Papst Leo XIII. schickte ihr einige Orangen aus den Gärten des Vatikans. Sie hatte bereits seit mehreren Tagen nichts gegessen, doch die Orangen des Heiligen Vaters mussten probiert werden. Sie kostete davon und richtete sich in ihrem Bett auf: «Köstlich! Ich bin wieder zu Kräften gekommen!» Bald danach stattete sie dem Papst ihren letzten Besuch ab, denn er starb im darauf folgenden Jahr. Mutter Cabrini war der Person des Papstes, des Stellvertreters Christi auf Erden, sehr ergeben und so schrieb sie mit Blick auf einige Prostestanten, die sie auf einer Reise getroffen hatte: «Betet viel, damit diese Brüder das übernatürliche Band erkennen, das zwischen unserem Herrn Jesus und dem Papst besteht, damit sie sich alle ihm anschließen und mit uns eine Familie, eine Herde unter demselben Hirten, bilden ... Denn die Gnade ihrer Rettung kann nur aus dem liebenden Herzen des obersten Hirten kommen, der die Apostel um sich versammelt und seine Gnade sowie seinen Segen all ihren Nachfolgern versprochen hat, wenn sie getreu mit demjenigen vereint bleiben, der das Fundament bildet, nämlich dem Papst.» Fünfundzwanzig Jahre nach der Gründung des Instituts beantragte Mutter Cabrini die endgültige Approbation; sie wurde ihr am 12. Juli 1907 vom heiligen Papst Pius X. gewährt. Ihre Kongregation zählte damals über 1000 Mitglieder; über 5000 Kinder wurden in ihren Schulen betreut und etwa 100 000 Patienten in ihren Krankenhäusern gepflegt.
Ein Büßerhemd, das für alle verfügbar ist
Mutter Cabrini verordnete keine körperlichen Bußübungen, doch sie verlangte, dass ihre Nonnen sich in allem demütigten und den Götzen der Eigenliebe zerstörten. Sie duldete nicht das geringste Murren. Eines Tages klagte eine der Schwestern auf einer Reise über die Hitze. Sie wurde sogleich von der Oberin getadelt, die erklärte, dass das Wetter stets das Wetter des lieben Gottes sei. Mutter Cabrini forderte von ihren Töchtern, alles, was geschehe, mit Schweigen, Geduld und sogar Freude hinzunehmen. «Widerreden? Das ist die wahre Buße! Wenn ihr die Buße liebt, da habt ihr eine, die Leute schon zu Heiligen gemacht hat und die jedermann üben kann, selbst bei schlechtester Gesundheit. Dieses Büßerhemd könnt ihr euch nicht nur für eine Stunde überstreifen, sondern den ganzen Tag tragen.» Darin war sie mit einer anderen großen Seele einig, mit Madame Royer (1841-1924), die dem Heiligsten Herzen Jesu ebenso treu ergeben war: «Die Verehrung des Heiligsten Herzens ist keine Frömmigkeitsübung, die neben anderen frommen Übungen existiert. Sie ist das ganze, vor Liebe zu Gott brennende Leben. Erst muss unser Herr Jesus Christus geliebt werden; die Buße kommt danach. Die Buße besteht nicht darin, krampfhaft nach Opfern oder außergewöhnlichen Wegen zu suchen, sondern darin, zu allen Gelegenheiten zur Selbstüberwindung, die das Leben uns unausgesetzt zu bieten bereit ist, 'Amen' zu sagen. Buße ist, das Kreuz annehmen, das Gott uns immer wieder auf die Schultern legt.» Mutter Cabrini tat, was sie lehrte. Ihr ganzes Leben lang litt sie unter chronischen Krankheiten, aber sie gab sich Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Dieser Geist der Selbstüberwindung kann nicht existieren, wenn man nicht ein Leben des Gebets führt. «Betet, betet immerzu und bittet ohne Unterlass um den Geist des Gebets», schrieb sie. «Was der Geist des Gebets ist? Er ist, wenn man gemäß dem Geiste Jesu betet, in Jesus und mit Jesus. Der Geist des Gebets bedeutet, in Einklang mit dem Wohlgefallen Gottes zu beten, einzig danach zu streben, was Gott will. Das bedeutet, unsere Sinne müssen zu jeder Zeit, an jedem Ort auf das Beten gerichtet sein, beim Arbeiten, Gehen, Essen, Sprechen und Leiden, gewohnheitsmäßig und immer.»
Gegen Ende des Jahres 1917 fuhr Mutter Cabrini wieder nach Chicago, wo sie sich trotz ihres Erschöpfungszustandes um die Versorgung zweier Krankenhäuser in dieser Stadt kümmerte. Als sie kurz vor Weihnachten erfuhr, dass der Pfarrer vor Ort nicht wie üblich Süßigkeiten unter den Kindern verteilen konnte, rief sie: «Was! Keine Süßigkeiten für unsere Kleinen? Weihnachten wäre nicht Weihnachten! Wir werden alles wie gewohnt besorgen.» Am 21. Dezember beaufsichtigte sie mit Genugtuung das Packen der kleinen Päckchen. Aber am 22. konnte sie nicht aufstehen, um zur Messe zu gehen. Gegen Mittag fand man sie auf ihrem Stuhl zusammengesunken mit blutbefleckten Kleidern. Es blieb gerade noch Zeit, den Priester zu rufen, der ihr die Letzte Ölung spendete. Nach zwei tiefen Seufzern gab die Ordensstifterin im Alter von 67 Jahren ihre Seele an Gott zurück.
Eine einzige Familie bilden
1950 wurde Mutter Francesca Saverio Cabrini zur Patronin aller Emigranten erklärt. Heute dient ihre Kongregation immer noch der Kirche im Bereich der Erziehung, der Krankenpflege und der Seelsorge, und zwar in den fünf Kontinenten. Bei ihrer Heiligsprechung am 7. Juli 1946 zog Papst Pius XII. folgende, immer noch aktuelle Lehre aus ihrem Leben: «Die Völker müssen von ihr, die ihre Heimat mit glühender Liebe liebte und die Schätze ihrer Nächstenliebe und ihrer Werke auch auf andere Länder ausdehnte, lernen, dass sie dazu berufen sind, eine einzige Familie zu bilden: eine Familie, die sich weder durch Zwist noch durch Rivalitäten oder Feindseligkeiten entzweien darf, die ewig darum kreisen, alte Schmach zu rächen; eine Familie, die sich in brüderlicher Nächstenliebe vereinen möge, die ihre Quelle im Gebot Christi und seinem göttlichen Vorbild hat.» Dieses Werk kann einzig und allein durch die Gnade Gottes vollbracht werden, die durch das Gebet über die Welt kommt, insbesondere als Antwort auf das Beten des heiligen Rosenkranzes. «Seiner Natur nach ist der Rosenkranz auf den Frieden ausgerichtet. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass dieses Gebet in der Betrachtung Christi, des Fürsten des Friedens, besteht, der unser Friede ist (Eph 2,14). Wer das Christusgeheimnis verinnerlicht - und genau darauf zielt der Rosenkranz ab -, eignet sich das Geheimnis des Friedens an und macht es zu seinem Lebensentwurf. Kraft seines meditativen Charakters übt das Rosenkranzgebet ferner in der ruhigen Abfolge des Ave Maria auf den Beter selbst einen friedensstiftenden Einfluss aus. Es disponiert ihn für das Empfangen und das Erfahren seines Seins in der Tiefe und macht ihn bereit, den wahren Frieden, der das besondere Geschenk des Auferstandenen ist, in seiner Umgebung weiterzuschenken ... Nehmt aufs Neue den Rosenkranz mit Vertrauen in Eure Hände!... Dieser Aufruf darf nicht ungehört bleiben!» (Johannes-Paul II., Rosarium Virginis Mariæ, 16. Oktober 2002, Nr. 40.43).
Bitten wir die heilige Francesca Saverio Cabrini um die Kunst, zu Maria zu beten, um für alle Familien und für alle Völker den Frieden zu erlangen, der von Jesus Christus, dem Friedensfürsten, kommt.