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21 Dezembro 2017 in der Adventsnovene vor Weihnachten |
Als junger Bischof in Neufrankreich (Kanada) begnügte sich Msgr. François de Laval mit einer kärglichen Nahrung, lehnte jede Bequemlichkeit ab und schlief auf dem Boden; er schonte weder sich noch sein Hab und Gut, das er großzügig an Arme verschenkte. Er führte selbst die bescheidensten Amtshandlungen gerne aus und freute sich zum Beispiel, wenn er einem Indianer persönlich die Sterbesakramente spenden konnte. Als 1659 das aus Frankreich kommende Schiff Saint-André, auf dem die Pest gewütet hatte, in Québec anlegte, eilte der Bischof sogleich zu den Überlebenden. Die Oberin der Ursulinen, Mutter Marie de l’Incarnation, sagte dazu: „Man tut, was man kann, um ihn daran zu hindern …, aber kein gutes Zureden vermag ihn von solchen Akten der Demut abzuhalten.“
Hugues de Laval, der Gutsherr von Montigny-sur-Avre (Diözese Chartres, Frankreich), und seine Frau Michelle de Péricard waren nicht reich, obwohl beide aus altehrwürdigem Adel stammten. Am 30. April 1623 kam ihr dritter Sohn François zur Welt, den sie dem Schutz des ein Jahr zuvor heiliggesprochenen hl. Franz-Xaver anvertrauten. Wie damals in adligen Familien üblich, sahen die Eltern für ihren dritten Sohn den geistlichen Stand vor. So empfing François mit 8 Jahren die Tonsur und die Soutane; seine Erziehung wurde in die Hände der Jesuiten am Collège von La Flèche gelegt. Er war erst 13 Jahre alt, als sein Vater starb; die Familie geriet dadurch in eine prekäre finanzielle Situation. Doch bereits im folgenden Jahr wurde François von seinem Onkel mütterlicherseits, dem Bischof von Évreux, François de Péricard, zum Kanonikus seiner Kathedrale ernannt, was dem Jungen – und seinen Angehörigen – ein regelmäßiges Einkommen bescherte. In La Flèche schloss er sich unter der Leitung von Pater Bagot der marianischen Kongregation an. In dieser frommen Gemeinschaft bestätigte sich seine Berufung zum Priesteramt. So wechselte er mit 18 Jahren an das ebenfalls von Jesuiten geleitete Collège de Clermont nach Paris.
Da ihre beiden ältesten Söhne 1644 bzw. 1645 als Soldaten gefallen waren, rief Frau de Laval François nach Montigny zurück und bat ihn, auf das Priesteramt zu verzichten, damit er heiraten und die nun ihm zufallende Rolle als Familienoberhaupt übernehmen könne. François lehnte jedoch ab. Er regelte zu Hause alle Angelegenheiten und fuhr wieder nach Paris, um sein Studium abzuschließen. Er wurde am 1. Mai 1647 zum Priester geweiht.
Missionarischer Eifer
In der Hauptstadt traf er Pater Bagot wieder, der sich dort um die weitere spirituelle Entwicklung der ehemaligen Schüler aus La Flèche bemühte. Diese hatten sich zu einer „Gesellschaft guter Freunde“ zusammen-geschlossen und waren – wie viele Christen des 17. Jh. – von missionarischem Eifer beseelt, zumal in Rom seit 1622 eine Kongregation für die Verbreitung des Glaubens (De Propaganda Fide) existierte, die im Auftrag des Papstes die Evangelisierung ferner Länder organisierte. Auch François erwog, Missionar zu werden, doch er wartete noch auf ein Zeichen Gottes. Nach seiner Priesterweihe betreute er erst einmal ein Jahr lang Straßenkinder in Paris und arbeitete daneben als Krankenpfleger. 1648 wurde er von seinem Onkel, Msgr. de Péricard, zum Archidiakon (d.h. Generalvikar) der Diözese Évreux ernannt. Der junge Mann übte dieses Amt beinahe sieben Jahre lang gewissenhaft aus: Er besuchte Pfarrgemeinden und kümmerte sich um die Wiederherstellung der Disziplin sowie um die Armenfürsorge.
Nebenbei nahm er weiterhin an den Treffen der „Gesellschaft guter Freunde“ in Paris teil. 1653 hatte die Gruppe Pater Alexandre de Rhodes zu Gast, einen Jesuitenmissionar aus dem Fernen Osten, der Freiwillige für die Evangelisierungsarbeit suchte. Zwanzig Jesuiten hatten sich schon bereit erklärt, ihm zu folgen, doch der Pater wollte auch Weltgeistliche anwerben. François de Laval und einige weitere Freunde meldeten sich freiwillig für die Asienmission. Er selbst war für das Amt des Apostolischen Vikars in Tonkin (Vietnam) vorgesehen. Doch der Plan wurde nicht verwirklicht, da die portugiesische Regierung die katholischen Missionswerke in Asien ausschließlich für sich beanspruchte und die Entsendung französischer Missionare in den Fernen Osten kategorisch ablehnte.
Das Sozialgefüge christianisieren
1654 legte François de Laval sein Amt als Archidiakon von Évreux nieder und trat sein Ältestenrecht an seinen jüngeren Bruder ab, um für das Priesteramt ganz frei zu sein. Er vertraute sich der geistlichen Leitung des Laien Jean de Bernières an. Dieser hatte einige Jahre zuvor die Ermitage gegründet, eine kleine Gemeinschaft von Priestern und Laien, die ihr Leben dem Gebet sowie barmherzigen Werken weihten; er war auch aktives Mitglied der Gesellschaft des Allerseligsten Sakraments, einer Laienvereinigung, die sich für die Christianisierung des Sozialgefüges und für die Ausbreitung des Reiches Christi einsetzte. Jean de Bernières war 15 Jahre zuvor an der Entsendung der ersten Ursulinen nach Kanada beteiligt, zu denen auch deren später heiliggesprochene Oberin, Mutter Marie de l’Incarnation, zählte.
Die Tätigkeit weniger, aber entschlossener Laien, Christus zu dienen, veränderte die damalige Gesellschaft und trug weltweit Früchte. „Veränderungen, die vom Heiligen Geist gewirkt werden, also das Leben betreffen, sind nicht von großen Zahlen abhängig“, stellte Papst Franziskus in seiner Ansprache an die Fokolar-Bewegung fest. „Es muss keine große Menschenmenge sein, um die Welt, unser Leben zu verändern, es ist einzig wichtig, dass das Salz und der Sauerteig wirklich Salz und Sauerteig sind. Die große Anstrengung besteht darin, dass sie nicht ihr ‚Wirkungsprinzip’ verlieren: Das Salz erfüllt seinen Auftrag nicht dadurch, dass es mehr wird. Im Gegenteil: Mit zu viel Salz wird der Teig versalzen. Es muss vielmehr seine ‚Seele’ bewahren, das heißt seine Qualität“ (4. Februar 2017).
In der Ermitage, die François zum Beten, Beichten und als Krankenpfleger aufsuchte, freundete er sich schnell mit dem Hausherrn Jean de Bernières an, der ihn auf den Weg der geistlichen Armut und der Entsagung zu lenken versuchte, den auch Christus beschritten hatte. Als François zum Bischof ernannt wurde, erinnerte er ihn an das Beispiel der Apostel, die für die Verkündigung des Gekreuzigten ihr Leben geopfert hatten: Er solle demütig bleiben und sich mit wenig begnügen; er solle nicht auf weltliche Ehren bedacht sein und sich vor zuviel Diesseitigkeit hüten, die ihn daran hindern könnte, ein vollkommener Christ zu werden.
Ludwig XIV. wünschte die Einsetzung eines Bischofs in Kanada. So beschloss Rom 1658 die Errichtung eines Apostolischen Vikariats und ernannte François de Laval zum Bischof; durch diese Entscheidung wurde Monsieur de Queylus, der Großvikar des Erzbischofs von Rouen, übergangen, dessen Jurisdiktion sich bis dahin auch auf Neufrankreich (Kanada) erstreckte. Der Großvikar wiegelte daher die französischen Bischöfe zum Protest gegen François’ Ernennung auf, der am 8. Dezember 1658 gleichwohl zum Bischof geweiht wurde. Die Parlamente von Paris und Rouen untersagten daraufhin die Anerkennung des neuen Bischofs und verfügten, dass alle königlichen Beamten ihn an der Ausübung seines Amtes hindern sollten. François de Laval schwieg dazu und legte sein Schicksal in Gottes Hand. 1659 wurde der Gouverneur von Neufrankreich im Namen des Königs angewiesen, die Jurisdiktion des neuernannten Apostolischen Vikars anzuerkennen; dieser konnte am 13. April in See stechen. Er landete am 16. Juni in Québec und musste alsbald feststellen, dass seine Autorität nicht unumstritten war. Da Queylus weiterhin in seinem Ungehorsam verharrte, sah sich der Apostolische Vikar gezwungen, ihn von seinem Priesteramt zu entbinden; bald danach wurde Queylus vom König nach Frankreich zurückbeordert. François de Laval trug ihm seine Intrigen nicht nach und versöhnte sich später mit ihm, so dass er 1668 nach Montreal zurückkehren konnte und bald zum Generalvikar ernannt wurde.
„Im heutigen Evangelium fragt Petrus den Herrn: Wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?, worauf der Herr antwortet: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal (Mt 18,21-22). Diese Worte“, kommentiert Papst Franziskus, „treffen den eigentlichen Kern der Botschaft Jesu von Versöhnung und Frieden. Seinem Gebot gehorsam, bitten wir unseren himmlischen Vater täglich, uns unsere Sünden zu vergeben, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern … Jesus verlangt von uns zu glauben, dass Vergebung die Tür ist, die zu Versöhnung führt. Indem er uns befiehlt, unseren Mitmenschen uneingeschränkt zu vergeben, fordert er uns auf, etwas absolut Radikales zu tun, doch er schenkt uns auch die Gnade, es zu vollbringen. Was aus menschlicher Sicht unmöglich, undurchführbar und manchmal sogar abstoßend erscheint, macht er möglich und fruchtbar durch die unendliche Kraft seines Kreuzes. Das Kreuz Christi offenbart Gottes Macht, jede Teilung zu überbrücken, jede Wunde zu heilen und die ursprünglichen Bande brüderlicher Liebe wieder herzustellen“ (Seoul, 18. August 2014).
Unterschiedliche Ansichten
Die Oberin des Ursulinenklosters, Mutter Marie de l’Incarnation, war mit den Maßnahmen des jungen Bischofs nicht ganz einverstanden; anfänglich war die Beziehung der beiden ziemlich gespannt. Prinzipiell bewunderte die Nonne die Frömmigkeit und Tugendhaftigkeit François de Lavals, zumal sie wusste, dass er durch Herrn de Bernières Schule gegangen war. Allerdings beklagte sie seinen Mangel an Diplomatie: „Er wird sich bestimmt mit niemandem anfreunden, um vorwärtszukommen und seine Einkünfte zu steigern. Für so etwas hat er keinen Sinn. Wäre dem nicht so, ginge wohl alles besser, denn ohne weltlichen Beistand kann man hier nichts bewirken.“ Der Plan des Bischofs, die beiden weiblichen Krankenpflegeorden zu einem einzigen zusammenzuschließen und die Kongregation Unserer Lieben Frau mit der der Ursulinen zu vereinigen, missfiel der Mutter. Die Spannung erreichte ihren Höhepunkt 1660, als er nach einer kanonischen Visitation versuchte, die Konstitutionen der Ursulinen abzuändern. Marie de l’Incarnation leistete erbitterten Widerstand, da die Regeln, die der Bischof durchzusetzen versuchte, ihrer Meinung nach für Schulschwestern ungeeignet waren. Bischof de Laval beschloss daraufhin, vorerst abzuwarten. Im Folgenden legte er den Ursulinen gegenüber großes Wohlwollen an den Tag, besuchte Marie de l’Incarnation mehrmals, als sie krank war, legte den Grundstein zur Kapelle des Ursulinenklosters und weihte diese später persönlich ein.
Die Entsagung
François de Laval führte bereits 1660 die erste Pastoralvisitation seines Vikariats durch. Im 1608 von Samuel Champlain gegründeten Französisch-Kanada lebten damals etwa 2 500 Siedler: Bauern, aber auch im Pelzhandel tätige Kaufleute. Die Eingeborenen litten unter einer extrem hohen Sterblichkeit, verursacht durch Hungersnöte, Skorbut und kriegerische Auseinandersetzungen. Bischof de Laval gründete 1663 das Seminar von Québec, das „junge Kleriker für den Dienst Gottes heranbilden sollte, indem es sie in der guten Verwaltung der Sakramente, in der Methodik des Religionsunterrichts, der Predigtkunst, den Zeremonien und dem gregorianischen Gesang unterwies“. Dieses Zentrum wurde auch der Sitz des Klerus, dessen Rolle umso bedeutender war, als vorläufig auf die Gründung von Pfarreien verzichtet werden musste, da das riesige Gebiet nur dünn besiedelt war und da es an Mitteln fehlte: Viele Siedler waren vorerst außerstande, die Kirche finanziell zu unterstützen. Alle „Pfarreien“ waren also unter einem Dach im Seminar vereint, das sämtliche Einkünfte einzog und für den Lebensunterhalt der Priester sorgte. Im Gegenzug legten diese ihr Hab und Gut zusammen. Der Verzicht auf Privatbesitz wurde auch vom spirituellen Standpunkt aus gewürdigt: „Die Entsagung ist wichtig“, sagte der Bischof, „denn in ihr liegt der Geist der Gnade, der das Seminar am Leben hält.“ Den Priestern, die zu einem mehr oder minder langen Aufenthalt in die Pfarreien aufbrachen, wurde alles Notwendige mitgegeben. Kehrten sie erschöpft von ihrem Einsatz – der mitunter auch Gewaltmärsche und mühsame Flussfahrten einschloss – zurück, wurden sie ihrem Gesundheitszustand entsprechend gepflegt. Als das Vikariat von Québec 1674 zum Bistum erhoben wurde, begann Bischof de Laval auch Pfarreien mit residierenden Pfarrern einzurichten. Bei seinem Rücktritt 1688 hatte er 35 Pfarreien gegründet. Sein größtes Verdienst bestand jedoch darin, seine junge Kirche vor den Übeln bewahrt zu haben, die im 17. und 18. Jahrhundert das Leben der Kirche in Frankreich vergifteten: dem Gallikanismus, dem Jansenismus, dem Quietismus sowie dem Einfluss der Aufklärungsphilosophie … Der von den Pionieren der Evangelisierung in Treue zur römischen Kirche gelehrte Glaube blieb unverfälscht und rein.
Ein todbringendes Getränk
Doch schon bald geriet Bischof de Laval in Konflikt mit den Zivilbehörden. Er versuchte, die Ärmsten, insbesondere die Indianer, zu schützen. Der damalige Gouverneur namens Davaugour förderte demgegenüber den Schnapshandel: Die Händler boten den Indianern im Tausch gegen Pelze Spirituosen an, was sie bis dahin gar nicht gekannt hatten. Die Ureinwohner „finden sie sehr nach ihrem Geschmack“, schrieb Marie de l’Incarnation, „doch ein einziges Mal genügt, um sie verrückt und wütend zu machen. Das Getränk tötet sie.“ Der Bischof exkommunizierte kurzerhand jeden, der „Schnapshandel“ betrieb. Der König rief Davaugour nach Frankreich zurück und einigte sich mit dem Bischof auf die Wahl eines neuen Gouverneurs. Es wurde auch ein Souveräner Rat von Kanada eingerichtet, in welchem dem Bischof der zweite Platz zustand. Im November 1668 untersagte dieser Rat den Indianern zwar heuchlerischerweise den Alkoholkonsum, erklärte jedoch den „Schnapshandel“ für zulässig. Der Bischof nahm seinen Kampf gegen den Alkohol wieder auf und sah sich bald dem Vorwurf der Einmischung in zivile und kommerzielle Angelegenheiten ausgesetzt. Ludwig XIV. stimmte schließlich einer Kompromisslösung zu: Er verbot den Schnapshandel außerhalb der französischen Siedlungen.
Auch Papst Franziskus klagt über bestimmte wirtschaftliche Praktiken, hinter denen sich eine Absage an die Ethik, eine Absage an Gott, verbirgt: Die Ethik „wird als kontraproduktiv angesehen: als zu menschlich, weil sie Geld und Macht relativiert; als eine Bedrohung, weil sie Manipulation und Unterwerfung des Menschen zurückweist. Weil die Ethik zu Gott führt, der außerhalb der Kategorien des Marktes steht. Gott wird von diesen Finanzmännern, Wirtschaftsfachleuten und Politikern als nicht beherrschbar angesehen, … sogar als gefährlich, weil er den Menschen zu seiner vollen Verwirklichung und zur Unabhängigkeit von jeglicher Art der Versklavung ruft“ (16. Mai 2013). Auch der Katechismus der Katho-lischen Kirche mahnt uns: „Gott allein sättigt … Er beruft uns zur Seligkeit in sich selbst … Denn was für ein Ziel haben wir, wenn nicht das, zum Reich zu gelangen, das kein Ende haben wird? Gott hat uns ins Dasein gerufen, damit wir ihn erkennen, ihm dienen, ihn lieben und so ins Paradies gelangen“ (Nr. 1718-1721).
1681 bot Bischof de Laval dem König wegen einer schweren Erkrankung seinen Rücktritt an. Ludwig XIV. bat ihn, bis zur Ankunft seines Nachfolgers im Amt zu bleiben. Der Bischof musste sieben Jahre lang warten: Erst im Januar 1688 wurde Msgr. de Saint-Vallier zu seinem Nachfolger bestimmt. François de Laval durfte seine Tage in Kanada beschließen, sofern er versprach, dem neuen Bischof keine Schwierigkeiten zu bereiten. Er zog ins Seminargebäude und mischte sich nicht in die Angelegenheiten der Diözese ein. Sein einsames, entsagungsreiches Leben füllte er mit Beten und Bußübungen aus und verschenkte alles, was er besaß, an die Armen. Er litt allerdings unter der Amtsführung von Bischof de Saint-Vallier. Dieser hatte unter dem Druck politischer Kreise aus Frankreich die Organisation der Pfarreien verändert und versuchte, deren Finanzierung durch das Seminar zu beenden. Er behielt sich die Verteilung königlicher Gratifikationen vor und verweigerte manch einer Pfarrei den ihr zustehenden Anteil; zudem bürdete er dem Seminar ohne jeden Ausgleich die Pflege sowie den Lebensunterhalt alter und kranker Pfarrer auf. Der Klerus war empört.
Eine mächtigere Hand
Ungeachtet der Verdienste des Altbischofs und seines Heldenmuts beim Angriff der Engländer 1690 wies Bischof de Saint-Vallier seinen Vorgänger an, sich aufs Land zurückzuziehen. Letzterer gehorchte und vertraute sich einmal mehr der Vorsehung an. Der Bischof von Québec setzte bei Hof die Loslösung sämtlicher Pfarreien Neufrankreichs vom Seminar durch; ein bitteres Kreuz für den Altbischof. „Aber wir dürfen den Mut nicht sinken lassen“, schrieb er an einen Freund. „Die Menschen haben zwar die Macht, Dinge zu zerstören, doch der Herr ist unendlich mächtiger, um Dinge aufzubauen. Wir müssen ihm nur treu sein und ihn machen lassen.“ Er versuchte die Pfarrer zu trösten und riet zu Gehorsam, Versöhnung und Frieden.
Ende September 1694 befand sich Bischof de Saint-Vallier mit aller Welt im Krieg. Der Altbischof hielt es nun für seine Pflicht, ihm in einem langen Brief unverblümt alles darzulegen, was ein gekränkter Vater seinem Sohn sagen kann, nachdem dieser bestimmte Grenzen überschritten hatte. Anders als erwartet fand beim Bischof von Québec ein Sinneswandel statt. Während eines Frankreichaufhaltes erkannte er angesichts der dunklen Machenschaften am Hof die Weisheit, mit der Bischof de Laval regiert hatte. 1700 brach er zu einer weiteren Reise auf, kehrte jedoch nach langer Gefangenschaft in England und langem Exil in Frankreich erst 13 Jahre später wieder zurück. In dieser Zeit wurde er in liturgischer Hinsicht von seinem Vorgänger vertreten. Dieser unternahm sogar eine Pastoralvisitation, obwohl der Bewegungsmangel auf den langen Reisen ihm starke Schmerzen in den Beinen bereitete. Er hielt weiterhin an seiner asketischen Lebensweise fest: Die Einrichtung seines Zimmers bestand lediglich aus einem Bett, einem Tisch, einem Sessel, einem Kruzifix und einem Bild der Gottesmutter sowie der Heiligen Familie. Sein Glaube, seine Gebete und seine Geduld machten ihn zum begehrtesten Seelsorger der Diözese; jeder ging getröstet, erleuchtet und gestärkt von ihm weg. In den Jahren 1701 und 1705 musste er zweimal miterleben, wie das Seminar, der Grundpfeiler seines Werkes, niederbrannte; doch er verlor deswegen weder seinen Frieden, noch seine Freude und Seelenruhe, war er doch zusammen mit dem hl. Paulus überzeugt, dass die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll (Röm 8,18), denn: Was kein Auge sah und was kein Ohr vernahm und was in eines Menschen Herz nicht drang, was Gott denen bereitete, die ihn lieben (1 Kor 2,9).
Trotz der Kälte und seiner Gebrechen nahm Bischof de Laval weiterhin an allen Gottesdiensten in der Kathedrale teil; notfalls ließ er sich hintragen. In der Karwoche 1708 zog er sich eine Erfrierung an der Ferse zu, die sich entzündete und schließlich seinen Tod am 6. Mai nach sich zog. Er wurde 85 Jahre alt und hatte 49 Jahre in Kanada gelebt.
Das Leben des heiligen François de Laval bezeugt die Treue Gottes zu denen, die sich für die Ausdehnung seines Reiches einsetzen. Nehmen wir dieses Zeugnis freudig an, ermahnte uns Papst Franziskus bei der Danksagungsmesse für die Heiligsprechung von François de Laval und von Marie de l’Incarnation am 12. Oktober 2014: „Diejenigen zu ehren, die gelitten haben, um uns das Evangelium zu bringen, bedeutet, dass auch wir den guten Kampf des Glaubens weiterführen, mit Demut, Sanftmut und Barmherzigkeit in unserem alltäglichen Leben. Und das bringt Frucht.“