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19. März 1997
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Am Abend des 19. Februar 1818 fragte Jean-Marie Vianney, ein junger Priester, nachdem er die dreißig Kilometer zwischen Ecully und dem Dorf Ars (in der Nähe von Lyon) zu Fuß zurückgelegt hatte, einen kleinen Hirten nach dem Weg zu seiner neuen Pfarrgemeinde. Dieser wies dem Unbekannten den richtigen Weg und bekam als Dank folgende Worte zu hören: ,,Mein kleiner Freund, du hast mir den Weg nach Ars gezeigt; ich werde dir den Weg in den Himmel zeigen".
Jean-Marie Vianney, eine der Fackeln, die unseren Weg erleuchten, hilft uns durch sein Vorbild, unserer christlichen Berufung gemäß zu handeln.
Ein kleiner hirte unter des schreckensherrschaft
1793. Die Schreckensherrschaft. In Lyon steht auf der Place des Terreaux die Guillotine nicht still. Die Kirchen sind geschlossen. An den Wegen stehen nur noch die Sockel der Kruzifixe: Die Kreuze sind von den Revolutionären zerschlagen worden. Einzig das Heiligtum der Herzen bei den wirklich Gläubigen bleibt unverletzt. Der 1786 geborene Jean-Marie Vianney verbringt seine Kinderjahre in diesem Revolutionsklima.
Er bewahrt unter vielen Vorsichtsmaßnahmen eine kleine Statue der allerseligsten Jungfrau auf und nimmt sie sogar in einer Tasche seines Hemdes auf die Felder mit. Dort stellt er sie in den Stamm eines alten Baumes, umgibt sie mit Moos, Ästen und Blumen, kniet dann im Gras nieder und betet den Rosenkranz. Das Bachufer ist an die Stelle der zweckentfremdeten Kirchen getreten, wo niemand mehr betet. In der Umgebung hüten auch andere Hirten ihre Herden. Es ist nicht immer vernünftig, daß sie sich versammeln; doch Jean-Marie kann sie nicht davon abhalten, zu ihm zu kommen. So wird er, ohne auch nur daran zu denken, zum Apostel. Er wird zum Katecheten seiner Gefährten, erzählt weiter, was er in der Stille der Nacht selbst gehört hat und bringt ihnen die Gebete bei, die er von seiner Mutter gelernt hat. Seine Berufung zum Priester blüht immer deutlicher auf: In der Tiefe seiner Seele ertönt jenes Folge mir nach (Mt 8, 22), das am Ufer des Sees von Galiläa Petrus, Andreas, Jacobus und Johannes in die Nachfolge Jesu berufen hat.
Mit 19 Jahren nimmt er seine Studien als Seminarist auf. Wie widerspenstig erscheint ihm die lateinische Grammatik! Der junge Mann hat einen lebhaften und feinen Ausdruck beim Sprechen; man hört ihn gerne reden, doch die Studien fallen ihm schwer; sobald er eine Feder in den Fingern hält, wird er langsam, gehemmt. Im Priesterseminar von Lyon scheinen seine Bemühungen fruchtlos zu bleiben. Die Anfechtung ist groß, als er nach fünf oder sechs Monaten von den Vorstehern gebeten wird, aufzugeben, da sie glauben, daß er unmöglich bestehen kann. Viele seiner Mitschüler sind sehr betroffen, als sie ihn das Seminar verlassen sehen. Auch selbst tief betrübt, vertraut er sich der Vorsehung an. Nach einer langen und arbeitsreichen Wartezeit wird er von seinem Mentor einem der Generalvikare, Herrn Courbon, der die Erzdiözese von Lyon verwaltet, vorgestellt: ,,Ist der Geistliche Vianney fromm?" fragt dieser. ,,Verehrt er die heilige Jungfrau? Betet er den Rosenkranz?" - ,,Ja, er ist ein Vorbild an Frömmigkeit." - ,,Ein Vorbild an Frömmigkeit! Nun gut, ich berufe ihn. Die Gnade Gottes wird den Rest bewirken... Die Kirche braucht nicht nur gelehrte Priester, sondern auch und vor allem fromme Priester".
Herr Courbon ist wohlberaten. Dank der Gnade Gottes und seiner beharrlichen Arbeit erzielt Jean-Marie Vianney wirkliche Fortschritte in seinen Studien. Bei der kanonischen Prüfung für das Priesteramt wird er vom Prüfer eine Stunde lang über die schwierigsten Punkte der Moraltheologie befragt. Seine klaren und genauen Antworten sind vollauf zufriedenstellend. Sein ganzes Leben lang wird dieser heilige Priester der Kenntnis der richtigen Lehre eine große Bedeutung beimessen und seine Predigten sorgfältig vorbereiten. Um seine Kenntnisse aufzufrischen, wird er jeden Abend im Winter dem Studium widmen.
Die quälende sorge um das heil der Seelen
Dem Kandidaten Vianney steht nun der Zugang zum Priesteramt offen: Er wird am 13. August 1815 zum Priester geweiht. Gott sandte den Sohn... in die Welt, daß die Welt gerettet werde durch ihn (Joh 3,17). Die Mission der Priester besteht genau darin, dieses Heilswerk überall in der Welt präsent und wirksam werden zu lassen. Deshalb wird der Pfarrer von Ars sagen können: ,,Ohne den Priester dienten der Tod und das Leiden unseres Herrn zu nichts. Der Priester führt das Erlösungswerk auf Erden fort".
Nach dem Vorbild des guten Hirten verbringt er sein ganzes Leben damit, verlorene Schafe zu suchen und in den Stall zurückzuführen. ,,Wenn ein Seelsorger stumm bleibt, sobald er sieht, daß Gott beleidigt wird und Seelen auf Irrwege geraten", sagt er eines Tages, ,,so Unglück über ihn!" Er fühlt sich besonders zur Bekehrung von Sündern berufen. Seine Klagen über den Verlust von Seelen sind herzzerreißend: ,,Wenn der liebe Gott nicht so gut wäre, aber Er ist so gut!... Rettet eure arme Seele!... Wie schade wäre es, eine Seele zu verlieren, die unseren Herrn soviel gekostet hat! Welches Unrecht hat er euch denn angetan, daß ihr ihn so behandelt?" Eines Tages hält er eine denkwürdige Belehrung über das Letzte Gericht und wiederholt dabei mehrfach im Hinblick auf die Verdammten: ,,Von Gott verflucht!... Von Gott verflucht!... Welches Unglück, welches Unglück!" Die Anwesenden werden nicht mehr durch Worte, sondern durch sein Schluchzen zu Tränen gerührt.
Soweit er kann, hält er sich stets verfügbar, um reumütigen Seelen die Vergebung Gottes zu spenden. Er hat in der Tat großen Abscheu vor dem Bösen: ,,Durch die Sünde jagen wir den lieben Gott aus unseren Seelen, wir verachten den lieben Gott, wir kreuzigen ihn, wir fordern seine Gerechtigkeit heraus, wir betrüben sein väterliches Herz, wir berauben Ihn der Anbetung, der Ehrerbietung, die nur Ihm zukommen... Die Sünde wirft schreckliche Schatten in unseren Geist, die die Augen der Seele verschließen; sie verdunkelt den Glauben, wie dunkle Nebel die Sonne vor unseren Augen verdunkeln... Sie hindert uns, auf den Himmel zuzugehen. Oh! Welch großes Übel die Sünde ist!" Aus diesem Grunde verwendet er beträchtliche Zeit darauf, das Sakrament der Buße zu spenden, das übliche Mittel, um den Zustand der Gnade und die Freundschaft des Herrn wiederzufinden.
Ein umgedrängter beichtstuhl
Das große Wunder des Pfarrers von Ars, konnte man sagen, ist sein Tag und Nacht besetzter Beichtstuhl. Der Heilige verbringt drei Viertel seines Lebens in diesem engen Verschlag: Von November bis März sitzt er jeden Tag mindestens 11 bis 12 Stunden lang darin, während der schönen Jahreszeit sogar 16 bis 18 Stunden. Wenn im Winter seine von Frostbeulen verunstalteten Hände zu sehr einschlafen, so entflammt er, komme, was wolle, ein Stück Zeitungspapier, um sie zu wärmen. In bezug auf seine Füße gibt er selber zu: ,,Von Allerheiligen bis Ostern fühle ich sie gar nicht!" Das ist so wahr, daß er mitunter, wenn er abends seine Strümpfe auszieht, gleichzeitig auch die Haut von seinen Fersen herausreißt. Aber was kümmern ihn seine Schmerzen; um Seelen zu retten, ist er zu allem bereit.
,,Um seine Sünden richtig auszulöschen, muß man richtig beichten!" pflegt er zu sagen. ,,Richtig beichten": Das heißt zunächst, man muß sich durch eine ernsthafte Gewissenserforschung darauf vorbereiten. Papst Johannes-Paul II. hat daran erinnert, daß ,,die Beichte insofern vollständig zu sein hat, als sie alle Todsünden aufzählen muß... Heute klagen sich viele Gläubige, die sich dem Sakrament der Buße nähern, nicht vollständig sämtlicher Todsünden an und leisten dem Beichtvater manchmal Widerstand, wenn er sie seiner Pflicht gemäß befragt, um eine ausführliche und notwendige Beschreibung der Sünden zu erhalten, als würde er sich ein ungerechtfertigtes Vordringen in das Heiligtum des Gewissens erlauben. Ich wünsche und bete dafür, daß diese wenig erleuchteten Gläubigen davon überzeugt werden, daß die Regel, nach der man die spezifische und erschöpfende Aufzählung der Sünden fordert, in dem Maße, in dem das ehrlich befragte Gewissen sich daran erinnern kann, keine Last darstellt, die ihnen willkürlich auferlegt wird, sondern ein Mittel zur Befreiung und zum inneren Frieden ist" (Mitteilung an S.E. Kardinal W. Baum, am 22. März 1996).
,,Die Sünde fesselt den Menschen mit ihren schändlichen Ketten", lehrt der heilige Jean-Marie Vianney. Wie unser Herr Jesus sagt: Jeder, der die Sünde tut, ist Sklave der Sünde (Joh 8,34). Denn die Sünde erzeugt wirklich einen Hang zur Sünde; sie führt zum Laster und verdunkelt das Gewissen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1865). Die in der erforderlichen seelischen Verfassung empfangene sakramentale Absolution gibt der Seele ihre wahre innere Freiheit zurück und schenkt ihr die Kraft, schlechte Gewohnheiten zu besiegen. ,,Es ist schön, daran zu denken, daß wir ein Sakrament haben, das die Wunden unserer Seele heilt!" ruft der heilige Pfarrer von Ars. ,,Im Sakrament der Buße zeigt und teilt uns Gott seine bis ins Unendliche gehende Barmherzigkeit mit... Ihr habt meine Kerze gesehen: Diese Nacht, diesen Morgen hat sie aufgehört zu brennen. Wo ist sie? Es gibt sie nicht mehr, sie ist vernichtet: Ebenso gibt es die Sünden, von denen man losgesprochen worden ist, nicht mehr: Sie sind vernichtet."
Das Sakrament der Versöhnung mit Gott bringt eine wahrhafte ,,geistige Auferstehung", eine Wiederherstellung der Freundschaft mit Gott mit sich. Zu seinen sekundären Früchten zählt die seelische Freude, der Frieden des Gewissens. Die Pönitenten von Ars, die das erfahren durften, sind zahlreich. Einer von ihnen, ein ungläubiger Greis, der seit mehr als dreißig Jahren nicht gebeichtet hatte, gestand, daß er nach der Bekenntnis seiner Verfehlungen ,,ein unbeschreibliches Wohlgefühl" empfunden habe.
Die Güte unseres Heiligen den Sündern gegenüber wird nie zur Schwäche. Bevor er die Absolution erteilt, verlangt er hinreichende Anzeichen für eine Umkehr. Zwei Dinge sind dabei absolut notwendig: zunächst die Reue, d.h. ,,der auf übernatürlichen Motiven gründende Schmerz darüber, gesündigt zu haben, denn die Sünde verletzt die Liebe zu Gott, dem höchsten Gut, sie verursacht dem Erlöser Leid und für uns bedeutet sie den Verlust der ewigen Güter" (Johannes-Paul II., ibid.). Der heilige Jean-Marie Vianney tadelt eines Tages einen schlecht vorbereiteten Pönitenten mit folgenden Worten: ,,Ihre Reue kommt nicht von Gott, auch nicht aus Schmerz über Ihre Sünden, sondern nur aus Angst vor der Hölle". In gleichem Maße notwendig ist der feste Vorsatz, nicht mehr zu sündigen. ,,Zudem muß das Beklagen der Sünden selbstverständlich auch die ernste Absicht beinhalten, in Zukunft keine Sünden mehr zu begehen. Wenn diese seelische Einstellung fehlen sollte, kann es in Wirklichkeit keine Reue geben" (Johannes-Paul II., ibid.). Die Absicht, nicht mehr zu sündigen, beinhaltet auch den Willen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und, wenn nötig, auf bestimmte Verhaltensweisen zu verzichten. In dieser Hinsicht fordert der Pfarrer von Ars mit Festigkeit von seinen Pönitenten den Verzicht auf das Tanzen und auf unschickliche Kleidung.
Vertrauen in die gnade
Vor allen Dingen zur eucharistischen Kommunion will der heilige Jean-Marie Vianney die Gläubigen führen. Die Kommunion empfangen, bedeutet, Jesus Christus selbst zu empfangen und unsere Vereinigung mit Ihm zu intensivieren. Das setzt den Stand der Gnade voraus: ,,Wer Christus in der eucharistischen Kommunion empfangen will, muß im Stande der Gnade sein. Falls jemand sich bewußt ist, daß er eine Todsünde begangen hat, darf er die Eucharistie nicht empfangen, ohne vorher im Bußsakrament die Lossprechung empfangen zu haben" (Katechismus, 1415). Den gut vorbereiteten und nach weiteren Fortschritten dürstenden Seelen rät der Pfarrer von Ars im Gegensatz zu den Gepflogenheiten seiner Zeit, häufig zur Kommunion zu gehen: ,,Die Nahrung der Seele ist der Leib und das Blut eines Gottes! O schöne Nahrung! Die Seele kann sich nur von Gott ernähren! Nur Gott kann sie erfüllen! Nur Gott kann ihren Hunger stillen! Sie braucht ihren Gott absolut! Geht also zur Kommunion, geht mit Liebe und Vertrauen zu Jesus!"
Er selbst macht die Eucharistie zum Mittelpunkt seines Lebens. Man kennt die Bedeutung, die die Messe in seinem Tagesablauf einnimmt, mit welcher Sorgfalt er sich darauf vorbereitet und sie feiert. Er ermutigt auch vielfach zu Besuchen beim Allerheiligsten und erzählt gern folgende Anekdote: ,,Es gab hier in der Gemeinde einen Mann, der vor einigen Jahren verstorben ist. Als er einmal in die Kirche trat, um sein Gebet zu sprechen, bevor er auf die Felder ging, ließ er seine Hacke an der Kirchentür zurück und vergaß sich ganz vor Gott. Ein Nachbar, der am gleichen Ort arbeitete und der ihn gewöhnlich sah, wunderte sich über seine Abwesenheit. Als er wieder nach Hause ging, fiel es ihm ein, in der Kirche vorbeizuschauen, da er dachte, der andere könnte vielleicht dort sein. Er fand ihn auch. ,Was machst du hier so lange?` fragte er ihn. Der andere antwortete: ,Ich sehe den lieben Gott an, und der liebe Gott sieht mich an`".
Miene älteste liebe
Der heilige Pfarrer von Ars führt die Seelen nicht nur zur heiligen Eucharistie, sondern gleichzeitig auch zur heiligen Jungfrau, der Mutter der Barmherzigkeit und der Zuflucht der Sünder. Er verharrt viele Stunden zu Füßen ihres Altars in Gebet. In seinen Katechismusstunden, seinen Predigten und seinen Unterhaltungen spricht er mit überfließendem Herzen von ihr: ,,Die Allerseligste Jungfrau steht zwischen ihrem Sohn und uns. Je sündiger wir sind, desto mehr Zärtlichkeit und Mitleid hat sie für uns. Das Kind, das seine Mutter die meisten Tränen gekostet hat, ist ihrem Herzen das teuerste. Läuft eine Mutter nicht immer zum Schwächsten und Gefährdetsten? Hat ein Krankenhausarzt nicht mehr Aufmerksamkeit für die am schwersten Erkrankten?" Er vertraut eines Tages Catherine Lassagne, einer seiner geistigen Töchter, an: ,,Ich habe Maria geliebt, noch bevor ich sie kannte; das ist meine älteste Liebe!" Die Allerseligste Jungfrau ist das Licht seiner dunkelsten Tage. Am 8. Dezember 1854 verkündet Papst Pius IX. das Dogma der Unbefleckten Empfängnis. Trotz seiner Müdigkeit besteht der Pfarrer von Ars darauf, selbst das Hochamt zu halten. Am Nachmittag begibt sich die ganze Gemeinde nach der Vesper in einer Prozession zur Schule der Brüder, wo der Priester eine im Garten aufgestellte Statue der Unbefleckten segnet, deren Stifter er selbst ist. Am Abend werden im Dorf der Glockenturm, die Wände der Kirche und die Hausfassaden erleuchtet. Dieses Fest ist wirklich einer der schönsten Tage in seinem Leben. Beinahe siebzigjährig, sieht er plötzlich um zwanzig Jahre jünger aus. Nie war ein Kind glücklicher, seine Mutter triumphieren zu sehen: ,,Welches Glück, welches Glück! Ich habe immer gedacht, daß dieser Strahl dem Glanz der katholischen Wahrheiten gefehlt hat. Diese Lücke im Glauben konnte nicht länger bestehen."
,,Ich werde mich im paradies ausruhen"
Doch Seelen werden nicht ohne viel Leid gerettet. Widersprüche, Kreuze, Kämpfe und Fallen lauern von allen Seiten dem heiligen Pfarrer auf, und zwar sowohl von seiten der Menschen als auch von seiten des ,,Grappin" (Enterhaken - ein Beiname, mit dem er den Teufel zu bezeichnen pflegt). Sein Leben ist ein Kampf gegen die Kräfte des Bösen. Um ihn zu führen, hat er keine anderen Mittel als seine Geduld, seine Gebete und sein Fasten, das mitunter über die Grenzen der menschlichen Vernunft hinausgeht. Er entwickelt die Tugend der Sanftmut soweit, daß er den Eindruck erweckt, er sei ohne Leidenschaften und unfähig, sich hinreißen zu lassen. Doch die Personen, die ihn näher und häufiger sehen, merken recht schnell, daß er eine lebhafte Phantasie und einen hitzigen Charakter hat. Unter den erstaunlichen Beweisen für seine Geduld wird erzählt, daß sich einmal ein Mann aus Ars zum Pfarrhaus begab, um ihn zu beleidigen: Er empfing ihn, hörte ihm ohne ein Wort zu, begleitete ihn dann aus Höflichkeit hinaus und gab ihm den Bruderkuß, bevor er ihn verließ. Das Opfer kostete ihn soviel, daß er sogleich in sein Zimmer hinaufgehen und sich aufs Bett legen mußte. Sein Körper war wegen der Gewalt, die er sich hatte antun müssen, mit Pusteln übersät...
Diese heldenhafte Geduld verdankt der Heilige seiner Liebe zu Jesus Christus. Unser Herr ist sein Leben, sein Himmel, seine Gegenwart, seine Zukunft, und die anbetungswürdige Eucharistie ist das einzig mögliche Mittel, um seinen verzehrenden Durst zu löschen. ,,O Jesus!" ruft er oft mit Augen voller Tränen. ,,Dich kennen heißt: dich lieben... Wenn wir wüßten, wie unser Herr uns liebt, würden wir vor Freude darüber sterben! Ich glaube nicht, daß es Herzen gibt, die so hart sind, daß sie nicht lieben, wenn sie sich so sehr geliebt sehen... Die Liebe ist so schön! Sie fließt aus dem Herzen Jesu, der ganz Liebe ist... Das einzige Glück, das wir auf Erden haben, besteht darin, Gott zu lieben und zu wissen, daß Gott uns liebt..."
Am Ende seines Lebens angekommen, von dem wir nur einige Züge erwähnt haben, verlangt es den heiligen Pfarrer von Ars heftig nach dem Himmel. ,,Wir werden ihn sehen! Wir werden ihn sehen!... O meine Brüder, habt ihr je daran gedacht? Wir werden Gott sehen! Wir werden ihn allen Ernstes sehen! Wir werden ihn so sehen, wie er ist... Von Angesicht zu Angesicht!... Wir werden ihn sehen! Wir werden ihn sehen!!!" sagt er glühend eines Tages. Wie ein Arbeiter, der seine Aufgabe wohl erfüllt hat, geht er am 4. August 1859 Gott schauen und sich im Paradies ausruhen. ,,Die Kirche betrachtet sein Erbe nicht als einen Schatz aus einer längst vergangenen Zeit, sondern als einen kräftigen Ansporn, um in der Pilgerschaft des Glaubens auf immer neuen Wegen vorwärtszukommen" (Johannes-Paul II. in Reims am 22. September 1996). Das Leben des Pfarrers von Ars ist ein Schatz für die Kirche. ,,Heiliger Jean-Marie Vianney, der du während deines Lebens einen großen Eifer für die Rettung der Seelen und eine grenzenlose Liebe für die armen Sünder besessen hast, mehre die Opferbereitschaft in uns und bereite uns einen Platz im Himmel vor, damit wir mit dir Gott in Ewigkeit schauen können".
Darum bitten wir in unseren Gebeten für Sie, für all Ihre Lieben und all Ihre Verstorbenen.
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