Brief

21. Februar 1997

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21. Februar 1997
Fastenzeit


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Kostbar ist in den Augen des Herrn das Sterben seiner Frommen (Ps.115, 15).

Es ist der 31. Dezember 1640, und wir befinden uns im Pfarrhaus eines kleinen Weilers in den Bergen des Vivarais (Frankreich) mit Namen La Louvesc. Der hl. Jean-François Régis, Priester der Gesellschaft Jesu, liegt im Bett des Pfarrers, durch Überanstrengung und Krankheit am Ende seiner Kraft. Gegen Mitternacht sagt der Heilige, der bei vollem Bewußtsein ist, zu seinem Gefährten, daß er sich sehr schlecht fühle; und kurz darauf: ,,O! mein Bruder, ich sehe unsern Herrgott und Unsere Liebe Frau, die mir die Pforten des Paradieses öffnen". Dann wiederholt er die Worte Jesu am Kreuz: Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist, und seine Seele steigt zum Himmel auf.

Dieser erbauliche Tod ist ein Grund zur Freude, denn es ist im Licht des Glaubens besehen gewiß, daß jeder Mensch für seine unsterbliche Seele unmittelbar nach dem Übergang in die Ewigkeit seinen Lohn empfängt. Aber für die, die keinen Glauben haben, ist der Tod ein Rätsel. Und doch kann kein Mensch die unumgängliche Frage an die Seite schieben: was geschieht nach dem Tod?

Für die Materialisten läßt uns der Tod zu einem Nichts werden. Diese Meinung wird durch die Vernunft widerlegt. Der Mensch kann nämlich denken, wollen, lieben, er kann Ideen umreißen, Schlußfolgerungen ziehen, er ist im Besitz der Freiheit; alle diese Tatsachen bekunden in ihm die Existenz eines geistigen Prinzips, der Seele. Die Unsterblichkeit der Seele ist abzuleiten von ihrem geistigen Wesen und von ihrem Wunsch nach vollkommenem Glück. Die allgemeine Ansicht der Menschheit bezeugt ebenfalls diese Wahrheit. Voltaire, der doch ein verbissener Feind des Christentums war, hat nicht gezögert, vom Materialismus zu sagen, daß er ,,die ungeheuerlichste Sinnlosigkeit, die himmelschreiendste Torheit sei, die jemals vom menschlichen Geist Besitz ergriffen habe".

Ein zyklus, den man nicht noch einmal beginnt

Es gibt aber auch andere falsche Antworten auf die oben gestellte Frage. Eine davon ist heute weitverbreitet: die Theorie von der Seelenwanderung. Die Anhänger dieser Doktrin glauben, daß die menschliche Seele einen anderen Körper bekommt und von neuem Fleisch annimmt. Diese Lehre finden wir bei mehreren Völkern. In Indien (Hinduismus und Bouddhismus) ist sie ein Dogma, das die ganze Religion und die Gesamtheit des Denkens beherrscht. Dieser Kreislauf der Wiedergeburt ist etwas Furchtbares, denn er ist an das Schema von Schuld und Sühne gebunden: er ist eine Strafe und ein Fluch. Demgegenüber wird die Wiedergeburt in unserer westlichen Gesellschaft als etwas Positives angesehen: sie erlaube die Verwirklichung aller Wünsche des Menschen, die nicht in einer einzigen Existenz zufriedengestellt werden können.

Diese Aufassung, aus dem Heidentum hervorgegangen, widerspricht der Heiligen Schrift und der Tradition der Kirche. Sie steht insbesondere in drei Punkten im Gegensatz zum christlichen Glauben:

- Zunächst besteht ihr Hauptirrtum in der Ablehnung der Erlösung des Menschen durch Jesus, den Heiland, denn sie ist grundsätzlich eine Theorie der Selbsterlösung. Auf den ersten Blick erscheint sie sehr nachsichtig den menschlichen Schwächen gegenüber, in Wirklichkeit ist sie aber von unmenschlicher Härte. In der Tat legt sie dem Menschen das ganze Gewicht einer Befreiung auf, die er in Wirklichkeit nur von Gott erhalten kann. Der Mensch ist ganz allein für den Erfolg seines eigenen Lebens verantwortlich. Wer kann sagen, ob er das nächste Mal ein besseres Resultat erzielen wird? Dagegen behauptet die christliche Offenbarung mit Nachdruck: nur Gott ist die einzige Vollkommenheit des Menschen. In Jesus Christus haben wir die Erlösung, durch sein Blut die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade (Eph. 1, 7). Das Einswerden mit Gott und das Leben in Gott kann niemals das Werk des Menschen sein, sondern ist ausschließlich ein unverdientes Geschenk Gottes, das jedem Menschen angeboten wird. Unser ewiges Heil hängt nicht von der Zahl der Jahre ab, sondern einzig und allein von der Empfangsbereitschaft, die wir der Liebe Christi entgegenbringen.

- Zum andern können die Anhänger der Theorie der Seelenwanderung nicht übereinstimmen mit der Unterweisung der Kirche, das besondere Gericht betreffend: ,,Der Tod setzt dem Leben des Menschen, das heißt der Zeit, in der dieser die in Christus geoffenbarte göttliche Gnade an nehmen oder zurückweisen kann, ein Ende Jeder Mensch empfängt im Moment des Todes in seiner unsterblichen Seele die ewige Vergeltung. Dies geschieht in einem besonderen Gericht, das sein Leben auf Christus bezieht - entweder durch eine Läuterung hindurch (Fegefeuer) oder indem er unmittelbar in die himmlische Seligteit eintritt oder indem er sich selbst sogleich für immer verdammt" (Katechismus d. Kath. Kirche, 1021, 1022).

- Letztendlich ist die Theorie der Reinkarnation unvereinbar mit der Auferstehung des Fleisches am Ende der Welt für das Jüngste Gericht Die Kirche glaubt und behauptet fest, daß am Tage des Gerichtes alle Menschen mit ihren Leibern vor dem Richterstuhl Christi erscheinen werden, um über ihre Taten Rechenschaft abzulegen" (Katechismus, 1059). Dieses allgemeine Gericht am Ende der Welt stellt nicht das unumstößliche Urteil infrage, das im Augenblick des Todes gefällt wurde, sondern es hat den Zweck, die soziale Gerechtigkeit herzustellen: unsere guten und schlechten Taten haben eine Auswirkung auf die Erbauung oder das Ärgernis für unseren Nächsten. Manchmal dauert dieser Einfluß der irdischen Werke noch nach dem Tod an. Gerechtigkeit wird den auferstandenen Leibern widerfahren je nach dem Anteil, den sie am Guten oder am Schlechten hatten. Und am Ende wird die Weisheit der göttlichen Vorsehung im Laufe der Geschichte der Menschheit klar hervortreten.

Eine unübertreffliche barmherzigkeit

Nur die Kirche, treue Bewahrerin der Lehre Jesu Christi, des Sohnes Gottes, wirft ein klares Bild auf den Tod und die Realitäten des Jenseits. In Übereinstimmung mit der Überlieferung erklärt das 2. Vatikanische Konzil, daß ,,der Ablauf unseres irdischen Lebens einmalig ist" (Lumen Gentium, 48). Der Augenblick des Todes ist demnach entscheidend. Wer in der Freundschaft mit Gott stirbt, von seinen Sünden gänzlich gereinigt, geht augenblicklich in die Herrlichkeit des Himmels ein. Der Himmel ist der Zustand des unübertrefflichen und unwandelbaren Glücks und die Verwirklichung des tiefsten Verlangens des Menschen. Dort leben die Seligen für immer mit Christus; sie sind Gott ähnlich, weil sie ihn von Angesicht zu Angesicht sehen.

Wer dagegen im Zustand einer schweren Sünde stirbt, in der Verweigerung der Liebe Gottes, steigt augenblicklich in die Hölle hinab (vgl. Katechismus, 1035). Der Tod schlägt ihn in Fesseln in einem Zustand der inneren Auflehnung gegen Gott. Dazu sagt die hl. Katharina von Genua: ,,Die Seelen, die in der Hölle sind, weil sie in dieser Welt gegangen sind mit diesem bösen Willen, bleiben für immer im Zustand der Sünde. Und diese Sünde wird ihnen niemals vergeben, kann ihnen nicht vergeben werden, denn sie sind nicht mehr in der Lage, ihren Willen zu ändern. Der Augenblick des Todes läßt die Seele erstarren und für allezeit unvorwandelbar bleiben" (Abhandlung über das Fegefeuer, Kap. 4). Hingegen sterben etliche im Zustand der Gnade und in der Freundschaft Gottes, sind aber noch nicht vollkommen geläutert. ,,Sie sind zwar ihres Heiles sicher, machen aber nach dem Tod eine Läuterung durch, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, in die Freuden des Himmels eingehen zu können... Diese abschließende Läuterung der Auserwählten ist völlig verschieden von der Bestrafung der Verdammten" (Katechismus, 1030-1031).

Nichts, was befleckt ist, kann vor Gott erscheinen. Jeder Makel ist ein Hindernis zur innersten Begegnung mit Gott, dessen Heiligkeit eine fleckenlose Reinheit erfordert von denen, die in den Himmel gelangen. Dieser Grundsatz kann nicht nur verstanden werden in bezug auf schwere Sünden (Todsünden), die die Freundschaft mit Gott brechen und zerstören, sondern gleichermaßen die Fehler, die diese Freundschaft verdunkeln. Zu diesen gehören die läßlichen Sünden und die Nachwirkungen der schweren Sünden, die noch vorhanden sein können bei einem Menschen nach der Vergebung der Schuld im Bußsakrament. Der hl. Cesaire von Arles sagt, daß die läßlichen Sünden, ,,ohne daß sie die Macht haben, die Seele zu töten, sie doch verunstalten" (Predigt 104, 3). Zum Glück schenkt uns die Barmherzigkeit Gottes die trostreiche Möglichkeit einer vollständigen Läuterung nach dem Tod.

Ein kleines Mädchen wird uns helfen, das Geheimnis des Fegefeuers zu verstehen.

Die vorsehung gottes sein

Eines Tages, als sie mit der Ausgelassenheit ihrer sieben Jahre mit andern Kindern Schmetterlinge jagt, hält Eugenie plötzlich im Lauf inne: ,,Wißt ihr, woran ich denke?" sagt sie zu ihren Freundinnen; ,,sagt mal, wenn eine von uns in einem Gefängnis aus Feuer wäre und es wäre uns möglich, sie durch ein einziges Wort daraus zu erlösen, wie schnell würden wir dieses Wort aussprechen, nicht wahr?... Und doch ist es gerade das, was im Fegefeuer passiert: die Seelen sind darin wie in einem Gefängnis aus Feuer. Der Liebe Gott wartet nur auf ein Gebet von uns, um sie zu erlösen, und dieses Gebet sprechen wir nicht". Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, rannte die Kleine mit Eifer weiter, irgendein schöner Schmetterling hatte sie aus den unsichtbaren Tiefen zurückgerufen, in die eine erstaunliche Gnade sie einen Augenblick getaucht hatte. Wer aber war dieses junge Mädchen?

Eugenie Marie-Joseph Smet wurde am 25. März 1825 in Lille in Nordfrankreich geboren in einer Familie mit solider christlicher Tradition. Sehr früh macht sich die Gnade in ihrer Seele bemerkbar, und zwei Dinge faszinieren sie vor allem: das Fegefeuer und die Göttliche Vorsehung. ,,Mein Gott", betet sie im Alter von 12 Jahren, ,,Du bist meine Vorsehung; o! wenn ich doch eines Tages auch die Deine sein könnte!" Sie sah sich nach einer Möglichkeit um, ,,die Vorsehung von Demjenigen zu sein, der sie mit Wohltaten überhäuft", und sie gab sich die Antwort: ,,O! Auf diese Weise werde ich die Vorsehung vom Lieben Gott sein: Er liebt die Seelen im Fegefeuer so sehr, und weil er gerecht ist, kann er sie nicht befreien! Nun gut! Ich werde Ihm die Seelen zuführen, die er liebt, und ich werde alle Welt bitten, Ihm welche zu schenken durch das Gebet und durch kleine Opfer".

Die Seelen im Fegefeuer müssen so große Leiden ertragen, um vollkommen geläutert zu werden. Die Art und Weise der Strafen im Fegefeuer wird von der Kirche nicht näher beschrieben. Die hl. Katharina von Genua behauptet, daß die Verzögerung, Gott von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, für eine Seele sehr schmerzlich ist. Es ist ja so, daß sie, von ihrem Körper getrennt, ganz klar erkennt, daß Gott ihr einziges und letztes Ziel ist; und so wünscht sie leidenschaftlich, sich mit dem Höchsten Gut zu vereinen, das sie so herzinnig liebt. Im Fegefeuer gibt es auch eine körperliche Pein. Dort werden verwerfliche Bindungen an geschaffene Wesen, die in jeder, selbst der läßlichen Sünde zu finden sind, durch spürbare Schmerzen der Geschöpfe wiedergutgemacht. Die lateinische Kirche lehrt in der Nachfolge zahlreicher Kirchenväter und -lehrer, daß diese Pein, die die Körper empfinden, ein wirkliches Feuer ist. ,,Im Anschluß an gewisse Schrifttexte spricht die Überlieferung der Kirche von einem Läuterungsfeuer" (Katechismus, 1031). Die Intensität der Qualen des Fegefeuers indessen steht im Verhältnis zu der Schwere der zu tilgenden Fehler.

Überirdische solidarität

Am Tag von Allerheiligen 1853 hat Eugenie während der Heiligen Messe eine Eingebung, wie Gebete und gute Werke für die Seelen der Verstorbenen zu verbinden seien. Am nächsten Tag, an Allerseelen, kommt ihr der Gedanke: ,,Es gibt Gemeinschaften, die allen Erfordernissen entsprechen in der streitenden Kirche, aber es gibt keine, die ausschließlich der leidenden Kirche geweiht ist durch praktische Werke des Eifers und der Nächstenliebe". Das wird die Hauptidee der Vereinigung und der religiösen Institution, die daraus erwächst. Eugenie, sie wird die Mutter Maria von der Vorsehung, hatte immer die Erkenntnis, daß die Werke der Barmherzigkeit, vor allem solche zu Gunsten der Armen dieser Welt, das wirksamste Mittel sind, um den Armen im Jenseits zu helfen. Indem sie sich zu Dienerinnen der Armen, der Kranken, der Gefangenen, der Greise, mit einem Wort aller Notleidenden machen, verwirklichen die Helferinnen der armen Seelen das Ideal ihrer Gründerin: ,,Beten, leiden und handeln für die Seelen im Fegefeuer".

In der Tat lehrt uns die Heilige Schrift, daß man den Seelen im Fegefeuer Linderung verschaffen kann. In dem Kommentar zu der Gabe, die Judas Maccabäus für die Toten darbringt, versichert sie: Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden befreit werden (2 M 12, 26). Die Kirche hat immer das Andenken der Verstorbenen geehrt, und sie bringt ihnen zu Gunsten Gebete, gute Werke und vor allem das Heilige Meßopfer dar. In jeder Messe enthält das Eucharistische Hochgebet eine Fürbitte für die im Glauben Verstorbenen. Diese überirdische Solidarität ist Gott sehr wohlgefällig als ein Ausdruck von der Gemeinschaft der Heiligen, wie Er es einmal der Ehrwürdigen Marie Lataste geoffenbart hat: ,,Du kannst nichts tun, was Gott wohlgefälliger wäre, als den Seelen im Fegefeuer zu Hilfe zu kommen". Als Gegendienst werden die Seelen, denen wir durch unsere Gebete, unsere Almosen, unsere Opfer, die in ihrer Meinung gelesenen Messen zu Hilfe gekommen sind und denen wir so auf wirksame Weise unsere Zuneigung bezeugt haben es nicht unterlassen, uns ihrerseits zu Hilfe zu kommen.

Dieser Brauch, der für die Verstorbenen so heilsam ist, ist es gleichermaßen auch für uns. Er belebt unseren Glauben und unsere Hoffnung, er wird auch ein machtvoller Antrieb zu Heiligung und Buße. Wir können uns ja schon auf dieser Erde reinigen von unseren leichteren Fehlern, die durch unsere menschliche Schwäche bedingt sind. ,,Ein heilsames Fegefeuer besteht der Geduldige, der, Unbill leidend, des andern Bosheit schmerzlicher empfindet als das ihm zugefügte Unrecht; welcher für seine Widersacher aufrichtig betet und von Herzen die Schuld verzeiht; der nicht zögert, andere um Vergebung zu bitten und sich schneller erbarmt als zürnt; der sich große Gewalt antut und der sich Mühe gibt, seinen Leib der Herrschaft des Geistes zu unterwerfen" (Nachfolge Christi, 1. Buch, Kap. 24).

Ein erstrebtes ideal

Die Gründung eines religiösen Ordens geht immer durch den Schmelztiegel der Prüfung. Tausend Ängste werden das Herz von Mutter Maria von der Vorsehung befallen: tiefe innere Trostlosigkeit, totale materielle Armut. Aber die Vorsehung läßt sie nie allein. Als ihre Seele einmal von größter Bitterkeit gequält wird, vertraut sie ihre Ratlosigkeit dem hl. Pfarrer von Ars an. Dieser läßt ihr folgende Antwort zukommen: ,,Der Herr Pfarrer lächelt bei der Aufzählung aller Ihrer Heimsuchungen, und er trägt mir auf, Ihnen zu sagen, daß diese Kreuze Blumen sind, die bald Früchte tragen werden... Wenn Gott mit Ihnen ist, wer wird gegen Sie sein?" In einem anderen Brief zieht er den Schluß: ,,Ein Haus, das auf dem Kreuz gegründet ist, fürchtet nicht Gewitter noch Regen; es trägt das göttliche Siegel".

Während sich ihre Kongregation in Frankreich und dem Ausland ausbreitet, ersteigt Mutter Maria von der Vorsehung ihren Kalvarienberg, von einem Leiden ausgezehrt, das ihr keine Ruhepause gestattet. Trotzdem zeigt sie äußerlich Sicherheit, Unermüdlichkeit und eine ansteckende Fröhlichkeit. Niemand kann besser in allem Kummer trösten als sie, Vertrauen und Freude verbreiten. ,,All meine Kraft", wiederholt sie oft, ,,schöpfe ich durch den Anblick meines Kruzifixes". Ihre glühende Liebe zu Gott und dem Nächsten verzehrt sie. Sie verwirklicht, was die hl. Theresa vom Kinde Jesu einige Jahre später in einem Gedicht schreibt:

,,Damit ich Deine Herrlichkeit betrachten kann - Muß ich, ich bin es mir bewußt, durch das Feuer gehen - Und ich, ich wähle für mein Fegefeuer - Deine glühende Liebe, o Herz meines Gottes" (Poesie Nr. 23).

Auch im Fegefeuer herrscht die Liebe Gottes. Ohne ihn stände es nicht in der Macht des Leidens, das wunderbare Werk der Läuterung zu vollbringen. Die Seelen erfreuen sich dort eines tiefen und ungestörten Friedens, denn sie ergeben sich völlig in den Willen Gottes. Trotz ihrer großen Leiden sind sie glücklich durch ihre Liebe zu Gott, durch das Wissen, von Ihm geliebt zu werden, durch die feste Hoffnung auf den Himmel und die Gewißheit ihres Heils.

Unbesiegbare geborgenheit

1870, auf dem Höhepunkt des deutschfranzösischen Krieges, gehen die Gedanken der Mutter noch mehr zum Fegefeuer: ,,Mein Gott"! ruft sie aus, ,,so viele Seelen erscheinen vor Dir! Mein Jesus, Barmherzigkeit! Ich kann an nichts Anderes mehr denken als an die Seelen, die den Weg in die Ewigkeit antreten. Das ist zumindest die Wahrheit! Und welche Wahrheit!" Am 7. Februar 1871 gibt die hl. Ordensgründerin ihre Seele sanft in Gottes Hand zurück. Sie hatte mit dem Kruzifix gelebt, das Kreuz öffnet ihr das Paradies. ,,Fesseln wir uns an das Kreuz!", hatte sie kurze Zeit zuvor gesagt, ,,es ist unsere einzige Hoffnung.... Das Leben ist so kurz...! und die Ewigkeit endet niemals. Seien wir schon jetzt in der Ewigkeit".

Am Tag nach den Feierlichkeiten zur Seligsprechung am 26. Mai 1957 faßte Papst Pius XII. in einer Ansprache das Wesentliche der Botschaft zusammen, die uns Schwester Maria von der Vorsehung hinterlassen hat: ,,Wer immer so am Verzicht auf jedes persönliche Interesse und auf jede Eigenliebe an sich arbeitet und sich ohne Einschränkung dem Erlösungswerk für alle weiht, wird, wie Maria von der Vorsehung, Leid und Prüfungen kennenlernen, aber auch die unbesiegbare Geborgenheit, die auf die Kraft Gottes selbst gegründet ist und die im demütigen Vertrauen die Stunde des Triumphes erwartet: In te Domine speravi, non confundar in aeternum; Herr, ich suche Zuflucht bei Dir, laß mich doch niemals scheitern! (Ps. 70, 1)".

Diese Gnade wünschen wir Ihnen und allen, die Ihnen teuer sind. In dieser Fastenzeit beten wir ganz besonders für die Bekehrung der Sünder und für Ihre Verstorbenen.

Dom Antoine Marie osb

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