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22. Juni 1999
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Eines Tages wurde ein Priester von jemandem gefragt: ,,Warum hat man Sie verrückt genannt?" - ,,Glaubst du etwa", antwortete dieser, ,,es wäre nicht verrückt, wenn man behauptete, daß man mitten auf der Straße heilig sein kann und soll, daß der Eisverkäufer in seinem kleinen Wagen, die Angestellte, die ihre Zeit in der Küche zubringt, der Bankdirektor, der Universitätsprofessor und der Feldarbeiter ebenso wie der Gepäckträger, der Koffer schultert, heilig sein können und müssen? Alle sind sie zur Heiligkeit berufen! Das letzte Konzil (das II. Vatikanum) hat das jetzt bestätigt, aber zu jener Zeit, 1928, wäre das niemandem in den Sinn gekommen. So war es nur logisch, daß man dachte, ich wäre verrückt ..." Dieser Priester war der selige Josemaría Escrivá de Balaguer.
,,Wie gut Sie diese Blumen pflegen!"
Schon der heilige Benedikt, der Vater des abendländischen Mönchtums, hat der Arbeit große Bedeutung beigemessen. In seiner im sechsten Jahrhundert verfaßten Regel erklärt er den ,,Müßiggang" zum ,,Feind der Seele" und achtet darauf, daß die Mönche nie ohne Beschäftigung sind (Kap. 48); er sieht Gebete vor, um die Tätigkeiten zu heiligen (Kap. 35), und empfiehlt, die Geräte und den Besitz des Klosters wie ,,heilige Altargefäße" zu behandeln (Kap. 31); er wünscht schließlich, daß seine Söhne ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen, aber immer mit Maß und ,,damit in allem Gott verherrlicht wird" (Kap. 48; 57).
In unseren Tagen hat der selige Josemaría Escrivá de Balaguer viel dazu beigetragen, die ,,Spiritualität der Arbeit" wieder ins Licht zu rücken. Geboren am 9. Januar 1902 in Barbastro in Aragon (Spanien), war
Josemaría der Sohn eines Tuchhändlers und sollte insgesamt vier Schwestern und einen Bruder bekommen. Die Atmosphäre seines Elternhauses war von Würde und Tradition geprägt: schlicht, vornehm, heiter und fromm.
In Barbastro studiert Josemaría im Kollegium der Ordensbrüder vom
Hl.-Josef-Calasanz. Der 1911, 1912 und 1913 nacheinander folgende Tod von drei jüngeren Schwestern prägte ihn zutiefst. 1915 wurde die Familie von einer weiteren Prüfung heimgesucht: Das Handelsunternehmen des Vaters war ruiniert; die Familie mußte von Barbastro nach Logroño umziehen, wo José Escrivá in einem anderen Tuchgeschäft Arbeit fand. Die Familie lebte zusammengedrängt in einer kleinen Wohnung, die im Sommer heiß, im Winter kalt war. Doch an ihrer von Grund auf christlichen, heldenhaft fröhlichen und den Nachbarn gegenüber hilfsbereiten Lebensweise änderte sich nichts. Josemaría beendete seine Kollegjahre an einer Anstalt in Logroño.
Spuren im Schnee
Bestärkt durch seine Erfahrung in der Familie, konnte der selige Josemaría Ehegatten später folgendes sagen: ,,Ich kann nicht anders, ich muß diese menschliche Liebe der Ehe nur preisen, auf die der Herr mich für mich selbst, aus Liebe zu Ihm, hat verzichten lassen. Aber ich liebe sie bei den anderen, in der Liebe meiner Eltern, in der Liebe von Eheleuten zueinander. So liebt euch wirklich! Und wie ich euch immer rate: Mann und Frau, habt wenig Streit miteinander! Es ist besser, nicht mit dem Glück zu spielen ... Streitet euch niemals vor den Kindern; sie achten auf alles und bilden sich sofort ein Urteil. Ich habe eine wundervolle Erinnerung an meinen Vater und an meine Mutter: Nie habe ich sie sich streiten sehen. Sie liebten sich sehr. Sie waren sich auch mal uneinig, sicherlich. Aber sie haben sich nie vor den Kindern gestritten ... Bewahrt eure Scham vor den Kindern".
Werk Gottes
Das Opus Dei hatte der Familie Escrivá de Balaguer viel zu verdanken. Man findet darin die einfache und fröhliche familiäre Atmosphäre wieder, in der Nächstenliebe ebenso Zuneigung wie Liebe zur wohlgetanen Arbeit beinhaltet: Die Mutter von Don Josemaría tat vornehm und lächelnd wirklich alles perfekt.
1927 ließ sich Josemaría in Madrid nieder; seine Mutter, seine Schwester Carmen und sein Bruder Santiago begleiteten ihn. Frau Escrivá de Balaguer setzte sich ohne Zögern für die Unterstützung des Werkes ein, das Gott durch ihren Sohn verwirklichte. ,,Ohne ihre Hilfe", erklärte der Begründer des Opus Dei später, ,,hätte das Werk kaum gelingen können". Josemaría entfaltete seine apostolische Tätigkeit vor allem bei Jugendlichen.
Gott und Mut
Während der ersten Monate des spanischen Bürgerkriegs, der am 18. Juli 1936 ausbrach, blieb Don Escrivá de Balaguer unter Lebensgefahr in Madrid. Zum Ende des Jahres 1937 verlas er geheim die blutige ,,republikanische" Zone, überquerte die Pyrenäen zu Fuß und ging nach Andorra, begleitet von einer kleinen Schar seiner ersten Schüler. Dann begab er sich nach Burgos, in die ,,nationalistische" Zone und kehrte nach Beendigung der Feindseligkeiten 1939 nach Madrid zurück.
Am 9. März 1941 erkannte der Bischof von Madrid, an den sich Don Josemaría immer wieder gewandt hatte, das Opus Dei als ,,Fromme Vereinigung" an. Sein Begründer empfahl und praktizierte stets selbst ein persönliches Apostolat der Freundschaft und des Vertrauens. Doch der Aufschwung des Werkes brachte ,,Familienversammlungen" mit sich, an denen mitunter über fünftausend Personen teilnahmen. Durch eine besondere Gnade Gottes stand die große Anzahl der Teilnehmer einer wirklichen Vertrautheit eines jeden mit Pater Josemaría nicht im Wege.
Ein Arzt aus Cadix, der seine schlechte Laune in seiner Sprechstunde bei der Sozialversicherung auszulassen pflegte, hörte eines Tages einen Vortrag von Don Escrivá de Balaguer. ,,Von jetzt an", sagte er danach zu seiner Frau, ,,werde ich jeden Kranken so behandeln, als wäre ich seine eigene Mutter". Seit 1928 hatten sich Tausende solcher Begebenheiten zugetragen.
Das Evangelium der Arbeit
Auch Papst Johannes-Paul II. lenkt die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf die Teilhabe des Menschen am Werk Gottes: ,,Die Wahrheit, daß der Mensch durch die Arbeit am Wirken Gottes, seines Schöpfers, teilnimmt, hat besonders eindringlich Jesus Christus ins Licht gerückt - Jesus, über den viele seiner ersten Zuhörer in Nazaret staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist?... Ist das nicht der Zimmermann? (Mk 6, 2-3). Jesus war ein Mann der Arbeit, der handwerklichen Arbeit, wie Joseph von Nazaret, sein Nährvater. Wenn wir auch in seinen Worten keine besondere Ermahnung zur Arbeit finden, so ist doch die Sprache des Lebens Christi selbst eindeutig: Er schaut mit Liebe auf die Arbeit und ihre verschiedenen Formen, deren jede ihm ein besonderer Zug in der Ähnlichkeit des Menschen mit Gott, dem Schöpfer und Vater, ist. Jesus Christus bezieht sich in seinen Gleichnissen über das Reich Gottes ständig auf die menschliche Arbeit: auf die des Hirten, des Landwirts, des Arztes, des Sämanns, des Hausherrn, des Dieners, des Verwalters, des Fischers, des Händlers, des Landarbeiters. Er spricht auch von den verschiedenen Arbeiten der Frauen. Er vergleicht das Apostolat mit der körperlichen Arbeit der Ernte oder des Fischfangs. Auch auf die Arbeit der Gelehrten bezieht er sich" (Laborem exercens, 26).
Spitze aus Stein
Doch seit der Ursünde wird die Arbeit nicht ohne Mühsal erledigt: ,,Verschließen wir die Augen nicht vor der Wirklichkeit, indem wir uns mit einer naiven, oberflächlichen Sicht der Dinge zufrieden geben, die uns zu dem Gedanken verleiten könnte, daß der Weg, der auf uns wartet, leicht wird und daß wir nur aufrichtige Entscheidungen und einen brennenden Wunsch, Gott zu dienen, brauchen, um ihn zu Ende zu gehen", sagte Don Josemaría. Als Kommentar zu den Worten: Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot verzehren (Gen 3, 19), erklärt Papst Johannes-Paul II.: ,,Diese Worte beziehen sich auf die manchmal drückende Mühe, welche seither die menschliche Arbeit begleitet ... Diese Mühe ist eine allgemein erfahrene Realität. Das wissen die Menschen mit körperlicher Arbeit, deren Tätigkeit manchmal unter äußerst schweren Bedingungen zu verrichten ist... Das wissen auch die Menschen in der Werkstatt intellektueller Arbeit; das wissen die Wissenschaftler und die Menschen, auf denen die schwere Verantwortung für sozial weitreichende Entscheidungen lastet. Das wissen die Ärzte und die Krankenpfleger, die Tag und Nacht bei ihren Kranken wachen. Das wissen die Frauen, die manchmal ohne gebührende Anerkennung seitens der Gesellschaft, ja sogar der Angehörigen, tagtäglich die Mühe und die Verantwortung des Haushalts und der Kindererziehung tragen. Das wissen alle arbeitenden Menschen, und da zu arbeiten die Pflicht aller ist, wissen es alle Menschen" (Laborem exercens, 9).
Arbeit oder Gebet?
Die Vereinigung mit dem sein Kreuz tragenden Jesus begünstigt die Umwandlung der Arbeit in ein Gebet. ,,Seid überzeugt, daß es nicht schwer ist, eure Arbeit in ein gesprochenes Gebet zu verwandeln!", erklärt der selige Josemaría. ,,Ihr bringt das Werk dar und legt dabei Hand an, Gott hört euch zu und ermuntert euch. Wir erreichen die Haltung kontemplativer Seelen, wenn wir von unserer täglichen Aufgabe beansprucht sind, denn wir sind überwältigt von der Gewißheit, daß Er uns zuschaut und von uns einen neuen Sieg über uns selbst fordert: Dieses kleine Opfer, jenes Lächeln für eine lästige Person, dieser Versuch, der unangenehmsten, aber dringlichsten Arbeit den Vorrang einzuräumen, jene Sorgfalt in den Einzelheiten der Ordnung, diese Ausdauer bei der Erfüllung von Pflichten, die man so leicht vernachlässigen könnte, jener Wille, nicht auf den nächsten Tag zu verschieben, was am selben Tag erledigt werden muß; und all das, um Gott, unserem Vater, zu gefallen!"
,,So wirst du dank deiner Arbeit dazu beitragen, das Reich Christi über alle Kontinente auszudehnen", fährt Don Josemaría fort. ,,Eine ganze Reihe von Arbeitsstunden wird, eine nach der anderen, geopfert für ferne Völker, die für den Glauben geboren werden, für Völker im Osten, die roh daran gehindert werden, ihren Glauben zu bekennen, für die Länder alter christlichen Tradition, in denen sich das Licht des Evangeliums verdunkelt hatte und die Menschen einander im Schatten der Unwissenheit bekämpfen".
Doch die berufliche Arbeit ist nicht das einzige Mittel der Heiligung. Die Heiligkeit ist auch all denen zugänglich, die keine Möglichkeit haben - oder keine mehr -, ihre Talente in einem Beruf anzuwenden. Das christliche Leben ist eine Arbeit, die jedentag allen bereitet wird.
,,Nur Jesus allein glänzen lassen"
Am 17. Mai 1992 sprach Papst Johannes-Paul II. Monsignore Josemaría Escrivá de Balaguer selig und betonte dabei seine große Ergebenheit für die seligste Jungfrau Maria. Ebenso hat Josemaría sein ganzes Leben lang seinen Taufpatron, den heiligen Joseph, verehrt. Auch wir wollen das Oberhaupt der heiligen Familie mit dem schönen Gebet verehren, das der heilige Papst Pius X. verfaßt hat:
,,Ruhmreicher, heiliger Joseph, du bist das Vorbild aller Arbeiter. Erbitte mir die Gnade, daß ich arbeite im Geiste der Buße, um Sühne zu leisten für meine vielen Sünden; daß ich gewissenhaft arbeite und die Erfüllung meiner Pflicht höher stelle als meine persönlichen Neigungen; daß ich dankbar und freudig arbeite und meine Ehre darein setze, bei der Arbeit die mir von Gott verliehenen Talente zu verwerten und zu entfalten; daß ich ordnungsgemäß und friedlich, mit Mäßigung und Geduld arbeite und nie zurückschrecke vor Ermüdung und Schwierigkeiten; vor allem, daß ich in reiner Absicht und selbstlos arbeite und stets den Tod vor Augen habe und die Rechenschaft, die ich ablegen muß über die verlorene Zeit, über unbenützten Talente, über das unterlassene Gute und über jede eitle Selbstgefälligkeit bei Erfolgen, die im Dienste Gottes doch so schädlich ist. Alles für Jesus, alles durch Maria, alles nach deinem Vorbild, heiliger Vater Joseph! Das soll mein Wahlspruch sein im Leben und im Sterben. Amen".
Seliger Josemaría, bitte für uns sowie für alle Lebenden und Verstorbenen, die uns teuer sind.
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