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13. April 1999
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Erster November 1876, abends. Auguste Buguet läutet die Glocken der Kirche Notre-Dame von Mortagne-au-Perche (Normandie). Eine von ihnen löst sich, durchbricht das Gewölbe, dort ein Loch mit ihren Umrissen hinterlassend, fällt auf den Glöckner und erschlägt ihn. Am Tag nach dem Unfall schreibt der Bruder des Verstorbenen, ein Priester, von diesem plötzlichen Tod im Innersten getroffen: ,,Mein Gott, mache es mir möglich, über deine Güte zu meditieren. Ich bin zermalmt vom Schmerz durch dieses furchtbare Unglück. Deine Güte allein kann mich aufrichten". Und gleich anschliessend bricht ein Schrei aus seinem priesterlichen Herzen: ,,Und seine Seele?" Er weiß nicht, in welchem geistlichen Zustand sich sein Bruder im Augenblick des Unfalls befunden hat, und er fleht: ,,O mein Gott, rette die Seele meines Bruders!"
Über den Tod hinaus
Zur Klärung dieser Frage von grundlegender Bedeutung bestätigt die von Gott aufgeklärte Kirche, daß es nach dem Tod das Uberleben eines geistigen Elementes gibt, ,,Seele" genannt, ausgestattet mit Bewusstsein und Willen derart, daß das menschliche ,,Ich" weiterbesteht. In der Tat ist die nach dem Bilde Gottes erschaffene menschliche Person zugleich ein körperliches und ein geistiges Wesen. Der biblische Bericht bringt das zum Ausdruck wenn er sagt: ,,Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem und der Mensch wurde zu einem lebendigen Wesen" (Gen 2, 7). Dieser ,,Lebensatem" bezeichnet das Innerste im Menschen, sein ,,geistiges Lebensprinzip", durch das er ganz besonders nach dem Bild Gottes ist. Jede menschliche Seele ist unmittelbar von Gott geschaffen; sie wird nicht von den Eltern ,,hervorgebracht". Im Tod vom Leib getrennt, wird sie bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereint werden (vgl. Katechismus der Kath. Kirche, 362-363, 366).
Dank seiner Seele kann der Mensch nachdenken über die Welt, um sie zu verstehen und zu bemerken, was nicht materiell ist (das Gute, Liebe, Schönheit, Gerechtigkeit usw.). ,,Wahrlich, der Mensch täuscht sich nicht, wenn er erkennt, daß er den materiellen Dingen überlegen ist... Durch seine Innerlichkeit steht er über dem Universum der Dinge... So ist er, wenn er in sich eine geistige und unsterbliche Seele erkannt hat, nicht der Spielball einer sich ausgedachten Schöpfung, die nur aus den physischen und sozialen Bedingungen zu erkären ist; ganz im Gegenteil, er erreicht die tiefsten Tiefen der Wirklichkeit" (Vatikan II, Gaudium et spes, 14).
Schicksal auf ewig
Diese Glaubensunterweisung weist auf die Bedeutung hin, die das Problem des Seelenheils hat, denn das Geschick des Menschen nach dem Tod ist unwiderruflich und ewig. Darum hat unser Herrgott sagen können: Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüsst? (Mt. 16, 26). Man versteht daher die Sorge von Pfarrer Buguet um das ewige Schicksal seines Bruders. Et betet für ihn, um ihm den Eintritt ins Paradies zu erlangen. Dann, seine Gedanken auf alle Verstorbenen ausdehnend, betrachtet der Priester diesen Tod als eine Einladung des Himmels, sich für ein Werk der Barmherzigkeit zum Wohl der Verschiedenen einzusetzen.
Aber wer ist dieser Pater Buguet? Paul-Joseph Buguet wird am 25. März 1843 in Bellavilliers (Normandie) geboren. Seine Eltern, die sehr arm sind, verdienen unter großen Schwierigkeiten den Lebensunterhalt für sich und ihre zwei Jungen. Ernsthafte klassische Studien in einer Realschule in Mortagne bereiten Paul vor auf seinen Eintritt ins Seminar von Sées im Jahr 1862. Dort gibt er sich mit großer Sorgfalt den Studien hin ,,für Gott, die Kirche und die Seelen". ,,Es sind drei Dinge, um die ich mich bemühen muß", schreibt er: ,,die Selbstüberwindung, die Demut und den rechten Geist in meinem Innern. Damit wird es mir gelingen, ein heiliger Priester zu werden". Er empfängt die
Priesterweihe am 26. Mai 1866.
Nach zwölf Jahren im priesterlichen Amt wird Buguet am 1. August 1878 Pfarrer von La Chapelle-Montligeon (700 Einwohner). Die Gemeinde ist arm; die Abwanderung der ländlichen Bevölkerung bedroht die Gegend. Von der Konkurrenz neuer Fabriken verdrängt, schliessen die alten Heimwebereien. Die jungen Leute gehen in die Städte, wo ihr Glaube unter eine harte Probe gestellt wird. ,,Tief betrübt über diese Notwendigkeit, die mir für die Zukunft eine verlassene Pfarre verhiess", wird der Priester äußern, ,,verbrachte ich lange Stunden zu Füßen der Statue des hl. Joseph, ihn anflehend, mir zu helfen, einen Weg zu finden, um Arbeit und Brot für diese Menschen zu beschaffen, ohne daß sie gezwungen wären, in den Städten ihren Lebensunterhalt zu suchen".
Pfarrer Buguet, der nicht sein Anliegen vergessen hat, den Verstorbenen zu Hilfe zu kommen, sieht sich so aufgefordert im Sinne der beiden Interessen: ,,Ich versuchte, ein doppeltes Ziel zu erreichen: für die verlassenen Seelen im Fegefeuer zu beten, sie durch das Messopfer, das die vollkommenste Sühne einschließt, von ihren Qualen zu erlösen und wiederum durch sie einen Weg zu finden, der den Arbeitern ermöglichte zu leben. In meinem Sinn war das wie eine gegenseitige Gabe zwischen den leidenden Seelen im Fegefeuer und den verlassenen Armen hier auf der Erde. Es war eine gegenseitige Erlösung". Dieses doppelte Ziel wird dank der göttlichen Vorsehung erreicht werden.
Die Montagsmesse
,,Ich zelebrierte am Montag gern die Messe für die Seele, die im Fegefeuer die verlassenste war, und ich stellte fest, daß diese Seelen mir manchen Gnadenerweis erwirkten", erzählt der Priester. ,,Im Mai 1884 kam eine Person, die ich nicht kannte und bat mich, eine Messe in ihren Meinungen zu lesen. Ihr Gesicht gab den Hinweis auf ein Alter von ungefähr 50 Jahren; sie war sehr bescheiden gekleidet in der Tracht einer Frau aus dem Volk; ihre Miene flösste Respekt und Vertrauen ein. Acht Tage später, bei der Messe, die ich ihrer Bitte folgend zelebrierte, war ich überrascht, sie hinten in der Kirche zu sehen, in ein himmelblaues Gewand gekleidet und den Kopf bedeckt mit einem langen, weissen Schleier, der bis zum Gürtel herabreichte. Wer war sie? Ich habe es nie erfahren... Mehrere Personen haben diese Frau gesehen, die zweimal kam. Als sie fortging, folgten ihr etwa zehn Leute mit den Augen. Plötzlich verschwand sie. Das sind die Tatsachen."
Der Pfarrer von Montligeon vertraute sehr sicheren Freunden an: die geheimnisvolle Dame habe ihn gelobt und ihm gedankt ,,für die Barmherzigkeit, die er zeigte, indem er jeden Montag die Messe für die verlassenste Seele im Fegefeuer lese". Seit diesem ,,Besuch" wurde er heftig getrieben, die Statuten des ,,Erlösungswerkes" abzufassen.
Ein Sou!
Hochwürden Buguet macht sich also auf als ,,Handlungsreisender der Armen Seelen im Fegefeuer". In der Umgebung geht er von Pfarre zu Pfarre. Einen Sou, den kann man nicht verweigern. Er vervollständigt seine
Besuche mit einem kleinen Blättchen, das schneller und weiter herumkommt als er. Nach drei Jahren kennen alle Diözesen in Frankreich das Werk. Auch im Ausland wird es überall bekannt: England, die Niederlande, Italien, Spanien, Kanada... Vor dem Ende des Jahrhunderts wird Pfarrer Buguet, seinen Pilgerstab in der Hand, Europa sowie einen Teil der Vereinigten Staaten von Amerika und von Kanada bereist haben.
Für dieses Apostolat ist es notwendig, das Mitteilungsblatt zu drucken mit dem Ziel, die geistige Initiative von Montligeon bekannt zu machen. Die Anfänge sind sehr bescheiden, aber mit der Zeit werden gebrauchte Druckereimaschinen gekauft, Arbeiter erlernen das Handwerk, Bestellungen kammen von ausserhalb. Allmählich wird eine Fabrik aufgebaut, die bestens ausgestattet ist. Buguet verwirklicht so seinen Wunsch, seinen Pfarrkindern Arbeit zu verschaffen.
Ein wenig bekanntes Dogma
Noch heutzutage ist das Dogma betreffs der Läuterung von den Sünden im Fegefeuer oft wenig bekannt. Der Katechismus der Katholischen Kirche behandelt diese Glaubenswahrheit wie folgt: ,,Wer in der Gnade und Freundschaft Gottes stirbt, aber noch nicht vollkommen geläutert ist, ist zwar seines ewigen Heiles sicher, macht aber nach dem Tod eine Läuterung durch, um die Heiligkeit zu erlangen, die notwendig ist, in die Freude des Himmels eingehen zu können... Im Anschluß an gewisse Schrifttexte (vgl. 1. Kor. 15, 1. Petr. 1, 7) spricht die Uberlieferung der Kirche von einem Läuterungsfeuer" (Katechismus, 1030-1031). Diese Läuterung der Auserwählten ist von der Bestrafung der Verdammten in der Hölle völlig verschieden: sie sind für immer aus dem Paradies ausgeschlossen und kennen nicht die Liebe. Die Seelen im Fegefeuer hingegen lieben Gott und sind gewiß, am Ende ihrer Sühne in den Himmel zu kommen.
,,Die Sünde hat eine doppelte Folge. Die schwere Sünde beraubt uns der Gemeinschaft mit Gott und macht uns dadurch zum ewigen Leben unfähig. Diese Beraubung heißt ,die ewige Sündenstrafe`. Andererseits zieht jede Sünde, selbst eine geringfügige, eine schädliche Bindung an die Geschöpfe nach sich, was der Läuterung bedarf, sei es hier auf Erden, sei es nach dem Tod im sogenannten Purgatorium. Diese Läuterung befreit von dem, was man ,zeitliche Sündenstrafe` nennt. Diese beiden Strafen dürfen nicht als eine Art Rache verstanden werden, die Gott von außen her ausüben würde, sondern als etwas, das sich aus der Natur der Sünde ergibt" (Katechismus, 1472).
Unübertreffliche Barmherzigkeit
Die Flammen des Fegefeuers wirken wie Werkzeuge der göttlichen Gerechtigkeit, und sie treffen auf unbeschreibbare Weise die Seele in ihrem Innersten. Die Seelen, die sie erdulden, tragen in jedem Augenblick das Gewicht und die ganze Tiefe eines Schmerzes, dem sie sich nicht entziehen können. Die Kirchenväter lehren, daß die Leiden des Fegefeuers über alles hinausgeht, was man sich hier auf Erden an schlimmster Pein vorstellen kann. Indessen sind sie nicht ohne Tröstungen. Die stärkste besteht in der Gewissheit, von Gott geliebt zu sein und Ihn nicht mehr durch die Sünde verlieren zu können. Darüberhinaus erfüllt die Liebe, die die Seelen im Fegefeuer bekümmert, sie auf eine geheimnisvolle Weise mit einer tiefen Freude, und die Hoffnung verleiht ihnen eine sehr sanfte Geduld.
Wundervolle Geheimnisse
Die Kirche empfiehlt auch Almosen, Ablässe und Bußwerke zugunsten der Verstorbenen. ,,Bringen wir ihnen Hilfe und feiern ihr Gedächtnis. Wenn doch die Söhne Jobs durch das von ihrem Vater dargebrachte Opfer geläutert wurden (vg. Job 1, 5), wie sollten wir daran zweifeln, daß unsere Opfergaben für die Toten ihnen Trost bringen? Zögern wir nicht, den Verstorbenen Hilfe zu bringen und unsere Gebete für sie aufzuopfern" (Hl Johannes Chrysostomus). ,,Wir rühren an wundervolle Geheimnisse", schreibt Kardinal Journet; ,,eine große Nächstenliebe, die auf Erden ausgeübt wurde, wäre in der Lage gewesen, alle Qualen um unserer Sünden willen zu vermeiden, das Fegefeuer bräuchte nicht sein; so gesehen ist es widernatürlich, und das erklärt, daß die leidende Kirche des Fegefeuers, auf diesen Aspekt der Ohnmacht beschränkt, ganz und gar von der barmherzigen Liebe der Kirche auf Erden abhängt". ,,Es besteht also unter den Gäubigen - seien sie sühnend im Reinigungsort oder noch auf der irdischen Wanderschaft - ein dauerhaftes Band der Liebe und ein überreicher Austausch aller Güter" (Paul VI., vgl. Katechismus, 1475).
So verstehen sich die Ansichten von Pfarrer Buguet, der schreibt: ,,Mein Gott, gib mir die Gnade, von diesem Gedanken ganz durchdrungen zu sein: Sühne. Ach wenn ich doch gut verstände, wieviel Süße in diesem Wort liegt, hätte ich vor Kasteiungen nicht diese Furcht. Ich würde die Buße lieben, und sie würde für mich eine Tröstung sein... Also gut! Um das Fegefeuer abzukürzen, laßt uns Buße tun. In diesem Sinne kann man alles aufopfern, alle Mühen, allen Kummer, alles, was beunruhigt... Und er gibt sich mit Mut daran, das ,,Sühnewerk" zu schaffen. Das Seitenschiff der alten, kleinen Kirche von Montligeon wird der Sitz davon. Die Pilger kommen immer zahlreicher, um zu Füßen von Unserer Lieben Frau der Erlösung zu beten. Sechs Jahre nach Beginn dieses Apostolates plant Hochwürden Buguet, dem sich mehrere Priester als Mitarbeiter angeschlossen haben, einen Bau von erheblichen Ausmaßen für die von Gott Gekrönte.
Eine Basilika in ländlicher Gegend
Der Priester kehrt niedergedrückt nach Montligeon zurück. Er findet den Brief einer Dame aus Paris vor, die ihn bittet, zu ihm zu kommen wegen einer Spende, die sie ihm machen will. Er schickt einen von seinen Mitarbeitern hin. Diese Spende besteht aus genau 50.000 Francs. Der überraschte Bischof gibt die Erlaubnis zum Beginn der Bauarbeiten. Um mehr Spenden zu erhalten, gibt der Gründer die vierteljährliche Zeitschrift ,,Die Kirche von Unserer Lieben Frau von Montligeon" heraus. Das Ergebnis ist und bleibt außergewöhnlich: eine weitläufige Basilika mitten in ländlicher Gegend. Ihr Grundriß ist in Form eines lateinischen Kreuzes und von einer Länge von 74 Meter. Zwei Turmspitzen umrahmen die Fassade. Im Innern befindet sich über dem Hauptaltar eine Statue der seligsten Jungfrau, die das Jesuskind einer Seele entgegenhält, die in menschlicher Gestalt dargestellt und im Begriff ist, ins Paradies einzutreten. Eine andere Seele verharrt in Erwartung der himmlischen Seligkeit. Die Gruppe, drei Meter siebzig hoch, ist aus einem Block aus carrarischen Marmor gemeisselt. Alles erregt Bewunderung, führt hin zum Gebet für die Lebenden und Verstorbenen zur lebendigen und gewissen Hoffnung des Himmels.
Die antiklerikalen Zeitungen greifen Pfarrer Buguet oft an. Man wirft ihm Merkantilismus vor wegen der bedeutenden Summen, die er handhabt für seine baulichen Vorhaben und für die Zelebration der Messen. Dem Priester wird die Weisheit und die Gnade zuteil, sich von den böswilligen Anspielungen und Verleumdungen nicht anfechten zu lassen.
Im Gegensatz dazu werden ihm von Papst Leo XIII. und dem hl. Pius X. kirchliche Würden verliehen, die er verdient hat: er erhält den Titel ,,Monsignore". Seine Demut leidet nicht darunter: er verbleibt in aller Einfachheit in seinem Rang in der Kirche. Sein Ton bleibt freundlich, eher leutselig. ,,Alles ist zu erreichen durch das Gebet des demütigen Menschen", sagt er... ,,Gott segnet die Vorhaben des Menschen, der betet und sich demütigt". Und wenn man ihn fragt, wie er sein Werk hat verwirklichen können, bescheidet er sich mit der Antwort: ,,Ich bete, und der Liebe Gott besorgt den Rest".
Monseigneur Buguet verscheidet sanft am 14. Juni 1918.
Das Feuer der Liebe
Bitten wir den Heiligen Geist, in uns das Feuer seiner Liebe zu entzünden und das Angesicht der Erde zu erneuern.
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