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21. Januar 1998
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,,Was erbittest du von der Kirche Gottes?" - ,,Den Glauben". Dieser Dialog eröffnet die Taufliturgie für einen Erwachsenen, er wird fortgesetzt mit der Frage des Priesters: ,,Was schenkt dir der Glaube?" - ,,Das ewige Leben", erwidert der Katechumene. In der Tat, ,,der Glaube läßt uns schon im voraus die Freude und das Licht der beseligenden Gottesschau genießen, die das Ziel unseres irdischen Weges ist. Wir werden dann Gott von Angesicht zu Angesicht sehen, wie er ist (1. Kor. 13, 12; 1. Joh. 3, 2)" (Katechismus der katholischen Kirche, 163).
In unseren Tagen wird die Tugend des Glaubens oft verkannt, herabgemindert auf ein rein subjektives Gefühl oder eine unbestimmte religiöse Vorstellung, die wie eine freie und fakultative Meinung betrachtet wird, als würde es sich nur um eine persönliche Überzeugung handeln, die dem privaten Bereich gehört und die niemanden etwas angehe, vor allem nicht die Kirche.
Glauben ist nicht fakultativ
Weit davon entfernt, nach eigenem Belieben darüber zu entscheiden, ist der Glaube eine Notwendigkeit für das ewige Heil. Jesus Christus hat es ausdrücklich bekräftigt: Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet (Mk. 16, 16). ,,Weil es ohne Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen (Hebr. 11, 6) und die Gemeinschaft seiner Söhne teilen zu können, so wird niemals ohne ihn Rechtfertigung zuteil, und keiner wird das ewige Leben erlangen, es sei denn, er beharrt im Glauben bis an das Ende (Katechismus, 161). Den Glauben ablehnen, der ein Geschenk Gottes ist, heißt das Heil ablehnen und es für alle Ewigkeit verlieren: Wer nicht glaubt, wird verdammt werden (Mk. 16, 16). Der Glaube kann folglich nicht eine fakultative Wahl sein.
Wem sollen wir glauben ?
Eine unklare Empfindung ?
Aber der Glaube ist nicht ein unklares Empfinden und ausschließlich subjektiv, das keine Begründung anführen kann, die der Vernunft einleuchtend erscheinen. Im Gegenteil, ,,damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend sei, wollte Gott, daß mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden. So sind die Wunder Christi und der Heiligen, die Weissagungen, die Ausbreitung und Heiligkeit der Kirche, ihre Fruchtbarkeit und ihr Fortbestehen ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepaßte Zeichen der göttlichen Offenbarung, Beweggründe der Glaubwürdigkeit, die zeigen, daß die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist" (Katechismus, 156). In unserer Epoche der Skepsis und des Relativismus, in der man alle Religionen als gleichwertig hinstellt, ist es von Bedeutung, gewissenhaft die äußerlichen Beweise der Offenbarung zu studieren und gut unsere Gründe, warum wir glauben zu kennen.
Eine feurige Lohe
Der Glaube führt Therese zur Erkenntnis der Vaterschaft Gottes und seiner barmherzigen Liebe. ,,Jederzeit war der Herrgott voll Erbarmen mit mir und voller Güte, langsam um zu strafen und überreich an Barmherzigkeit", schreibt sie am Ende ihres Lebens... ,,Er hat mir seine unendliche Barmherzigkeit geschenkt, und durch sie gelange ich zur Anschauung der göttlichen Vollkommenheit!... Und so erscheint mir alles im strahlenden Licht der Liebe; selbst die Gerechtigkeit (und sie vielleicht noch mehr als alles andere) scheint mir mit Liebe bekleidet". Sie hat begriffen, daß die Schwäche, die Ohnmacht, sogar die Sünde selbst, sofern man sie bereut, weit davon entfernt, ein Hindernis für die Barmherzigkeit Gottes zu sein, diese herausfordert und an sich zieht: ,,Ja, ich fühle es, selbst wenn ich alle Sünden, die man begehen kann, auf dem Gewissen hätte, ich würde mich, mit vor Reue gebrochenem Herzen, in Jesu Arme werfen, denn ich weiß, wie herzinnig er das verlorene Kind liebt, das zu ihm zurückkehrt... Ich bin mir bewußt, daß die Vielzahl der Beleidigungen wie ein Tropfen Wasser wären, der in eine feurige Lohe fällt".
Wie mit abgewendetem Kopf
Aber ,,wie kann der Gute Gott, der uns liebt, glücklich sein, wenn wir leiden?" fragt sie sich. Und ihre Liebe diktiert ihr die Antwort: ,,Nein, niemals macht unser Leiden ihn glücklich, aber dieses Leiden ist für uns notwendig. Also läßt er es zu, wie mit abgewendetem Kopf". Da die Sünde das Leiden zu einer Notwendigkeit machte, will Gott es, aber aus Liebe, als ein Mittel, den Menschen wieder dazu zu bringen, ihn zu lieben. Ein bitteres Heilmittel, aber im Hinblick auf den Egoismus des Menschen ein notwendiges Heilmittel für die Gesundheit und das Glück der Seele. ,,Es fällt Gott schwer, uns das Quellwasser der Tränen trinken zu lassen", schreibt sie weiterhin, ,,aber er weiß, daß es das einzige Mittel ist, uns darauf vorzubereiten, Ihn zu kennen wie er sich kennt und selbst göttlich zu werden!..."
,,Es muß bekanntgemacht werden"
Sie war acht Jahre, als ihre Schwester Pauline, die sie sich zu ihrer ,,zweiten Mama" erwählt hatte, in den Karmel von Lisieux eintrat. An diesem Tage flossen Ströme von Tränen. ,,Da ich die Geschichte meiner Seele schreibe, muß ich alles sagen, und ich gestehe, daß die Leiden, die ich vor ihrem Eintritt erlitten hatte, nichts waren im Vergleich zu denen, die folgten". Sie bekam eine seltsame Nervenkrankheit. Angesichts der alarmierenden Ausmaße, die die Krankheit annahm, dachte Monsieur Martin, daß ,,sein kleines Mädchen geisteskrank werden oder sterben würde". Es bedurfte des Eingreifens der Heiligen Jungfrau, um ihr die Gesundheit zurückzugeben. Diese Heilung machte indessen den Leiden von Therese kein Ende. Sie schreibt darüber: ,,Noch lange nach meiner Gesundung glaubte ich, daß ich mit Willen krank wurde, und das war ein wahrhaftiges Martyrium für meine Seele... Der Liebe Gott hat mir dieses geheime Martyrium auferlegt bis zu meinem Eintritt in den Karmel".
Ausserordentliche Wirkungskraft
Kaum ein Jahr nach dem Eintritt von Therese in den Karmel muß Monsieur Martin, von einer Gehirn-
erkrankung befallen, in die psychiatrische Krankenanstalt ,,Bon Sauveur" von Caen eingeliefert werden. Er bleibt dort drei lange Jahre. ,,So wie die Qualen Jesu das Herz seiner Mutter wie ein Schwert durchdrangen, so fühlen unsere Herzen die Leiden von denen, die wir auf Erden am zärtlichsten lieben... Ich erinnere mich, daß ich im Juni 1888 im Augenblick unserer ersten Prüfungen sagte: ,Ich fühle es, daß ich noch größere Heimsuchungen ertragen kann`. Ich wußte nicht, daß unser geliebter Vater einen Monat nach meiner Einkleidung den bittersten Kelch, den, der am tiefeten erniedrigt, würde trinken müssen... Ach! An jenem Tag habe ich nicht gesagt, daß ich noch mehr leiden könnte!!!" Das Vertrauen der Heiligen Therese wird aber trotzdem nicht erschüttert. Auf diesen bitteren Kelch wirft sie einen bejahenden Blick. Im Licht des Glaubens kann sie später schreiben: ,,Eines Tages werden wir gern von unseren glorreichen Prüfungen sprechen... Ja, es scheint mir, daß die drei Jahre des Martyriums von Papa die fruchtbringendsten unseres Lebens waren; ich würde sie nicht eintauschen gegen alle Exstasen und Offenbarungen der Heiligen, mein Herz fließt über, wenn ich an diesen unermeßlichen Schatz denke".
Inzwischen werden aber die ihr auferlegten Heimsuchengen nicht geringer. ,,Die innere Dürre war mein tägliches Brot, und doch, obwohl ich jede Tröstung entbehren mußte, war ich das glücklichste aller Geschöpfe, denn meine Wünsche wurden erfüllt". Einer dieser Wünsche war, diese Prüfungen für das Heil der Sünder aufzuopfern. ,,Ich brannte vor Eifer, sie den ewigen Flammen zu entreißen". Denn ,,allein das Leiden kann die Seelen neu gebären", schreibt sie. Sich solcherart mit dem Leiden Christi verbindend, hat es die Heilige fertiggebracht, im Rahmen ihres kontemplativen Lebens am Erlösungswerk teilzunehmen. ,,Die, die hinter Klostermauern leben, bringen sich mit Jesus für das Heil der Welt dar... Als Ausdruck der reinen Liebe, die mehr wert ist als alle Tätigkeit, besitzt das kontemplative Leben ein außerordentliches apostolisches und missionarisches Wirkungsvermögen" (Johannes Paul II., Vita consecrata, 25. März 1996, Nr. 59).
Man muß darauf verweisen, daß man sie nachahmen kann
Die Karmelitin kennt auch die Erschöpfung: ,,Ja, das Leben kostet Anstrengung", schreibt sie, ,,es ist nicht leicht, den Arbeitstag zu beginnen... Wenn man wenigstens Jesu Nähe verspürte, würde man alles für ihn tun, aber nein, er scheint meilenweit entfernt, und wir sind uns selbst überlassen... Warum tut er das, dieser süße Freund, sieht er nicht unsere Angst, die Last, die mich niederdrückt? Wo ist er, warum kommt er nicht, uns zu trösten, denn wir haben doch keinen andern Freund als ihn?" Und dann erinnert sie sich an die Worte Jesu: Macht euch nicht Sorge für den morgigen Tag; denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Jedem Tag genügt seine Plage (Mt. 6, 34), und Tag um Tag ihr Kreuz tragend singt sie:
Wenn ich an morgen denke, befürchte ich meine Unbeständigkeit,
Sie findet in Maria mütterlichen Beistand und ein Modell des Glaubens und der Liebe in einem ganz gewöhnlichen Leben. ,,Wie sehr hätte ich doch Priester sein wollen, um über die Heilige Jungfrau zu predigen!... Damit eine Predigt über die Heilige Jungfrau mir gefällt und meiner Seele guttut, muß ich ihr wirkliches Leben vor Augen haben, nicht Vermutungen über ihr Leben; und ich bin sicher, daß ihr Leben tatsächlich ganz einfach gewesen ist. Man zeigt sie uns als unnahbar; man muß darauf verweisen, daß man sie nachahmen kann, ihre Tugenden zeigen, sagen, daß sie aus dem Glauben lebte wie wir, Beweise aus dem Evangelium bringen, wo wir lesen: Sie (Maria und Joseph) begriffen nicht, was er ihnen sagte (Lk. 2, 50). Und die andere, nicht weniger geheimnisvolle Textuelle: Sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was über ihn (das Kind Jesu) gesagt wurde (Lk. 2, 33). Diese Bewunderung setzt ein gewisses Erstaunen voraus".
Ein Orkan des Ruhmes
Dieser leidenschaftlichen Liebe verdankt sie ihre Aufnahme in den Himmel und hier auf Erden einen Orkan von beispiellosem Ruhm! Die kleine Karmelitin wird bald die Menschenmengen anziehen. Von überall eilt man herbei, um sie anzurufen oder ihr zu danken, denn von ihr ergießt sich ein wahrer ,,Regen von Rosen", irdische und geistliche Gnadengaben, die die Belohnung für ihren unerschütterlichen Glauben in die Barmherzige Liebe Gottes sind. Die Worte Jesu: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht (Joh. 12, 24) werden buchstabengetreu verwirklicht. Am 17. Mai 1925 nehmen mehrere hunderttausend Pilger aus aller Welt am ,,Triumph" der kleinen Therese teil, die geehrt und heiliggesprochen wird. Und jetzt zögert Papst Johannes Paul II. nicht, sie zur Kirchenlehrerin zu erklären! Am 19. Oktober des vergangenes Jahres, während des Weltmissionstages, wird diese außerordentliche Ehre und ein Übermaß an Ruhm der Patronin der Missionen zuteil. Die Kirche sieht in ihr ein Licht für die neue Glaubensverkündung.
Die hl. Therese von Lisieux hatte versprochen, ,,ihr Dasein im Himmel zu nutzen, um auf der Erde Gutes zu tun". Bitten wir sie, uns ihr Glauben und ihre Hingabe zur Gottes Vorsehung mitzuteilen. Sie werden unser Leben verändern und uns auf den Weg des Himmels leiten. Wir beten für alle, die Ihnen teuer sind, die Lebenden und Verstorbenen.
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Unlust steigt in meinem Herzen auf und Traurigkeit,
Aber ich nehme an, mein Gott, die Prüfungen, das Leid,
Die Du mir schickst für heut.