|
[Cette lettre en français] [This letter in English] [Deze brief in het Nederlands] [Esta carta en español] |
1. November 2002 Allerheiligen |
Enrico wurde am 28. April 1860 in Gravedona am Comer See in Norditalien geboren. Sein Vater Domenico, oberster Steuerinspektor für die Provinz Como, stand der Religion ablehnend gegenüber: Zwar begleitete er seine Frau bis zur Kirchentür, blieb jedoch selber draußen. Enricos Mutter Sofia, eine vorbildliche Christin, stammte aus Livorno in der Toscana. Aus der Familie gingen fünf Kinder hervor. Enrico war das zweite. Da er nach Beendigung seiner Gymnasialausbildung wegen des väterlichen Widerstandes seiner Neigung zum Klosterleben nicht folgen konnte, schrieb er sich an der Mathematischen Fakultät in Padua ein. Er war ein ruhiger und wohlerzogener Junge; an der Fakultät, deren Kirchenfeindlichkeit bei ihm Erbitterung und Abscheu hervorrief, hielt er es nur ein Jahr aus.
Nach Como zurückgekehrt, absolvierte er seinen Militärdienst im Rahmen eines Freiwilligenjahres. In seiner Freizeit zog er sich gerne zum Gebet und guter Lektüre zurück. Danach absolvierte er die Militärschule von Mailand und ging aus ihr als Unterleutnant der Reserve hervor; von seinen Vorgesetzten geschätzt, wurde er zu einer militärischen Laufbahn ermuntert. Doch Enrico kehrte lieber in die Familie zurück und machte eine Buchhalterausbildung, die er 1882 mit einem hervorragend benoteten Diplom abschloss.
«Mit schmerzlich verkrampften Herzen»
Enricos Schwierigkeiten rührten nicht von einer Berufswahl her, die seinen Talenten und Neigungen widersprach, sondern von seinem nach wie vor vorhandenen Hang zum Klosterleben, dem jedoch die starke Ablehnung seines Vaters entgegenstand. Trotz aller Bemühungen, sein Schicksal anzunehmen, fiel er bald in einen Zustand moralischer Niedergeschlagenheit; er magerte so ab, dass man meinte, er hätte gerade eine schwere Krankheit überstanden. Im Sommer 1884 schließlich «ergab» sich der Vater nach langen Diskussionen mit dem Sohn und auf das Eingreifen des seligen Don Luigi Guanella hin, der in allen Klöstern Comos für Enricos Berufung beten ließ.
Drei Monate, nachdem er seine Stelle aufgegeben hatte, schrieb sich Enrico an der Gregoriana-Universität in Rom ein, um dort mit Erfolg kirchliche Studien zu betreiben. Er erwarb sich die Hochachtung seiner Professoren. Er empfing die niederen Weihen mit dem Prädikat: «Erbauliches Betragen von gutem kirchlichem Geist». Gegen Ende des Jahres 1885 wurde er von seinen Eltern und seiner Tante Maddalena in Rom besucht; sie waren glücklich, ihn zufrieden und heiter vorzufinden. Maddalena schrieb in ihr Tagebuch: «Enrico ist zufrieden und ruhig. Ich verstehe, wie er sich so fühlen kann. Er ist sicher, auf dem ihm von Gott vorgezeichneten Weg zu sein».
In der Presse
Enrico kehrte zu seiner Familie zurück. Er brachte auch einen Klinikaufenthalt hinter sich. Im Tagebuch Maddalenas finden sich folgende Bemerkungen: Das sind «die Momente, in denen die Hand Gottes schwerer über uns lastet und uns in den Schmerz getaucht hat ... Wie viele Monate des Schweigens und des Leidens in diesem Moment. Möge Gott dem ein Ende setzen und uns unseren Schatz wiedergeben». Acht Jahre später schrieb Enrico über diese Zeit: «Ich wurde zur Kur geschickt; dort stellte Gott meine Gesundheit wieder her, indem er mir vollkommenes Vertrauen auf seine unendliche Güte und Barmherzigkeit schenkte.»
Eine große spirituelle Kraft
Im Mai 1887 war die Krise überwunden und Enrico völlig genesen. Er sollte zwar Rückfälle erleiden, doch diese waren weniger lang und weniger schwer. Spezifische Arzneien für diese Art von Krankheiten gab es damals noch nicht; die Heimsuchung wurde durch eine fortschreitende bessere Erkenntnis Gottes überwunden, die ein auf Vertrauen gegründetes Kindschaftsverhältnis nach sich zog. Der beste Zug in der Spiritualität unseres Seligen wurde fortan die Betrachtung des unendlichen Ozeans der Barmherzigkeit im heiligsten Herzen Jesu sowie der mütterlichen Zärtlichkeit unserer Mutter, der Seligsten Jungfrau Maria, die von der Kirche unter dem tröstlichen Titel «Salus infirmorum» (Heil der Kranken) angerufen wird.
Während des Sommers 1887 war Enrico am Krankenhaus von Como beschäftigt. Doch schon bald danach wurde er freundlich weggeschickt, weil er, statt seinen Dienst zu versehen, seine Zeit in den Krankensälen am Bett der Ärmsten und Bedürftigsten sowie der isolierten Kranken zubrachte und für sie bis zum letzten Pfennig all sein Hab und Gut opferte, sogar seine eigene Leibwäsche; er machte immer häufiger auch Hausbesuche bei Armen und Kranken. Im Kontakt mit diesen Leiden erwachte seine Berufung zum Hospitalitermönch.
Maria anvertraut
Der 1550 im Königreich Neapel geborene Kamillus von Lellis war zunächst Berufssoldat, verfiel jedoch bald dem Laster und landete schließlich im San-Giacomo-Hospital in Rom. Zutiefst bewegt von dem Elend, in dem die Kranken dahinvegetierten, wurde er freiwillig Pfleger und scharte dann einige Kameraden um sich, die die «Gesellschaft der Diener der Ärmsten» oder der Kamillianer bildeten. Kamillus litt selbst an Magen- und Kopfschmerzen, an Steinkrankheiten, und fast ständig an Geschwüren und Furunkeln; er schritt als Kranker unter Kranken durch die Säle und hatte ein offenes Ohr für die Nöte eines jeden. Er starb am 14. Juli 1614 in Rom. Die Kirche ernannte ihn zum Patron der Krankenhäuser, der Kranken und der Hospitaliterinnen.
Enrico Rebuschini trat am 27. September 1887 im Alter von 27 Jahren in den Orden der Kamillianer in Verona ein. Die erste Haltung, die er sich vorgenommen hatte, war die der Liebenswürdigkeit. Diese recht notwendige Tugend fiel ihm nicht leicht. Er verfügte bereits über Erfahrungen im Berufsleben, während seine Novizengefährten noch in einem jugendlichen Alter waren, die Freiheit, die Entspannung und den Lärm liebten und ernsthafte Gedanken rasch in amüsante Wortspiele zu verdrehen pflegten. Er bemühte sich also um ein positives Urteil über die Anderen, trotz deren Fehler bzw. irritierender Verhaltensweisen. Bisweilen fiel ihm dieses Ideal schwer: «Ich lasse mich zu Regungen der Antipathie vor allem gegen einen meiner heiligen Gefährten hinreißen. Manchmal befragt er mich zu meinen Studien und, anstatt ihm milde zu antworten und an nichts anderes zu denken, als seinem Ansinnen mit Liebenswürdigkeit zu entsprechen, antworte ich ganz gereizt auf diese Frage: 'Ich möchte, dass du mich nach nichts fragst'; all das ist eine Frucht der Hochmut, vereint mit einem Mangel an Verbundenheit mit den Meinen in der Liebe. Ich möchte an nichts anderes denken als daran, in jedem Moment das Bestmögliche zu tun.» In der Wirklichkeit des Alltags wurde sein Entschluss zur Liebenswürdigkeit oft genug durch die Versuchung vorschnellen Urteilens und durch Gefühle der Antipathie torpediert ... Doch er ließ sich durch diese Kämpfe nicht entmutigen; er besann sich erneut auf seine Absicht, im Anderen den Tempel Gottes zu sehen, betrachtete das Kreuz und machte sich von neuem mutig an die langsame Arbeit der Besänftigung seines Herzens.
Rückfälle
Angesichts dieser depressiven Verstimmungen könnte man meinen, Pater Enrico sei von einem melancholischen und zögerlichen Temperament gewesen. Doch man darf nicht vergessen, dass zwischen den Krisen von 1895 und 1922 gut zwanzig Jahre normaler Arbeit lagen, in denen er auch schwere Verantwortung übernahm und ihr stets bewundernswert und mit großer Hingabe gerecht wurde. Von 1922 bis zu seinem Tod 1938 machte er dann sechzehn Jahre lang mehr denn je den Eindruck soliden Ausgeglichenseins und voller Gelassenheit. Pater Josef Moar, der in den letzten sieben Jahren seines Lebens sein Gefährte war, sagte beim Seligsprechungsprozess aus, er hätte erst aus den Biographien von den vergangenen Depressionen des Paters Rebuschini erfahren. «Als ich ihn kennenlernte, war er völlig ausgeglichen und sich immer gleich. Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, er könnte Depressionen gehabt haben.»
Durch diese Leiden hatte Pater Enrico sich in den Grundsätzen christlicher Weisheit üben können, die der Heilige Vater, Johannes-Paul II. den Kranken gegeben hat: «Liebe Kranke, ich möchte in eurem Gedächtnis und in eurem Herzen drei kleine Lichter zurücklassen, die mir kostbar erscheinen. Welcher Art euer Leiden auch sei, physisch oder moralisch, persönlich oder familiär, oder auch apostolisch, d.h. kirchlich, zunächst ist es wichtig, dass ihr es klar zur Kenntnis nehmt, ohne es zu verkleinern oder zu vergrößern, und zwar mit allen Gefühlsbewegungen, die dieses Leiden in eurem menschlichen Empfinden hervorruft: Scheitern, Sinnlosigkeit eures Lebens usw. Dann müsst ihr auf dem Wege des Annehmens weitergehen. Ja, annehmen, dass es so ist, nicht aus mehr oder minder blinder Resignation, sondern weil der Glaube uns versichert, dass der Herr aus dem Schlechten das Gute hervorbringen kann und will. Schließlich bleibt noch die schönste Geste zu machen: die Opferung. Das aus Liebe zum Herrn und zu unseren Brüdern dargebrachte Opfer erlaubt uns, einen mitunter sehr hohen Grad der Kardinaltugend der Liebe zu erreichen. Ist das nicht die paradoxe Lehre der Evangelien: Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird das Leben finden?» (Botschaft an die Kranken, Lourdes, am 15. August 1983).
Man konnte ihm nicht widerstehen
Der Erfolg Pater Rebuschinis bei den Seelen erklärt sich aus seiner Vereinigung mit Gott insbesondere durch die fromme Zelebrierung der heiligen Messe, durch das inbrünstige Beten des Breviers, die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes und eine bemerkenswerte Liebe zur Seligsten Jungfrau Maria. Beugte er die Knie, so geschah das mit großem Respekt. Bei der Elevation der Hostie während der Messe pflegte er einen Moment in Anbetung zu verharren.
Anfang Mai 1899 wurde Pater Enrico in das Kloster von Cremona entsandt. Im folgenden Jahr wurde er von seinem Vorgesetzten zusätzlich zum Verwalter seines Klosters ernannt. Als Mann des inneren Lebens und des Gebets erfüllte Pater Enrico diese Aufgabe, die ihm widerstrebte, nur, um den Willen Gottes auszuführen. In gewöhnlichen Zeiten musste er die verschiedenen Produkte einkaufen, Wasser- oder Strompannen beheben, den Betrieb der Operationseinheit der Klinik sichern usw. Doch im Laufe der Jahre mangelte es auch nicht an außergewöhnlichen Arbeiten: Renovierung der Küche, Erneuerung des Dachs, Installation einer Zentralheizung, ohne die Schwierigkeiten mitzuzählen, die sich aus dem Konkurs der Bank ergaben, in der die bescheidenen Ersparnisse der Gemeinschaft deponiert waren...
Grundsätzlich optimistisch
Aufmerksam für die Leidenden
Durch die Fürsprache des seligen Enrico Rebuschini beten wir für Sie, für alle, die Ihnen teuer sind, für alle, die mit in der gegenärtigen Welt so verbreiteten nervösen Schwächen und Krankheiten zu kämpfen haben, und für all Ihre Anliegen.