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29. August 2006 Enthauptung des hl. Johannes des Taüfers |
Alberto Hurtado Cruchaga wurde am 22. Januar 1901 in Viña del Mar in Chile geboren. Er war erst vier Jahre alt, als sein Vater starb. Seine Mutter Ana geriet durch diesen plötzlichen Tod in große finanzielle Not und suchte mit ihren beiden Söhnen in der Hauptstadt Santiago Zuflucht. Ohne eigenes Heim, waren sie ihren mehr oder weniger wohlwollenden Verwandten ausgeliefert und mussten von einem zum anderen ziehen. Alberto litt sehr unter dieser misslichen Familiensituation; dennoch schloss er erfolgreich die Schule ab und begann im März 1918 ein Jurastudium an der Katholischen Universität Chiles.
"Wen soll man lieben?"
Doch ist eine solche Nächstenliebe überhaupt möglich? Ja, sagt Papst Benedikt XVI.: "So wird Nächstenliebe in dem von der Bibel, von Jesus verkündigten Sinn möglich. Sie besteht ja darin, dass ich auch den Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe. Das ist nur möglich aus der inneren Begegnung mit Gott heraus, die Willensgemeinschaft geworden ist und bis ins Gefühl hineinreicht. Dann lerne ich, diesen andern nicht mehr bloß mit meinen Augen und Gefühlen anzusehen, sondern aus der Perspektive Jesu Christi heraus. Sein Freund ist mein Freund. Ich sehe durch das Äußere hindurch sein inneres Warten auf einen Gestus der Liebe auf Zuwendung « Ich kann dem anderen mehr geben als die äußerlich notwendigen Dinge: den Blick der Liebe, den er braucht" (Enzyklika Deus caritas est, 25. Dezember 2005, Nr. 18).
Alberto war noch seiner Berufung unsicher. Nach innigem Beten bot er sich dem Herrn dar: "Ich gebe Dir alles, was ich bin und habe, ich will Dir alles geben, Dir dort dienen, wo es keine Schranken für die völlige Selbsthingabe gibt." Er entschied sich für die Jesuiten. Ende 1923 schrieb er an einen Freund: "Endlich bin ich Jesuit und fühle mich so glücklich und zufrieden, wie man es nur in dieser Welt sein kann. Ich danke Gott, der mich in dieses Paradies geführt hat, in dem man rund um die Uhr ganz für Ihn da sein kann." Er wurde nach Córdoba in Argentinien entsandt, wo er am 15. August 1925 seine Gelübde ablegte. Da er gerne dienen wollte, bat er um einfache Küchenarbeit. Er übte sich fleißig in allen Tugenden, besonders in der Achtung vor dem Nächsten: "Meine Mitbrüder nicht kritisieren, sondern ihre Fehler verhüllen, von ihren Vorzügen sprechen. Von den Vorgesetzten und ihren Anordnungen immer nur im Guten sprechen." Denn "die Ehre [ist] das gesellschaftliche Zeugnis für die Würde eines Menschen, und jeder besitzt das natürliche Recht auf die Ehre seines Namens, auf seinen guten Ruf und auf Achtung. Üble Nachrede und Verleumdung verletzen somit die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe" (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2479).
Zum Theologiestudium wurde Alberto Hurtado nach Spanien geschickt. 1931 musste er wegen politischer Unruhen auf der iberischen Halbinsel an die Universität Löwen nach Belgien wechseln. Seine Mitbrüder beschrieben ihn einmütig als fröhlich, arbeitsam und allen gegenüber hilfsbereit. Am 24. August 1933 wurde er zum Priester geweiht. "Jetzt ist es geschafft, für euch bin ich von jetzt an ein Priester des Herrn!", schrieb er an einen Freund. "Gott hat mir die große Gnade gewährt, in allen Häusern, in denen ich gewohnt habe, und mit allen Gefährten, die ich gehabt habe, glücklich zu leben. Aber jetzt, da ich für immer zum Priester geweiht bin, ist mein Glück größer denn je. Daher möchte ich mein Amt aus einem sehr intensiven Innenleben heraus ausüben und nur soweit aktiv werden, wie es damit vereinbar ist. Das Geheimnis dieser Harmonie und des Erfolges liegt in der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu, d.h. in der überfließenden Liebe zu unserem Herrn."
So hoch wie möglich
Von großem priesterlichem Eifer beseelt, war Pater Hurtado ein Vorbild in der Verehrung der Eucharistie; ein Kapuzinermissionar sagte gar, wenn alle Priester die Messe auf seine Art zelebrierten, wären sie allesamt angehende Heilige. 1941 wurde er zum Jugendkaplan der Katholischen Aktion in Santiago ernannt; so erreichte sein Apostolat nun auch die Schüler der öffentlichen Gymnasien. Er weckte zahlreiche Berufungen. In seinem Buch "Ist Chile ein katholisches Land?" öffnete er vielen seiner Zeitgenossen die Augen über die Lage im Lande, indem er auf das schwere Problem des Priestermangels hinwies. Allerdings blieb sein grundlegender Optimismus davon ungetrübt, und bald war sein pastoraler Erfolg so groß, dass er zum Nationalkaplan für die katholische Jugend ernannt wurde. Er reiste durch das Land und hielt überall Exerzitien.
Bei einem großen Fackelzug zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau Maria zum Hügel über Santiago sprach Pater Alberto folgende Worte zu den mehreren tausend jungen Teilnehmern: "Käme Christus heute Nacht zu uns hernieder, würde er beim Anblick unserer Stadt immer wieder beteuern: Ich habe Mitleid mit diesem Volk. Dann würde er sich an euch wenden und voller Zärtlichkeit sagen: Ihr seid das Licht der Welt. Ihr müsst diese Finsternis erleuchten. Wer will mit mir zusammenarbeiten? Wollt ihr meine Apostel sein?" Der Pater zitierte damit den hl. Ignatius, der in seinen Geistlichen Übungen Jesus diese Worte zuschrieb: "Mein Wille ist es, die gesamte Welt und sämtliche Feinde zu unterwerfen, und so in die Glorie meines Vaters einzugehen. Wer deshalb mit mir kommen will, hat sich anzustrengen mit mir, damit er, wie er mir in der Mühsal folgte, so auch mir in der Glorie folge" (Nr. 95). Pater Hurtado kommentierte das, indem er seinerseits Jesus folgende Worte in den Mund legte: "Ich brauche dich. Ich zwinge dich nicht, aber ich brauche dich, um meine Pläne der Nächstenliebe zu realisieren. Kommst du nicht, so bleibt ein Werk unverwirklicht, das nur du, du allein, verwirklichen kannst. Kein anderer kann dieses Werk übernehmen, denn jeder muss seine eigene Rolle ausfüllen. Schau auf die Welt, die Ernte ist reif, und wie viel Hunger, wie viel Durst gibt es da! Viele hungert es nach Religion, nach Spiritualität, nach Vertrauen und Lebenssinn."
Der Triumph des Scheiterns
In einer kalten, verregneten Nacht begegnete Pater Hurtado einem armen, schlotternden und obdachlosen Mann. Sein Elend erschütterte den Pater. Einige Tage später sprach er in einer Einkehrpredigt für Damen über das in Santiago herrschende Elend: "Christus irrt durch unsere Straßen in der Gestalt so vieler Armen, Leidenden und Kranken, die selbst aus ihren armseligen Elendsquartieren vertrieben wurden. Christus hat keine Bleibe! Könnten wir Ihm nicht eine anbieten, wir, die wir so glücklich sind, dass wir ein bequemes Zuhause, reichlich zu essen sowie die notwendigen Mittel besitzen, um unsere Kinder zu erziehen und ihnen eine Zukunft zu bieten? Denn was ihr getan habt einem dieser Geringsten, habt ihr mir getan, sagt Jesus (Mt 25,45)." Am Ende der Einkehrtage wurden dem Pater ein Grundstück sowie etliche Schmuckstücke und Schecks übereignet, die die Stiftung "Hogar de Cristo" (Heim Christi) möglich machten. Sechs Monate danach weihte der Erzbischof von Santiago die erste Einrichtung der Stiftung. Das Hilfswerk breitete sich von da an immer weiter aus, um die Ärmsten aufzunehmen, indem es eine Welle der Solidarität weckte, die über die Grenzen des Landes hinausging. Doch sein Ziel war vor allen Dingen geistlich: "Eine der ersten Qualitäten, die wir unseren Bedürftigen wiedergeben müssen, ist ihr Selbstwertgefühl, das Bewusstsein ihrer Würde als Kinder Gottes."
Erste Armut
1947 gründete Pater Hurtado zusammen mit jungen Akademikern die Chilenische Gewerkschafts- und Wirtschaftsaktion (ASICH), um durch sie "die Kirche in der Berufswelt präsent zu machen". Das Werk bot Arbeitern eine auf die Soziallehre der Kirche ausgerichtete christliche Ausbildung, um die Würde der menschlichen Arbeit fern von jedem ideologischen Einfluss zu verteidigen. "Es gibt Leute", schrieb der Pater, "die zwar Fortschritt wollen, aber schmerzlos. Sie haben nicht verstanden, was es heißt zu wachsen. Sie wollen sich weiterentwickeln durch Singen, Lernen und durch Freude, aber bloß nicht durch Hungern, Angst, Scheitern, die harte Mühe des Alltags bzw. durch die Annahme unserer Ohnmacht, die uns lehrt, uns der Kraft Gottes anzuvertrauen; auch nicht durch das Aufgeben persönlicher Projekte, wodurch wir die Pläne Gottes erkennen können. Das Leiden ist wohltuend, weil es mir meine Grenzen aufzeigt, mich reinigt, mich das Kreuz Christi schmecken lässt und mich zwingt, mich Gott zuzuwenden." In Zusammenhang mit dieser Arbeit reiste der Pater in die Vereinigten Staaten und nach Europa; er nahm u. a. an der 34. Sozialen Woche in Paris und an der Internationalen Woche der Jesuiten in Versailles teil. In Lyon wohnte er einem Kongress von Moraltheologen über das Verhältnis von Kirche und Staat bei. Seine Meinung über die katholisch-soziale Bewegung in Frankreich war positiv, allerdings mit Vorbehalten, insbesondere in Bezug auf das in Lyon Gehörte. Er stellte darin "einen exzessiven Erneuerungswillen sowie eine gewisse Tendenz zur Missachtung der wahren Werte der Kirche, der traditionellen Sichtweise", fest. Das hätte zur Folge, dass die Kirche "ohne wahrhaft christliche Führer bleibt, nur mit Vertretern der sozialen, nicht aber der christlich-sozialen Mystik". Bei einer Pilgerreise nach Rom im Oktober desselben Jahres wurde er sowohl vom Generaloberen der Jesuiten als auch von Papst Pius XII. ermutigt.
Wie ein Fels in der Brandung
Doch Pater Hurtado stand, obwohl er ein Heiliger war, mit beiden Beinen auf der Erde: Er wusste, dass der Mensch auch im Dienste Gottes seine Kräfte schonen sollte: "Man darf nicht übertreiben und seine Kräfte in einem Übermaß eroberungslustiger Anspannung verzehren. Der großherzige Mensch neigt dazu, zu schnell vorwärtszustreben; er möchte das Gute errichten und das Unrecht zerschlagen, doch es gibt eine Trägheit der Menschen und der Dinge, die berücksichtigt werden will. Mystisch gesprochen muss man sich dem Schritt Gottes anpassen, sich exakt in den Plan Gottes einfügen. Jeder Versuch, ihn zu überholen, ist unnütz, schlimmer noch, schädlich. Aktivität wird durch Aktivismus ersetzt, der wie Champagner sprudelt, unerreichbare Ziele anvisiert und keine Zeit für Besinnung lässt. Der Mensch verliert die Herrschaft über sein Leben « Die Gefahr überzogener Aktivität liegt in der Belohnung. Ein erschöpfter Mensch sucht leicht nach Belohnung. Dieser Moment ist umso gefährlicher, als man z. T. die Kontrolle über sich selbst verloren hat. Der Körper ist müde, die Nerven sind gereizt und der Wille schwankt. Unter diesen Umständen werden die größten Dummheiten möglich. Man sollte lieber den Rhythmus verlangsamen, mit wirklich guten Freunden wieder zur Ruhe finden, mechanisch den Rosenkranz beten und sich sanft in Gott ausruhen."
Im Januar 1950 wurde er vom bolivianischen Episkopat zur Teilnahme am ersten "Nationalen Treffen der Führer des wirtschaftlichen und sozialen Apostolats" eingeladen. "Die Stunde ist gekommen", sagte er zu den Jugendlichen der Katholischen Landjugend, "in der unser wirtschaftlich-soziales Handeln sich nicht länger auf die Wiederholung allgemeiner Weisungen aus päpstlichen Enzykliken beschränken darf, sondern gut durchdachte und unmittelbar anwendbare Lösungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet aufzeigen muss." Unterdessen gründete er aus Interesse am intellektuellen Apostolat die Zeitschrift "Mensaje" (Botschaft), die er auf einem "hohen Niveau" ansiedeln wollte, um religiöse, philosophische und soziale Bildung zu vermitteln.
Mitwirkung zu jeder Zeit
Pater Hurtado starb friedlich am 18. August 1952 im Kreise seiner Mitbrüder. Kurz zuvor hatte er geschrieben: "Da ich weggehe und zu meinem Vater zurückkehre, möchte ich euch sagen: Jedes Mal, wenn ihr auf Nöte und Mühen der Armen aufmerksam werdet, versucht ihnen zu helfen, wie man unserem Meister helfen würde." Die Messe zu seiner Beerdigung war ein wahrer Triumph. Als die Besucher die Kirche verließen, formten sich die Wolken zu einem Kreuz am Himmel; die Zeitungen berichteten über das eindrucksvolle Phänomen.
Pater Hurtado wurde am 16. Oktober 1994 von Johannes-Paul II. selig- und am 23. Oktober 2005 von Benedikt XVI. heiliggesprochen; letzterer merkte an: "In seinem priesterlichen Dienst zeichnete er sich durch Schlichtheit und Verfügbarkeit für andere Menschen aus und war so ein lebendiges Abbild des gütigen und von Herzen demütigen' Meisters. Am Ende seiner Tage hatte er in den starken Schmerzen, die seine Krankheit mit sich brachte, noch die Kraft, immer wieder zu sagen: Ich bin zufrieden, Herr, ich bin zufrieden', und brachte auf diese Weise die Freude zum Ausdruck, die ihn immer begleitet hatte."
Bitten wir den heiligen Alberto Hurtado, er möge uns die Gnade einer tiefen Freude im Dienste Gottes und unseres Nächsten erwirken, durch alle Leiden hindurch, die mit dieser Hingabe einhergehen.