Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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31. Januar 2013
Hl. Johannes Bosco


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

König Heinrich IV. von Frankreich nannte den heiligen Franz von Sales  den „Phönix der Bischöfe“, weil er, wie er sagte, „ein seltener Vogel  auf Erden ist“. Nachdem Franz von Sales auf den Pariser Prunk sowie den Vorschlag des Königs, ihm einen angesehenen Bischofssitz zu verleihen, verzichtet hatte, wurde er zum unermüdlichen Hirten in seiner über alles geliebten Heimat Savoyen. Indem er sich von den Kirchenvätern leiten ließ, schöpfte er aus dem Gebet und einer tiefen meditierten Kenntnis der Heiligen Schrift die notwendige Kraft, um seine Mission zu erfüllen und das Volk zu Gott zu führen“ (Sel. Johannes-Paul II., Schreiben an den Bischof von Annecy, 23. November 2002).

Franz von Sales wurde als das Älteste von sechs Kindern am 21. August 1567 auf Schloss Sales in Savoyen, rund 20 km nördlich von Annecy, in eine katholische Adelsfamilie geboren. Franz lernte früh mit dem Schwert umzugehen und Almosen zu geben: Hörte er einen Armen rufen, verließ er sofort die Tafel, um ihm einen Teil seiner Mahlzeit zu bringen. Er war gleichwohl nicht vollkommen: Obwohl es ihm verboten war, schlich er eines Tages in die Küche und erbettelte sich vom Koch eine köstlich dampfende heiße Pastete, an der er sich die Hand verbrannte. Als er danach die Brandwunde von seiner Mutter verbinden ließ, sagte er kein Wort darüber, woher sie käme.

„Memorare!“

Im Alter von zehn Jahren empfing Franz die  Erstkommunion und die Firmung; da vernahm er zum ersten Mal den Ruf zum Priesteramt. Sein Vater sah eine juristische Laufbahn für ihn vor und schickte ihn 1582 zum Studium nach Paris auf das von Jesuiten geführte Kollegium von Clermont. Er lernte dort Grammatik und Mathematik, alte Sprachen, Philosophie und Theologie. Die schwierige Frage nach der Beziehung zwischen dem ewigen Willen Gottes, der göttlichen Gnade und der menschlichen Freiheit trieb ihn so um, dass er in tiefe Verzweiflung stürzte: Er bildete sich ein, er sei für immer verdammt, und ängstigte sich so sehr, dass er weder essen noch schlafen konnte. An einem Abend im Januar 1587 warf er sich schließlich in einer Kirche vor einem Marien-Bild nieder, vertraute sich voll und ganz dem Willen des Herrn an und sprach das „Memorare“, das vertrauensvolle Gebet des heiligen Bernhard an Maria. Die Versuchung verschwand, und Franz fand seinen Herzensfrieden wieder. Er weihte daraufhin seine Jungfräulichkeit Gott und der Gottesmutter, und gelobte, jeden Tag den Rosenkranz zu beten. Diese schmerzliche Erfahrung lehrte Franz Mitleid mit dem seelischen Leid anderer.

Ab 1588 setzte der junge Mann sein Studium in Padua in Italien fort. Unter der geistlichen Obhut des Jesuitenpaters Antonio Possevino absolvierte er dort die Geistlichen Übungen des heiligen Ignatius. Im Sommer 1591 wurde er zum Doktor beider Rechte promoviert. Bei seiner Rückkehr nach Savoyen 1592 schenkte ihm sein Vater ein kleines Landgut, wo er sogar eine juristische Bibliothek für ihn eingerichtet hatte, da er sich nichts sehnlicher wünschte, als dass sein Sohn Anwalt wurde. Er hatte auch schon eine passende Verlobte für ihn ausgesucht. Da Franz allerdings bereits entschlossen war, sich Gott zu weihen, verhielt er sich ihr gegenüber reserviert. Seinem Vater zuliebe ließ er sich zwar als Anwalt bei der Anwaltskammer von Chambéry registrieren, lehnte aber die vom Herzog von Savoyen angebotene Ernennung zum Senator ab. Während eines Höflichkeitsbesuchs beim Genfer Bischof de Granier, der in Annecy residierte, machte Franz durch seine Besonnenheit und sein breites Wissen auf sich aufmerksam. Als der Bischof ihm bald danach das Amt des Dompropstes, des heutigen Generalvikars, antrug, teilte Franz dem Vater seine wahre Berufung mit. Dieser konnte sich erst nach langem inneren Kampf von seinen Plänen verabschieden und dem Sohn seinen Segen geben.

Durch die Augen predigen

Franz wurde am 18. Dezember 1593 zum Priester  geweiht und danach in sein Amt als Dompropst eingeführt. In seiner Antrittsrede legte er seine Ansichten zu der Frage dar, wie man Genf für den katholischen Glauben zurückgewinnen könne. Die Stadt war 1541 vom Reformator Johannes Calvin zum „Rom der Protestanten“ erklärt worden, und der Bischof hatte damals nach Annecy fliehen müssen. „Durch Liebe müssen die Mauern Genfs erschüttert werden“, sagte der frischgebackene Propst, „durch Liebe muss der Einbruch erreicht, durch Liebe muss Genf zurückgewonnen werden ... Durch den Schall der Gebete müssen die Mauern zum Einsturz gebracht werden. Der Angriff muss durch die Nächstenliebe erfolgen ...“ Der Herzog von Savoyen, Karl-Emanuel I., wünschte auch im Chablais, einer südlich des Genfer Sees gelegenen und Mitte des 16. Jahrhunderts calvinistisch gewordenen Region, eine Wiederherstellung des Katholizismus. Er bat Bischof de Granier um die Entsendung von Missionaren. Franz von Sales und sein Vetter, Ludwig von Sales, meldeten sich freiwillig und zogen im September 1594 auf die Festung Les Allinges. Von dort aus pflegte Franz nach Thonon, in die Hauptstadt des Chablais täglich zu Fuß zu gehen, um in der einzigen katholischen Kirche der Stadt zu predigen. Bald wurde jedoch den Protestanten durch eine Verfügung des calvinistischen Konsistoriums untersagt, seine Predigten zu hören. Nach vier Monaten war Franz immer noch ohne greifbares Ergebnis. Ein Freund riet ihm daraufhin, „durch die Augen“ zu predigen, also durch gedruckte Flugblätter, die unter den Türen reformienter Häuser durchgeschoben würden. Am 7. Januar vernahm Franz während der Messe eine innere Stimme, die ihn in dem Vorhaben bestärkte. Es gelang ihm von Anfang an, die Aufmerk–samkeit der Leser zu fesseln. Die Blätter wurden zum Teil gesammelt und später unter dem Titel Kontroversschriften veröffentlicht. Franz, der die Werke von gut dreißig protestantischen Autoren gelesen hatte, zitierte stets ausführlich die Heilige Schrift – neben vielen katholischen Theologen.

Franz hat durch seine stichhaltigen Argumente, die auch heute noch fortgelten, viele seiner Zeitgenossen erleuchtet. Im ersten Teil seines Werkes zeigt er die Schwächen der calvinistischen Positionen auf. Er verweist insbesondere darauf, dass ihre Geistlichen über keinerlei Autorität verfügen, weil sie keine Sendung empfangen haben: „Es steht fest, dass jeder, der lehren und den Rang eines Pastors in der Kirche bekleiden will, eine Sendung empfangen haben muss.“ Calvinistische Pastoren haben keine Sendung von der Kirche erhalten und können auch keine Sondermission für sich beanspruchen, da „niemand sich auf eine Sondermission berufen kann, solange diese nicht durch Wunder erwiesen ist“; ebenso „kann niemals eine Sondermission vorliegen, wenn sie durch die ordentliche Autorität, die der Kirche unseres Herrn innewohnt, bestritten wird“. Im zweiten Teil seines Werkes legt er die Grundlagen des Katholizismus dar und bekräftigt, dass die Kirche niemals irren könne. Der heilige Paulus nenne die Kirche ja auch Säule und Grundfeste der Wahrheit (1 Tim 3,15). „Heißt das nicht, dass die Wahrheit fest in der Hand der Kirche ist? Anderswo wird die Wahrheit nur zeitweise hochgehalten, dann fallengelassen; in der Kirche aber ist sie unwandelbar, unverrückbar, unbeirrbar; kurzum fest und ewig.“ Im nicht fertiggestellten dritten Teil behandelt er umstrittene Fragen, insbesondere das Fegefeuer.

Sobald er konnte, zog François zu einer älteren Verwandten nach Thonon. Er wurde von vier Priestern unterstützt, denen er auf Grund seiner Erfahrung folgenden Rat gab: „Ich versichere Ihnen, ich habe nie spitze Bemerkungen gemacht, ohne es zu bereuen. Die Menschen tun mehr aus Liebe und Barmherzigkeit als aus Strenge und Härte.“ Nach und nach kehrten die Bewohner des Chablais zum Katholizismus zurück. Ende September 1598 richtete der Herzog von Savoyen ein prachtvolles Fest mit einer feierlichen Prozession des Allerheiligsten in Thonon aus. Allein dabei traten fünfzehntausend Personen wieder zum Katholizismus über.

Im November 1598 entsandte Bischof de Granier seinen Dompropst nach Rom, damit dieser an seiner Stelle den sogenannten Ad-limina-Besuch absolvierte, den die Bischöfe alle fünf Jahre dem Papst abstatten müssen. Der Bischof hatte den Heiligen Vater gebeten, er möge Franz zu seinem Koadjutor (d.h. zu seinem künftigen Nachfolger) ernennen. Der Papst bestellte Franz zu einer offiziellen Befragung ein. Am festgesetzten Tag begab sich letzterer zuerst in eine Kirche und sprach folgendes Gebet: „Herr, wenn du in deiner ewigen Vorsehung weißt, dass ich im Bischofsamt ein nichtsnutziger Diener werde, ... so lass mich bitte nicht richtig antworten, lass mich lieber vor Deinem Stellvertreter verwirrt erscheinen und aus dieser Befragung nur Schimpf und Schande davontragen.“ Der Heilige Vater war mit dem Ergebnis jedoch sehr zufrieden und ernannte ihn zum Koadjutor des Genfer Bischofs.

Die Herzen gewinnen

Anfang 1602 wurde Franz von Sales nach Paris ents- andt, um von König Heinrich IV. die Rückgabe der von den Protestanten beschlagnahmten Güter in der Region um Gex (die kirchlich zur Diözese Genf, territorialrechtlich zum Königreich Frankreich gehörte) an den Klerus sowie die Zusicherung der freien Religions-ausübung für Katholiken zu erreichen. Er durfte sogar die Fastenpredigt in der Kapelle der Königin halten. „Er gewann in einer Stunde auf dem Wege der Liebe mehr Herzen als andere in vierzig Tagen auf dem Wege der Strenge“, berichtet einer seiner Biographen. „Nicht weil er Nachsicht dem Laster gegenüber gezeigt hätte, sondern weil er genau wusste, dass an der Stelle, wo er auch nur einen Funken göttlicher Liebe fallen lassen konnte, die Sünde bald ausgerottet wäre.“ In Paris lernte Franz Barbe Acarie (die künftige selige Maria von der Menschwerdung) kennen und half ihr, den von der heiligen Theresa von Avila reformierten Karmeliterorden in Frankreich einzuführen. Als Heinrich IV. ihm den Pariser Bischofsstuhl anbot, erwiderte er: „Sire, ich habe eine arme Frau (die Genfer Kirche) geheiratet und kann sie nicht um einer reicheren willen verlassen.“

Am 17. September 1602 starb Bischof de Granier, und Franz von Sales wurde Bischof von Genf. Nachdem er zunächst zwanzig Tage lang Einkehr mit den „Geistlichen Übungen“ des heiligen Ignatius gehalten hatte, wurde ihm bei der feierlichen Bischofsweihe eine Vision zuteil: Er sah, wie die Allerheiligste Dreifaltigkeit innerlich genau das in seiner Seele bewirkte, was die konsekrierenden Bischöfe äußerlich an ihm vollzogen. Er wurde zum Hirten einer armen, gebeutelten Diözese inmitten einer Berglandschaft, deren Strenge er ebenso schätzte wie deren Schönheit: „Gott in seiner ganzen Sanftmut und seiner Feinheit bin ich in unseren höchsten und schroffsten Bergen begegnet, wo er von vielen schlichten Seelen in aller Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit geliebt und angebetet wurde; zwischen den furchterregenden Gletschern sprangen Rehe und Gämse umher, um seine Herrlichkeit zu lobpreisen.“

Mit erstaunlicher Eindringlichkeit

Bischof von Sales ließ keine Gelegenheit aus, seine  Schäfchen zu unterweisen, da er bei ihnen große religiöse Unwissenheit festgestellt hatte. Er führte Katechismuskurse ein und hatte Freude daran, die Kinder selbst zu unterrichten. 1603 berief er für seine Geistlichen, die oft ein einsames Leben in den Bergen führten, eine Diözesansynode ein. Er hielt die Priester mit erstaunlicher Eindringlichkeit zum Studium an, um sie gegen dogmatische Irrtümer zu wappnen, und legte ihnen Gewissenhaftigkeit beim Gewähren des Sakraments der Buße ans Herz; er empfahl ihnen, die Pönitenten liebevoll zu empfangen, „ihr ungehobeltes Benehmen, ihre Unwissenheit, Dummheit, Rückstän-digkeit und andere Fehler geduldig zu ertragen“ und sie taktvoll und Schritt für Schritt zu bestimmten Sünden zu befragen, deren sie sich möglicherweise gar nicht zu beschuldigen wagen.

Im März 1604 reiste der Franz nach Dijon, um dort Fastenpredigten zu halten. Bei einer Predigt fiel ihm eine als Witwe gekleidete junge Frau auf, die ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zuhörte: Johanna Franziska Chantal hatte nach dem tragischen Tod ihres Mannes bei einem Jagdunfall den Herrn um einen geistlichen Mentor gebeten und war zu ihm geführt worden. Da sich überhaupt sehr viele Menschen an ihn wandten und um geistlichen Beistand baten, verfasste Franz kleine spirituelle Traktate für sie; eine dieser Schriften lag dem 1608 veröffentlichten Werk Anleitung zum frommen Leben zugrunde.

Das Buch richtet sich an eine fiktive Empfängerin namens Philothea und lädt sie ein, mitten in der Welt ein gottgeweihtes Leben zu führen und zugleich ihre Standesaufgaben zu erfüllen. Sprache und Stil des Buches waren schlicht und machten es auf Anhieb zu einem großen Erfolg. Noch zu Lebzeiten von Franz wurde Philothea über vierzigmal nachgedruckt und in viele europäische Sprachen übersetzt.

Am 1. März 1610 stand Franz seiner sterbenden Mutter bei. Nach ihrem Tod schrieb er an Frau von Chantal: „Mein Herz wurde ganz schwer, und ich weinte um diese gute Mutter so sehr, wie ich nie geweint hatte, seit ich ein Mann der Kirche bin; doch ich tat es ohne innere Bitternis, Gott sei Dank.“ Am 6. Juni 1610 gründete er mit Johanna von Chantal und Charlotte von Béchard den Orden der Heimsuchung Mariens. Sein Plan war bescheiden: „Eine einfache Gemeinschaft oder Kongregation von Frauen und Mädchen gründen, die versuchsweise unter schlichten frommen Konstitutionen zusammenleben.“ Sie sollten das Kleine Offizium der seligsten Jungfrau beten, ein schwesterliches Leben in „heiliger und herzlicher innerer Verbundenheit“ führen und gebrechliche Personen in ihre Gemeinschaft aufnehmen, die bei strengeren Klöstern keine Aufnahme fanden. Der Orden, der sich sowohl der Kontemplation als auch der Betreuung von Armen und Kranken widmen sollte, wurde deswegen nach der Heimsuchung (visitatio) benannt, weil „die Schwestern mit ihren Armenbesuchen Maria während ihres Besuches bei Elisabeth nacheifern sollten“.

Wenn es Gott gefällt

Anfang 1615 gründete Mutter von Chantal ein zwei- tes Heimsuchungskloster in Lyon. Doch schon bald drängte der dortige Erzbischof die Schwestern zu Änderungen, insbesondere zu einer strengeren Klausur, die Besuche bei Armen und Kranken verhindert hätte. Franz von Sales, der sich von seinen persönlichen Ansichten durchaus freimachen konnte, wenn sie ihm nicht wichtig waren, schrieb an die Oberin in Lyon: „Wenn es Gott gefällt, dass die Kongregation ihren Namen, ihren Stand und ihre Situation ändert, sollten Sie sich nach den Wünschen Ihres Erzbischofs richten.“ Dem Lyoner Erzbischof teilte er mit: „Was die Krankenbesuche angeht, sie wurden nicht als Haupt-zweck eingeführt, sondern vielmehr als eine zusätzliche Übung, die der Frömmigkeit der Gründungsschwestern sowie ihrem Umfeld seinerzeit angemessen war.“ Die Visitandinnen akzeptierten schließlich die von ihrem Gründer bestätigten Änderungen. Bei dessen Tod gab es bereits zwölf Heimsuchungsklöster.

1616 veröffentlichte Franz von Sales seine - speziell Mutter von Chantal und ihren Nonnen gewidmeten - Abhandlungen von der Gottesliebe.

„In einer großen Blütezeit der Mystik“, sagte Papst Benedikt XVI., „sind die Abhandlungen über die Gottesliebe im wahrsten Sinne des Wortes eine Summa und gleichzeitig ein faszinierendes literarisches Werk. Ihre Beschrei-bung des Weges zu Gott geht von der ‚natürlichen Neigung’ aus, die in das Herz des – wenngleich sündigen – Menschen eingeschrieben ist, Gott über alles zu lieben. Nach dem Vorbild der Heiligen Schrift spricht der heilige Franz von Sales über die Vereinigung von Gott und Mensch, indem er eine ganze Reihe von Bildern zwischenmenschlicher Beziehungen entwickelt. Sein Gott ist Vater und Herr, Bräutigam und Freund; er hat mütterliche Züge und die einer Amme; er ist die Sonne, die sogar von der Nacht auf geheimnisvolle Weise offenbart wird. Ein solcher Gott zieht den Menschen an sich mit Banden der Liebe, also der wahren Freiheit: ‚Denn die Liebe hält keine Sträflinge und keine Sklaven, sondern stellt alles unter ihren Gehorsam mit einer so bezaubernden Kraft, dass zwar nichts so stark ist wie die Liebe, aber auch nichts so liebenswert wie ihre Kraft’“ (Generalaudienz vom 2. März 2011).

Immer verfügbar

Franz von Sales lebte ärmlich. Seine Kleidung trug er  sehr lange und flickte sie mitunter sogar eigenhändig. Sein Beichtvater warf ihm einmal in allem Respekt vor, „der schlechtangezogenste Mann im ganzen Haus zu sein“. Nach der Messe hielt er sich jeden Vormittag für den Empfang von Priestern bereit, die er stets schlicht und freundlich begrüßte: „Was glauben Sie, wo Sie sind?“, fragte er einmal einen Besucher, der sich vor Höflichkeit geradezu überschlug. „Wir sind doch alle Brüder ... Unter uns bin ich nicht Bischof; Zeremonien sind nur für öffentliche Auftritte da.“ Nachmittags war er für alle zu sprechen, die zu ihm wollten. Da er im Ruf der Heiligkeit stand, kamen viele Kranke zu ihm; er machte mehrere durch Wunder-heilungen wieder gesund, schrieb diese allerdings stets Gott zu: Er allein könne Wunder bewirken für diejenigen, die ihn im Glauben darum bitten. Nach den Audienzen standen Besuche bei Gefangenen und Kranken auf dem Programm; anschließend widmete sich der Bischof den Beichtwilligen. Für dieses Amt war er übrigens immer verfügbar. Abends, bevor er sich schlafen legte, betete er, mochte es auch noch so spät sein, in aller Ruhe den Rosenkranz und meditierte über seine Geheimnisse.

Ende 1618 reiste Franz von Sales nach Paris und lernte dort den heiligen Vinzenz von Paul kennen, der über ihn sagte: „Bischof von Sales hat sich so sehr dem Vorbild (Christi) angeglichen, wie ich feststellen konnte, dass ich oft staunte, wie ein einfaches Geschöpf trotz menschlicher Gebrechlichkeiten einen solchen Grad an Vollkommenheit und einen so außergewöhnlichen Gipfel an Erhabenheit erreichen konnte ... Ich dachte oft: ‚Mein Gott, wie gut bist du, da in der Tat, mein Gott, in Franz von Sales, deinem Geschöpf, so große Güte ist!’“ Franz schätzte Vinzenz von Paul ebenfalls sehr und bat ihn, das 1619 in Paris gegründete Heimsuchungs-kloster zu betreuen. Anschließend kehrte Franz nach Annecy zurück, wo ihm wegen seiner angegriffenen Gesundheit sein Bruder, Johannes-Franz, als Koadjutor zur Seite gestellt wurde.

Im Oktober 1622 begleitete Bischof von Sales den Herzog von Savoyen nach Avignon. Da er seinen Tod nahen fühlte, machte er zuvor sein Testament und verabschiedete sich von seiner Familie. Unterwegs machte er Halt in Lyon, wo er ein letztes Gespräch mit Mutter von Chantal führte. Als er am 27. Dezember das Noviziat der Schwestern besuchte, baten diese ihn um ein paar schriftliche geistliche Ratschläge: Er nahm ein Blatt und schrieb oben, in der Mitte und unten das Wort humilité (Demut) darauf. Er erlitt noch am gleichen Tag eine Gehirnblutung und starb am 28. Dezember.

Am 16. November 1877 erklärte der selige Papst Pius IX. den heiligen Franz von Sales zum Kirchenlehrer und schrieb aus diesem Anlass: „[Die wahre Frömmigkeit] ist bis zum Thron der Könige gedrungen, in die Zelte der Heerführer, in die Amtsstuben der Richter, in die Kontore, in die Geschäfte und sogar in die Hütten der Hirten“ (Breve Dives in misericordia). Und Papst Benedikt XVI. betonte vor Kurzem: „So entstand jener Aufruf an die Laien, jene Aufmerksamkeit für die Weihung der weltlichen Dinge, für die Heiligung des Alltäglichen, auf die das Zweite Vatikanische Konzil und die Spiritualität unserer Zeit eingehen werden. Es zeigte sich das Ideal einer versöhnten Menschheit, im Einklang von Wirken in der Welt und Gebet, von Weltlichkeit und Suche nach Vollkommenheit“ (2. März 2011).

Wir können uns dem Wunsch des seligen Johannes-Paul II. anschließen: Möge „die Lehre des heiligen Bischofs von Genf für unsere Zeitgenossen eine Quelle der Erleuchtung bleiben, so wie sie es zu seinen Lebzeiten war!“

Dom Antoine Marie osb

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