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28. Januar 2020 hl. Thomas von Aquin |
Bei einem Kongress für Ungarische Studien im Oktober 1996 hielt der hl. Johannes-Paul II. eine flammende Lobrede auf drei ungarische Katholiken des 20. Jahrhunderts: den Arzt László Batthyány-Strattmann (†1931), Msgr. Vilmos Apor (†1945) und Kardinal József Mindszenty (†1975). Während die beiden Letzteren vom Papst als Märtyrer des Widerstandes gegen atheistische Diktaturen gewürdigt wurden, bezeichnete er den Ersteren als „Held der Bruderliebe“. Diesen „Arzt der Armen“ erhob der hl. Johannes-Paul II. im März 2003 zur Ehre der Altäre.
Ein Widerstrahl von Gottes Wesen
Ladislaus (auf Ungarisch László) Batthyány-Strattmann wurde am 28. Oktober 1870 im rund 90 km östlich von Wien gelegenen Dunakiliti in eine reiche österreichisch-ungarische Magnatenfamilie hineingeboren. Seine Kindheit war von schweren Schicksalsschlägen geprägt: Sein Vater verließ die Familie, und seine Mutter starb nach langer Krankheit, als er noch nicht einmal 12 Jahre alt war. Ladislaus war ein mittelmäßiger Schüler und musste wegen seiner übermütigen Streiche dreimal die Schule wechseln. Er begann zunächst – mehr oder weniger ziellos – in Wien Chemie, Philosophie und Astronomie zu studieren. Infolge eines verantwortungslosen Liebesabenteuers wurde er Vater einer unehelichen Tochter, um die er sich jedoch sein ganzes Leben lang kümmerte. Mit 25 Jahren vollzog er dann eine entscheidende Wende: Er beschloss – entgegen den Gepflogenheiten seines gesellschaftlichen Milieus –, einen „bürgerlichen“ Beruf zu ergreifen und ein Medizinstudium aufzunehmen. Dieser Schritt war dem Umstand zu verdanken, dass er sich seiner Irrtümer und Jugendsünden vor Gott innewurde, was er selbst auf den Einfluss eines wohlmeinenden Geistlichen zurückführte. Drei Jahre später, am 10. November 1898, heiratete er die Gräfin Maria Theresia Coreth. Aus der Ehe gingen 13 Kinder hervor. Ein Erzieher erinnerte sich: „Nie habe ich irgendwo eine so enge Familienbindung erlebt wie die liebevolle und fröhliche Atmosphäre bei den Batthyánys.“ Durch die Kraft des Gebetes gelang es Ladislaus nach und nach, seine Arbeit als Arzt, seine Rolle als Ehemann und die Erziehung seiner Kinder auf Gott hin auszurichten. „Durch die Liebe wird erst das Leben schön. Und endlich ist Gott die Liebe, und jede edle Liebe also ein Widerstrahl von Gottes Wesen“ (Tagebucheintrag vom 14. Februar 1926).
1898 ließ der junge Medizinstudent ein modernes Krankenhaus in der Nähe seines Schlosses in Kittsee im Burgenland errichten, einer damals ungarischen Region, die 1920 an Österreich fiel. Im Jahre 1900 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert und bildete sich zunächst zum Facharzt für Chirurgie, später auch für Augenheilkunde weiter. Bald behandelte er 80 bis 100 Patienten pro Tag und übernahm oft genug sowohl die Medikamenten- als auch die Fahrtkosten für sie. Er sprach perfekt ungarisch sowie deutsch und lernte zusätzlich slovakisch und kroatisch, um sich mit allen Bewohnern des Grenzgebietes besser verständigen zu können.
1915 wurde Ladislaus nach dem Tod seines Onkels Edmund von Kaiser Franz Joseph der Fürstentitel verliehen. Er verließ das Hospital von Kittsee und zog ins Schloss der Familie nach Körmend in Westungarn. Sogleich eröffnete er dort ein weiteres Krankenhaus und übernahm dessen Leitung. Auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkrieges beherbergte er unzählige verwundete Soldaten und ließ für sie ein separates Gebäude mit 100 Betten errichten. „Wer als Kranker mich aufsucht, ist auch schon ein Freund, ohne ihn gesehen zu haben“, erklärte er einmal. Mitunter kostete es ihn aber auch einige Mühe, seine schlechte Laune vor der Tür des Krankenzimmers abzulegen, seinen „lieben Kranken“ geduldig und aufmerksam anzuhören und dessen Körper stets sanft und respektvoll zu berühren. Er fühlte sich als bloßes Werkzeug Gottes und wollte nicht nur den Körper, sondern auch die Seele der Patienten heilen. Seinen Dienst an den Kranken begann und beendete er stets mit einem Besuch beim Allerheiligsten in der Hauskapelle und bat Gott vor jedem Eingriff um seinen Beistand. Seine Frau als ausgebildete Krankenschwester assistierte ihm oft am Operationstisch.
„Ich kann wieder sehen!“
„Eines Tages begegnete Laci (Ladislaus) einem armen Handwerker mit zerfetztem Hemd, den man gerade eingeliefert hatte“, berichtet eine Tante des Doktors. „Er war mit dem Gesicht voran in einen Behälter mit angerührtem Kalk gefallen. Ein Auge war gleich verloren, das zweite schien unrettbar. Der Mann war praktisch blind. Ladislaus zerriss es fast das Herz; er operierte ihn auf der Stelle. Ein monatelanger Krankenhausaufenthalt und zwei weitere Operationen wurden nötig. Laci und seine zahlreiche Familie beteten für die Rettung, und der liebe Gott erhörte sein Gebet. Es kam der Moment, in dem der Patient dem Arzt freudestrahlend verkündete: ‚Herr Fürst, ich kann wieder sehen!’ An dem Tag, als er entlassen werden sollte, kniete der Mann laut schluchzend vor ‚seinem Retter’ nieder. Laci wehrte ab: ‚Nein, nicht vor mir sollst du niederknien!’ Und er kniete ebenfalls nieder, um Gott zu danken. Laci suchte dann Schuhe und Wäsche aus seinem eigenen Kasten heraus, kleidete den Patienten neu ein und verabschiedete sich erst dann von ihm.“
Der „Fürsten-Doktor“ Batthyány wurde mit Ehren überschüttet: Kaiser Franz-Josef nahm ihn in den Orden vom Goldenen Vlies sowie in den St. Stephansorden auf; der Papst verlieh ihm den Orden vom Goldenen Sporn, die Ungarn wählten ihn ins Oberhaus, und er wurde Mitglied der ungarischen Akademie der Wissenschaften. Gleichwohl scheute er die Öffentlichkeit, da er nicht gern im Mittelpunkt stand. Er unterstützte seine Patienten, 13 Pfarrkirchen sowie mehrere Schulen mit großzügigen Spenden und erzog seine Kinder zu einem bescheidenen, arbeitsamen Lebensstil. Er war überaus liebenswürdig, duldete jedoch keine Oberflächlichkeit. „Eine Salonkonversation ohne Zweck hasste er“, berichtet seine Schwester. „Er redete nie lieblos über andere, konnte aber solche Reden auch nicht hören. Wenn er sie nicht verhindern konnte, ging er aus dem Zimmer fort oder wusste alles so zu drehen, dass ein anderes Thema genommen wurde.“ Ladislaus schrieb einmal in sein Tagebuch: „Eigentlich ist jeder Mensch nur so viel wert, als er vor dem lieben Gott wert ist, denn die Eigenschaften, die wir im Menschen hochschätzen auf Erden, sind Rechtschaffenheit, Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe, und alle diese und die anderen nicht aufgezählten sind ja natürliche Folgen der Gottesliebe.“
Der Fürst trennte nicht zwischen seinem spirituellen Leben und seiner beruflichen Tätigkeit. 1926 notierte er in sein Tagebuch: „Vor ein paar Tagen ein Zungenkrebs mit grausiger Operation, gestern die freudige Entbindung eines Kinderl, heute hatte ich drei Stare in meinem Spital. Von all diesen Freuden und Leiden weiß die moderne Menschheit in Klubfauteuils bei Sherry nichts! Und doch tausche ich mit niemandem, und 1000mal geboren, sage ich 1000mal meinem Gott im Himmel: ‚Herr, lass mich wieder Arzt werden und für Dich, zu Deiner Ehre arbeiten!’“
Selbst mitten in der Nacht
Das berufliche Engagement Doktor Batthyánys kann durch zahlreiche Beispiele illustriert werden. Als einmal ein Junge Tannenzweige für ein Schulfest sammelte, bohrte sich ihm ein Ast ins Auge. Er brüllte wie am Spieß; seine Schwester lief los und alarmierte die Mutter mit den Worten: „Mutti, erschrick nicht, es ist nichts weiter passiert, nur der Karli hat sich das Auge ausgestochen.“ Als sie zum verletzten Jungen kamen, rann ihm bereits eine gelbe Flüssigkeit aus dem Auge. „Sofort mit ihm zum Herrn Fürst!“, befahl die Mutter. Es war allerdings schon vier Uhr nachmittags, und die Ambulanz war bereits geschlossen. Dennoch ließ der Doktor gleich den Operationssaal vorbereiten und erklärte dem zerknirschten Vater des Kindes: „Und wenn Sie mitten in der Nacht kommen würden, wäre es meine Pflicht, einem Kranken zu helfen!“ Die Operation gelang, das Auge des Kindes war gerettet! „Ich liebe meinen Beruf“, gestand der Doktor. „Der Kranke lehrt mich, Gott immer mehr zu lieben, und ich liebe Gott in den Kranken. Der Kranke hilft mir mehr als ich ihm! Er betet für mich und überhäuft mich und meine Familie mit Gnade.“ Zu seiner Tätigkeit als Augenarzt sagte er: „Das Auge ist der Spiegel der Seele – und wenn es mir mit Hilfe Gottes gelingt, jemandem das Augenlicht zurückzugeben, dann kann ich gewöhnlich auch auf seine Seele Einfluss ausüben.“ Den Patienten, die weiterhin Kontakt zu ihm hielten, sandte er eine kleine selbst verfasste Broschüre mit dem Titel „Öffne deine Augen und sieh!“ zu. Er wollte den Leuten damit helfen, ihre Augen für die geistlichen Realitäten zu öffnen.
Wenn ein armer Patient den Doktor fragte, wie er sich für die kostenlose Behandlung revanchieren könne, antwortete dieser stets: „Beten Sie ein ‚Vaterunser’ und ein ‚Ave Maria’ für mich“. Bedürftige bekamen oft auch noch ein „Schmerzensgeld“ zur Wiedergutmachung der erlittenen Schmerzen mit auf den Heimweg! Der Doktor bat auch jüdische Patienten, auf ihre gewohnte Art für ihn zu beten.
„Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben (Mt 10,8). Dies sind die Worte Jesu bei der Aussendung der Apostel zur Verkündigung des Evangeliums, damit sich sein Reich durch Gesten freigiebiger Liebe ausbreite“, schreibt Papst Franziskus. „Die Kirche als Mutter aller ihrer Kinder, insbesondere der Kranken, erinnert daran, dass die Gesten einer umsonst ausgeteilten Gabe, wie die des Barmherzigen Samariters, der glaubhafteste Weg der Evangelisierung sind. Das Leben ist eine Gabe Gottes; der heilige Paulus mahnt: Was hast du, das du nicht empfangen hättest? (1 Kor 4,7). Eben weil es eine Gabe ist, darf unser Leben nicht als ein bloßer Besitz oder als Privateigentum betrachtet werden, gerade im Hinblick auf die Errungenschaften von Medizin und Biotechnologie, die den Menschen dazu verleiten könnten, der Versuchung nachzugeben, den Baum des Lebens zu manipulieren (vgl. Gen 3,24)… Ich rufe Euch auf allen verschiedenen Ebenen dazu auf, die Kultur der Unentgeltlichkeit und des Gebens zu fördern, die unerlässlich ist, um das Profitdenken und die Wegwerfkultur zu überwinden. Die katholischen Pflegeeinrichtungen dürfen nicht in betriebswirtschaftliches Denken verfallen, sondern müssen die Sorge um den Menschen höher stellen als den Verdienst. Wir wissen, dass die Gesundheit relational ist, sie hängt von den zwischenmenschlichen Beziehungen ab und braucht Vertrauen, Freundschaft und Solidarität. Sie ist ein Gut, in dessen vollen Genuss man nur kommt, wenn man es teilt. Die Freude, umsonst zu geben, ist Kennzeichen der Gesundheit des Christen“ (Botschaft vom 25. November 2018 zum Welttag der Kranken 2019).
„Vergiss deine unsterbliche Seele nicht!“
Katholische Patienten bekamen bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus von ein kleines Herz-Jesu-Bild zum Andenken mit. Auf die Rückseite hatte Doktor Batthyány einen selbstverfassten Text drucken lassen: „Nimm dieses Bild als frommes Andenken an unser Krankenhaus, und wenn du findest, dass du jemandem Dank schuldest, so bete für uns. Du bist zu uns gekommen, um für dein leibliches Leiden Arznei zu finden, aber vergiss deine unsterbliche Seele nicht, die solchen Wert hat, dass der Herr Jesus selbst für sie am Kreuz gestorben ist. Das Leben wird sehr kurz sein, und bald stehen wir vor dem Gerichtsstuhl Gottes, der uns so empfangen wird: Was nützt es dem Menschen, wenn er auch die ganze Welt gewinnt, seine Seele aber Schaden leidet. Sammelt euch also Schätze für das Himmelreich, damit Rost und Motten euch nicht berauben (Mt 16,26; 6,20). Geh bald zu den Sakramenten, denn nur die guten Werke trösten vor dem Tod. Nimm mit gutem Herzen diese aus Liebe kommenden Worte, denk oft an sie, und der Herr Jesus, dessen Bild ich dir gebe, segne dich auf dem Weg des Lebens!“
Eine seiner Patientinnen, eine vornehme Dame, die vor dem Krieg bessere Zeiten gesehen hatte, konnte ihre Armut kaum verbergen. Sie freute sich schon, dass sie sich während ihres Krankenhausaufenthaltes satt essen konnte. Als sie entlassen werden sollte, wusste der Doktor zunächst nicht recht, wie er ihr helfen könne, ohne sie zu beschämen; da ließ er sich etwas Besonderes einfallen. Als die Dame zu ihm kam, um sich zu verabschieden, sagte er: „Sehen Sie das kleine Marien-Bild dort an der Wand? Das gebe ich Ihnen mit.“ Die Frau nahm das Bild von der Wand und sah, dass ein paar große Geldscheine dahinter steckten. Ladislaus tat überrascht: „Sehen Sie, das schickt Ihnen die Muttergottes!“
Das religiöse Leben Doktor Batthyányis war von einer innigen Verehrung Mariens geprägt. Wenn man genau hinschaut, sieht man auf vielen Fotos, dass er diskret einen Rosenkranz in der Hand hält. Aus ihm schöpfte er die Kraft, sich mit Gott zu vereinen und seinen Nächsten zu lieben. Gott war für ihn keine abstrakte Idee oder Vorstellung, sondern ganz real und gegenwärtig. Ab 1905, als der heilige Papst Pius X. die Gläubigen durch ein Dekret zum häufigen Empfang des Leibes Christi ermutigte, empfing Ladislaus bei der Morgenmesse täglich die Kommunion. Nach einer Krankheitsphase notierte er in sein Tagebuch: „Gottlob! Am heutigen Marienfesttage konnte ich wieder in die hl. Messe und zur hl. Kommunion gehen. Es ist ja so kein richtiger Tag, wenn wir dies nicht tun können. Und die hl. Kommunion ist ja das Schönste am ganzen Tag!“ Sein Pfarrer schrieb über ihn: „Für den Fürsten bedeutet die Eucharistie keineswegs nur eine Andachtsübung, sondern die tatsächliche Gegenwart Jesu, zu dem er geht, den er sieht und hört und den er voll Glückseligkeit anbetet.“ Seine finanziellen Angelegenheiten und familiären Sorgen legte der Fürst in die Hand des heiligen Josef. Angesichts der Not der Kriegsjahre schrieb er ein Gebet auf ein Bildchen des heiligen Josef und bezeichnete ihn darin liebevoll als seinen „Finanzminister“.
Kein Bilderbuchheiliger
Doktor Batthyány war trotz alledem kein Bilderbuchheiliger. Einmal überquerte er eiligen Schrittes den Hof zwischen dem Krankenhaus und seiner Wohnung, denn er hatte länger als gewöhnlich gearbeitet und kam verspätet zum Mittagessen. Als ein Mann von wenig einnehmendem Äußeren ihm in den Weg trat, verlor er die Geduld: „Um Gottes willen, was ist denn jetzt schon wieder!… Was wollen Sie denn von mir?“ Doch der Mann ließ sich nicht aus der Fassung bringen; er küsste ihm die Hand und sagte: „Herr Fürst, ich wollte mich nur bedanken, dass Sie meine alte Mutter wieder sehend gemacht haben. Ich gehe gerade, um sie aus dem Spital herauszuholen.“ Ladislaus war verwirrt und vernahm plötzlich die Stimme seines Gewissens: „Nein, lieber Laci, alles was recht ist! Aber das … war jetzt nicht 1 Korinther 13. Da predigst du immer, die Liebe erträgt alles (1 Kor 13,7).“ Bald danach berichtete der Doktor den Vorfall kleinlaut seiner Schwägerin, einer Benediktinerin, und fügte hinzu: „Ich war beschämt; er brachte mir Rosen und ich warf ihn einen stacheligen Kaktus zu.“
Die größte Heimsuchung in Ladislaus’ Leben war der Tod seines ältesten Sohnes Ödön (Edmund), eines ebenso intelligenten wie frommen jungen Mannes, der 1921 mit 21 Jahren an einem unheilbaren bösartigen Tumor erkrankte. Der Doktor, der so viele Menschenleben gerettet hatte, konnte nichts für seinen Sohn tun. Als Ödön ihn fragte: „Sag Vati, muss ich sterben?“, tobte in Ladislaus‘ Herz ein schwerer Kampf; sollte er dem jungen Mann die Wahrheit sagen oder ihn in Unwissenheit lassen, damit er nicht verzweifelt? Schließlich sagte er leise: „Die Macht des lieben Gottes ist unendlich … Er kann dir in einem Augenblick die Gesundheit zurückgeben, aber die Medizin hat auf dein Leben verzichtet.“ In der Hoffnung, das Ende etwas hinauszögern und die Schmerzen seines Sohnes lindern zu können, setzte der Doktor auf eine Chemotherapie, die aber nicht anschlug. Nach Ödöns Tod bestand der einzige Trost für ihn darin, dass sie sich eines Tages im Himmel wiedersehen würden. Als er den schmerzlichen Verlust verarbeitet hatte, schrieb der Doktor 1926 in sein Tagebuch: „Als eine der Hauptaufgaben meines Lebens habe ich mir zum Ziel gesetzt, mit meiner ärztlichen Tätigkeit der leidenden Menschheit zu dienen und auf diesem Wege Dinge zu vollbringen, die Gott wohlgefällig sind. Durch Gottes Gnade habe ich lange Jahre hindurch Tag für Tag in meinem Spital gearbeitet und meinen kranken Mitmenschen geholfen. Diese Arbeit war der Quell unzähliger Gnaden und all der geistigen Freude, welche in meiner Seele und in den Seelen eines jeden meiner Familienmitglieder herrschte. Aus diesem Grunde danke ich – wie stets in meinem Leben – auch an dieser Stelle meinem Schöpfer aus tiefstem Herzen, dass er mich zum Arzt berufen hat.“
Als Doktor Batthyány im Alter von knapp 60 Jahren selbst einen Kardiologen konsultierte, beschwor ihn dieser, mehr Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit zu nehmen; er gab daraufhin seine Tätigkeit als Chirurg auf und arbeitete fortan nur noch als Augenarzt. Im November 1929 erkrankte der Fürst an Nierenkrebs, der in Wien erfolglos operiert wurde. Das 14 Monate dauernde Leiden im Wiener Sanatorium Löw wurde für den Kranken zu einem harten Kreuzweg. Er gestand seiner Frau: „Ich leide unsäglich. Ich hätte es nie geglaubt, dass ein Mensch so viel Schmerzen aushalten kann. Aber es ist gut so; alles ist gut, was Gott tut.“
„So etwas sagt nicht mehr!“
Ein Zeuge schrieb: „Sein Krankenzimmer war zu einem Wallfahrtsort geworden, das die Leute erschüttert verließen. Aber sie gingen mit gestärktem Glauben wieder fort.“ Viele kamen in der Absicht, den Kranken zu trösten, doch es kam umgekehrt: Der Kranke heilte ihre seelischen Wunden. Eines seiner Kinder sagte einmal zu ihm: „Vati, du bist ein Heiliger!“ Der Doktor antwortete erschrocken: „Ich bitte euch sehr, so etwas sagt nie mehr! Ich will es nicht noch einmal hören!“ Er hielt sich die Ohren zu und setzte, die Augen zum Himmel gewandt, demütig hinzu: „Wie weit weg bin ich von der Heiligkeit! Ich bin ein sehr armer, sündiger Mensch!“ Gleichwohl sagte der Geistliche, der dem Fürsten am Abend vor dessen Tod die Sterbesakramente spendete, mit Tränen in den Augen zu den Angehörigen: „So kann nur ein Heiliger beichten.“
Am 22. Januar 1931 gab Ladislaus Batthyány-Strattmann seine Seele in die Hand Gottes zurück. Kurz vor seinem Tod hatte er seine Familie gebeten: „Tragt mich auf den Balkon, damit ich in die Welt hinausschreie, wie gut der liebe Gott ist!“ Nach seinem Tod veröffentlichte eine Frau in der Lokalzeitung einen Nachruf auf ihn, der mit dem Wunsch endete: „Wie Sie, Herr Fürst, meinem Kind das Augenlicht gegeben haben, so möge der gütige Gott Ihnen das ewige Licht leuchten lassen!“ Der Apostolische Nuntius von Wien, Msgr. Schioppa, schrieb an Papst Pius XI.: „Die Leute halten den Fürsten für einen Heiligen. Ich kann Eurer Heiligkeit versichern, dass er es ist.“ Die sterblichen Überreste Ladislaus Batthyánys ruhen in der Kirche des Franziskanerklosters von Güssing (Diözese Eisenstadt) nahe der ungarischen Grenze.
Der heilige Papst Johannes-Paul II. fasste das Leben des Fürsten am Tag von dessen Seligsprechung folgendermaßen zusammen: „Das reiche Erbe seiner adeligen Vorfahren verwendete er, um die Armen unentgeltlich zu behandeln und zwei Krankenhäuser zu errichten. Sein größtes Interesse galt nicht materiellen Gütern; ebensowenig waren Erfolg und Karriere Ziele seines Lebens … Er zog die irdischen Reichtümer niemals jenem wahren Gut vor, das im Himmel ist. Sein Beispiel des Familienlebens und der großherzigen christlichen Solidarität sei allen eine Ermutigung, dem Evangelium treu zu folgen!“ Nehmen wir uns den Rat des seligen Ladislaus zu Herzen, der eine ergreifende Kurzfassung des Evangeliums ist: „Wenn ihr glücklich sein wollt, macht andere glücklich!“