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27. April 2021 Fest des hl. Petrus Kanisius |
China übte eine starke Anziehungskraft auf das Herz des hl. Giovanni Bosco aus; er träumte einmal, dass zwei große Kelche aus dem riesigen Land in den Himmel auffuhren: der eine angefüllt mit dem Schweiß, der andere mit dem Blut seiner geistlichen Söhne, der Salesianer. Zwei von ihnen, Msgr. Luigi Versiglia, der erste Apostolische Vikar von Shiu Chow, sowie der junge Priester Don Callisto Caravario starben am 25. Januar 1930 für die Verteidigung des Glaubens und der Keuschheit und machten so Don Boscos Traum wahr. „Sie haben, dem Vorbild Christi folgend, das Ideal des Hirten aus dem Evangelium perfekt verkörpert: des Hirten, der zugleich Lamm ist (s. Offb 7,17); des Hirten, der sein Leben gibt für die Schafe (Joh 10,11) als Ausdruck der Barmherzigkeit und der Liebe des Vaters; aber auch als Lamm, das in der Mitte vor dem Thron (Offb 7,17) steht, und als siegreicher Löwe (s. Offb 5,5), der ein tapferer Kämpfer für die Sache der Wahrheit und der Gerechtigkeit, ein Verteidiger der Schwachen und Armen, Besieger des Übels, der Sünde und des Todes ist“ (hl. Johannes-Paul II., Seligsprechungspredigt, 15. Mai 1983).
„Komm mich besuchen!“
Luigi Versiglia wurde am 5. Juni 1873 in Oliva Gessi bei Pavia in der Lombardei geboren. Er war ein lebhaftes, mathematisch begabtes Kind, das sich für Pferde begeisterte. Als Messdiener legte er bereits in jungem Alter eine solche Inbrunst an den Tag, dass die Leute einen zukünftigen Priester in ihm sahen; Luigi freilich träumte lieber davon, Tierarzt zu werden. Als er jedoch im September 1885 von Don Bosco in das Turiner Oratorium von Valdocco aufgenommen wurde, war er von dessen Person so beeindruckt, dass er schließlich seine Meinung änderte. Am 24. Juni 1887, dem Namenstag von Don Giovanni Bosco, musste er ihn im Namen der Schüler beglückwünschen. Als er nach seiner Ansprache die Hand des alten Priesters küsste, flüsterte ihm dieser ins Ohr: „Komm mich besuchen hinterher, ich habe dir etwas zu sagen.“ Dazu kam es aufgrund der Krankheit und des Todes des Heiligen zwar nicht, doch er hatte das Herz des Jungen erobert. 1888 wohnte Luigi der feierlichen Überreichung des Kreuzes an sieben aufbrechende Missionare bei und beschloss in der Hoffnung, ebenfalls in die Mission entsandt zu werden, in die Kongregation der Salesianer einzutreten. Im August begann er sein Noviziat in Foglizzo und legte seine Ordensgelübde am 11. Oktober 1889 ab. Nach einem Magisterstudium an der Gregorianischen Universität in Rom kehrte er als Lehrer für Logik in das Noviziat von Foglizzo zurück. Am 21. Dezember 1895 wurde er – wegen seines jugendlichen Alters von 22 Jahren mit einem Dispens des Heiligen Stuhls – zum Priester geweiht.
1896 wurde Don Versiglia zum Direktor und Novizenmeister des Hauses Genzano in Rom ernannt. Er blieb 9 Jahre dort. „Er ist uns gegenüber anspruchsvoll, und noch mehr sich selbst gegenüber“, schrieb ein Novize. „Als unermüdlicher Arbeiter führt er eine eiserne Hand in Samthandschuhen gegen jeden, der eine Neigung zur Trägheit zeigt. Nachsichtig mit den geistig Langsamen, scheut er keine Mühe, um ihnen zu helfen, und spricht ihnen Mut zu.“ Doch Don Versiglia strebte nach wie vor ein Leben als Missionar an und bereitete sich durch körperliches Training darauf vor. 1905 ging sein Traum schließlich in Erfüllung: Er wurde als Anführer der ersten salesianischen Expedition nach China ausersehen. Die Ordensleute landeten 1906 in Macao und eröffneten zunächst ein einfaches Waisenhaus. 1917 wies ihnen der Apostolische Vikar von Kanton, Msgr. de Guébriant, die Region Leng Nam Tou zu, die 1920 ihrerseits zum Apostolischen Vikariat Shiu Chow erhoben wurde. Daraufhin ließ Don Albera, der Generalobere der Salesianer, durch einen Missionar einen Kelch an Don Versiglia überbringen, den dieser mit den Worten in Empfang nahm: „Du bringst mir einen Kelch, und ich nehme ihn an. Don Bosco sah seine Mission in China aufblühen, wenn sich ein Kelch mit dem Blut seiner Söhne füllen würde. Der Kelch ist an mich geschickt worden: Es ist an mir, ihn zu füllen.“
„Der Missionar, der mit Gott uneins ist, ist wie ein Kanal, der sich von der Quelle löst“, schrieb er. „Der Missionar, der viel betet, wird auch viel tun … Die Liebe soll alle Bemühungen leiten, um den Seelen Gutes zu tun.“ Am 4. Mai 1920 zum Apostolischen Vikar von Shiu Chow ernannt, wurde er am 9. Januar 1921 zum Bischof geweiht. Die folgenden Jahre waren mit Arbeit, Reisen und Gründungen ausgefüllt. Bischof Versiglia vollbrachte Wunder auf einem Katholiken gegenüber feindlich gesonnenen Boden und kümmerte sich unermüdlich um die Betreuung der Missionare, um die Bildung der Christen und die Bekehrung von Ungläubigen. Als fürsorglicher Vorgesetzter war er bei den Missionaren wie bei den Christen beliebt, und sie gehorchten ihm gern. Er gründete in fast allen Missionszentren des Vikariats Grundschulen. Bei seiner Ankunft gab es 18 solcher Zentren, 1930 waren es 55. In der Provinzhauptstadt eröffnete er eine Ausbildungsstätte für Lehrer und eine für Katecheten, eine Berufsschule, ein Altenheim, eine medizinische Ambulanz sowie ein Knabenseminar. In 12 Jahren weihte er 21 Priester.
Der Auftrag Christi
Der hl. Johannes-Paul II. schrieb zur Frage der Notwendigkeit der Missionsarbeit: „Und dennoch fragen sich einige, auch im Hinblick auf die Veränderungen in der modernen Welt und der Verbreitung neuer theologischer Ideen: Ist die Mission unter den Nicht-Christen noch aktuell? Wird sie vielleicht durch den Dialog unter den Religionen ersetzt? Ist die Förderung im Bereich des Menschlichen nicht eines ihrer Ziele, das genügt? Schließt nicht die Achtung vor dem Gewissen und vor der Freiheit jeden Bekehrungsversuch aus? Kann man nicht in jeder Religion gerettet werden? Warum also Mission?… Wir antworten: Die Kirche darf sich dem ausdrücklichen Auftrag Christi nicht entziehen (Geht hin in alle Welt und verkündet das Evangelium aller Kreatur [Mk 16,15]). Die Verkündigung hat Christus, den Gekreuzigten, Gestorbenen und Auferstandenen zum Gegenstand: durch ihn ereignet sich die volle und echte Befreiung vom Bösen, von der Sünde und vom Tod; in ihm schenkt Gott das ‚neue Leben’, ein göttliches und ewiges Leben. Das ist die gute Nachricht, die den Menschen und die Geschichte der Menschheit verändert und auf deren Kenntnis alle Völker ein Recht haben“ (Enzyklika Redemptoris missio, 1990, Nr. 4; 11; 44).
Bischof Versiglias missionarische Arbeit fand in einem unruhigen politischen Kontext statt: Die Ausrufung der Republik China in Nanking am 10. Oktober 1911 hatte im folgenden Jahr die Abdankung des erst 7 Jahre alten Kaisers zur Folge. Nach dem Tod des ersten Präsidenten, Yuan Shikai, im Jahre 1916, folgte eine Periode der Anarchie, die durch den Sieg General Chiang Kai-sheks über die Warlords, die mehrere Regionen tyrannisierten, beendet wurde (1927). Chiang Kai-sheks Nationalisten wiederum wurden von Mao Zedongs Kommunisten bekämpft. In diesem Chaos waren die als „weiße Teufel“ beschimpften Missionare vielfacher Gewalt – speziell vonseiten der kommunistischen Soldaten – ausgesetzt. In einem Brief vom Januar 1926 schrieb Bischof Versiglia: „Wie Sie sehen, stecken wir mitten im Bolschewismus und wir wissen nicht, wohin uns das führen wird … Wir wissen, dass alles in den Händen des Herrn liegt, und wir sind bereit, seinen heiligen Willen zu erfüllen, selbst um den Preis unseres Lebens.“
Bis nach China
1922 kehrte Bischof Versiglia nach Turin zurück, um am Generalkapitel der salesianischen Kongregation teilzunehmen. Viele Ordensmänner waren vom Missionsbischof tief beeindruckt, darunter auch der junge Callisto Caravario, der ihm seine Mitarbeit in der Mission anbot: „Euer Hochwürden, Sie werden sehen. Ich halte mein Wort. Ich werde ihnen bis nach China folgen.“ – Callisto Caravario wurde am 8. Juni 1903 in Cuorgnè in der Provinz Turin in einer armen, tiefgläubigen Familie geboren. 1908 zogen die Caravarios nach Turin um, wo Callisto die Volksschule besuchte. Er war ein gutmütiger, folgsamer, hilfsbereiter und zurückhaltender Junge, der seine Mutter besonders innig liebte; wenn er sah, dass ihr Antlitz traurig wurde, nahm er ihre Hände und sagte zärtlich: „Mut, Mama, ich werde für dich beten!“ Callisto besuchte oft das Oratorio San Giuseppe der Salesianer und war ab 1913 Schüler an ihrem Kolleg San Giovanni Battista. Im Oratorium war er zwar meistens mit Spielen beschäftigt, doch er half auch beim Putzen und Aufräumen der Säle mit. Unter seinen Kameraden galt er als kleiner Apostel, der sie bei Laune hielt und ihre Frömmigkeit unterstützte. Er diente gern als Messdiener am Altar und stand dafür in aller Frühe auf. Dem Vorbild des hl. Domenico Savio folgend, legte er eine engelhafte sittliche Reinheit an den Tag, die durch den häufigen Empfang der Kommunion gestärkt wurde.
Trotz einigen Widerstandes aus seiner Familie war Callisto fest entschlossen, ins Kloster zu gehen. Der Leiter des Kollegs war sich der Berufung des Jungen so sicher, dass er Spender für das Schulgeld auftat, da die Eltern Caravario nicht über die notwendigen Mittel verfügten. Im Herbst 1914 begann Callisto, Latein zu lernen. Vier Jahre später beantragte er, kaum 15 Jahre alt, die Aufnahme in die salesianische Kongregation. Er wurde am 21. November 1918 eingekleidet und legte im September des folgenden Jahres seine ersten Gelübde ab. Ab 1921 setzte er seine Ausbildung zunächst am Collegio San Giovanni, später unter den Schülern von Valdocco fort. Doch sein großes Ziel blieb nach wie vor die Mission in China. Er war bereit, alles dafür zu opfern. Am 7. Oktober 1924 ging sein Wunsch in Erfüllung: Er durfte sich nach Hong Kong einschiffen. „Der Herr hat mir die Kraft geschenkt, mich gern, und mehr noch, mit Freuden zu opfern“, schrieb er an seine Mutter. „Bete weiter für mich!“ Von Macao aus versicherte er am 11. Dezember: „Ich bereue es nicht, Italien verlassen zu haben: Im Gegenteil, ich bin glücklich darüber. Es war ein großes Opfer …, aber der Herr wird mir helfen.“
Don Caravario wurde im St. Josefs-Waisenhaus in Shanghai eingesetzt; er bemühte sich, schnell Chinesisch, Französisch und Englisch zu lernen, und war schon bald war in der Lage, sich mit den Kindern zu verständigen. In erster Linie widmete er sich dem Religionsunterricht, um die vielen Kinder, die getauft werden wollten, auf die Taufe vorzubereiten. Daneben betreute er auch chinesische Berufene und kümmerte sich insbesondere um die Erziehung der Jugendlichen, die Zeichen von Berufung zeigten. Zu seiner Freude traten zwei von ihnen in die Kongregation der Salesianer ein. Seine liebevolle Fürsorge galt auch dem leiblichen Wohl der Schüler, denn die meisten wurden nicht nur völlig verschmutzt und mit Lumpen bekleidet im Waisenhaus abgegeben, sondern auch in einem miserablen Gesundheitszustand. Dank seiner Pflege waren bald an die hundert Kinder an Leib und Seele geheilt.
Ein stiller Besuch
Unterdessen setzte Don Callisto sein Theologiestudium fort. Doch als das Vorrücken der kommunistischen Truppen 1926 die Salesianer zur Abreise aus Shanghai nötigte, wurde er zunächst nach Timor versetzt (einer damals unter portugiesischer Herrschaft stehenden Insel des indonesischen Archipels). Nach seiner Ankunft im April 1927 arbeitete er dort zwei Jahre lang als Erzieher an der Knabenschule von Dili. „Don Caravario verkörperte für mich das Idealbild des Salesianers: demütig, gehorsam, fromm und aktiv“, lobte ihn Schulleiter Don Rossetti. „Ich habe mir gesagt: ‚Er ist der künftige Leiter der Mission von Timor!’ Dank seiner Frömmigkeit und seines Eifers kann diese Insel in ein paar Jahren ganz christianisiert werden. Er verweilte häufig und lange vor dem Allerheiligsten. Er ging jeden Abend nach den Gebeten, wenn sich alle zurückgezogen hatten und er sich von zudringlichen Blicken unbeobachtet fühlte, barfuß in die Kapelle hinunter und verbrachte dort auf der Altarstufe aufrecht kniend, regungslos, mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen eine gute halbe Stunde in Anbetung.“
Im Januar 1929 kündigte Don Callisto seiner Mutter an, dass er bald zum Priester geweiht werde. Im März 1929 verließ er Timor. Sein Abschiedsschmerz wurde nach Ansicht von Don Rossetti durch die Aussicht auf einen möglichen Märtyrertod in China gelindert: „Dieser höchste Liebesbeweis für Gott und für die Seelen war, so kann man sagen, bei uns Tagesgespräch; ein Thema, das ich gerne ansprach, da ich mich daran erfreute, wie er in Wallung geriet und wie er die Einwände derer konterte, die seine Begeisterung nicht teilten.“ Don Callisto wurde am 18. Juni von Bischof Versiglia in Shiu Chow zum Priester geweiht. Noch am selben Abend richtete er folgende Zeilen an seine Mutter, die Vertraute seines Herzens: „Ich schreibe dir, gute Mama, mit freudigem Herzen. Heute früh bin ich zum Priester geweiht worden. Danke mit mir dem Herrn für diese wirklich außer-ordentliche Wohltat. Mein größter Herzenswunsch ist in Erfüllung gegangen. Morgen werde ich meine erste Messe am Altar feiern.“ Als sähe er unter dem Einfluss des Heiligen Geistes voraus, was ihn erwartet, fragte er anschließend: „Wird mein Priesteramt lang oder kurz dauern? Ich weiß es nicht. Wichtig ist, dass ich Gutes tue und dass ich, wenn ich vor den Herrn trete, Ihm sagen kann, dass ich mit seiner Hilfe die Gnaden, die Er mir geschenkt hat, fruchtbringend verwendet habe.“
Die Freundschaft der Schüler
Anfang Juli traf Don Caravario in Lin Chow ein, dem ersten Missionsgebiet, das Bischof Versiglia ihm anvertraut hatte. In Begleitung eines chinesischen Katecheten stattete er zunächst jeder christlichen Familie einen Besuch ab. Er ließ sich weder von Schwierigkeiten noch von Vorurteilen aufhalten, freute sich über alles, verbarg jede Anstrengung sowie jedes Unbehagen und war stets bereit, sein Amt auszuüben. In der Schule gewann er bald die Freundschaft der Schüler und lehrte sie Ehrfurcht vor der heiligen Eucharistie. Die Schüler – Christen wie Heiden – versammelten sich mehrmals am Tag in der Kapelle, um das Allerheiligste zu besuchen. Alle studierten fleißig den Katechismus. Sein Nachfolger bezeugte später: „Ich habe registriert, wie blühend die Mission war, in der Don Caravario sechs Monate gearbeitet hatte. Der Kirchenbesuch war rege, die Schulen waren gut geführt, die Katecheten gut auf die Vermittlung der Lehre vorbereitet. Eine für die Zukunft bestens gerüstete und vielversprechende Mission.“
Im Februar 1930 fuhr Don Caravario nach Shiu Chow zu Bischof Versiglia, den er auf dessen Visitationsreise zu seiner Mission in Lin Chow begleiten sollte. Doch in den südlichen Regionen Chinas machte gerade eine Guerilla aus Piraten und kommunistischen Revolutionären das Reisen gefährlich. Bischof Versiglia beschloss trotzdem loszufahren: „Wenn wir warten, bis die Wege sicher sind, brechen wir nie auf. Nein, die Angst darf einfach nicht die Oberhand gewinnen! Gottes Wille geschehe.“ Neben dem Bischof und dem jungen Priester bestand die Reisegruppe aus zwei Knaben, die für die Ferien nach Hause fuhren, aus deren beiden Schwestern sowie einer jungen Frau namens Maria Thong, die in ein vom Bischof gegründetes chinesisches Kloster eintreten wollte. Sie alle hatten ihre Reise aufgeschoben, um in Begleitung der Missionare fahren zu können.
Am 24. Februar brachen sie mit dem Zug nach Ling Kong How auf. Am nächsten Tag ging es an Bord eines Bootes auf dem Pak-Kong-Fluss weiter. Als sie gegen Mittag den Angelus beteten, erhob sich vom Ufer her ein wildes Geschrei: „Stoppt das Boot! Steigt aus!“ – „Ist nicht nötig, wir sind von der Mission.“ – „Steigt trotzdem aus!“ Der Bootsführer fuhr näher an das Ufer heran, während die jungen Frauen unter dem Schutzdach des Bootes zitternd beteten. „Unter wessen Schutz seid ihr unterwegs?“ – „Unter niemands Schutz“, erwiderte der Bootsführer. „Nie hat jemand die Missionare unter seinen Schutz gestellt.“ – „Dann müsst ihr 500 Dollar Strafe bezahlen.“ – „Aber wir haben nicht soviel!“ Zwei Männer stürmten auf das Boot und bemerkten die Frauen. „Runter mit den Frauen!“ Doch der Bischof und der Missionar verstellten ihnen den Weg. Die Banditen stürzten sich auf sie und schlugen fluchend und lästernd mit ihren Gewehrkolben auf sie ein. Der Bischof ging zu Boden. Don Callisto leistete so lange Widerstand, bis er schließlich mit den Worten „Jesus, Maria!“ auch zusammenbrach. Die jungen Frauen wehrten sich noch, doch die Kräfte waren ungleich verteilt. Es war keine Rede mehr von Passierschein oder Strafgebühr; man hat es letztlich auf die Missionare und auf die Frauen abgesehen. Die nachträgliche Untersuchung des Vorfalls zeigte, dass es sich um einen gut vorbereiteten Hinterhalt handelte, der auf die Gefangennahme der angehenden Nonne abzielte, da sie sich seit mehreren Jahren weigerte, den Anführer der Banditen zu heiraten.
Zufrieden gestorben
Die Missionare wurden in einen nahen Wald verschleppt. Bischof Versiglia machte einen letzten Versuch und bot den Banditen Geld an, um die jungen Frauen freizukaufen; einer schrie: „Die katholische Kirche muss zerstört werden!“ Die Frauen klammerten sich zitternd an das Kruzifix, das ihnen schließlich brutal entrissen wurde. Bischof Versiglia und Don Caravario begriffen, dass nun die Stunde gekommen war, in der sie durch die Hingabe ihres Lebens Zeugnis für Christus ablegen mussten. Sie sprachen ruhig ein Gebet zusammen und konnten sich sogar gegenseitig die Beichte abnehmen. Der Bischof unternahm noch einen Versuch, seinen Begleiter zu retten: „Ich bin alt, tötet mich; aber er ist noch jung. Verschont ihn!“ Plötzlich peitschten fünf Schüsse durch den Wald: Das Opfer war vollbracht. „Das ist unerklärlich“, sagten die Mörder. „Wir haben so viele Leute gesehen, und alle hatten Angst vor dem Tod. Diese aber sind zufrieden gestorben, und die jungen Frauen haben keinen anderen Wunsch als zu sterben.“ Die Frauen mussten den Angreifern folgen; den beiden Jungen wurde befohlen fortzugehen, ohne zurückzublicken. Sie alarmierten die Behörden, die sofort Aufklärungstrupps losschickten. Am 2. März erreichten die Soldaten das Versteck der Banditen, die nach einem kurzen Schusswechsel flohen und die jungen Frauen zurückließen; diese konnten später den Märtyrertod der beiden Missionare bezeugen. Bischof Versiglia und Don Caravario wurden als Märtyrer anerkannt und am 1. Oktober 2000 vom hl. Johannes-Paul II. heiliggesprochen.
„Der Märtyrer wird stets wegen seines Glaubenszeugnisses ermordet. Die Mörder zeigen ihren Hass auf den Glauben aber nicht nur, wenn sich ihre Gewalt gegen das ausdrückliche Bekenntnis des Glaubens entfesselt, sondern auch, wenn sich diese Gewalt gegen karitative Werke zugunsten des Nächsten richtet, Werke also, die ihre Rechtfertigung und ihren Grund objektiv und real im Glauben haben. Wie im Falle der beiden salesianischen Märtyrer. Sie haben ihr Leben geopfert für das Heil und die moralische Integrität ihres Nächsten. Sie machten sich zum Schild, um die Person von drei jungen Mädchen, alle Schülerinnen der Mission, zu verteidigen. Um den Preis ihres Blutes haben sie die bewusste Entscheidung dieser Jugendlichen für die Keuschheit verteidigt. Ein heroisches Zeugnis für die Keuschheit, das die heutige Gesellschaft an den Wert und den hohen Preis dieser Tugend erinnert; ihr mit dem Respekt und der Bejahung des menschlichen Lebens verbundener Schutz verdient es, dass man sein Leben für sie aufs Spiel setzt, wie wir anhand von anderen leuchtenden Vorbildern aus der Geschichte des Christentums sehen und bewundern können“ (hl. Johannes-Paul II., ibid.).
Möge der Herr uns auf die Fürsprache dieser beiden heiligen Märtyrer hin die Gnade gewähren, dass wir ihr Vorbild würdigen und ihnen im Rahmen unserer Verantwortung und unserer unterschiedlichen Lebensumstände nacheifern.