Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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27. Juni 2001
Hl. Hemma von Gurk


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

«Wo ist der wirkliche Stall Christi?» So lautet die Frage, die Marie-Elisabeth Hesselblad, einer jungen Schwedin, in den Sinn kam, als sie sich dessen bewußt wurde, dass ihre Klassenkameradinnen verschiedenen christlichen Konfessionen angehörten. Hatte nicht Jesus Christus gesagt, sein sehnlichster Wunsch sei es, alle Schafe in einen einzigen Stall zu führen, unter die Obhut eines einzigen Hirten (vgl. Joh 10,16)? In der Einsamkeit der großen Tannenwälder, die sie so liebte, bat das junge Mädchen den himmlischen Vater, er möge ihr diesen Stall zeigen, in dem Er alle versammelt sehen will. Eines Tages breitete sich ein wunderbarer Frieden über ihre Seele, und ihr schien, als hörte sie folgende Worte: «Ja, meine Tochter, ich werde ihn dir zeigen.»

«Mit Gottes Hilfe kann
alles überwunden werden»

Elisabeth Hesselblad wurde am 4. Juni 1870 im Dorfe Faglavik in der Provinz Västergötland (im Südwesten Schwedens) geboren. Ihre Eltern ließen sie einige Wochen später in der lutherischen Konfession taufen. Die dem ländlichen Kleinbürgertum entstammenden Hesselblads führten ein Lebensmittelgeschäft, das nicht recht gedieh. Bereits 1871 sahen sie sich gezwungen, nun als Buch- und Schreibwarenhändler nach Falun in Zentralschweden überzusiedeln. Elisabeths Vater, August Robert, war ein guter, sensibler Mann von künstlerischem Temperament. Ihre Mutter, Karin, war eine praktisch veranlagte, geschickte und arbeitsame Frau, die dreizehn Kinder gebar, neun Jungen und vier Mädchen, von denen drei in jungem Alter starben. Elisabeth war das fünfte Kind. Das Familienleben tat das Seinige dazu, ihr umgängliches und besonders ausgeglichenes Wesen zu fördern. Die Hesselblads waren fromm und gingen jeden Sonntag zum Gottesdienst. Elisabeth verstand von Kindheit an, dass alles menschliche Leben dem Bestreben geweiht sein muss, Gott zu erkennen und ihm zu dienen.

Im Alter von sieben Jahren erkrankte Elisabeth lebensgefährlich an Diphterie und Scharlach, doch sie überlebte; mit zwölf Jahren rief eine neue Erkrankung bei ihr Magengeschwüre und innere Blutungen hervor, unter deren Folgen sie ihr Leben lang litt. Später schrieb sie: «Gott ließ mir sehr früh die Gnade widerfahren, zu erkennen, dass Schwierigkeiten nur geschickt werden, damit wir sie besiegen. Mit Gottes Hilfe kann alles überwunden werden, ohne seinen Beistand jedoch ist jede Mühe vergeblich.»

1886 war die Familie so arm, dass Elisabeth sich Arbeit suchen musste. Zwei Jahre danach beschloss sie, nach Amerika zu gehen, um die Ihren finanziell zu unterstützen. Nach ihrer Ankunft in New York am 9. Juli 1888 trat sie in eine Krankenschwesternschule ein. Sie musste sich oft um Arbeiter kümmern, die auf der Baustelle für die künftige katholische Kathedrale verletzt worden waren. Eines Tages hörte sie einen irischen Verletzten in seinen Schmerzen immer wieder rufen: «Maria, Mutter Gottes, bete für uns!» Dieses Stoßgebet erschien ihr unpassend; sie schrieb: «Er dürfte nicht so sprechen; das ist nicht christlich. Die Katholiken haben merkwürdige Formeln.» Eines Nachts wagte sie sich während eines schrecklichen Sturms allein hinaus, um für einen sterbenden Katholiken, der sich mit Gott versöhnen wollte, einen Priester zu holen. «Gott segne dich, liebes Schwesterchen, für deine Aufmerksamkeit und deinen Eifer», sagte der Priester zu Elisabeth. «Leider kannst du noch nicht verstehen, welch wunderbaren Dienst du so vielen Leuten erweist. Eines Tages wirst du verstehen; du wirst den Weg finden.» Auf ihrer Suche nach der Kirche Christi besuchte Elisabeth viele Kirchen aller möglichen Konfessionen. Sie liebte die Stille der katholischen Kirchen; aber warum machten die Gläubigen dort so viele Kniefälle, so viele Kreuzzeichen? War es wirklich nötig, seinen Glauben äußerlich zum Ausdruck zu bringen? Ihrer damaligen Überzeugung nach dachte sie, der Glaube müsse geheimgehalten werden, um rein zu sein.

«Ich bin der, den du suchst»

1894 kehrte Elisabeth für einen Monat Urlaub in ihr Heimatland zurück. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Amerika schrieb sie: «Seine Heimat ein zweites Mal zu verlassen, ist härter als alles, was man sich vorstellen kann.» In dieser Zeit lernte sie die Familie Cisneros kennen, die sie in ihrer Mitte aufnahm und in deren Dienst sie von nun an stehen sollte.

1900 unternahmen Elisabeth und die Schwestern Cisneros eine Europareise. In Brüssel begleitete Elisabeth ihre Freundinnen, die beide eifrige Katholikinnen waren, zur großen Prozession des Allerheiligsten Sakraments, die in der Kathedrale stattfand. In ihren persönlichen Notizen steht: «Ich wusste nicht, dass der Bischof etwas trug. Als ich sah, wie meine beiden Freundinnen und viele andere Leute auf die Knie fielen, zog ich mich hinter das große Portal zurück, um die Leute um mich herum nicht dadurch zu verletzen, dass ich stehen blieb. Ich dachte: 'Vor Dir allein, Herr, falle ich auf die Knie; nicht hier!' In diesem Moment trat der Bischof, der die Monstranz hielt, an das Portal. Meine verwirrte Seele war plötzlich von Ruhe erfüllt, und ich hörte eine Stimme, die zugleich von außen und aus dem Grunde meines Herzens zu kommen schien; sie sagte: 'Ich bin der, den du suchst.' Ich fiel auf die Knie. Dort, hinter der Kirchentür, brachte ich meine erste Anbetung vor unserem göttlichen Herrn, der im Allerheiligsten gegewärtig ist, dar.»

Nach der Zeremonie erzählte Elisabeth sofort ihren Freundinnen, welche Gnade sie empfangen hatte. Von diesem Tage an kam sie der katholischen Kirche immer näher, obwohl sie von mitunter heftigen Zweifeln und von inneren Kämpfen geplagt wurde.

Auf dem Wege zur vollkommenen Glaubensgemeinschaft

Zu den religiösen Gebräuchen, die Elisabeth widerstrebten, gehörte die Verehrung der Katholiken für Maria, die Mutter Jesu, und für die Heiligsten. Von ihrer protestantischen Erziehung behielt sie eine ausschließliche Verehrung für das Mysterium Christi, des einzigen Erlösers, bei. «Wie könnte ich an die Kraft der Fürspache der Seligen Jungfrau Maria und der Heiligen glauben? Würde das nicht die Verdienste der Passion und des Todes Christi schmälern? Wäre die Gott allein gebührende Verherrlichung und Ehre dadurch nicht beeinträchtigt?»

Nach und nach näherte sich Elisabeth der Lehre der katholischen Kirche an: Die Selige Jungfrau war in das Werk des göttlichen Erlösers eingebunden, zu dem sie durch ihren Gehorsam, ihren Glauben, ihre Hoffnung und ihre glühende Liebe einen unvergleichlichen Beitrag leistete, damit den Seelen das übernatürliche Leben wiedergeschenkt werden konnte. Aus diesem Grunde war sie aus Gnade zur Mutter von uns allen geworden. Nach ihrer Himmelfahrt brach das Wirken Marias für das Heil nicht ab. Ihre mütterliche Liebe machte sie auf die Mitbrüder ihres Sohnes aufmerksam, deren Pilgerschaft erst beendet ist, wenn sie in die Heimat der Seligkeit eingehen. Deswegen wird sie in der Kirche als «Anwältin», als «Helferin», «Fürsprecherin» und «Mittlerin» angerufen, ohne dass davon die Würde und die Wirkung des einzigen Mittlers Christus in irgendeiner Weise beeinträchtigt wäre. Diese untergeordnete Rolle Marias wird von der Kirche ohne Zögern bekannt. Die Kirche legt sie den Gläubigen ans Herz, damit diese Stütze und dieser mütterliche Beistand ihnen dabei hilft, dem Mittler und Erlöser noch inniger verbunden zu sein.

Elisabeth scheute noch vor dem entscheidenden Schritt der Konversion zurück. In dieser Zeit trat eine ihrer beiden Freundinnen Cisneros in das Kloster der Heimsuchung Mariä in Washington ein. Bei dem Gedanken, eine so liebe Freundin endgültig zu verlieren, war Elisabeth in ihrer Zuneigung zu ihr empört und sagte sich: «Wie ist es möglich, dass eine Religion, die so herzzerreißende Opfer fordert, die richtige sein kann?» Und doch hat Jesus als Erster seine Apostel und Jünger aufgefordert, alles zu verlassen, um ihm nachzufolgen, und er versprach ihnen dafür eine wunderbare Belohnung: Willst du vollkommen sein, so geh hin, verkauf, was du hast, und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach. Und jeder, der Häuser und Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Frau oder Kinder oder Acker um meines Namens willen verlassen hat, wird Vielfaches empfangen und ewiges Leben erben (Mt 19,21; 29).

Das Unkraut und der Weizen

Elisabeth wollte zu einer Kirche konvertieren, deren Mitglieder alle heilig sein sollten, und war daher erstaunt über die Schwächen, die sie bei den Katholiken bemerkte. Diese Realität wird durch die Lehre des Evangeliums erklärt: Unser Herr Jesus Christus spricht vom Unkraut, das unter den Weizen auf dem Acker des Familienvaters gesät wurde, und vom Fischernetz, das ins Meer geworfen wurde und mancherlei Fische einfing (vgl. Mt 13,24-51). Die Kirche, die heilige und unbefleckte Braut Christi besteht hier auf Erden aus Gerechten und aus Sündern. Erst im Himmel werden alle ihre Glieder vollkommen. Elisabeth verstand, dass die katholische Kirche der wahre, von Christus gegründete «Stall» war. Sie war nun überzeugt, dass jeder Tag, den sie außerhalb dieses Stalls verbrachte, verlorene Zeit war.

In ihrer Erklärung Dominus Jesus vom 6. August 2000 erinnert die päpstliche Kongregation für die Glaubenslehre: «Wie es nur einen einzigen Christus gibt, so gibt es nur einen eizigen Leib Christi, eine einzige Braut Christi: die eine alleinige katholische und apostolische Kirche» (Nr. 16), wie auch die Lehre des II. Vatikanischen Konzils besagt: «Dies ist die einzige Kirche Christi. Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (vgl. Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18ff), für immer hat er sie als Säule und Feste der Wahrheit errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird» (Lumen gentium, Nr. 8). So dürfen die Gläubigen sich nicht vorstellen, dass die Kirche Christi einfach eine Gesamtheit von Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ist; auch sollen Sie nicht annehmen, dass diese Kirche Christi heute nirgendwo mehr existiert, so dass man sie nur für ein durch alle Kirchen gemeinsam zu suchendes Ziel halten darf.

Doch sind «diese getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles» (II. Vatikanisches Konzil, Unitatis redintegratio, Nr. 3). Das Beispiel Elisabeth Hesselblads und ihrer Familie, in der wahrhaft christliche Tugenden gelebt wurden, zeigt, dass «vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind. in den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen» (Dominus Jesus, Nr. 16).

Die große Gnade vom 15. August 1902

Nachdem Elisabeth endlich zu der Gewissheit gelangt war, dass die Fülle der Gnade und der Wahrheit in der katholischen Kirche zu finden ist, wartete sie nicht länger, um in sie überzutreten. Sie wandte sich an den Jesuitenpater J. G. Hagen, der ihr Beichtvater wurde, und bat ihn, sie sofort in die katholische Kirche aufzunehmen, noch vor ihrer baldigen Abreise nach Europa. «Meine liebe Tochter, wie könnte ich?», antwortete der Pater. «Ich kenne Sie kaum seit einem Augenblick .» – «Entschuldigen Sie, mein Vater, aber ich habe zwanzig Jahre lang im Verborgenen gekämpft; ich habe die katholische Religion viele Jahre lang studiert und darum gebetet, einen festen Glauben zu bekommen. Jetzt habe ich diesen Glauben und ich bin bereit, über alle Punkte der Lehre eine Prüfung abzulegen.» Der Pater befragte also die glühende Neubekehrte. Schließlich sagte er: «Ich sehe keinen Grund, Sie nicht in die Kirche aufzunehmen. Heute ist der 12. August, am 15. feiern wir das Fest der Himmelfahrt der Seligen Jungfrau Maria. An diesem Tag werde ich Sie in die katholische Kirche aufnehmen; am folgenden Sonntag, dem 17. können Sie die heilige Kommunion empfangen. Verbringen Sie diese wenigen Tage in geistlicher Einkehr und besuchen Sie mich zweimal pro Tag für eine Unterweisung.»

Während der Aufnahmezeremonie in die katholische Kirche wurde Elisabeth eine besondere Gnade zuteil, die sie mit folgenden Worten schilderte: «Ich ging zurück an meinen Platz, um mich hinzuknien, und die ganze Welt schien mir zu entschwinden. Es wäre unmöglich, diesen Eindruck zu beschreiben. Die einzige Wirklichkeit, die ich sah, die ich spürte, war Gott; mein einziger Wunsch bestand fortan darin, Ihn zu sehen, wie wir Ihn von Angesicht schauen werden am Morgen der Ewigkeit.»

Ende 1902 unternahm Elisabeth eine Pilgerfahrt nach Rom. Dort besuchte sie das Haus an der Piazza Farnese, in dem die heilige Brigitta von Schweden (1303-1373) 19 Jahre lang gelebt hatte und das damals ein Karmelitinnenkloster beherbergte. Auf den Rat Pater Hagens hin kehrte sie im März 1904 in die Ewige Stadt zurück, um sich dort ganz Gott zu weihen und zu versuchen, das Werk der heiligen Brigitta weiterzuführen. In diesem Jahr wurde auch ihr Bruder Thure katholisch.

Elisabeth bewarb sich bei dem Karmelitinnenkloster in jenem Haus der heiligen Brigitta, das sie anzog. Wegen ihrer schwachen Gesundheit zögerte die Priorin, Mutter Hedwige, sie aufzunehmen, und schlug ihr eine Probezeit vor. Bald wurde Elisabeth schwer krank und empfing sogar die Letzte Ölung. Langsam erholte sie sich jedoch wieder und konnte ein geregeltes Leben führen. Sie widerstand dem Ruf ihrer Familie, die sie bedrängte, nach Schweden zurückzukehren. Ihr Herz war von einem zweifachen Wunsch beseelt: die Rückkehr ihres Landes zum Katholizismus im Blick auf die Einheit der Christen zu fördern und die Verehrung der heiligen Brigitta und der heiligen Katharina von Schweden zu verbreiten. Mit Zustimmung ihrer Oberin empfing sie daraufhin die graue Tracht des Brigittenordens und legte am 22. Juni 1906, dem Fest des Heiligen Herzens Jesu, ihr Gelübde in die Hand von Pater Hagen ab. Mutter Hedwige segnete sie mit den Worten: «Ich gebe Dich der heiligen Brigitta und der heiligen Katharina (der Tochter der heiligen Brigitta) zurück, die Dich zu mir geschickt haben.»

Auf den Spuren der heiligen Brigitta

Alle Anstrengungen Schwester Elisabeths richteten sich darauf, eine Neugründung des Brigittenordens zu verwirklichen. 1911 kamen englische Postulantinnen nach Rom, die sich mit Schwester Elisabeth auf einer von den Karmelitinnen geliehenen Besitzung niederließen. Am 4. März 1920 wurde sie Äbtissin des Ordens vom Allerheiligsten Erlöser, der kanonisch eingesetzt wurde. In einem 16 Jahre währenden Kampf hatte Mutter Elisabeth, die sich selbst als ein «nutzloses Holzstück» bezeichnete, die Grundlagen für ein Bauwerk errichtet, das dauerhaft für die Verherrlichung Gottes wirken sollte. Ihren Ordensschwestern setzte sie drei Ziele: «Betrachtung, Anbetung und Sühne».

Im Mai 1923 reiste Mutter Elisabeth zum 550. Todestag der heiligen Brigitta nach Vadstena in Schweden, wo diese 1343 ihr erstes Kloster gegründet hatte. Die Reliquien der Heiligen wurden aus Rom dorthin überführt; an den Feierlichkeiten nahmen auch zahlreiche Protestanten teil. Ein von Prinz Eugen gestifteter Kranz trug die Widmung: «Der größten Frau Schwedens». Mutter Elisabeth wollte in Schweden ein Kloster gründen, doch der apostoliche Vikar, Bischof Müller, riet ihr wegen der noch sehr lebendigen Vorurteile gegen religöse Orden zur Vorsicht. So wurde ein von einigen Schwestern geführtes «Erholungsheim der heiligen Brigitta» in einem Vorort von Stockholm gegründet: Dort fanden Kranke und Gäste auf der Suche nach geistlicher Erholung Aufnahme. Zum ersten Mal seit dem 16. Jahrhundert konnte man in Schweden zur großen Überraschung der Bevölkerung Nonnen in Ordenstracht sehen.

Auf der Rückreise nach Rom machte die Gründerin in Lugano im schweizerischen Tessin Halt, um dort ein Brigittenkloster einzuweihen. Bald kam ein weiteres Kloster in England hinzu. Im Oktober 1928 verließen die Karmelitinnen das Haus der heiligen Brigitta in Rom, und im April des folgenden Jahres zogen Mutter Elisabeth und ihre Ordensschwestern dort ein - die Erfüllung eines dreißig Jahre alten Traums. 1935 erfolgte die endgültige Gründung eines Brigittenklosters in Vadstena. Im April 1937 reisten dann zwölf Ordensschwestern über das Meer, um in Südindien ein neuen Kloster zu errichten. Heute zählt der Brigittenorden mehrere Dutzend Häuser in Europa, Asien und Amerika.

Während des Zweiten Weltkriegs entfaltete sich die Wohltätigkeit Schwester Elisabeths auf vielerlei Gebieten: zunächst gegenüber ihren eigenen Glaubensschwestern in den vom Krieg betroffenen Ländern, dann gegenüber den Bedürftigen, insbesondere Juden in Rom (bis zu 60 Personen wurden an der Piazza Farnese beherbergt). Sie ließ aus dem vom Krieg verschonten Schweden Grundnahrungsmittel in das Haus der heiligen Brigitta liefern. Ihre Nächstenliebe war zartfühlend, übernatürlich, begeistert und mitunter heroisch. Sie wurde ohne Ansehen der Person geübt.

Das eifrige Wirken für die Sache der Einheit

In den Regeln des Ordens vom Allerheiligsten Erlöser rief Mutter Elisabeth ihre Schwestern auf, sich stets und grundsätzlich für die Sache der Einheit der Christen einzusetzen. Sie formulierte ein Gebet an die heilige Brigitta, das sie von den Schwestern beten ließ: «Mit vertrauensvollem Herzen wenden wir uns an dich, heilige Brigitta, um dich in dieser Zeit der Finsternis und des Unglaubens um deine Fürsprache für diejenigen zu bitten, die sich von der Kirche Christi getrennt haben. Durch die klare Kenntnis, die du von den grausamen Leiden unseres gekreuzigten Erlösers hattest, die der Preis für unsere Erlösung waren, bitten wir dich, die Gnade des Glaubens für diejenigen zu erwirken, die sich außerhalb der einzigen Herde befinden, damit so die verlorenen Schafe zum einzig wahren Vater zurückkehren können.»

Der apostolische Eifer Mutter Elisabeths kannte keine Grenzen. Sie trug zur Bekehrung des Baptistenpastors Piero Chiminelli bei, der eine Biographie der heiligen Brigitta verfasst hatte; ebenso hatte sie besondere Verbindungen zum ehemaligen Oberrabiner von Rom, Israël (Eugenio) Zolli, der 1946 zum Katholizismus konvertierte. Ihr wichtigstes apostolisches Wirken jedoch blieb verborgen: Ihr Leben war geprägt von Gebet und Leiden für die Einheit der Christen.

Ihre letzten Monate waren von körperlichem Leiden gekennzeichnet, das auf eine Herzschwäche zurückzuführen war. In einer sehr tiefen Glaubenseinsicht in den Wert der erlösenden Passion Christi schrieb sie: «Das Leiden ist eine der größten Wohltaten, die Gott einer Seele gewähren kann.» Sie klagte nie, sondern sprach mit Freude von ihrem nahen Tod: «Ich bin am Bahnhof und warte auf den Zug.» Immer wieder betete sie den Rosenkranz im Vertrauen auf Maria, über die sie folgende Worte geschrieben hatte: «Die Heilige Jungfrau steht mir näher als mein eigener Leib; ich habe das Gefühl, dass es mir leichter fiele, mir einen Arm, ein Bein oder den Kopf abschneiden zu lassen, als mich von der Heiligen Jungfrau zu entfernen; es ist, als wäre meine Seele an sie gekettet.» Öfter kamen ihr spontan Worte der Annahme des göttlichen Willens und der Selbstaufopferung über die Lippen.

Am Abend vor ihrem Tod spendete Mutter Elisabeth den Schwestern ihren Segen; sie erhob die Hände in einer feierlichen Geste, blickte nach oben und murmelte: «Geht in den Himmel, Hände voller Liebe, voller Tugenden.» Dann empfing sie die Sakramente; ihre letzten Augenblicke waren ruhig und friedlich. Sie verschied am 24. April 1957, einem Ostermittwoch.

Nachdem Papst Johannes-Paul II. die heilige Brigitta gleichzeitig mit der heiligen Katharina von Siena und der heiligen Edith Stein am 1. Oktober 1999 zu Patroninnen Europas erklärt hatte, sprach er am 9. April 2000 Mutter Marie-Elisabeth Hesselblad selig. Mögen wir uns das folgende schöne Gebet der neuen Seligen zueigen machen: «O mein Gott, ich danke dir für alles, was du mir geschenkt hast, ich danke dir für alles, was du mir verweigerst, und für alles, was du mir nimmst.»

In diesem Sinne beten wir für all Ihre Anliegen und gedenken Ihrer lieben Verstorbenen.

Dom Antoine Marie osb

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