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27. August 2020 am Fest der hl. Monika |
„Der Beichtvater ist täglich aufgerufen, sich in die ‚Randgebiete des Bösen und der Sünde’ zu begeben, und sein Werk stellt eine wirkliche pastorale Priorität dar“, sagte Papst Franziskus am 17. März 2017. „Beichte hören ist eine pastorale Priorität. Bitte, es soll diese Schilder nicht geben: ‚Beichte nur montags, mittwochs von soundsoviel bis soundsoviel Uhr.’ Du hörst die Beichte immer, wenn man dich darum bittet. Und wenn du dort [im Beichtstuhl] betend bist, dann ist der Beichtstuhl offen: Er ist das geöffnete Herz Gottes.“ Pater Giacomo da Balduina hat seine Mission als Beichtvater im Geiste des Glaubens voll erfüllt.
Beniamino Angelo war das achte der zehn Kinder von Giacomo Filon und Giuseppina Marin und wurde am 2. August 1900 in Balduina, in der Nähe von Padua in Venetien (Norditalien), geboren. Sein Vater arbeitete als Verwalter des riesigen landwirtschaftlichen Anwesens von Baron Ugo Treves. Giuseppina war die Seele Hauses; von ihr angeleitet wuchs Beniamino in einer lebendigen und frommen familiären Atmosphäre heran. Der stets hilfsbereite Junge war von den religiösen Zeremonien fasziniert, denen die ganze Familie in der nahegelegenen Pfarrkirche beizuwohnen pflegte. Er bewunderte die Priester und wurde selbst bald Messdiener. Zu Hause organisierte er eine kleine Pfarrgemeinde unter den Kindern der Umgebung. Er las seine „Messe“ an einem von seinem älteren Bruder Francesco zusammengebauten Altar; als liturgische Tücher dienten dabei die mütterlichen Schürzen. Da er keine Kanzel hatte, predigte er von einem Stuhl aus. Er hielt Trauerfeiern für verstorbene Haustiere und ging sogar soweit, seine kleinen Kameraden mit großem Ernst zu „trauen“. Mit 10 Jahren wurde Beniamino gefirmt und empfing im Jahr darauf die Erstkommunion.
Der Graf von Padua
In der Schule hatte der Junge allerdings große Schwierigkeiten: Er lernte nur mühsam, und seine Erfolge waren bescheiden. Während der drei Jahre Grundschule in Balduina konnte ihn seine Lehrerin lediglich für seine Pünktlichkeit, seine Disziplin und seinen guten Willen loben. In den folgenden vier Jahren besuchte er die Schule von Lendinaria in der Nachbarprovinz Rovigo. Sein zurückhaltender, eigenbrötlerischer Charakter machte ihn dort schnell zur Zielscheibe des allgemeinen Spottes, zumal zwischen den Kindern aus Rovigo und denen aus Padua eine traditionelle Rivalität bestand. Als Beniamino einmal mit dem Fahrrad zur Schule kam – ein seltener Luxus –, wurde er von zwei Einheimischen angegriffen: „Da kommt ja der Graf von Padua; erweisen wir ihm unsere Reverenz und werfen wir einen Stein auf ihn.“ Der Junge wurde am Kopf getroffen, wehrte sich aber nicht; er kam danach mehrmals verletzt nach Hause. Beniamino fand in Lendinaria ein Kapuziner-kloster, in dem er sich von allem angezogen fühlte: der Freundlichkeit der liebenswürdigen, heiteren Brüder, ihrem Habit mit der dreifach geknoteten Kordel sowie dem gesungenen Stundengebet in der Kapelle. Seine Eltern nahmen zudem regelmäßig reisende Bettelmönche bei sich auf, so dass bereits viele Schüler des Poverello (des hl. Franziskus von Assisi) mit am Familientisch gesessen waren. Durch seine Kontakte zu den barfüßigen, bärtigen Brüdern vernahm das Kind deutlich den Ruf Gottes.
Beniaminos Eltern freuten sich, als sie das hörten. Doch da die Pfarrgemeinde völlig zerstritten war, wurde der Eintritt des Jungen in das Kleine Seminar mehrmals verschoben. Schließlich nahm sich Pfarrer Carlo Trentin seiner an und verfasste ein Empfehlungsschreiben an die Kapuzinerpatres: „Mein Pfarrkind legte stets ein einwandfreies Benehmen an den Tag, war demütig, bescheiden, in der Kirche folgsam und beflissen; der Junge liebt religiöse Zeremonien; er wirkt mit erhebender Andacht als Messdiener und ist ein aufmerksamer Lehrer für die Kinder im Religionsunterricht; er geht täglich zum Tisch des Herrn: Er denkt an nichts anderes als daran, seine familiären Aufgaben und seine religiösen Pflichten möglichst gut zu erfüllen; daher kann ich wohl versichern, dass sein Leben stets das erbauliche Vorbild eines frommen, bescheidenen, wahrhaft und zutiefst christlich gesonnenen Sohnes geliefert hat.“ Beniamino trat am 13. Oktober 1917 in das Kleine Seminar der Kapuziner in Rovigo ein. Als 17-Jähriger war er nun von lauter 10 bis 11-jährigen Mitschülern umgeben, fügte sich aber dennoch gut in die Gemeinschaft ein und unterwarf sich bereitwillig der Disziplin. Ein ehemaliger Kamerad, Pater Alberto de Dueville, beschrieb ihn folgendermaßen: „Er war zurückhaltend, sehr schüchtern, vielleicht sogar ein wenig melancholisch, und hatte eher begrenzte Fähigkeiten. Von normaler Größe, aber von zartem Körperbau, machte er einen schwächlichen Eindruck. Sein blasses, blutarmes Antlitz strahlte freundliche Sanftmut aus. Seine eher seltenen Worte waren immer ruhig, einfach und kurz, aber voller Weisheit.“
Nicht für das Mönchsleben gemacht
Im März 1918 wurde Beniamino zum Militärdienst eingezogen und dem in Mailand stationierten 68. Infanterieregiment zugeteilt, wo er sich als guter Kamerad erwies. Hatte er Freigang, suchte er das nächstgelegene Pfarramt auf und bot seine Dienste an. Er hinterließ überall den Eindruck eines frommen, friedfertigen, geduldigen und freundlichen jungen Mannes. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst 1921 setzte er sein Studium am Kleinen Seminar fort. Am 28. September 1922 wurde er im Kloster von Bassano del Grappa als Kapuziner eingekleidet und bekam den Ordensnamen Bruder Giacomo (Jakob) da Balduina. Während seines Noviziatsjahres sagte sein Novizenmeister einmal ohne Umschweife zu ihm: „Lieber Sohn, du bist nicht für das Mönchsleben gemacht: Du hast keinen Erfolg im Lernen, du bist zu schüchtern zum Spendensammeln …“ Doch der Novize gab nicht so schnell auf: „Wenn es stimmt, dass ich kein Mönch werden kann, so haben Sie noch ein bisschen Geduld und Nachsicht mit mir; ich will auch gern den Abwasch machen und im Stall schlafen, sollte es im Kloster keinen Platz für mich geben.“ Der Pater war mit der Antwort zufrieden, und Bruder Giacomo legte am 29. September 1923 seine zeitlichen Gelübde ab; bei der Gelegenheit bekam seine Mutter folgendes Lob über ihn zu hören: „Gnädige Frau, ich kann Ihnen nicht verhehlen, dass Ihr Sohn mich ziemlich verwirrt, denn er kann nichts anderes tun als beten.“
Für den jungen Bruder begann nun eine dreijährige Ausbildung. Als ein Mitschüler ihm gegenüber die Bruderschaft „Fromme Vereinigung der Opferseelen“ rühmte, erwiderte er, er habe nichts mehr, was er opfern könne: Er habe sich bereits als Opfer für die Priester dargeboten und auch den heroischen Liebesakt für die armen Seelen im Fegefeuer vollzogen. Am 8. Dezember 1926 legte der junge Kapuziner seine feierliche Profess vor dem Provinzialvikar ab. Danach folgte ein dreijähriges Theologiestudium in Venedig. Zum großen Erstaunen seiner Vorgesetzten waren seine Noten recht ordentlich. Doch im Laufe des Jahres 1927-1928 bekam er gesundheitliche Probleme: Er konnte sich plötzlich nur noch langsam, mit kleinen trippelnden Schritten fortbewegen, als würde er gleich hinfallen; er war zwar meistens im Vollbesitz seiner intellektuellen Kräfte, aber seine Sprache wurde undeutlich. Bei heißem Wetter stolperte seine Zunge, sein Gedächtnis und sein logisches Denken setzten aus. Es kamen Verdauungsprobleme und Schlafstörungen hinzu. So verbrachte er lange Stunden allein in seiner Zelle.
Ein Geschenk des Himmels
Im Mai 1928 wurde bei Bruder Giacomo eine Parkinson-Erkrankung diagnostiziert, die sich laufend verschlimmerte. Er konnte nur noch wenige Lehrveranstaltungen besuchen, die anderen wurden für ihn insbesondere von Pater Paolino de Premariacco aufbereitet, auf dessen Empfehlung hin ihm ein Studienjahr erlassen wurde. Da seine Krankheit noch nicht zu weit fortgeschritten war, empfing er zunächst die niederen Weihen zum Subdiakon, dann zum Diakon und schließlich am 21. Juli 1929 auch die Priesterweihe aus der Hand des Patriarchen von Venedig. Am 4. August feierte er seine Primiz in der Pfarrkirche von Balduina, wo er von Pfarrer Carlo Trentin mit einer ergreifenden Rede begrüßt wurde. Pater Giacomo gedachte hinfort jedes Jahr mit einer Danksagung des schönen Tages seiner Priesterweihe, die er stets als ein Geschenk des Himmels betrachtete.
Nach einem weiteren Studienjahr in Venedig wurde er zunächst für 15 Monate nach Slowenien entsandt und landete danach in Udine im Friaul. Das Kapuziner-kloster dort war ein Zufluchtsort für all diejenigen, die sich mit Gott versöhnen und in aller Stille ein neues Leben beginnen wollten. Pater Giacomo widmete sein Leben dem Beichtdienst. Man richtete ihm eine Zelle mit einem Gitter in der Wand ein, so konnte er die Beichte hören, ohne sich von der Stelle zu bewegen. 16 Jahre lang empfing er dort jeden Tag Dutzende von Menschen vor dem Bild des dornengekrönten Heilands.
Die Macht, Sünden zu vergeben, die Christus am Abend seiner Auferstehung als erste Frucht seiner Passion und seines Todes den Aposteln verliehen hat (vgl. Joh 20,23), bezieht sich auf das schlimmste Übel, das uns treffen kann. Denn wie der Katechismus der Katholischen Kirche sagt: „Im Licht des Glaubens gibt es nichts Schlimmeres als die Sünde, nichts hat so arge Folgen für die Sünder selbst, für die Kirche und für die ganze Welt“ (Katechismus, Nr. 1488). Wie der hl. Johannes-Paul II. einmal betonte, schließt das besondere Amt des Priesters die Ausübung des „gemeinsamen Priestertums“ der Gläubigen nicht aus, sondern vielmehr ein. „Wer dich ohne dein Zutun erschaffen hat, sagt der hl. Augustinus, wird dich nicht ohne dein Zutun rechtfertigen. Die aktive Rolle des Christen im Sakrament der Buße besteht darin, die eigenen Vergehen zu bekennen durch eine Beichte, die abgesehen von einigen Ausnahmefällen individuell vor einem Priester abgelegt wird; seine Reue darüber auszudrücken, dass man Gott beleidigt hat, die Zerknirschung; sich demütig dem institutionellen Priesteramt der Kirche zu unterwerfen, um das ‚sichtbare Zeichen’ der göttlichen Vergebung, die Absolution, zu empfangen; das vom Priester auferlegte Bußwerk verrichten als persönliche Beteiligung am Sühnopfer Christi, der sich dem Vater als Hostie für unsere Verfehlungen dargebracht hat; und schließlich die Danksagung für die empfangene Vergebung“ (Generalaudienz vom 15. April 1992, Nr. 7).
„Mein Glück hat sich dadurch nicht verändert“
Zwei Drittel des gesamten Klerus von Udine ging bei Pater Giacomo zur Beichte. Den Pönitenten kam sehr entgegen, dass er stets verfügbar war und sogar seine Mahlzeiten oder seine Mittagsruhe für sie unterbrach. Der Weihbischof von Udine, Msgr. Luigi Cicuttini, schrieb über ihn: „Ich war jahrelang Bußkind des verehrten Pater Giacomo. Er hat mich stets herzlich und väterlich empfangen, und ich bin immer mit getröstetem Herzen von ihm gegangen.“ Der Pater erlebte jedoch auch Rückschläge in seinem Amt, doch diese Enttäuschungen verankerten ihn umso tiefer im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung, wie ein von ihm verfasstes Gebet zeigt: „Herr, die Geschöpfe, die ich aus Liebe zu dir geliebt habe, haben mich verlassen, aber mein Glück hat sich dadurch nicht verändert; denn du selbst, Herr, verlässt mich nicht.“
Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden vergebt, für die sind sie vergeben; denen ihr die Sünden belasst, für die sind sie belassen (Joh 20,22-23). Durch diese Worte setzte Jesus seine Apostel als Richter über die innere Verfassung derjenigen ein, die Vergebung für ihre Sünden suchen. Eine furchterregende Last für einen Menschen, der selbst ebenfalls Sünder ist! Wie kann der Priester damit fertigwerden ohne eine enge Beziehung zu Demjenigen zu unterhalten, der sein Leben hingegeben hat, um die Sünder zu retten? „Der ‚gute Beichtvater‘ ist vor allem ein wahrer Freund Jesu, des Guten Hirten“, sagt Papst Franziskus. „Ohne diese Freundschaft wird es sehr schwierig sein, jene Väterlichkeit heranreifen zu lassen, die für den Dienst der Versöhnung so notwendig ist. Freund Jesu zu sein bedeutet vor allem, das Gebet zu pflegen: sowohl ein persönliches Gebet mit dem Herrn, indem man beharrlich die Gabe der pastoralen Liebe erbittet, als auch ein besonderes Gebet für die Ausübung der Aufgabe als Beichtväter und für die Gläubigen, die Brüder und Schwestern, die auf der Suche nach der Barmherzigkeit Gottes zu uns kommen. Der ‚ins Gebet gehüllte‘ Dienst der Versöhnung wird ein glaubwürdiger Widerschein der Barmherzigkeit Gottes sein und jene Schroffheit und jenes Unverständnis vermeiden, die zuweilen auch bei der sakramentalen Begegnung auftreten können. Ein Beichtvater, der betet, weiß sehr wohl, dass er selbst zuerst ein Sünder ist und jemand, dem zuerst vergeben wurde. Man kann im Sakrament nicht vergeben ohne das Bewusstsein, dass einem selbst zuerst vergeben worden ist. Und daher ist das Gebet die erste Garantie, um jegliche Haltung der Härte zu vermeiden, die unnötigerweise den Sünder verurteilt und nicht die Sünde. Es ist notwendig, im Gebet die Gabe eines verwundeten Herzens zu erflehen, das fähig ist, die Wunden der anderen zu verstehen und sie mit jenem Öl der Barmherzigkeit zu heilen, das der barmherzige Samariter auf die Wunden jenes Bedauernswerten goss, mit dem niemand sonst Mitleid hatte (vgl. Lk 10,34). Im Gebet müssen wir um die kostbare Gabe der Demut bitten, damit immer klar wird, dass die Vergebung ein unentgeltliches und übernatürliches Geschenk Gottes ist, dessen bloße, wenn auch notwendige Verwalter wir dem Willen Jesu entsprechend sind. Und er wird sich sicherlich freuen, wenn wir reichen Gebrauch von seiner Barmherzigkeit machen. Im Gebet rufen wir zudem immer den Heiligen Geist an, der der Geist der Unterscheidung und des Mitleids ist“ (17. März 2017).
Sicher in der Nähe des Tabernakels
Auf Bitten seiner Oberen konsultierte Pater Giacomo einmal einen berühmten Professor der Neuro-pathologie in Udine. Dessen Diagnose war niederschmetternd: „Der Pater leidet an einem postencephalitischen Parkinsonsyndrom. Die Krankheit wird sich progressiv und unweigerlich verschlimmern; der Patient wird in einigen Jahren völlig hilflos sein.“ Pater Giacomo wurde mit Scopolamin behandelt, einer Substanz, die das Fortschreiten der Krankheit verzögerte und ihre Symptome milderte. 1934 pries sein Vorgesetzter die wunderbare Wirkung der Behandlung: „Er kann gut gehen, spricht fließend und zittert nicht mehr. Er zieht das rechte Bein noch etwas nach … Die Behandlung wird lange dauern.“ Bald brach jedoch der Zweite Weltkrieg aus, und man konnte so gut wie kein Scopolamin mehr auftreiben. Der Pater durfte die Votivmesse der Heiligen Jungfrau nun in seinem Zimmer im Sitzen zelebrieren. Die Fliegeralarme machten ihm Angst; wenn die Sirenen heulten und alle die Schutzräume aufsuchten, flüchtete er sich in die Nähe des Tabernakels in der Kapelle; dort fühlte er sich sicher und konnte wieder zur Ruhe kommen.
Pater Giacomo litt stillschweigend, selbst wenn er starke Schmerzen hatte. „Mir geht es gut“, beteuerte er immer wieder. Ein Brief an seine Schwester Césira aus dem Jahre 1938 lüftete allerdings den Schleier etwas: „Ich hätte dir viele Dinge zu sagen. Momentan ist es aber besser, zu schweigen und zu beten, damit der Herr uns die Kraft schenkt, mit christlicher Ergebenheit die Prüfungen dieses elenden Lebens zu ertragen.“ Sein Motto lautete: „Alles ertragen aus Liebe zu Jesus“. Ein Priesterkollege erzählte später, er selbst habe einmal, als er krank im Bett lag, von Pater Giacomo folgendes Geständnis zu hören bekommen: „Ich kann keine Besserung erwarten. Ich habe mich Gott als Opfer für die Heiligung der Priester dargebracht. Gott hat mein Opfer angenommen und die lethargische Encephalitis zum bestgeeigneten Mittel für die Verwirklichung meines Ideals gemacht.“ Gleichwohl strahlte Pater Giacomo keine Traurigkeit aus. Da er ungern besorgte Mienen um sich sah, zögerte er nicht, Sorgenfalten zum Verschwinden zu bringen, indem er Kuchenstücke verteilte oder eine Flasche entkorkte, die ihm von großzügigen Beichtkindern geschenkt worden waren und die er mit Erlaubnis seines Oberen behalten durfte. Bei all dem blieb er seiner Vorliebe für Enthaltsamkeit und Bußübungen treu: Obwohl er dispensiert war, betete er weiterhin die Stundengebete eifrig mit, und obwohl er vom damals obligatorischen eucharistischen Fasten ab Mitternach befreit war, nahm er vor der Messe lediglich seinen ärztlich verordneten Belladonna-Tee zu sich.
„Ratet mal, wo …“
Bereits 1941 hatte Pater Giacomo seiner Schwester Césira eine Gnade offenbart, die ihm beim Beten für seine verstorbenen Eltern zuteil geworden war: „Ich habe so intensiv an sie gedacht, dass meine Seele heftig den Tag herbeisehnte, an dem sie mit den lieben Eltern im Paradies vereint sein würde, wo sie auf uns warten; da sagte eine Stimme zu mir: ‚Nur Mut, dein Exil wird bald zu Ende gehen, weil der Tag, an dem du mit deinen lieben Eltern im Paradies vereint sein wirst, nicht mehr fern ist.’“ Im Konvent war er freimütiger. Ein Mitbruder bezeugte: „Er sprach recht oft mit echter Freude von seinem baldigen Tod. Er machte den Eindruck, als wüsste er Näheres darüber. ‚Ich sterbe bald’, sagte er. ‚Ratet mal, wo ich sterben werde.’ Wir fragten ihn, ob er spaße. ‚Ich spaße keineswegs. Ich sterbe bald in der Nähe Unserer Lieben Frau, meiner Mutter.’“
1948 bat Pater Giacomo seine Vorgesetzten um die Erlaubnis, nach Lourdes reisen zu dürfen. Als man ihn darauf hinwies, dass sein Gesundheitszustand eine solche Reise nicht gestatte, erklärte er, die Geistlichen der Stadt wünschten ihn als Begleiter und sie könnten ihm gegebenenfalls behilflich sein. Er wolle die Seligste Jungfrau besuchen, selbst wenn es ihn das Leben kosten sollte. Schließlich wurde ihm die Erlaubnis erteilt. Am 20. Juli bestieg er einen Sonderzug nach Lourdes und kam einen Tag später nach einer 35-stündigen Reise dort an. Er war so müde, dass er nicht gleich die Bäder aufsuchte, sondern seine Begleiter bat, zunächst mit ihm den Rosenkranz zu beten. Sein Zustand verschlimmerte sich zusehends; er sprach noch das Magnificat und gab gegen 23 Uhr seine Seele in die Hand Gottes zurück – genau am 19. Jahrestag seiner Priesterweihe. Am 23. Juli wurde er auf dem Friedhof von Lourdes beigesetzt. Seither kommen viele Gläubige an sein Grab, um seiner zu gedenken; sie schmücken es mit frischen Blumen und mit zahlreichen Ex-Votos zum Dank für empfangene Gnaden.
Der Seligsprechungsprozess für Giacomo da Balduina wurde am 2. Dezember 1977 eröffnet. Der Generalpostulator der Kapuziner schrieb an den Erzbischof von Udine: „Die Tätigkeit von Pater Giacomo während seines kurzen, 48 Jahre währenden Lebens – 26 davon im Kloster – beschränkte sich, da er krank war, auf das Leiden und als Priester auf die Gewährung der Vergebung im Sakrament der Versöhnung. Im ersten Bereich zeigte er, wie es einem Christen mit Hilfe von oben gelingt, sowohl dem physischen als auch dem moralischen Leiden zu begegnen, ohne zu klagen, indem er sich Gott als Opfer für die Heiligung der Priester darbrachte. Im Beichtdienst zeigte er, wie dieses verborgene Amt das Leben eines Priesters bereichern und dessen Mitmenschen in der Gnade und im Guten unterstützen kann … In ihm manifestierte sich das gütige Erbarmen Gottes.“
In Lourdes begegnet die Gottesmutter den Sündern immer sehr entgegenkommend. Die Schuldbeladenen suchen den reinigenden Kontakt zur „Unbefleckten Empfängnis“. Ein untrüglicher Instinkt sagt ihnen, dass sie sie verstehen, lieben und trösten wird, indem sie ihnen ein neues Herz, einen neuen Geist schenkt. Lasset uns mit Pater Giacomo da Balduina und auf Einladung Unserer Lieben Frau von Lourdes „für die Bekehrung der Sünder beten und Buße tun“.