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25. März 2021 Hochfest Mariä Verkündigung |
Die am 14. September 1975 von Papst Paul VI. heiliggesprochene Elisabeth Ann Seton ist die erste Blume, die den Heiligenkalender Nordamerikas schmückt. Als verwitwete Familienmutter gründete sie eine religiöse Kongregation, die heute rund 14 000 Mitglieder in 90 Ländern hat.
Die Armen speisen
Elisabeth Ann Bayley wurde am 28. August 1774 in New York als das zweite Kind des Chirurgen Dr. Richard Bayley und seiner Frau, Catherine Charlton, geboren. Beide stammten aus Familien, die ursprünglich aus Großbritannien eingewandert waren. Als leitender Amtsarzt des Hafens von New York betreute Richard die Einwanderer, die nach einer ärztlichen Untersuchung auf Staten Island in Quarantäne waren. Daneben behandelte er auch Patienten aus der Stadt, insbesondere wenn dort Seuchen, wie z.B. das Gelbfieber, wüteten. Elisabeths Großvater mütterlicherseits war 30 Jahre lang Seelsorger der Episkopalkirche St. Andrew’s Church auf Staten Island gewesen. So wurde Elisabeth in den Jahren nach der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten in der Episkopalkirche (der amerikanischen Variante des Anglikanismus) erzogen. Sie war erst drei Jahre alt, als ihre Mutter 1777 starb. Einige Zeit danach heiratete ihr Vater Charlotte Amelia Barclay. Diese beteiligte sich an der karitativen Arbeit der Episkopalkirche und nahm zuweilen die kleine Elisabeth mit, wenn sie Nahrung und Kleidung zu den Armen brachte. Nach der Geburt seines fünften Kindes trennte sich das Ehepaar, und Dr. Bayley zog nach London. Elisabeth und ihre Schwester wurden von einem Onkel mütterlicherseits aufgenommen und machten eine schwere Zeit durch. Gleichwohl hielt das junge Mädchen in seinem Tagebuch etliche Betrachtungen über die Schönheit der Natur sowie der Musik fest; daneben finden sich auch Hinweise auf geistliche und religiöse Bestrebungen.
1794 heiratete Elisabeth den 25-jährigen reichen Reeder William Seton, der aufgrund seines Berufes Europa bereits bereist hatte und viele europäische Freunde besaß. Bald nach der Hochzeit bezog das junge Paar ein schönes Haus in der Wall Street, einer der reichsten Gegenden New Yorks. Williams Familie gehörte auch der Episkopalkirche an; Elisabeth nahm zusammen mit ihrer Schwägerin Rebecca die Hausbesuche wieder auf, die sie einst mit ihrer Stiefmutter begonnen hatte, und wurde Schatzmeisterin des karitativen Werks. Das Ehepaar Seton bekam fünf Kinder und nahm zusätzlich auch noch die fünf jüngeren Geschwister Williams bei sich auf. Doch die Konflikte zwischen Frankreich und England sowie später zwischen den Vereinigten Staaten und England brachten herbe materielle Verluste für die Familie mit sich: Sie verlor sogar ihr Haus. William litt bereits seit Längerem an Tuberkulose; angesichts seines schlechten Gesundheitszustands rieten die Ärzte zu einem Aufenthalt in Italien. Elisabeth und ihre älteste Tochter, die 8-jährige Ann, begleiteten ihn. Die Familie landete am 18. November 1803 in Livorno; da sie aus New York kam, wo gerade das Gelbfieber wütete, wurde sie in einem elenden Lazarett unter Quarantäne gestellt. Elisabeth notierte in ihr Tagebuch: „Ich bin nicht nur entschlossen, das Kreuz zu tragen, ich habe es sogar geküsst. In dem Augenblick, in dem ich Gott für seinen Trost pries, erlitt William einen Anfall, der beinahe über seine Kräfte ging … Als alle eingeschlafen waren, hielt ich unsere kleine Andacht allein, denn William hätte heute nicht mitmachen können.“ Diese Andacht bestand jeweils aus einem Morgen- und einem Abendgebet, das sich das Ehepaar aus den wenigen verfügbaren anglikanischen Gebetbüchern zusammengestellt hatte. Sie spendete Elisabeth Trost während der Quarantäne: „Ich betrachte meine Position als einen Schatz. Mein Leib ist zwar im Gefängnis, doch meine Seele ist in Freiheit – in einem solchen Zustand von Freiheit, dass ich vielleicht niemals etwas Ähnliches genießen werde, solange mein Leib und meine Seele auf dieser Erde vereint sind.“ Selbst die kleine Ann schien geistlich weit über ihr Alter gereift zu sein; sie begriff sehr wohl, dass ihr Vater im Sterben lag. Als sie einmal die Geschichte vom hl. Johannes dem Täufer im Gefängnis gelesen hatte, sagte sie zu ihrem Vater: „Ja, Papa, Herodes hat ihn ins Gefängnis geworfen, aber Frau Herodias hat ihm die Freiheit geschenkt.“ – „Nein, mein Liebling, sie ließ ihn enthaupten.“ – „Aber ja, Papa, sie hat ihn aus dem Gefängnis befreit und zu Gott geschickt!“
Ein tiefes Verlangen nach Christus
Am 17. Dezember endete die Quarantäne, doch William war erschöpft. Die Schönheit der Landschaft auf der Fahrt nach Pisa, wo die befreundete Familie Filicchi ein komfortables Haus für die Setons vorbereitet hatte, zauberte ihm gleichwohl wieder ein Lächeln ins Gesicht. Doch schon bald gewann die Krankheit wieder die Oberhand, und er bat um das „Sakrament“. Da die Setons die Sakramente der Katholischen Kirche – die Eucharistie und die Krankensalbung – nicht empfangen durften, folgten sie der in ihrer Kirche üblichen Praxis: Elisabeth goss betend etwas Wein in einen Kelch, den sie anschließend leerten, wobei sie ihren Blick dankbar auf die Ewigkeit richteten – in Erinnerung an den Kelch des Dankes, den Jesus seinen Aposteln gereicht hatte (Lk 22,17-18). Als der Kapitän des Dampfers, der sie nach Europa gebracht hatte, sie am Weihnachtstag besuchte, vertraute ihm William seine Frau an, damit er sie wieder in die Vereinigten Staaten zurückbringe. Kurz danach gab er am 27. Dezember 1803 seine Seele mit den Worten „Mein Jesus Christus, hab Erbarmen mit mir! Und nimm mich auf!“ in die Hand Gottes zurück.
Williams Geschäftspartner, die Brüder Filippo und Antonio Filicchi, erwiesen sich als wahre Freunde: Sie erledigten spontan sämtliche Formalitäten für die Beerdigung und nahmen Elisabeth mit ihrer Tochter bei sich auf. Dieser erste Kontakt zu einer katholischen Familie machte einen tiefen Eindruck auf die junge Witwe. Die Filicchis zeigten ihr die unvergleichliche, in die toskanische Natur eingebettete Kunststadt Florenz. Durch die Begegnung mit den Natur- und Kulturschätzen gewann Elisabeth wieder Geschmack am Leben, ohne darüber ihren geliebten Gatten zu vergessen. Zu ihrer Überraschung fühlte sie sich gleichzeitig von der tiefen Andacht einer katholischen Gemeinde stark angezogen: „Ich fiel am ersten freien Platz auf die Knie und zerfloss in Tränen.“ Zu intelligent und zu ehrlich zu sich selbst, um diese neuen Gefühle zu unterdrücken, erkundigte sie sich bei den Filicchis nach den konfessionellen Unterschieden zwischen der katholischen Kirche und der Episkopalkirche. Antonio antwortete schlicht: „Eine nur ist wahrhaftig, und ohne sie kann man nicht gottgefällig sein.“ Diese klare Aussage fand rasch ihren Weg in Elisabeths Seele. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, wie schon der hl. Paulus gesagt hatte (Eph 4,5). „Der Herr Jesus, der einzige Erlöser, hat nicht eine bloße Gemeinschaft von Gläubigen gestiftet. Er hat die Kirche als Heilsmysterium gegründet … Die Gläubigen sind angehalten zu bekennen, dass es eine geschichtliche, in der apostolischen Sukzession verwurzelte Kontinuität zwischen der von Christus gestifteten und der katholischen Kirche gibt: ‚Dies ist die einzige Kirche Christi’“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Dominus Jesus, 6. August 2000). Antonio hat demnach die Pflicht christlicher Laien erfüllt, ist Mitarbeiter der Wahrheit geworden (3 Joh 8). Denn wie schon der hl. Thomas von Aquin gesagt hatte: „Die Unterweisung, die zum Glauben bekehrt, kann jedem Gläubigen zukommen“; dieser tut ein geistliches Werk der Barmherzigkeit“ (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 904 und 2447).
Wie man sich bekreuzigt
Am 18. Februar 1804 wollte sich die junge Witwe mit ihrer Tochter nach Amerika einschiffen. Sie trug die Tracht toskanischer Witwen, die auch die Tracht des Nonnenordens werden sollte, den sie später gründete. Die Filicchis begleiteten sie zum Quai. Doch die beiden Frauen mussten ihre Abreise verschieben, da zuerst Ann, dann auch ihre Mutter an Scharlach erkrankten. Die Filicchis nutzten die gewonnene Zeit, um mit der jungen Frau über Religionsfragen zu sprechen; letztere merkte immer stärker, wie fest begründet der katholische Glaube war: „Sie haben Gott im Sakrament. Er bleibt in ihren Kirchen. Neulich fiel ich in einem Augenblick äußerster Verzweiflung auf die Knie, als das Allerheiligste vorbeigetragen wurde. Ich rief nach Gott, damit er mich segne, wenn er da ist.“ Auch von der Mütterlichkeit der Heiligen Jungfrau Maria war sie tief beeindruckt: „Mögen wir durch seine Mutter sicherer zu Ihm finden!“ Die Brüder Filicchi begleiteten sie auf ihrem spirituellen Weg. „Antonio zeigte mir, wie man sich bekreuzigt“, sagte sie, „und in welchem Geiste man das tun muss.“
Bei ihrer Ankunft in New York am 4. Juni war die ganze Familie versammelt außer ihrer tuberkulosekranken Schwägerin Rebecca, die im Sterben lag. Elisabeth eilte zu ihr und offenbarte ihr ihren Glauben an die katholische Kirche, den auch Rebecca übernahm, bevor sie am 18. Juli von Freude beseelt starb. Im Umfeld der Episkopalkirche, für die der Glaube mit einem gewissen religiösen Patriotismus verbunden war, rief Elisabeth hingegen Entrüstung hervor. Hilfe fand sie bei Pater Cheverus, dem Priester der Bostoner Mission, der bei seiner Rückkehr von einer Irlandreise einen Brief Elisabeths vorfand, in dem sie sich zum entscheidenden Schritt bereit erklärte: „Ich suche nur Gott und seine Kirche; von dieser Seite erwarte ich den Frieden, und nicht vonseiten der Menschen.“
Im Februar 1805 betrat Elisabeth zum ersten Mal die damals einzige, dem hl. Petrus geweihte katholische Kirche New Yorks, deren kleine Gemeinde vor allem aus irischen Einwanderern bestand. Vor dem Tabernakel bekannte die junge Frau: „Lieber Gott, lass mich hier bleiben!“ Ihren offiziellen Übertritt zum Katholizismus vollzog sie am 14. März vor dem irischen Dominikanerpater Matthew O’Brien und empfing sogleich auch die heilige Eucharistie, die von da an ihre tägliche Nahrung wurde: „Wie strahlend leuchtet die Sonne jeden Tag zur Morgenstunde, wenn ich aufbreche, um mich auf die heilige Kommunion vorzubereiten!“ Ein Jahr danach empfing sie in Baltimore aus der Hand des ersten Bischofs der ersten Diözese der Vereinigten Staaten, Msgr. John Caroll, das Sakrament der Firmung und gestand ihm, dass sie sich nach einem vollkommen dem Herrn geweihten Leben sehne.
Wie kann ich andere belehren?
Nach und nach trennte sich Elisabeth von ihren früheren Freunden aus der Episkopalkirche, die ihre Konversion nicht akzeptierten; es gab allerdings auch einige, die ebenfalls konvertierten, darunter mehrere Kinder aus ihrer angeheirateten Familie. Elisabeth hatte bereits eine Akademie für junge Mädchen gegründet, doch aufgrund ihres Übertritts zum Katholizismus verlor sie sämtliche Schülerinnen und erwog sogar, nach Kanada auszuwandern, wo es mehr Katholiken gab. 1807 errichtete Papst Pius VII. indes vier neue Diözesen in den Vereinigten Staaten und erhob Baltimore zum Erzbistum. Zum Erzbischof ernannt, beschloss Bischof Caroll, ein erstes amerikanisches Priesterseminar zu gründen, das Mount St. Mary‘s Seminary. Neben dem neuen Seminar eröffnete der französische Sulpizianerpater Louis Du Bourg eine katholische Schule und schlug der jungen Witwe die Gründung einer Mädchenschule unter ihrer Leitung vor. Nach langem Überlegen stimmte Elisabeth dem Vorschlag zu und zog nach Baltimore um.
Mit ihren Töchtern und vier weiteren Mädchen im Pensionat wurde die Schule im September 1808 eröffnet. Im Januar 1809 kamen weitere Kinder hinzu, die auf die Erstkommunion vorbereitet werden sollten. Pater Du Bourgs Pläne gingen allerdings weiter: Er machte Elisabeth auf ihren Wunsch hin mit dem Ordensleben vertraut. Bald entstand eine Kommunität, und mehrere junge Mädchen schlossen sich dem neuen Werk an. Man begann, Elisabeth „Mutter“ zu nennen. Diese fragte sich demütig: „Wie kann ich andere belehren, wo ich mich doch selbst so wenig kenne und so elend und unvollkommen bin?“ Doch im Vertrauen auf die Kraft der Gnade Gottes meinte sie später: „Wir wissen mit Sicherheit, dass Gott uns zu einem Leben der Heiligkeit beruft. Wir wissen, dass Er uns alle notwendigen Gnaden in Fülle zur Verfügung stellt. Mögen wir in uns selbst noch so schwach sein, diese Gnade kann uns dazu verhelfen, alle Hindernisse zu überwinden.“
Die Schwestern legten sich eine einheitliche Ordenstracht zu, und zwar die, welche die Gründerin nach ihrer Rückkehr aus Italien stets getragen hatte. Pater Du Bourg wurde zum kirchlichen Vorgesetzten der Gemeinschaft ernannt. Am 2. Juni 1809 legte Mutter Seton in Gegenwart von vier Mitschwestern ihre ersten Gelübde (Gehorsam, Keuschheit und Armut) vor Bischof Caroll ab und gründete damit die erste Frauenkongregation auf nordamerikanischem Boden. Der Wahlspruch der Kongregation vereinte drei Stellen aus dem Neuen Testament: Die Liebe Christi drängt uns (2 Kor 5,14) – Armen wird das Evangelium verkündet (Mt 11,5) – Ein Herz und eine Seele (Apg 4,32). Die Aufnahme von Elisabeths junger, zum Katholizismus übergetretener Schwägerin Cecilia Seton beschleunigte die Verwirklichung der Umzugspläne des Konvents, der bereits ein Anwesen im 75 km von Baltimore entfernten Emmitsburg erworben hatte. Der Umzug fand 1809 statt. Da das Gebäude noch nicht für die Aufnahme der Schwestern hergerichtet war, mussten diese vorübergehend im Haus des Sulpizianerpaters Dubois wohnen, der die örtliche Mission leitete. Das Wichtigste für die Mutter war stets, dass man den Willen Gottes erfüllte: „Das erste Ziel, das ich euch in unseren täglichen Aufgaben setze, ist, Gottes Willen zu tun; das zweite, ihn so zu tun, wie Er will. Und schließlich: ihn zu tun, weil es sich um den Willen Gottes handelt.“ In der Tat lenkt Gott, der uns unendlich liebt, alle Ereignisse durch seine Vorsehung und macht, dass denen, die Gott lieben, alles mitwirkt zum Guten (Röm 8,28). Mutter Elisabeth plante auch da die Errichtung einer Schule mit Pensionat sowie einem Heim für die Schwestern. Seit ihrem Aufenthalt in Italien wurden ihre Werke von den Filicchis großzügig unterstützt, ebenso von einem reichen Konvertiten namens Samuel Cooper, der später selbst in das Seminar von Mount St. Mary eintrat und Priester wurde. Ein Jahr später war aus Elisabeths kleiner Schule die St.-Joseph’s-Academy für die Erziehung katholischer Mädchen geworden.
Niedrige Pforten
Im Laufe ihres Ordenslebens wurde Mutter Elisabeth stets von ihren Beichtvätern unterstützt, die alle Sulpizianer waren. Dieser Beistand war ihr besonders wertvoll, als 1810 Pater David, auch er ein Sulpizianer, zum neuen kirchlichen Oberen ihres Instituts ernannt wurde. Die Gründerin stieß bei ihm monatelang auf Unverständnis; er versuchte sogar, sie zum Verlassen des Mutterhauses zu bewegen. Doch schließlich wurde er zur großen Erleichterung der Schwestern bald durch Pater Dubois ersetzt. 1811 nahm der Konvent den Namen Sisters of Charity of St. Joseph’s an und übernahm die Regel des hl. Vinzenz von Paul und der hl. Louise de Marillac. Wie die Töchter des hl. Vinzenz hatten die Schwestern „als Klausur den Gehorsam und als Gitter die Gottesfurcht“. Die Mutter ermahnte sie zum Beten: „Wir müssen pausenlos beten, bei jedem Anlass und bei jeder Aufgabe unseres Lebens; dieses Gebet ist die Gewohnheit, unser Herz zu Gott zu erheben, in ständigem Zwiegespräch mit Ihm.“ Sie legte ihnen auch die Demut ans Herz: „Die Pforten des Himmels sind niedrig. Nur demütige Menschen werden eintreten können.“
Elisabeth musste aufgrund von internen Missverständnissen, die sich nach dem Tod von zwei ihrer leiblichen Töchter sowie mehreren jungen Nonnen ergaben, viele Kreuze auf sich nehmen. Angesichts dieser Prüfungen bekannte sie: „Der Glaube erhebt die Seele. Die Hoffnung stützt sie. Die Erfahrung sagt, dass das kommen musste. Und die Liebe sagt uns, dass das so sein muss. Amen!“ Sie war schon seit längerer Zeit krank und sagte selbst, sie schreite „einen überaus sanften und kaum wahrnehmbaren Abhang hinunter in Richtung geliebter Ewigkeit. Der altersbedingte Verfall hat die Aussicht vor meinen Augen bereits so verkürzt, dass ich jenseits der momentanen Gegenwart nichts mehr sehen kann … Ich tue, was ich kann, um mich auf dem engen Pfad zu halten, der zu Gott allein führt.“ Innerlich machte Mutter Seton eine schwere Krise voller Dürre, Leere und Angst durch. Nichts davon drang zwar nach außen, doch ihre Briefe an ihren geistlichen Betreuer zeugten davon. Das Leiden hinderte sie nicht am Schreiben: „Ich bemühe mich, aus jedem meiner Atemzüge ein unaufhörliches Dankgebet zu machen.“ Sie erinnerte sich an frühere Freundinnen und schrieb ihnen: „Die Lebensumstände trennen uns von unseren liebsten Freunden, aber wir dürfen nicht verzweifeln, Gott ist wie ein Fernglas, durch welches die Seelen einander sehen können. Je inniger wir in Liebe mit Ihm verbunden sind, desto näher sind wir all jenen, die Ihm gehören.“
Kinder der Kirche
Mutter Seton sorgte auch für die religiöse Unterweisung der Kinder aus der Nachbarschaft. 1812 gab es zwar einige arme Mädchen an ihrer Schule, doch die meisten Schülerinnen kamen aus wohlhabenden Kreisen, die sowohl Pensions- als auch Schulgeld bezahlten. Bald kehrte sich das Verhältnis um: Es wurden 40 arme Schülerinnen unentgeltlich unterrichtet und mit Schulbüchern sowie Mahlzeiten versorgt. Die Töchter der Liebe waren je nach Bedarf auch anderweitig karitativ tätig, so in der Armen- und Krankenpflege. Schon bald bat der Erzbischof von Baltimore um eine Gründung in seiner Residenzstadt. 1814 folgte eine Niederlassung in Philadelphia und 1817 eine in der Diözese New York, wo sich die Schwestern zunächst der vielen Waisen der Stadt annahmen.
Zu Beginn des Sommers 1820 verschlechterte sich Elisabeths Gesundheitszustand: Sie litt unter Husten, Migräne und Fieber. Auf Drängen von Pater Dubois hatte man die Errichtung eines neuen Gebäudes für die Klosterschule in Angriff genommen, und die Mutter musste die Baustelle überwachen. Bald war sie gezwungen, das Bett zu hüten, doch auch da befolgte sie die Regel so getreu, wie es ihr möglich war, und sprach den Schwestern Mut zu. Mitte September empfing sie die Krankensalbung. Danach trat eine Besserung ein. Das Weihnachtsfest stand wiederum im Zeichen der Angst, da jede Schwester wusste, dass die Oberin im Sterben lag. Am 1. Januar empfing sie zum letzten Mal die Kommunion. Anschließend dankte sie allen anwesenden Schwestern und sagte: „Seid Kinder der Kirche! Seid Kinder der Kirche!“ Eine Schwester, die bei ihr wachte, hörte sie eines Nachts ein von Papst Pius VII. kurz zuvor verfasstes Gebet sprechen: „Es geschehe, werde gelobt und in Ewigkeit hochgepriesen der gerechteste, höchste und liebenswürdigste Wille Gottes in allem!“ Sie gab am 4. Januar frühmorgens im Alter von 46 Jahren ihre Seele in die Hand Gottes zurück. Sie wurde auf dem Friedhof des Konvents beerdigt, wo sich heute das Nationalheiligtum der hl. Elisabeth Ann Seton befindet. In ihrer letzten Lebensphase stand Elisabeth ihre jüngste Tochter Catherine Seton (1800-1891) bei, die später selbst als Nonne der irischen Kongregation der Schwestern der Barmherzigkeit beitrat. 1821 gab es in den Vereinigten Staaten bereits 20 Häuser der Sisters of Charity. Im Laufe der Zeit wurden mehrere von ihnen eigenständige Institute, darunter auch das New Yorker Haus.
Die hl. Elisabeth Seton hat sowohl während ihrer Suche nach der Wahrheit viel gelitten, als auch, um der erkannten Wahrheit treu zu bleiben. Möge sie auch für uns eine unverbrüchliche Treue zur katholischen Kirche, der Braut Christi, sowie eine noch intensivere Einsatzbereitschaft in ihrem Dienst erwirken!