Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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21. März 2012
"Transitus“ (Todestag) des hl. Benedikt


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Die Armen sind Wechsel der göttlichen Vorsehung in unserer Hand. Wenn ihr erkennt, wen die Armen dieser Erde repräsentieren, werdet ihr ihnen auf Knien dienen. Seid gewiss: Die Bank der Vorsehung geht niemals bankrott«, sagte Pater Jakob zu den Franziskanerinnen vom Kreuz des Libanon, deren Kongregation er für die Armen- und Krankenpflege gegründet hatte. Der Kapuzinerpater hatte mit großer Energie gegen Armut, Krankheit und Unwissenheit im Libanon angekämpft.

Khalil Haddad, der spätere Pater Jakob (Abuna Yaaqub), wurde am 1. Februar 1875 in Ghazir im Libanon geboren. Seine Eltern waren Schneider und hatten insgesamt 14 Kinder, von denen 6 in jungem Alter verstarben. Die Mutter gab Khalil folgenden Rat mit: „Du kannst Gott zuliebe alles tun und alles ertragen ... Greif zum Rosenkranz in schwierigen Momenten.« Der Vater war ein frommer Mann, der die Kinder streng erzog. Khalil erbte von ihm neben seinem gesunden Menschenverstand auch seinen Sinn für Humor und seine Entschlussfreude. Khalils Kindheit verlief ruhig abgesehen von einem Unfall: Er war am Vorabend eines 15. Augusts mit Freunden auf die Kirchenterrasse gestiegen, wo nach örtlichem Brauch ölgetränkte Asche verstreut und in der Nacht entzündet wurde. Die Flammen griffen plötzlich auf seine Kleider über. Er rannte schnell davon, doch dadurch wurde das Feuer noch weiter angefacht, so dass er zu verbrennen drohte. Glücklicherweise konnten die Flammen bald erstickt werden, und der Junge trug keine Brandwunden davon. Seine Rettung betrachtete er fortan als eine Gunst des Himmels.

„Nein, nein, ich nicht!«

Khalil ging in Ghazir zur Schule. Als intelligenter,  fleißiger und gewissenhafter Schüler hatte er keiner–lei Schulprobleme. Eines Tages verriet seine Mutter den Kindern bei Tisch ihren Herzenswunsch: „Was wäre ich glücklich, wenn einer von euch Priester würde!« Ihr Blick fiel auf Khalil. „Warum schaust du mich an?«, protestierte dieser. „Schau die Anderen an. Nein, nein, ich nicht!« Im Juli 1891 erhielt Khalil zum Schulabschluss mit Zustimmung der Lehrer den sogenannten Weisheitspreis, der von den Schülern per Abstimmung vergeben wurde. 1892 folgte er der Einladung eines entfernten Onkels nach Alexandrien (Ägypten) und wurde gleich nach seiner Ankunft von den Schulbrüdern des Collège Saint-Marc als Arabischlehrer engagiert. Er sandte nach Abzug der Ausgaben für seinen Lebensunterhalt alles, was er verdiente, nach Hause. Um seinen Glauben und seine Reinheit zu bewahren, betete Khalil viel und war ein eifriger Kirchenbesucher. Eines Tages ging er auf Drängen eines Freundes zu einer Fotoschau mit. Bald war er jedoch von den provozierenden Bildern so angeekelt, dass er sich die Augen zuhielt; er nahm sich vor, nie mehr auf so etwas hereinzufallen.

Die Schamhaftigkeit, die Khalil da an den Tag legte, ist die Weigerung, zu enthüllen, was verborgen bleiben soll. Sie wahrt den Intimbereich des Menschen. Sie ist auf die Keuschheit hingeordnet, deren Feingefühl sie bezeugt. Sie lenkt Blicke und Gesten entsprechend der Würde der Menschen. Zur Schamhaftigkeit gehört auch Bescheidenheit. Sie beeinflusst die Wahl der Kleidung. Wo sie die Gefahr einer ungesunden Neugier vermutet, gebietet sie Schweigen und Zurückhaltung (s. Katechismus der Katholischen Kirche, 2521-2523). Auch wenn die Schamhaftigkeit heutzutage mitunter lächerlich gemacht wird, bleibt sie nach wie vor unerlässlich und muss allen beigebracht werden, denn sie erzieht zum Respekt vor der menschlichen Person und garantiert die Freiheit sowie die Intimsphäre eines jeden. Es gibt einen realen Zusammenhang zwischen Schamlosigkeit und gesellschaftlichen Verirrungen: Morden, Pädophilie, Abtreibung ...

Bei der Trauerfeier eines Franziskanerpaters am 28. Februar 1893 erkannte Khalil, wie schön die völlige Ungebundenheit war, die dieser Mönch vorgelebt hatte: „Ja, ich werde Priester«, sagte er sich. „Ich werde Gott gehören, und nichts soll mich aufhalten.« Seine Kameraden spotteten über seine häufigen Kirchenbesuche und erzählten ihm derbe Witze über Kleriker, insbesondere über einen unseligen Priester, dessen Lebensführung seines Amtes unwürdig war. Dieser Fall betrübte Khalil so sehr, dass er nächtelang für den Betreffenden betete. Seinen Kameraden erklärte er: „Na gut, ich werde Priester, und ich werde euch zeigen, was ein guter Priester ist!« – „Wir sind gespannt, heiliger Mann!«, wurde ihm erwidert.

Wenigstens einmal die Messe feiern

Als Khalils Vater von diesem Entschluss erfuhr,  sträubte er sich zunächst sehr dagegen. Doch Khalil blieb fest, bis sein Vater schließlich nachgab und ihn im August 1893 zum nahegelegenen Kapuzinerkloster begleitete. Khalil war überglücklich. Er wurde bald eingekleidet und erhielt den Namen Bruder Jakob (Yaaqub). Im Kloster lebten viele junge Mönche, die aus Frankreich vertrieben worden waren. Nach seiner ersten Profess am 14. April 1895 begann Bruder Jakob Philosophie und Theologie zu studieren. Die Studenten mussten einen Großteil der laufenden Arbeiten im Haus erledigen: nähen, fegen, gärtnern, waschen. Gröbere Arbeiten hoben sie sich für die Ferien auf. Daneben wurde Bruder Jakob wegen seiner guten Arabischkenntnisse sowie seiner Vertrautheit mit den Landessitten auch bei verschiedenen Missionsaktionen eingesetzt. Ab dem Jahr 1896 kamen seelsorgerliche Aufgaben hinzu, insbesondere die Exerzitien im Marien-Monat. Seine ewige Profess legte er am 24. April 1898 ab und begann danach ein Priesteramtsstudium: „Mein Gott«, betete er, „gib, dass ich wenigstens ein einziges Mal die heilige Messe feiern kann, danach kannst du mich gern zu dir nehmen.« Am 1. November 1901 wurde er zum Priester geweiht und sollte seine Primiz in Ghazir zelebrieren. Auf der Reise dorthin stürzte seine Pferdekutsche in eine Felsenschlucht. Pater Jakob steckte blutüberströmt im Fahrzeug fest. Er sah seine letzte Stunde kommen und bat die heilige Gottesmutter um ihren Beistand. Schließlich wurde er doch aus dem Wrack befreit, und so konnte er am nächsten Tag in seinem Dorf die Messe lesen.

Abuna Yaaqub wurde bald zum Ökonom der libanesischen Kapuzinerklöster ernannt. Das Amt bürdete ihm lange Fußmärsche über schmale Bergpfade auf. Er sagte einmal: „Wenn ein Preis für die Anzahl zurückgelegter Kilometer ausgelobt würde, wäre ich der Champion!« Im Sommer lief ihm der Schweiß herunter, im Winter ließen ihn Regen und Schnee vor Kälte erstarren. Trotz aller unterwegs lauernden Gefahren führte er Aufträge der Brüder und Schwestern, denen er begegnete, bereitwillig aus. Seine Vorgesetzten nahmen ihn gern als Reisebegleiter mit, denn er konnte ihnen als Dolmetscher und Führer dienen. Im Juli 1910 durfte Pater Jakob ein Schiff nach Frankreich besteigen: Zum Dank für seine mühselige Arbeit hatte ihm die Ordensleitung eine Pilgerreise nach Lourdes, Rom und Assisi geschenkt. In Rom wurde ihm vom heiligen Papst Pius X. eine Audienz gewährt.

Ab 1905 war Abuna Yaaqub für die Schulen der Kapuziner in den Bergen verantwortlich. Er lehnte große Bildungsanstalten ab und plädierte für die Einrichtung kleiner, kostenloser Schulen im ganzen Land, die Unterricht für alle, insbesondere auch für Kinder aus armen Familien, anboten. In 5 Jahren ließ er die Anzahl der Schulen von 15 auf 230 steigen. Er war unermüdlich im Einsatz: Er musste Räume, Lehrer, Mobiliar, Schulmaterial und finanzielle Mittel auftun, sich Beschwerden von Angehörigen anhören und Streitfälle schlichten. Vor allen Dingen wollte er den Glauben der Kinder stärken. „Bis vor Kurzem gehörte der einfache und unerschütterliche Glaube zum Erbe unseres libanesischen Volkes und erstrahlte dort in vollem Glanze. Seit einigen Jahren scheint der Glanz zu verblassen. Schuld daran war zunächst der Hunger nach Gold. Amerika kam den Leuten wie eine Goldmine vor; sie wanderten und wandern immer noch zu Tausenden aus, um ihr Glück zu versuchen ... Kommen sie zurück, so haben sie etwas verloren, manchmal ihre Überzeugungen, vor allem aber ihre religiösen Gewohnheiten ... Dem kann nur entgegengewirkt werden, indem man in den Seelen den Glauben weckt und die Kinder schützt; das bedeutet wiederum beharrliche Unterweisung im Katechismus, und zwar auf Arabisch, Durchführung von Exerzitien sowie Vorbereitung auf die Erstkommunion.«

Eine unverzichtbares Erfordernis

Das Studium des Katechismus ist nach wie vor eine  vordringliche Aufgabe für alle Christen. Bei einer Generalaudienz vom 30. Dezember 2009 hob Papst Benedikt XVI. hervor, „dass die organische Darlegung des Glaubens ein unverzichtbares Erfordernis ist ... Der Katechismus des Katholischen Kirche wie auch das Kompendium desselben Katechismus bieten uns gerade dieses vollständige Bild der christlichen Offenbarung, die es in Glauben und Dankbarkeit anzunehmen gilt. Ich möchte daher auch die einzelnen Gläubigen und die christlichen Gemeinden dazu ermutigen, diese Instrumente zu nutzen, um die Inhalte unseres Glaubens zu kennen und zu vertiefen.« So forderte der Papst die Jugendlichen im Vorfeld des Weltjugendtages in Madrid auf: „Studiert den Katechismus!... Opfert Lebenszeit dafür!... Ihr müsst wissen, was Ihr glaubt. Ihr müsst Euren Glauben so präzise kennen wie ein IT-Spezialist das Betriebssystem eines Computers ... Ja, Ihr müsst im Glauben noch viel tiefer verwurzelt sein als die Generation Eurer Eltern, um den Herausforderungen und Versuchungen dieser Zeit mit Kraft und Entschiedenheit entgegentreten zu können« (Osservatore Romano in dt. Sprache, 11. Februar 2011).

Bei seinen Schulbesuchen wurde Pater Jakob oft gebeten, Predigten oder Exerzitien zu halten. Sein Nachlass umfasst 24 Predigtbände und jede Menge Einzelblätter. Er predigte überaus gern und würzte seine Predigten mit spannenden Anekdoten sowie Beispielen aus dem Leben der Heiligen. „Der Prediger ist das Sprachrohr Gottes«, sagte er. „Ich bin ein Rufer in der Wüste, d.h. im Herzen des Sünders, denn dieses gleicht einer Wüste. Welche Ödnis herrscht dort, wo Gott abwesend ist!« Er stellte sich oft auch als Beichtvater zur Verfügung.

Abuna Yaaqub warb eifrig für den Dritten Orden der Franziskaner. Er erinnerte gern an die Mahnungen des heiligen Franziskus, die Sünde zu hassen und ein bußfertiges Leben zu führen; den Leuten, die sich daraufhin seiner Führung anvertrauen wollten, zeigte er einen neuen, dem Laienstand angepassten Weg auf, den Weg des Dritten Ordens. „Der in der Welt herrschende Zeitgeist ist dabei, die Erwählten ins Wanken zu bringen«, sagte er. „Er kann nur durch eine christliche Gesinnung überwunden werden. Diese Gesinnung wiederum liegt den Voraussetzungen für die Aufnahme in den Dritten Orden zugrunde: Wohlverhalten, Friedensliebe, Verbundenheit mit dem katholischen Glauben und Gehorsam der Kirche gegenüber.« Seine erste Bruderschaft des Dritten Ordens gründete Pater Jakob 1906 in Beirut; rund 20 Jahre später gab es bereits über 10000 Tertiäre. Den Alltagsbetrieb der Bruderschaften vertraute er Geistlichen an, die selbst dem Dritten Orden angehörten, und behielt sich lediglich die Oberaufsicht sowie die Organisation von Regional- und National–versam–mlungen vor. Am 1. Januar 1913 brachte er unter dem Titel „Der Familienfreund« eine Zeitschrift zu den Themen Spiritualität, Erziehung und Poesie heraus. Daneben veröffentlichte er verschiedene Werke, darunter eine Lebensgeschichte des hl. Franziskus, einige religiöse Theaterstücke sowie Texte zum Kreuzweg.

Sich festhalten können

Als während des Ersten Weltkriegs alle französischen  Kapuziner den Libanon verlassen mussten, wurde Abuna Yaaqub Oberhaupt der libanesischen Kapuziner. Unter der türkischen Besetzung schwebte er ständig in Lebensgefahr, zumal das Land unter einer Hungersnot und einer Typhusepidemie litt. Er klammerte sich mit unerschütterlichem Glauben an das Kreuz: „Wir blicken auf diese schreckliche Zeit, in der sämtliche Schicksalsschläge über uns gekommen sind: Die Gegenwart macht uns Angst, die Zukunft lässt uns zittern. Werden wir der Mutlosigkeit und der Verzweiflung anheimfallen? Nicht doch! Der erfahrene Christ fasst sich in Ruhe und Geduld, denn er weiß, dass Gott die Fäden der Ereignisse in der Hand hält ... Das Unglück öffnet die Augen, die der Wohlstand verschlossen hatte.«

Bereits seit Langem plante Abuna Yaaqub den Bau eines Versammlungszentrums für seine Bruderschaften. Nach dem Krieg kam ein weiteres Vorhaben hinzu: die Errichtung einer Gedenkstätte für die vielen namenlosen libanesischen Toten, an der man auch die Gottesmutter um ihren Segen für die libanesischen Emigranten bitten konnte. 1919 kaufte der Pater ein Grundstück in Jall-Eddib auf einem Hügel, wo er ein kleines, Unserer Lieben Frau vom Meer geweihtes Kloster errichtete. 1923 weihte er dort neben einem weiteren Gebäude eine Statue der Gottesmutter mit Jesus auf dem Arm und einem Schiff zu ihren Füßen ein. Zwei Jahre danach wurde auf dem Dach des Gebäudes ein 10 m hohes Kreuz aufgestellt. Pater Jakob war selig. 1929 begann er mit der Errichtung eines 20 m hohen Monumentalkreuzes in der Kleinstadt Deir el-Qamar; es wurde 1932 geweiht. Von da an wurde dort jedes Jahr ein großes Kreuzfest gefeiert, zu dem Tausende von Tertiären und einfachen Gläubigen herbeiströmten. Bald wurde auch ein Kreuzweg eingerichtet sowie eine Nachtbeleuchtung installiert.

1925 nahm Abuna Yaaqub einen Erweiterungsbau für das Heiligtum Unserer Lieben Frau vom Meer in Angriff. 1926 wurde er eines Tages als Beichtvater zu einem kranken Priester gerufen, einem ehemaligen Mönch, der sein Kloster verlassen hatte und diese Tat nun bereute. Pater Jakob nahm ihn in das Haus Unserer Lieben Frau auf; das war die Geburtsstunde seines Hilfswerks für ältere Geistliche sowie für körperlich und geistig Behinderte. „Sie dürfen niemals einen Priester abweisen, der an die Tür unseres Klosters klopft«, schärfte er seinen Nonnen ein. „Wenn kein Zimmer frei ist, geben Sie ihm meins ... Er ist nämlich Christus auf Erden. Wir müssen ihm Achtung und Ehre erweisen.« Bald kamen weitere Priester, Kranke und Behinderte hinzu. 1948 beherbergte das Heiligtum vom Kreuz (Unsere Liebe Frau vom Meer) bereits 400 Patienten.

„Die Anzahl der Ave Maria«

Angesichts der wachsenden Arbeitsbelastung fasste  Abuna Yaaqub die Gründung einer neuen religiösen Kongregation ins Auge, die ebenfalls dem Dritten Orden der Franziskaner angehören sollte. Im Sommer 1929 fand sich, unterstützt von den Franziskanerinnen, eine kleine Gruppe junger Tertiärinnen zusammen; sie versorgten die Patienten, bekamen eine Ausbildung und wurden mit allen anfallenden Arbeiten vertraut gemacht. Ihr Leben war hart: Sie mussten Brotteig kneten, Wasser von der Quelle holen, im Wald Reisig sammeln, die Wäsche zum Waschen in das Dorf Jall-Eddib tragen ... Dennoch ging alles fröhlich und begeistert vonstatten, da in jeder dieser frommen Seelen das gleiche innere Feuer brannte. Pater Jakob übernahm die geistliche Ausbildung der jungen Frauen und legte großen Wert auf Eintracht, Nächstenliebe, Selbstlosigkeit sowie ein stilles, demütiges Leben. Der Konvent wuchs schnell. Auf einer Predigtreise durch Palästina betete der Pater an einem Sommerabend des Jahres 1936 in einer Kirche in Nazareth zu Maria: „Gib, dass in der Stunde meines Todes die Zahl meiner Nonnen der Anzahl der Ave Maria entspricht, die ich bis zur Schließung dieser Kirche beten kann.« Er begann mit dem Rosenkranz. Als er gerade die hundertfünfzigste Perle durch seine Finger gleiten ließ, erschien der Küster, um die Kirche abzu–schlie–ßen. Beim Tode Abuna Yaaqubs 18 Jahre später zählte seine Kongregation 150 Mitglieder.

Ab 1937 gewährte die libanesische Regierung eine finanzielle Zuwendung für jede Person, die von den Schwestern beherbergt wurde. Von da an wurden Alte, Gebrechliche, Blinde, geistig Behinderte usw. scharenweise von den Regierungsbehörden und Gemeindeverwaltungen zu ihnen geschickt. Es mussten weitere Heime und Pflegeeinrichtungen eröffnet, die immer neue Finanzie-rungsquellen erschlossen werden. Als Pater Jakob einmal nach seiner Buchführung gefragt wurde, erwiderte er: „Davon verstehe ich nichts. Gott ist mein Buchhalter. Ich behalte nie etwas. Was bei mir eingeht, gebe ich sofort für die Armen aus.« Sein Gottvertrauen ließ ihn gleichwohl nie unvorsichtig werden: Er achtete darauf, sich beim Bau der 14 von ihm gegründeten Anstalten (Schulen, Altersheimen, Krankenhäusern ...) niemals zu verschulden. Seine vielfältige Arbeit bescherte ihm zahlreiche Kontakte - zu Regierungsmitgliedern wie zu zivilen und kirchlichen Behörden; er blieb dabei stets korrekt und hatte nie eine gerichtliche Auseinandersetzung zu bestehen.

Der einzige Weg der Rettung

Krönung seines Lebenswerks wurde das Heiligtum,  das er aus einer inneren Regung heraus Christus dem König errichtete, dem er das christliche Libanon weihen wollte. Papst Pius XII. hatte in seiner Enzyklika Summi Pontificatus geschrieben: „Am Eingang des Weges, der zur geistigen und sittlichen Not unserer Tage führt, steht der todbringende Versuch von nicht wenigen, Christus zu entthronen; die Verwerfung des Gesetzes der Wahrheit, das Er verkündete; des Gesetzes der Liebe, die der lebenspendende Odem Seines Reiches ist. Die Königsrechte Christi wieder anerkennen, zurückfinden zum Gesetz Seiner Wahrheit und Seiner Liebe, das ist der einzige Weg der Rettung für den Einzelmenschen und die Gemeinschaft« (20. Oktober 1939). Abuna Yaaqub wählte als Standort einen Hügel aus, auf dem die sogenannten „Königsruinen« standen, eine in Stein gehauene Erinnerung an die siegreichen Armeen antiker Herrscher. Der 1950 begonnene Bau umfasste sowohl eine Basilika als auch Wohnheime für alte und kranke Geistliche und Nonnen. Das Gebäude war von einer 12 m hohen Statue des Heiligsten Herzens Jesu gekrönt. Die feierliche Einweihung fand am Christkönigsfest im Oktober 1952 statt. Zuvor hatten Bauarbeiter zur Freude des Paters noch eine unterirdische Grotte entdeckt, in der er eine Kapelle zu Ehren der Unbefleckten Empfängnis Mariens einrichten ließ.

Über die Verwirklichung seiner Pläne vergaß Abuna Yaaqub nie seine Berufung zum Kapuziner. Sein Tagesablauf wurde durch das Gebet gegliedert. Besonders innig verehrte er die Eucharistie sowie das Kreuz Christi. In seinen letzten Lebenstagen sagte er immer wieder: „Das Kreuz ist mein Leben! Ich grüße dich, mein Kreuz! Du lagst immer auf meiner Brust, auf meinem Tisch, in meinem Zimmer und auf meinen Wegen.« Eines seiner letzten Worte lautete: „O du von Herzen geliebtes Kreuz des Herrn!«

Abuna Yaaqub war stets von einer robusten Gesundheit; dennoch diktierte er im Mai 1954 folgende Zeilen: „Mein Kopf ist noch frei, aber sonst fühle ich mich voller Gebrechen: Schlaflosigkeit, grauer Star, Prostata, Ekzem; ich bin ein wandelndes Krankenhaus, denn ich kann immerhin noch gehen und tue meine Arbeit, so gut ich kann.« Als bald danach zufällig Leukämie bei ihm entdeckt wurde, jubelte er: „Wie mich das freut und tröstet: Ich gehe meinem himmlischen Vater entgegen.« Die besorgte Oberin der Schwestern tröstete er mit den Worten: „Haben Sie keine Angst. Wenn ein Mensch von einem Raum in einen anderen geht, hat er deswegen die Seinen im Stich gelassen und aufgehört, ihnen zu helfen?... Ich wechsele in den Himmel über und werde Ihnen auch von dort aus beistehen.« Den Schwestern versicherte er: „Solange Sie in Eintracht leben und die Liebe unter Ihnen regiert, wird Ihnen niemand etwas anhaben können. Jede von Ihnen soll ihr Leben für die Mitschwestern opfern.« Die gegenwärtig in sechs Ländern tätigen 230 Franziskanerinnen vom Kreuz des Libanon erfüllen auch heute noch ihre Mission.

Am 26. Juni empfing Abuna Yaaqub die Letzte Ölung sowie das Sterbesakrament und gab um drei Uhr nachmittags mit den Worten „Jesus, Maria, Josef« seine Seele in die Hand Gottes zurück. Er wurde am 22. Juni 2008 seliggesprochen.

Zusammen mit Papst Benedikt XVI. beten wir dafür, dass „die Fürsprache des seligen Abuna Yaaqub zusammen mit der Fürsprache der Heiligen des Libanons es jenem geliebten und gemarterten Land, das so viel gelitten hat, gewähre, endlich in Richtung eines dauerhaften Friedens zu gehen.«

Dom Antoine Marie osb

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