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18. Mai 2006 Hl. Johannes I., Papst |
Karl von Habsburg, der älteste Sohn von Erzherzog Otto und Maria Josefa von Sachsen, wurde am 17. August 1887 in Persenbeug, nicht weit von Wien, geboren. Der Junge war ein Großneffe des österreichischen Kaisers Franz Joseph. Er wuchs in der liebevollen aber strengen Obhut seiner Mutter, einer treuen Christin, auf. Sein Vater führte ein skandalumwittertes Leben. Karl wurde von christlichen Lehrern erzogen, die seine hervorragenden Anlagen förderten. Er hatte einen einzigen Fehler: seine Scheu.
Seine Erstkommunion empfing Karl 1898 in Wien. «Wüsste man nicht, wie man betet, könnte man es von diesem jungen Herrn lernen», kommentierte einer der Anwesenden. Das Kind besuchte das öffentliche Gymnasium schottischer Benediktiner in Wien, wo sich seine Begabungen entfalteten: Aufrichtigkeit, Nächstenliebe, Beharrlichkeit und Bescheidenheit. Wenn auch seine Gesundheit einige Sorgen bereitete, machte Erzherzog Karl auf geistigem und spirituellem Gebiet kontinuierlich Fortschritte. In seinem Benehmen tadellos, war er doch immer auch fröhlich und sehr musikliebend. 1905 schlug er die für einen Habsburger übliche militärische Laufbahn ein. Im darauf folgenden Jahr verlor er seinen Vater, der unerwartet fromm und gefasst verschied. Somit war er Zweiter in der Thronfolge hinter seinem Onkel Franz Ferdinand, der ihn in die Staatsgeschäfte einführte.
Uns gegenseitig in den Himmel helfen
1912 diente Karl als Rittmeister in Galizien; er kümmerte sich aktiv um seine Truppen, um ihr materielles und moralisches Wohlbefinden zu bessern. Am 20. November gebar Zita einen Sohn, Otto; sechs Jahre danach, am Tage der Erstkommunion dieses Erstgeborenen, weihte Karl seine Familie dem Heiligsten Herzen Jesu. Anfang 1914 machte ihm der Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinand, die vertrauliche Mitteilung: «Ich bin überzeugt davon, dass ich ermordet werde.» Tatsächlich hatten die Freimaurer Franz Ferdinand zum Tode verurteilt, da er ihrem Plan, das katholische Österreich-Ungarn zu zerstören, im Wege stand. Dass die Freimaurer so darauf versessen waren, das letzte katholische Reich Europas zu vernichten, kann nicht überraschen. Diese Gruppen, selbst wenn sie sich spiritualistisch nannten, haben ein dem Übernatürlichen verschlossenes Weltbild und lehnen den Begriff der göttlichen Offenbarung ebenso ab wie den Begriff des Dogmas; das ist der Grund dafür, dass die Freimaurer die katholische Kirche immer wieder bekämpfen. Ein hochrangiger Freimaurer gab 1990 diesen grundlegenden Antagonismus zu: «Der Kampf, der gegenwärtig geführt wird, entscheidet über die Zukunft der Gesellschaft. Dabei stehen sich zwei Kulturen gegenüber: Die eine gründet auf dem Evangelium, die andere auf der Tradition des weltlichen Humanismus. Und diese beiden Kulturen sind grundverschieden. Entweder ist die Wahrheit offenbart und unantastbar und stammt von einem Gott am Ursprung aller Dinge, oder sie ist in den Werken des Menschen begründet, die immer wieder in Frage gestellt werden, da sie bis ins Unendliche perfektionierbar sind» (Paul Gourdeau). Kardinal Ratzinger stellte als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre am 26. November 1983 klar: «Das negative Urteil der Kirche über die Freimaurervereinigungen bleibt unverändert, weil deren Grundsätze immer als mit der Lehre der Kirche unvereinbar betrachtet wurden, und daher bleibt der Beitritt zu diesen Vereinigungen von der Kirche untersagt. Die Gläubigen, die Freimaurervereinigungen angehören, befinden sich im Zustand der schweren Sünde und dürfen nicht an der Heiligen Kommunion teilnehmen.»
«Unter deinen Schutz «»
Im November 1916 starb Franz Joseph nach 68-jähriger Herrschaft. Karl von Habsburg wurde Kaiser von Österreich und apostolischer König von Ungarn. Er war 29 Jahre alt. In einem noch am gleichen Tage veröffentlichten Manifest erklärte er: «Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um in kürzester Zeit die Schrecken und Opfer, die der Krieg mit sich bringt, zu bannen und meinem Volk die Wohltaten des Friedens zu verschaffen.» Am 22. Dezember ließ Karl durch seinen Minister Czernin Friedensangebote formulieren, die von seinem Verbündeten, dem deutschen Kaiser Wilhelm II., nur widerstrebend akzeptiert und von den Ententemächten (Frankreich, Großbritannien, Russland und Italien) abgelehnt wurden. Am 30. Dezember 1916 setzte sich Karl in Budapest die Krone auf, die der hl. Stephan 1001 von Papst Sylvester II. empfangen hatte. Er räumte jedoch ein: «König sein, bedeutet nicht, seinen Ehrgeiz zu befriedigen, sondern sich für das Wohl des ganzen Volkes zu opfern.» Bald danach befahl Wilhelm II. den schonungslosen U-Boot-Krieg. Der österreichische Herrscher versagte seine Unterstützung für diese Offensive, die gegen Handelsschiffe gerichtet war und den Tod zahlreicher Zivilisten in Kauf nahm. Er konnte den Gedanken an die schrecklichen Kämpfe kaum ertragen, die in ganz Europa bereits Millionen von Toten gefordert hatten, und zwar aus lächerlichen Gründen. Karl bemerkte: «Es reicht nicht, wenn ich allein den Frieden will. Ich muss das gesamte Volk und alle Minister auf meiner Seite haben!» Die Presse setzte jedoch ihre Kriegshetze durch Siegmeldungen fort und verschwieg dabei die Wahrheit über die Lage des Reichs, in dem die Not des Volkes von Tag zu Tag größer wurde.
Friedensbemühungen
Seit der Thronbesteigung des Kaisers wurden immer wieder Verleumdungskampagnen gegen ihn geführt, selbst hinsichtlich seiner Sitten, obwohl seine Seriosität und seine Mäßigung über jeden Zweifel erhaben waren. Andererseits wurde ihm Frömmlerei vorgeworfen. Tatsächlich besuchte der Kaiser jeden Tag die Messe und empfing dabei die Kommunion; er betete eifrig den Rosenkranz und suchte gern Heiligtümer auf, die der Heiligen Gottesmutter geweiht waren. In seinem reichen spirituellen Leben fand er die notwendige Kraft, um seine schwere Verantwortung zu schultern. Karl wurde gern auch als unfähig hingestellt, obwohl er sich als ausgezeichneter Offizier bewährt hatte. Er sprach sieben Sprachen; seine Arbeitskraft war außerordentlich, und er besaß in seltenem Maße die Gabe der Synthese. Viel deutlicher als seine Umgebung erkannte er die tödliche Gefahr, in der sich sein Reich befand. Im Frühjahr 1917 lehnte er es energisch ab, dem im Schweizer Exil lebenden Lenin die Durchreise durch sein Hoheitsgebiet zu gestatten, um in Russland Aufruhr zu stiften ein geradezu machiavellistischer Plan des deutschen Generalstabs. Karl hatte erkannt, dass Lenin potentiell für ganz Europa gefährlich war, und ahnte voraus, dass der Bolschewismus sich nicht mit dem Zusammenbruch Russlands begnügen, sondern sich überall hin ausbreiten würde. Lenin gelang in einem Sonderzug durch Deutschland dennoch die Rückkehr in seine Heimat.
In den Wirren der Niederlage
Im Januar 1918 verkündete der Präsident der Vereinigten Staaten, Wilson, in seinem von den Zielen der Freimaurer inspirierten «14-Punkte-Programm», es sei für den künftigen Frieden unerlässlich, Mitteleuropa und den Balkan nach dem «Nationalitätenprinzip» neu zu ordnen. Das bedeutete die Zerschlagung des k. u. k. Reiches zugunsten kleiner Nationalstaaten. Dieser von den tschechischen Sozialisten Beneas und Masaryk beeinflusste utopische Entwurf liegt den Konflikten zugrunde, von denen Mitteleuropa bis in unsere Tage zerrissen wird. Karl versuchte vergeblich, das Weiße Haus zur Vernunft zu bringen. Im Westen wurden die deutschen Offensiven vom Mai und Juni 1918 von der Entente abgewehrt und im Juli durch einen Gegenangriff erwidert. Deutschland trat in den folgenden Wochen den Rückzug an und musste nach dem Ausbruch der Revolution in Berlin um einen Waffenstillstand bitten, der dann am 11. November unterzeichnet wurde. Eine Nachwirkung der deutschen Niederlage war die Abspaltung der slawischen Völker vom österreichisch-ungarischen Reich. Das ungarische Parlament erklärte seinerseits die Absetzung der Habsburger. Am 2. November sah sich Kaiser Karl gezwungen, Italien um einen Waffenstillstand zu bitten. Politische Kreise drängten ihn zur Abdankung, doch er fühlte sich nicht berechtigt, über die von Gott empfangene Autorität zu verfügen. Unter vielfachem schmerzlichem Druck verzichtete er am 1. November in Wien auf die Ausübung der Macht, ohne jedoch abzudanken. Anschließend zog er sich auf Schloss Eckartsau zurück, wo er sogleich unter Polizeiaufsicht gestellt wurde. Im März 1919 wurde Karl I., der gegen die ihm angetane Gewalt protestierte, aus der «Republik Österreich» verbannt.
Der Kaiser und seine Familie ließen sich in Prangins bei Genf in der Schweiz nieder. Von dort aus versuchte Karl, ermutigt von Papst Benedikt XV., den ungarischen Thron wiederzuerobern. Vielleicht könnte er dann das war die Hoffnung des Heiligen Vaters -, eine Föderation katholischer Staaten in Mitteleuropa ins Leben rufen. Am 25. März 1921 verließ Karl die Schweiz und reiste heimlich nach Ungarn. Die Staatsgeschäfte wurden dort seit 1920 von Admiral Horthy geführt, der sich Reichsverweser nannte und angeblich königstreu war. Horthy war zwar kalvinistischer Herkunft, doch in Wirklichkeit war er Atheist und verabscheute die katholische Tradition der Habsburger. Er empfing Karl zu Ostern in Budapest, doch er wich ihm aus, schützte tausend Schwierigkeiten vor und hetzte die ausländischen Mächte mit allen Mitteln gegen ihn auf, um eine Wiederherstellung der Monarchie zu verhindern. In der Zwischenzeit wurde Karl krank; seine Anhänger schlugen ihm vor, die Macht mit Waffengewalt an sich zu reißen, doch er lehnte ab, um jedes Blutvergießen zu verhindern. Mit einem Sonderzug wurde er manu militari wieder in die Schweiz gebracht.
Ein edles und festes Nein
Die Entente-Mächte betrachteten den Habsburger als unerwünscht und nahmen seine Verbannung selbst in die Hand. Am 31. Oktober wurden Karl und Zita an Bord eines englischen Schiffes gebracht und auf der Donau bis zum Schwarzen Meer gefahren. Von dort wurden sie auf einem rumänischen Schiff nach Konstantinopel verschleppt. Sie wussten nicht, was aus ihren in der Schweiz gebliebenen Kindern geworden war. Als der Kapitän des Dampfers Karl verriet, dass er möglicherweise auf die einsame Insel Asunción mitten im Südatlantik gebracht würde, rief dieser zitternd: «Aber dann könnten wir unsere Kinder nie wieder sehen!» Doch bald lächelte er und sagte mit festerer Stimme: «Was bin ich kleinmütig! Sie können uns doch nur an den von Gott gewählten Ort schicken.» Am 19. November 1921 legte das Schiff in Funchal, der Hauptstadt der portugiesischen Insel Madeira, an, die von den Engländern zum Verbannungsort für den abgesetzten Herrscher bestimmt worden war. Für den Lebensunterhalt des Exkaisers war eine jährliche Zuwendung seitens der «verbündeten Staaten» vorgesehen, sie wurde jedoch nie gezahlt. Man hielt Karl für reich, obwohl er arm war. So musste er sich nach einer preiswerten Behausung umsehen. Er entschied sich für die in 600 m Höhe gelegene Villa Quinta, eine unglückliche Wahl, denn im Winter war das Klima dort oft neblig und ungesund. Am 2. Februar 1922 konnte Zita nach vielen Schwierigkeiten endlich die Kinder nach Madeira bringen.
«Der Herr tut, was er will»
Am 9. März erkältete sich der Kaiser beim Aufstieg von Funchal in seine Villa. Am 17. kletterte sein Fieber auf 39°, und er begann zu husten. Am 21. hatte er 40° Fieber und eine schwere Bronchitis, die zu einer Lungenentzündung wurde. Karl war noch keine 35 Jahre alt, doch durch die schweren Schicksalsschläge der letzten Jahre war er moralisch und physisch angeschlagen. Die letzten Tage des Kaisers waren die eines Heiligen. Trotz seiner extremen Müdigkeit nahm er täglich in seinem Zimmer an einer Messe teil. Am 27. März bat er um die Letzte Ölung und legte bei vollem Bewusstsein eine Generalbeichte ab. Er ließ seinen damals 9-jährigen Ältesten Otto zu sich kommen: «Ich will, dass er Zeuge wird. Das wird ihm ein Vorbild für sein ganzes Leben sein; er muss wissen, was ein König, ein Katholik, ein Mann in einem solchen Fall zu tun hat.» Am 29. erlitt Karl zwei Herzanfälle; im Vertrauen sagte er: «Ist es nicht großartig, wenn man unbegrenztes Vertrauen in das Heiligste Herz Jesu hat? Sonst wäre mein Zustand unerträglich.» Etwas später fügte er hinzu: «Ich muss viel leiden, damit meine Völker alle wieder zusammenfinden können.» Als er am 1. April, einem Samstag, beten wollte, riet ihm sein Krankenpfleger zu schlafen. Er antwortete: «Ich muss so viel beten!» Im Laufe des Vormittags wurde sein Zustand verzweifelt. Er konnte noch die Heilige Kommunion als Wegzehrung empfangen. Das Allerheiligste war im Zimmer des Sterbenden ausgestellt; er murmelte: «Ich gebe mein Leben als Opfer für mein Volk hin». Später: «Mein Erlöser, es geschehe dein Wille!» Um 12 Uhr tat er nach einem «Jesus, Maria, Josef» seinen letzten Atemzug. Der Kaiser und König hinterließ eine Witwe, die ihr achtes Kind erwartete.
Trotz seines scheinbar gescheiterten Lebens legte der selige Karl I. ein bewundernswertes Zeugnis davon ab, wie man sich im Unglück in die göttliche Vorsehung fügt. Folgende Passage aus dem Buch der Weisheit könnte auf ihn zutreffen: Die Seelen der Gerechten aber sind in Gottes Hand, und keine Marter kann sie mehr berühren. Zwar schien es in der Toren Augen, als wären sie gestorben, und als ein Unheil ward ihr Ende eingeschätzt, ihr Scheiden von uns weg als Untergang; sie aber sind im Frieden « und nach geringer Züchtigung erfahren sie viel Gutes; denn Gott hat sie geprüft und fand sie seiner würdig (Weish. 3,1-5). «Kaiser Karl hat von Anfang an sein Amt als heiligen Dienst an seinem Volk begriffen. Sein Streben bestand in erster Linie darin, der Berufung des Christen zur Heiligkeit selbst in seinem politischen Handeln zu folgen « Möge er ein Vorbild für uns sein, vor allem für die, die heute in Europa die politische Verantwortung tragen» (Johannes-Paul II.).