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17. Januar 2007 Hl.Antonius d. Große |
Adel verpflichtet
Einen Großteil seiner Schulbildung erhielt Clemens August bei den Jesuiten in Feldkirch. Im Oktober 1897 nahm er an Exerzitien in der Abtei Maria Laach teil und empfing dabei die Berufung zum Priestertum. Nach seinem Theologiestudium in Innsbruck wurde er am 28. Mai 1904 vom Bischof von Münster zum Priester geweiht. 1906 wurde er nach Berlin entsandt, in eine Diözese, die unter Priestermangel litt; er war dort in verschiedenen Pfarreien tätig. Während der Wirtschaftskrise von 1923, die Millionen deutscher Familien ruinierte, setzte sich Pfarrer von Galen aufopferungsvoll für seine in Schwierigkeiten geratenen Gemeindeglieder ein und gründete einen Hilfsverein. Oft half er den Bedürftigsten von seinem persönlichen Vermögen: «Es wäre wirklich unnütz, wenn nach meinem Tode noch Besitztümer übrigblieben», sagte er. Sein höchstes Ziel in allem war jedoch das Heil der Seelen. Der Gedanke an das ewige Leben, das ihn ständig beschäftigte, wurde zum unerschütterlichen Rückhalt in den Kämpfen, die er führen musste.
Anfang 1929 wurde Clemens August nach Münster zurückberufen, wo er die Leitung der Pfarrei St. Lamberti übernahm. Da er eine gewisse allgemeine Laschheit konstatierte, veröffentlichte er 1932 eine Broschüre mit dem Titel «Die Pest des Laizismus und ihre Erscheinungsformen». Mit Nachdruck ermahnte er darin die Laien, gegen die Säkularisierung und die Entchristlichung der Gesellschaft anzukämpfen. Dann geriet Deutschland in eine tiefe Krise. Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Clemens August setzte keinerlei Vertrauen in den Führer der NSDAP, dessen Lehre und gewaltsames Vorgehen von den deutschen Bischöfen verurteilt worden waren. Doch da Hitler die Christen brauchte, kam er ihnen scheinbar entgegen. Am 20. Juli 1933 wurde ein Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland unterzeichnet. Papst Pius XI. machte sich keine Illusionen über die Aufrichtigkeit Hitlers, doch er wollte durch die Unterzeichnung dieses Vertrags der katholischen Kirche einen gewissen Freiraum sichern. Von Galen war mit dieser Strategie voll und ganz einverstanden; im Einführungsgottesdienst zur Eröffnungssitzung der Münsteraner Stadtverordnetenversammlung erinnerte er indessen auch vor zahlreichen nationalsozialistischen Ratsherren an die Grundpfeiler christlichen Gemeinschaftslebens: Gerechtigkeit und Nächstenliebe.
Der Bischofsstuhl von Münster war seit Januar 1933 vakant. Am 18. Juli wurde Pfarrer von Galen vom Generalkapitel einstimmig zum Bischof gewählt, nachdem zwei Kandidaten vor ihm das Amt abgelehnt hatten. In seinem ersten Hirtenbrief an seine 1,8 Millionen Diözesanen kommentierte der neugewählte Bischof seinen Wahlspruch Nec laudibus, nec timore folgendermaßen: «Nicht Menschenlob, nicht Menschenfurcht soll mich jemals hindern, die offenbarte Wahrheit weiterzugeben, zwischen Recht und Unrecht, zwischen guten und bösen Taten zu unterscheiden und jedes Mal, wenn es notwendig ist, Rat und Warnung zu erteilen.»
Der hochgewachsene, im Privatleben einfache und warmherzige Bischof von Galen wirkte geradezu majestätisch, wenn er das Pontifikalamt zelebrierte. Er liebte Prozessionen, bei denen die Kirche durch die Entfaltung religiöser Pracht der neuheidnischen Mystik von Naziaufmärschen Paroli bot. Bereits 1934 verurteilte der Bischof das Hauptwerk Alfred Rosenbergs mit dem Titel «Der Mythus des 20. Jahrhunderts». Der offizielle Chefideologe der NSDAP verherrlichte das deutsche Blut als Quelle einer überlegenen, durch Lebenskraft erschaffenen Menschheit. In seinem Osterhirtenbrief 1934 bezeichnete der Bischof von Münster diese Lehre als eine «Täuschung der Hölle» und erinnerte daran, dass nur das von Jesus Christus am Kreuze vergossene kostbare Blut uns erretten könne, da es das Blut des menschgewordenen Gottes sei. Diese Stellungnahme wurde von der katholischen Bevölkerung Westfalens begeistert aufgenommen. Der Bischof wiederholte ein Jahr später noch einmal: «Wir können nicht umhin zu bekennen, dass es etwas Höheres gibt als Rasse, Volk und Nation: den allmächtigen und ewigen Schöpfer und Herrn der Völker und Nationen, dem alle Völker Nachfolge, Anbetung und Dienst schulden, denjenigen, der das letzte Ziel aller Dinge ist».
Die Wurzeln des Christentums
Das Hitlerregime wollte sich ein Erziehungsmonopol sichern, indem es den bis dahin an allen Schulen verbindlichen Religionsunterricht verbot. Der Bischof von Münster wehrte sich unter Berufung auf Artikel 21 des Konkordats von 1933 erfolgreich gegen dieses Verbot. Im November 1936 erließ der oldenburgische Schulminister eine Anordnung, nach der aus allen öffentlichen Gebäuden und Schulen Kruzifixe und sämtliche religiösen Zeichen zu entfernen waren. Diese Maßnahme rief auf Initiative Bischof von Galens einen wahrhaften «Kreuzzug» aus Predigten, Gebeten und Petitionen zugunsten der Beibehaltung der Kruzifixe ins Leben. Der Oldenburger Gauleiter sah sich schließlich genötigt, die Maßnahme zurückzunehmen, um größere Unruhen zu vermeiden.
Zwischen 1933 und 1937 protestierte der Heilige Stuhl etwa vierzigmal gegen Verletzungen des Konkordats. Angesichts der Vergeblichkeit dieser Maßnahmen rief Kardinalstaatssekretär Pacelli, der spätere Papst Pius XII., fünf deutsche Bischöfe, darunter auch Bischof von Galen, zu Konsultationen nach Rom. Am 14. März 1937 veröffentlichte Papst Pius XI. eine in Deutsch abgefasste Enzyklika unter dem Titel Mit brennender Sorge, in der er die Verherrlichung des Volkes und der Rasse verurteilte. Die Enzyklika wurde vom Münsteraner Bischof sofort veröffentlicht; unter größter Geheimhaltung ließ er 120 000 Exemplare davon drucken, das entsprach 40% der von der Kirche in Deutschland vertriebenen Auflage. Auf Anordnung des Bischofs wurde dieser Text am folgenden Sonntag während des Hochamtes von allen Kanzeln Westfalens verlesen. Die von dieser Geschwindigkeit überrumpelte Gestapo rächte sich durch Vergeltungsmaßnahmen. Inzwischen war die Enzyklika in protestantischen Kreisen auf ein positives Echo gestoßen; Bischof von Galen plante daraufhin eine gemeinsame Front aller Christen gegen das Neuheidentum, das auf breiterer Basis bekämpft werden sollte, nämlich durch die Verteidigung der Naturrechte des Menschen: des Rechts auf Leben, auf Unversehrtheit, auf Religionsfreiheit, auf Gewissensfreiheit sowie des Erziehungsrechts der Eltern.
Gegen die heidnische Schule
Ab der zweiten Hälfte des Jahres 1940 gab es eine Reihe von Verfolgungsmaßnahmen gegen die Kirche: Kirchengebäude durften wegen der Gefahr von Luftangriffen erst ab 10 Uhr morgens geöffnet werden, zahlreiche Priester wurden verhaftet und deportiert, mehrere Klöster besetzt und die Bewohner vertrieben. Bischof von Galen fühlte sich verpflichtet, seine Stimme zu erheben. Nach einem kurzen inneren Kampf hielt er am 13. Juli 1941 die erste von drei großen Predigten, die um die ganze Welt gingen. Er verurteilte die Vertreibung von Ordensleuten, protestierte gegen die Willkür- und Schreckensherrschaft und forderte Gerechtigkeit. Am folgenden Sonntag ermahnte er sein Volk, der Verfolgung standzuhalten: «Wir sind Amboss und nicht Hammer! Wie heftig der Hammer auch zuschlägt, der Amboss steht in ruhiger Festigkeit da. Was jetzt geschmiedet wird, das sind die zu Unrecht Eingekerkerten, die schuldlos Ausgewiesenen und Verbannten. Gott wird ihnen beistehen, dass sie Form und Haltung christlicher Festigkeit nicht verlieren, wenn der Hammer der Verfolgung sie bitter trifft und ihnen ungerechte Wunden schlägt.»
Die Verteidigung «unproduktiver» Menschen
Leider ist die Euthanasie nicht zusammen mit dem Nationalsozialismus verschwunden. Sie wird auch heute noch in vielen Ländern praktiziert. Man fordert ihre Legalisierung unter Berufung auf das «Recht auf einen würdigen Tod». Papst Johannes-Paul II. hat die Euthanasie folgendermaßen beurteilt: «Wir stehen hier vor einem der alarmierendsten Symptome der Kultur des Todes', die vor allem in den Wohlstandsgesellschaften um sich greift, die von einem Leistungsdenken gekennzeichnet sind, das die wachsende Zahl alter und geschwächter Menschen als zu belastend und unerträglich erscheinen lässt. Sie werden sehr oft von der Familie und von der Gesellschaft isoliert, deren Organisation fast ausschließlich auf Kriterien der Produktion und Leistungsfähigkeit beruht, wonach ein hoffnungslos arbeitsunfähiges Leben keinen Wert mehr hat « [Ich] bestätige, dass die Euthanasie eine schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes ist, insofern es sich um eine vorsätzliche Tötung einer menschlichen Person handelt, was sittlich nicht zu akzeptieren ist. Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet» (Enzyklika Evangelium Vitæ vom 25. März 1995, Nr. 65).
Tötung ungeborenen Lebens
Die Predigt von Galens gegen die Euthanasie fand sowohl in Deutschland wie im Ausland große Verbreitung. Sie brachte dem Bischof eine Zurechtweisung von Göring ein, der ihn beschuldigte, «mitten im Krieg durch « Hetzreden und Hetzschriften die Widerstandskraft des deutschen Volkes» zu sabotieren. Hitler erwog sogar die Hinrichtung des widerspenstigen Bischofs. Doch Goebbels riet ihm, damit bis zum Endsieg zu warten, um in Westfalen keine Unruhen heraufzubeschwören. Nichtsdestoweniger wurden rund 40 Priester der Diözese Münster verhaftet; 10 von ihnen starben in der Deportation. 1944 wurde sogar der Bruder des Bischofs, Franz von Galen, ins Lager Oranienburg verschleppt.
1942 nahm der Krieg eine Wende zum Schlechteren für Deutschland, und das Land wurde immer häufiger von den Alliierten bombardiert. Der Bischof bemühte sich nun, die Schrecken des Krieges für die Zivilbevölkerung abzumildern. Er ermahnte sie, sich die Hass- und Vergeltungsrufe der offiziellen Propaganda nicht zueigen zu machen; am 4. Juli 1943 erklärte er anlässlich einer Marienwallfahrt nach Telgte: «Ich habe die heilige Pflicht, das Gebot Christi zu verkünden, auf Hass und Rache zu verzichten « Ist es wirklich ein Trost für eine Mutter, deren Kind einem Bombenangriff zum Opfer fiel, wenn man ihr versichert: Demnächst werden wir auch einer englischen Mutter ihr Kind töten?' Nein, solche Ankündigung von Rache und Vergeltung ist wahrlich kein Trost! Sie ist unchristlich, sie ist überdies undeutsch.»
«Verschließ deine Ohren nicht!»
Am 23. Dezember 1945 wurde öffentlich bekannt, dass Pius XII. 32 Prälaten, darunter auch Clemens August von Galen, die Kardinalswürde verleihen werde. Der Papst wollte damit die mutigste Stimme des deutschen Episkopats unter der Naziherrschaft ehren; mit der Beförderung von insgesamt drei Deutschen bekundete der Heilige Vater zudem wie er öffentlich sagte -, dass das deutsche Volk keine Kollektivschuld an den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs treffe. Nach einer mühsamen siebentägigen Zugfahrt nahm der Bischof von Münster am 21. Februar 1946 in Rom bei einer großartigen Feier den roten Kardinalshut entgegen.
Am 16. März zog Kardinal von Galen in das zerstörte Münster ein, begrüßt von einer begeisterten Menge von 50 000 Personen, die in ihm einen Hoffnungsträger für die Zukunft sahen. In seiner Ansprache drückte er sein Bedauern darüber aus, dass er des Märtyrertods für unwürdig befunden worden war; die Tatsache, dass die Gestapo ihn nicht verhaftet hatte, führte er auf die Liebe und Treue seine Diözesane zurück: «Dass Ihr hinter mir standet, und dass die damaligen Machthaber wussten, dass Volk und Bischof in der Diözese Münster eine unzertrennliche Einheit waren und dass, wenn sie den Bischof schlugen, das ganze Volk sich geschlagen gefühlt hätte, das hat mich innerlich gestärkt und mir Sicherheit verliehen.» Das war die letzte öffentliche Handlung des «Löwen von Münster». Bereits am nächsten Tag erlitt er einen Blinddarmdurchbruch, an dem er am 22. März 1946 verstarb.
Am 9. Oktober 2005 erklärte Papst Benedikt XVI. in seinem Grußwort am Ende der Seligsprechungsfeier: «Darin liegt die immer aktuelle Botschaft des seligen von Galen: Der Glaube ist nicht nur ein privates Gefühl, das man sogar verbergen muss, wenn es stört, sondern er bedeutet auch Zusammenhalt und öffentliches Zeugnis zugunsten des Menschen, der Gerechtigkeit und der Wahrheit.»
Bitten wir Gott für uns und für alle Hirten der Kirche durch die Fürsprache des seligen Clemens August um den Mut, uns beim Bezeugen unseres christlichen Lebens «weder von Menschenlob noch von Menschenfurcht» beeindrucken zu lassen. So werden wir wirkungsvoll für den Ruhm Gottes und für das Heil der Seelen arbeiten können.