Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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16. Oktober 2019
Hl. Hedwig


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

In den Jahren 1926-1929 waren die Katholiken in Mexiko einer grausamen Verfolgung ausgesetzt, die viele Märtyrer schuf; mehrere von ihnen wurden seither zur Ehre der Altäre erhoben. Am 20. November 2005 sprach Kardinal Saraiva Martins im Namen des Papstes in Guadalajara, einer mexikanischen Großstadt, dreizehn dieser Märtyrer selig. „Das Christkönigsfest hat eine ganz besondere Bedeutung für das mexikanische Volk“, sagte er in seiner Predigt. „Es wurde von Papst Pius XI. zum Abschluss des Heiligen Jahres 1925 als Fest für die gesamte Kirche proklamiert. Einige Monate später setzte in diesem Land die Verfolgung gegen den katholischen Glauben ein, und viele Söhne der Kirche, die als Märtyrer anerkannt wurden, starben mit dem Ruf ‚Es lebe der Christus der König’ … Aufgrund seines Mutes und seines jungen Alters sei der Teenager José Sánchez del Río besonders erwähnt, der mit 14 Jahren ein mutiges Zeugnis für Jesus Christus abgelegt hat. Er war ein vorbildlicher Sohn und zeichnete sich durch Gehorsam, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft aus. Von Beginn der Verfolgungen an hegte er den Wunsch, ein Märtyrer Christi zu werden.“

José (Josef) Sánchez del Río wurde am 28. März 1913 in Sahuayo, einer Stadt im Bundesstaat Michoacán, im mittleren Westen Mexikos geboren. Sein Vater Macario stammte aus einer ursprünglich spanischen, aber seit Langem in Mexiko ansässigen Familie, seine Mutter María aus einem alten indianischen Geschlecht. José hatte zwei ältere Brüder, Macario und Miguel, sowie eine jüngere Schwester, María Luisa. Die tiefgläubige Familie del Río war wohlhabend und genoss einen guten Ruf; sie besaß eine florierende Ranch im Süden der Stadt. Doña Mariquita, wie María genannt wurde, zeichnete sich durch ihre Herzensgüte und ihre sprichwörtliche Großzügigkeit aus; sie kümmerte sich um den Haushalt und die Erziehung ihrer Kinder. José empfing im Alter von viereinhalb Jahren das Sakrament der Firmung. Seine ersten Lebensjahre verbrachte er wie alle anderen Jungen. Er besaß einen angenehmen, lebhaften und schelmischen Charakter; seinen Eltern gegenüber zeigte er sich folgsam und liebevoll. Er begleitete seine Mutter gern in die Kirche und beteiligte sich eifrig am Religionsunterricht.

Nach der Revolution von 1910 gaben die Freimaurer, die in Mexico die Macht besassen, 1917 dem Land eine neue Verfassung. Diese enthielt mehrere kirchenfeindliche Artikel, die in bestimmten Landesteilen von 1920 an zur Anwendung kamen. Um den Wirren aus dem Wege zu gehen, zog die Familie del Río nach Guadalajara, der Hauptstadt des Bundesstaates Jalisco, wo José mit 9 Jahren die Erstkommunion empfing. Eine besonders innige Verehrung brachte er Unserer Lieben Frau von Guadalupe, der Patronin Mexikos, entgegen und betete fleißig den Rosenkranz.

Es lebe Christus der König!

1924 wurde der Atheist und Freimaurer Plutarco Calles zum Präsidenten Mexikos gewählt. Im folgenden Jahr wurde mit Unterstützung der Regierung eine schismatische mexikanische Staatskirche gegründet. Die Schikanen gegen die romtreue Kirche nahmen zu. Präsident Calles erklärte am 31. Juli 1926, dass die antiklerikalen Artikel in allen Bundesstaaten strikt anzuwenden seien. Als Reaktion darauf suspendierten die Bischöfe die Abhaltung von Gottesdiensten in den Kirchen. Die Geistlichen versteckten sich. Die Regierung untersagte ihnen unter Androhung der Todes- oder einer Gefängnisstrafe das Feiern von Messen und das Spenden von Sakramenten; die Gläubigen durften nicht mehr öffentlich beten. Die Armee wachte über die Einhaltung der Gesetze. Innerhalb weniger Monate wurden zahlreiche Katholiken ermordet oder festgenommen, weil sie gegen die Verbote verstoßen hatten. Erschießungen, Erhängungen, erzwungene Umsiedlungen: Den Gläubigen, die sich den Calles-Gesetzen widersetzten, blieb nichts davon erspart. Die Gewalt führte schließlich zu einem landesweiten Aufstand. Von Bauern, Handwerkern und Standespersonen wurden kleine zivile Kampfgruppen gebildet, die man als Cristeros bezeichnete. Während die Offiziere der Bundesarmee mit dem Schlachtruf „Es lebe unser Vater Satan!“ in den Kampf zogen, lautete der Schlachtruf der Cristeros: „Es lebe Christus der König! Es lebe die Jungfrau von Guadalupe!“

In Guadalajara engagierte sich der junge Anwalt Anacleto González Flores für die Verteidigung der Schwächsten und versetzte die christliche Jugend durch seine flammenden Reden in Aufruhr. Als guter Kenner der kirchlichen Soziallehre suchte er im Lichte des Evangeliums die Grundrechte der Christen zu verteidigen und gründete die sogenannte „Volksunion“, die den zivilen Kampf gegen die antiklerikalen Gesetze unterstützen sollte. Er wurde am 1. April 1927 im Alter von 38 Jahren grausam ermordet und fiel mit dem Ruf: „Ich sterbe, aber Gott stirbt nicht! Es lebe Christus der König!“ Am gleichen Tag wurden auch weitere Mitglieder der „Volksunion“ hingerichtet: Ihre Namen stehen mit auf der Liste der 13 Märtyrer, die am 20. November 2005 seliggesprochen wurden. „Zu den Rechten, die von Anacleto González und seinen Märtyrer-Gefährten bevorzugt verteidigt wurden, zählte das Recht der
Reli-gionsfreiheit; ein Recht, das sich bereits aus der Menschenwürde herleitet“, sagte Kardinal Martins bei der Seligsprechung. „Das II. Vatikanische Konzil bestätigt die Forderung, dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen nach seinem Gewissen zu handeln (Dignitatis humanæ, Nr. 2). Gestützt von einer tiefen Liebe zu Jesus Christus sowie zu ihren Mitmenschen, haben die neuen Seligen dieses Recht auf friedliche Weise verteidigt, selbst um den Preis ihres Blutes …“

In den Himmel kommen

Nach der Ermordung Anacletos schlossen sich Josés älteren Brüder dem Cristero-Aufstand unter dem Kommando von General Ramírez an, der in der Region Sahuayo operierte. Im gleichen Jahr 1927 kehrte die ganze Familie del Río nach Sahuayo zurück, wo die Cristeros von der Bevölkerung mit Geld, Waffen und Lebensmitteln unterstützt und von Priestern unter Lebensgefahr mit den Sakramenten versorgt wurden. Auch in José erwachte der Wunsch, sein Leben für die gute Sache zu opfern. Auf einer Wallfahrt zum Grab Anacletos bat er um dessen Fürsprache für die Gnade eines Märtyrertodes. Er wollte sich den Cristeros anschließen, obwohl er noch nicht alt genug war, um seinen Brüdern zu folgen; seine Eltern lehnten das Vorhaben vorerst strikt ab. Doch er ließ von seinem Vorhaben nicht ab. Seine Mutter blieb weiter bei ihrem Nein, da sie ihn für zu jung hielt; er erwiderte: „Mama, es ist noch nie so leicht gewesen, in den Himmel zu kommen, wie heute.“ Er schrieb an die Anführer der Cristeros und bat um Aufnahme. Die Absagen, die er erhielt – er war gerade 14 Jahre alt geworden – bestärkten ihn nur in seiner Absicht; schließlich erhielt er die Zustimmung und den Segen seines Vaters.

Von der Tugend des Glaubens erleuchtet, sehnte sich José brennend danach, in den Himmel zu kommen – das einzige Ziel eines jeden Menschenlebens. In seiner Regel verlangt der hl. Benedikt vom Mönch, er möge „das ewige Leben mit allem geistlichen Verlangen ersehnen“ (Kap. 4). Und auch der Katechismus der Katholischen Kirche bekräftigt: „Dieses vollkommene Leben mit der allerheiligsten Dreifaltigkeit, diese Lebens- und Liebesgemeinschaft mit ihr, mit der Jungfrau Maria, den Engeln und allen Seligen wird ‚der Himmel’ genannt. Der Himmel ist das letzte Ziel und die Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte des Menschen, der Zustand höchsten, endgültigen Glücks. Im Himmel leben heißt ‚mit Christus sein’ (Vgl. Joh 14,3). Die Auserwählten leben ‚in ihm’, behalten oder, besser gesagt, finden dabei jedoch ihre wahre Identität, ihren eigenen Namen (Vgl. Offb 2,17)“ (Katechismus, Nr. 1024-1025).

Im Sommer 1927 reiste José, unterstützt von seinen Tanten María und Magdalena sowie begleitet von Juan Flores Espinosa, einem jungen Kameraden, der vom selben Ideal beseelt war, in das Lager Cotija. Trotz einiger Hindernisse gelang es den beiden Jungen, den berühmten General Prudencio Mendoza zu treffen. Dieser führte ihnen die Gefahren des Krieges und das harte Leben in den Lagern vor Augen. José erwiderte, er könne den Soldaten bei verschiedenen Aufgaben im Lager behilflich sein: sich um die Pferde kümmern, kochen usw. Als der General sich vom Ernst und von der Aufrichtigkeit der beiden Jungen überzeugt hatte, vertraute er sie dem Cristero-Anführer Rubén Guízar Morfín an.

Fahnenträger und Signalhornist

Von da an stand José im Dienste seiner Waffenbrüder und erfüllte seine Aufgaben mit bewundernswerter Einsatzbereitschaft. Aufgrund seiner vielfältigen Begabung, seiner menschlichen Qualitäten, seiner religiösen Inbrunst und seiner Unerschrockenheit wurde er von allen geschätzt und respektiert. Da er befürchtete, dass die Partisanen von Präsident Calles sich an seiner Familie rächen könnten, wenn sie von seinem Einsatz erführen, nannte er sich fortan José Luis und wurde der Nachwelt unter diesem Namen bekannt. Am Abend des 12. Dezember, dem Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe, rief ihn General Guízar vor versammelter Mannschaft zu sich: „Komm her, José Luis. Als Zeichen meines Vertrauens ernenne ich dich offiziell zum Fahnenträger und Signalhornisten der Truppe. Du wirst mir als Signalhornist helfen, meine Befehle an die Kämpfer zu übermitteln. Das bedeutet, dass du bei unseren Beobachtungsmissionen mit der Truppe ausrücken wirst.“ José Luis war selig.

Anfang 1928 stießen die Cristeros in der Gegend um Cotija immer öfter auf Hinterhalte. Am 6. Februar geriet General Guízar bei einem Zusammenstoß mit den feindlichen Truppen in große Gefahr: Sein Pferd wurde von einer Kugel tödlich getroffen. José Luis rief ihm mit heroischem Mut zu: „Nehmen Sie mein Pferd, Herr General, und retten Sie sich. Für unsere Sache sind Sie wichtiger als ich!“ Guízar entkam, doch der Junge und einer seiner Gefährten namens Lázaro wurden gefangen genommen. Man brachte sie nach Cotija, wo sie General Guerrero, einem der brutalsten Verfolger der Cristeros, vorgeführt wurden. José klagte trotz der vielen Schläge, die er einstecken musste, nicht; er suchte Kraft im Gebet, um die Demütigungen und die Folter zu ertragen. Der General konfrontierte ihn mit dem Vorwurf, gegen die Regierung zu kämpfen, und lud ihn gleich darauf ein, sich seinen Truppen anzuschließen. Der Junge antwortete: „In Ihren Reihen kämpfen? Sie träumen! Ich bin Ihr Feind! Lieber sterbe ich!“ Von soviel Ungestüm überrascht, ließ Guerrero ihn ins Gefängnis werfen. Im Kerker erkannte José, dass er sich nun darauf vorbereiten musste, sein Leben Gott darzubringen. Am Abend bekam er von den Gefängniswärtern Schreibzeug und schrieb einen Brief an seine Mutter: „Liebe Mama: Ich wurde bei der heutigen Schlacht gefangen genommen und werde sterben, aber das ist nicht so wichtig, Mama. Schick dich in Gottes Willen, ich sterbe zufrieden, weil ich in Treue zu den Geboten des Herrn sterbe. Gräme dich nicht über meinen Tod … und sag bitte meinen Brüdern, dass sie dem Beispiel des Nesthäkchens folgen sollen … Sei mutig und sende mir deinen Segen zusammen mit dem Segen Papas. Ich grüße alle ein letztes Mal; empfange du das Herz deines Sohnes, der dich liebt und dich gern gesehen hätte, bevor er stirbt.“

Am nächsten Tag wurden José Luis und Lázaro nach Sahuayo verlegt, da Guerrero die wahre Identität des Jungen entdeckt hatte: dass er nämlich Sohn des reichen und angesehenen Don Macario del Río und Patenkind des Abgeordneten Rafael Picazo war, eines prominenten Lokalpolitikers und Unterstützers von Calles. Picazo zeigte José mehrere Möglichkeiten auf, ins Ausland zu fliehen, und schlug ihm auch ein Studium an einer Militärschule vor, aber alles vergebens.

„Rühren Sie Lázaro nicht an!“

Die Gefangenen wurden in die St. Jakobuskirche gebracht, die nun als Gefängnis genutzt wurde. Gleich beim Eintreten sah José mit Abscheu, dass der heilige Ort profaniert worden war. Die Soldaten benahmen sich anstößig, der Boden war mit Stroh übersät, hier und da standen Pferde angebunden, und eine Kapelle war zum Hühnerhof umfunktioniert. Der Tabernakel diente als Sitzstange für die Kampfhähne des Abgeordneten Picazo, der Altar war mit Hühnerkot beschmutzt. Nach Einbruch der Nacht, als die Wachen eingeschlafen waren, gelang es José, seine Fesseln abzustreifen. Er tötete die Hähne und säuberte den Altar. Als Picazo davon erfuhr, geriet er in Wut. Er fragte José, ob er sich der Schwere seines Vergehens bewusst sei. Der Junge erwiderte selbstsicher: „Das Haus Gottes ist zum Beten da, nicht zum Unterbringen von Tieren … Ich bin zu allem bereit. Erschießen Sie mich, damit ich gleich vor den Herrn trete und ihn bitte, er möge Sie bestrafen!“ Picazo befahl daraufhin: „Holt den jungen Lázaro her und knüpft ihn an einem Baum auf dem Hauptplatz auf! Und José soll der Hinrichtung beiwohnen.“ – „Rühren Sie Lázaro nicht an! Er hat nichts getan!“, rief José. Am Abend wurden die Gefangenen auf den Hauptplatz der Stadt geführt, wo Lázaro unter Josés Augen an einem Baum aufgehängt wurde. Durch eine glückliche Fügung starb Lázaro jedoch nicht, sondern wurde von einem barmherzigen Samariter gerettet und gesund gepflegt. Er schloss sich bald wieder den Cristeros an.

José wurde ins Kirchengefängnis zurückgebracht. Man sperrte ihn in die Taufkapelle, wo er zuweilen zu einem kleinen Fenster hochkletterte, um hinauszusehen. Mehrere Passanten erkannten ihn und konnten ein paar Worte mit ihm wechseln; sie bezeugten später, dass José gefasst war und seine Zeit mit Beten verbrachte. Wegen seines jugendlichen Alters, aber auch wegen der besonderen Stellung seines Vaters wollte man ihn gegen ein hohes Lösegeld freilassen. Picazo schien zunächst mit dieser Lösung einverstanden zu sein. Man informierte Don Macario über die Verhaftung seines Sohnes und teilte ihm mit, er müsse 5000 Goldpesos bezahlen, wenn er seinen Sohn wiedersehen wolle. Don Macario war bereit, all sein Hab und Gut zu verkaufen, um seinen Sohn zu retten. Als José davon sowie von der Bedingung erfuhr, dass er seinen Glauben öffentlich verleugnen müsse, lehnte er alles ab: „Sagen Sie meinem Vater, er solle Picazo keinen Pfennig geben; ich habe mein Leben Gott geopfert.“ Der Abgeordnete konnte nicht damit hinnehmen, dass seine Freunde, die Sanchez del Río, sich gegen die Regierung stellten, deren Repräsentant er war; er legte eine immer härtere Haltung gegen das Kind an den Tag und forderte schließlich sogar dessen Tod.

Die Kommunion als Wegzehrung

Am 10. Februar, einem Freitag, wurde José gegen 6 Uhr nachmittags in ein anderes Gefängnis verlegt. Dort kündigte man ihm an, dass er noch in derselben Nacht hingerichtet werde. José bat um Papier und Tinte und schrieb einen Brief an seine Tante María: „Liebe Tante, ich bin zum Tode verurteilt. Um halb neun heute Abend wird der herbeigesehnte Moment kommen! Ich danke dir für alles, was du mit Tante Magdalena für mich getan hast. Ich fühle mich nicht in der Lage, meinem Mamachen zu schreiben. Sei so lieb und schreib ihr an meiner Stelle … Sag Tante Magdalena, ich hätte bei meinen Wachen erreicht, dass sie mich ein letztes Mal besuchen kann, damit sie mir die Kommunion als Wegzehrung bringt. Ich glaube, sie wird es nicht ablehnen, zu kommen. Grüß die ganze Familie von mir … Es lebe Christus der König, und die heilige Maria von Guadalupe! – José Sánchez del Río, der für die Verteidigung seines Glaubens gestorben ist.“

Magdalena konnte ihm rechtzeitig die heilige Kommunion bringen, doch Josés Martyrium war noch bei Weitem nicht beendet. Da seine Wächter wussten, dass er eine Menge Informationen über die Cristeros besaß, zogen sie ihm die Haut von den Fußsohlen ab, damit er Namen verrät. Doch der Herr schenkte José die Kraft, niemanden zu denunzieren. Um 23 Uhr wurde er zum Friedhof geführt und musste den Weg barfuß zurücklegen. Da die Henker ihn zwingen wollten, seinen Glauben zu verleugnen, peitschten sie ihn mit Dornenzweigen aus. José rief ununterbrochen aus Leibeskräften weiter: „Es lebe Christus der König und die heilige Maria von Guadalupe!“ Es gab versteckte Zeugen, die die Szene voller Bewunderung verfolgten und für den Jungen beteten. Man versprach José die Freiheit, wenn er die Regierung hochleben lasse. Zur Antwort fing er an zu singen: „In den Himmel! In den Himmel! Ich will in den Himmel kommen!“ Um ihn zum Schweigen zu bringen, brach ihm einer der Soldaten durch einen Hieb mit dem Gewehrkolben den Kiefer. Trotzdem rief der Junge am Rande des Grabes pausenlos weiter: „Es lebe Christus der König!“ Die Soldaten stachen daraufhin mit Macheten auf ihn ein. Ein Offizier fragte ihn: „Willst du eine Botschaft an deinen Vater senden!“ – „Wir sehen uns im Himmel wieder!“, hauchte José. „Es lebe Christus der König! Es lebe die heilige Maria von Guadalupe!“ – „Was für ein Fanatiker!“, rief der Soldat, zog seine Pistole und schoss dem Kind eine Kugel ins Genick. So empfing José im Alter von 14 Jahren am 10. Februar 1928 um 23.30 Uhr den Märtyrerkranz. Sein Leichnam wurde von Christen geborgen, gewaschen und in ein Tuch gehüllt begraben, nachdem sie ihm die letzte Ehre erwiesen hatten.

„Der junge selige José Sánchez del Río muss uns alle und vor allem euch, die Jugend, dazu ermuntern, Christus in unserem Alltag zu bezeugen“, sagte Kardinal Martins am Tag der Seligsprechung. „Liebe Jugendliche, Christus wird euch wahrscheinlich nicht bitten, euer Blut zu vergießen, aber er fordert euch bereits jetzt auf, die Wahrheit in eurem Leben zu bezeugen, inmitten eines Klimas der Gleichgültigkeit höheren Werten gegenüber…“

Sich selbst ändern

Die mexikanischen Märtyrer haben für die Herrschaft Christi in ihrem Land ihr Leben geopfert. Der Katechismus der Katholischen Kirche erinnert uns an die Existenz der „Königsherrschaft Christi über die ganze Schöpfung, insbesondere über die menschlichen Gesellschaften“ (Nr. 2105). Die menschliche Vernunft kann durchaus erkennen, dass Gesellschaften ebenso wie Individuen Gott für alle Güter Dank schulden, die er ihnen gewährt. Sie sind daher verpflichtet, Gott öffentlich zu lobpreisen, zu ihm zu beten und ihm zu danken, d.h. ihm gegenüber Wiedergutmachung zu leisten. Denn in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger sind sie von den Wohltaten Gottes abhängig. Die Praxis der Gottesherrschaft beginnt damit, dass man auf sich selber einwirkt – eine Vorbedingung für das wirksame Handeln im Dienste einer von Liebe inspirierten christlichen Kultur. „Fallt nicht in den Irrtum zu glauben, dass man die Gesellschaft verändern kann, indem man einfach die äußeren Strukturen verändert oder indem man vor allem die Befriedigung materieller Bedürfnisse anstrebt“, sagte der hl. Johannes-Paul II. „Man muss damit beginnen, dass man sich selbst ändert, indem man sein Herz für den lebendigen Gott öffnet, indem man sich moralisch erneuert, indem man aus seinem Herzen die Wurzeln der Sünde und des Egoismus tilgt. Eine veränderte Person wirkt effektiv an der Veränderung der Gesellschaft mit“ (Homilie vom 10. Oktober 1984 in Saragossa, Spanien).

1996 wurden die sterblichen Überreste des jungen Märtyrers in die Taufkapelle überführt, in der er als Gefangener gesessen hatte. Am 16. Oktober 2016 wurde der selige José Sánchez del Río in Rom heiliggesprochen. Mögen die jungen mexikanischen Märtyrer, die sich durch ihr inniges eucharistisches Leben sowie ihre kindliche Hingabe an die Allerseligste Jungfrau ausgezeichnet haben, für uns erwirken, dass wir unter allen Umständen unseren Glauben bezeugen können! Möge Christus der König, der Gute Hirte, in den Vereinten Nationen, über alle Völker, in allen Herzen regieren! Es lebe Christus der König! Es lebe die Jungfrau von Guadalupe!

Dom Antoine Marie osb

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