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13. Juni 2018 Hl. Antonius von Padua |
Januar 1367. Vinzenz ist 17 Jahre alt, als er an die Pforte des Dominikanerklosters in Valencia (Spanien) klopft, um sein Leben Christus zu weihen. Er braucht keine Empfehlung: Sein Vater Guillem Ferrer, der königliche Notar der Stadt, ist im Kloster wohlbekannt. Er und seine Frau Constança Mique sind den Ordensleuten gegenüber sehr großzügig. Zudem erinnert man sich in Valencia noch gut an das Wunder, das Gott vor der Geburt des Kindes tat, um dessen besondere Zukunft anzukündigen. Als die Mutter eine ihrer blinden Schutzbefohlenen bat, für eine glückliche Niederkunft zu beten, beugte die Frau ihren Kopf zum Leib ihrer Wohltäterin nieder, um das Kind zu segnen; da erlangte sie plötzlich ihre Sehkraft wieder und rief: „Glückliche Mutter! Sie tragen einen Engel unter dem Herzen, er hat mir gerade das Augenlicht wiedergeschenkt!“ Am 23. Januar 1350 kam ein Knabe auf die Welt; seine Eltern ließen ihn noch am selben Tag taufen und stellten ihn unter den Schutz des heiligen Vinzenz, des Diakons von Saragossa, der um 303 in Valencia den Märtyrertod erlitten hatte.
Der Herr in seiner Barmherzigkeit schenkte Vinzenz einen kontemplativen Geist, und zwar nicht nur, damit er Ihn in den Kirchen sowie vor dem Tabernakel anbete, sondern auch, um ihn angesichts der göttlichen Wunderwerke in der Natur, insbesondere angesichts der Weite des Meeres, vor Bewunderung erschauern zu lassen. Der Junge hielt gern spontan improvisierte Predigten vor seinen Kameraden. Doch nicht alle hörten ihm gerne zu, manche versuchten auch, ihn zu verspotten. Als einer von ihnen einmal Vinzenz kommen sah, ließ er sich plötzlich zu Boden fallen; seine Kumpanen begannen sogleich, lautstark um Hilfe zu rufen. Vinzenz eilte herbei; die Übeltäter baten ihn, er möge ein Wunder tun, um dem Sterbenden zu helfen. Nach einem Augenblick der Überraschung blickte Vinzenz sie ruhig an und sagte: „Euch zuliebe hat er so getan, als wäre er tot, aber es ist ihm schlecht bekommen, denn er ist wirklich gestorben.“ Die anderen lachten ihn aus; sie schüttelten ihren Kameraden, damit er aufstehe. Aber vergebens: Der Junge war wirklich tot! Erst als andere, wohlgesinnte Kameraden Vinzenz dringend um seine Hilfe baten, erweckte Gott auf seine Fürbitte hin den Knaben wieder zum Leben.
Nach der Schule trat Vinzenz ins Noviziat der Dominikaner in Valencia ein. Obwohl es ihm mit seiner Berufung ernst war, fielen ihm die ersten Jahre schwer, da sich im Kloster ein gewisser Sittenverfall breitgemacht hatte. Der Novizenmeister, Pater Thomas Carnicer, setzte sich allerdings für eine Rückkehr zu einer strikteren Befolgung der Regel ein. Unter seiner Obhut legte Vinzenz 1368 seine Profess ab. Danach studierte er in verschiedenen Studienklöstern Theologie: in Gerona, Lerida, Mallorca, Barcelona und schließlich als Krönung seiner Ausbildung auch in Toulouse. Er wurde 1378 von Kardinal Pedro de Luna, der in seinem Leben noch eine wichtige Rolle spielen sollte, zum Priester geweiht.
„Ich habe ihn mehrmals predigen hören“
1383 kehrte Vinzenz in seine Geburtsstadt zurück und führte dort ein asketisches Leben; als Mitglied des Domkapitels wurde er zum Lektor der Theologie berufen und musste daneben bei bestimmten Anlässen predigen. 1388 wurde ihm der Titel Magister theologiae (der Doktorgrad) verliehen. Sein Eifer und sein Erfolg als Prediger erregten bald Neid. Böswillige Menschen versuchten, seinen Ruf als Moralprediger in den Schmutz zu ziehen: Sie führten einen liederlichen alten Mann, den Vinzenz wegen seiner Ausschweifungen oft getadelt hatte, einer Frau von üblem Lebenswandel zu; dieser bat die Frau, das Treffen geheimzuhalten, da er Vinzenz Ferrer sei. Die unselige Frau erzählte jedoch unverzüglich alles weiter und löste einen Skandal in der Stadt aus. Vinzenz schien seine Unschuld unmöglich beweisen zu können. Als bei einer öffentlichen Versammlung schließlich ein Mitbruder des Dominikaners mit dem Finger auf Vinzenz zeigte und die Frau fragte, ob sie ihn erkenne, erwiderte sie: „Nein, das ist nicht der Mann, der mir gesagt hat, er sei Vinzenz Ferrer. Diesen hier kenne ich, ich habe ihn mehrmals predigen hören. Der andere war viel älter …“
Magister Vinzenz rief seine Zeitgenossen zur Buße auf; seine Botschaft wurde vom Herrn durch die Gabe der Wundertätigkeit bestätigt: In seinen Heiligsprechungsakten finden sich über 800 Wunder!
Damit „der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend sei, wollte Gott, dass mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden“, lehrt der Katechismus der Katholischen Kirche. „So sind die Wunder Christi und der Heiligen … ganz sichere und dem Erkenntnisvermögen aller angepasste Zeichen der göttlichen Offenbarung, Beweggründe der Glaubwürdigkeit, die zeigen, dass die Zustimmung zum Glauben keineswegs eine blinde Regung des Herzens ist“ (Katechismus, Nr. 156).
Gleichwohl war die Beliebtheit Vinzenz Ferrers dem inneren Frieden des Klosters nicht förderlich. So verbot ihm sein Oberer verärgert, weiterhin Wunder zu tun. Der Dominikaner gehorchte. Eines Tages sah er jedoch auf dem Wege vom Kloster zur Kathedrale einen Arbeiter von einem Gerüst fallen. Er betete spontan zu Gott und hielt den Fall des Arbeiters mehrere Meter über dem Boden auf; eilends kehrte er ins Kloster zurück und bat um die Erlaubnis, den Unglücklichen retten zu dürfen. Der Obere gab ihm gerührt seine Erlaubnis und zog das Verbot zurück.
Zwei Obödienzen
Ende des 14. Jahrhunderts erlebte die Kirche eine schwere Krise. 1378 wurde Urban VI. in Rom zum Papst gewählt. Doch seine Politik und sein Verhalten machten ihn bei den meisten Kardinälen bald unbeliebt. Angeführt von Pedro la Luna, erklärten einige Kardinäle unter Berufung auf die Unruhen während des Konklaves die Papstwahl für ungültig. Sie wählten einen Gegenpapst, der den Namen Clemens VII. annahm und sich in Avignon niederließ. Das war der Beginn des Großen Abendländischen Schismas, das 39 Jahre dauern sollte. Die Kirche war gespalten; es standen sich die römische Obödienz, die hauptsächlich die italienischen Staatsgebilde, das Heilige Römische Reich deutscher Nation und England hinter sich hatte, und die avignonensiche Obödienz mit Frankreich, Kastilien, Aragon und Schottland gegenüber. Die historische Forschung hat viel später mit Sicherheit bestätigt, dass Urban VI. der legitime Papst war. Wie die allermeisten Spanier guten Glaubens bestritt Vinzenz jedoch die Legitimät Urbans VI. Er vertraute dem Urteil der oppositionellen Kardinäle, insbesondere Pedro de Lunas. Gleichwohl wusste er genau, dass es keine zwei Päpste gleichzeitig geben konnte, da es ja nur eine einzige von Jesus Christus gegründete Kirche gab. Er hielt es für geboten, herauszufinden, wer der legitime Papst sei, und ihm zu gehorchen, denn es gebe ja nur einen Leib und einen Glauben (S. Eph 4,4-5).
Am 19. Juni 2013 erinnerte Papst Franziskus daran, dass „Teil der Kirche zu sein bedeutet, mit Christus vereint zu sein und von ihm göttliches Leben zu empfangen, das uns als Christen leben lässt; es bedeutet, vereint zu bleiben mit dem Papst und den Bischöfen, die Werkzeuge der Einheit und der Gemeinschaft sind … Wie sollen wir aber zur Einheit gelangen, wenn wir nicht in der Lage sind, sie unter uns Katholiken zu haben? Sie in der Familie zu haben? Wie viele Familien streiten und trennen sich! Strebt nach der Einheit, nach der Einheit, die die Kirche aufbaut. Die Einheit kommt von Jesus Christus. Er sendet uns den Heiligen Geist, um Einheit zu schaffen.“
Nach dem Tod des Gegenpapstes Clemens VII. wurde Pedro de Luna 1394 zu dessen Nachfolger gewählt, allerdings nur unter der Bedingung, dass er das Schisma beendet und notfalls auch sein Amt niederlegt. Er nahm den Namen Benedikt XIII. an und rief Vinzenz Ferrer zu sich nach Avignon, wo er ihn nicht nur zu seinem Beichtvater machte, sondern auch zum Großpönitentiar und zum Herrn über den Heiligen Palast ernannte. Der Dominikaner war nun einer der wichtigsten Männer der Kurie, schlug jedoch die Kardinalswürde für sich aus. Da er schon bald die kriegslustige Politik Benedikts XIII. ablehnte, zog er sich aus dem Papstpalast in ein Dominikanerkloster zurück. Er unterstützte den Papst von Avignon jedoch so lange weiter, wie er von dessen Legitimität überzeugt war.
Das unmittelbare Bevorstehen des Jüngsten Gerichts
Das Schisma innerhalb der Kirche empfand Vinzenz Ferrer als so herzzerreißend, dass er neben seiner Predigertätigkeit kontinuierlich betete, fastete und Buße tat, damit Gott den Zustand beende. Vor Kummer wurde er schwer krank. Am dritten Tag seiner Krankheit, dem 3. Oktober 1398, erschien ihm der Herr in Begleitung des hl. Franziskus und des hl. Dominikus und erteilte ihm den Auftrag, nach dem Vorbild der beiden großen Ordensgründer zum Predigen in die Welt hinauszuziehen. „Die Ergebnisse dieser Prediger-tätigkeit erwartet er noch vor der Ankunft des Antichrist“, schrieb Vinzenz in einem Brief an Benedikt XIII. Jesus legte dem Dominikaner die Hand auf, heilte ihn und bekräftigte mit dem Wunder die Wirklichkeit der Vision. Vinzenz zog daraus den Schluss, dass das Jüngste Gericht unmittelbar bevorstehe, und kündigte es dem Volk wiederholt an. Am 22. November verließ er Avignon mit Erlaubnis Benedikts XIII. und reiste bis zu seinem Tod durch Frankreich, Italien, Spanien und die Schweiz, um die Leute auf das Jüngste Gericht vorzubereiten.
„Vor dem Kommen Christi muss die Kirche eine letzte Prüfung durchmachen, die den Glauben vieler erschüttern wird“, mahnt der Katechismus der Katholischen Kirche. „Die Verfolgung, die ihre Pilgerschaft auf Erden begleitet, wird das ‚Mysterium der Bosheit’ enthüllen: Ein religiöser Lügenwahn bringt den Menschen um den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit eine Scheinlösung ihrer Probleme. Der schlimmste religiöse Betrug ist der des Antichrist, d.h. eines falschen Messianismus, worin der Mensch sich selbst verherrlicht, statt Gott und seinen im Fleisch gekommenen Messias“ (Nr. 675).
Viele Gläubige, die durch die Predigten Vinzenz Ferrers bekehrt worden waren, hefteten sich an seine Fersen, legten eine Art schwarz-weiße Tracht an und folgten ihm von Stadt zu Stadt. Ihre Prozessionen und ihre vorbildliche Lebensweise ergänzten wirkungsvoll die Predigten des Missionars. Als dieser 1405 nach Genua kam, wurde die ligurische Republik gerade von der Pest heimgesucht. Vinzenz organisierte neben der Krankenpflege auch Prozessionen des Allerheiligsten Sakraments. In der weltoffenen Stadt, in der man normalerweise stets die Dienste von Dolmetschern in Anspruch nehmen musste, wurde seiner Zuhörerschaft ein einmaliges Erlebnis zuteil: Alle vernahmen seine Predigt gleichzeitig in ihrer eigenen Sprache, obwohl er immer und überall nur in seiner katalanischen Muttersprache oder auf Lateinisch predigte.
Die wahre Nachfolge Jesu
Die Predigten des Dominikaners hatten hauptsächlich die Versöhnung der Menschen mit Gott im Sakrament der Buße zum Ziel. Die Befolgung des göttlichen Gesetzes (der Zehn Gebote) lässt damals wie heute in der Tat sehr zu wünschen übrig; Vinzenz Ferrer wusste, dass „zur Nachfolge Christi … das Halten der Gebote gehört. Das Gesetz wird nicht abgeschafft. Der Mensch wird aufgefordert, es in der Person des göttlichen Meisters wiederzufinden, der es in sich selbst vollkommen erfüllt, seine ganze Bedeutung offenbart und seine bleibende Gültigkeit bezeugt“ (Kompendium des Katechismus, Nr. 434). „Diese ‚zehn Worte’ … zeigen die Bedingungen für ein von der Sklaverei der Sünde befreites Leben. Der Dekalog ist ein Weg des Lebens“ (Katechismus, Nr. 2057). Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote, erwiderte Jesus dem reichen Jüngling (Mt 19,17). Der hl. Johannes fügte hinzu: Denn das ist die Liebe zu Gott, dass wir seine Gebote halten; seine Gebote aber sind nicht schwer (1 Joh 5,3). Denn Jesus ist alle Tage mit uns: Kommt zu mir alle, die ihr müde seid und beladen, und ich will euch ausruhen lassen…, denn gut zu tragen ist mein Joch, und meine Bürde ist leicht (Mt 11,28-30). Auch der Katechismus bekräftigt: „Was Gott gebietet, ermöglicht er durch seine Gnade“ (Katechismus, Nr. 2082).
Wir alle müssen an das auf uns wartende Gericht erinnert werden: „Die Botschaft vom Letzten Gericht ruft die Menschen auf, sich zu bekehren, so lange Gott ihnen noch Zeit der Gnade, einen Tag der Rettung (2 Kor 6,2) schenkt. Sie führt zu heiliger Gottesfurcht. Sie verpflichtet zur Gerechtigkeit des Reiches Gottes. Sie kündigt die selige Hoffnung (Tit 2,13) auf die Wiederkunft des Herrn an, der kommen wird, um inmitten seiner Heiligen gefeiert und im Kreis all derer bewundert zu werden, die den Glauben angenommen haben (2 Thess 1,10)“ (Katechismus, Nr. 1041). „Wie die Propheten und Johannes der Täufer kündigte Jesus in seiner Predigttätigkeit das Gericht am letzten Tag an. Dann wird das Verhalten und der geheimste Herzensgrund eines jeden aufgedeckt werden. Dann wird der sündige Unglaube, der die von Gott angebotene Gnade verschmäht hat, verurteilt werden. Die Haltung gegenüber dem Nächsten wird zeigen, ob man die Gnade und Liebe Gottes angenommen oder zurückgewiesen hat. Jesus wird sagen: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40)“ (Katechismus, Nr. 678).
Vinzenz’ Sprache war schlicht, familiär und bilderreich. Die Strenge seiner Worte jagte den Zuhörern keine Angst ein; sie bekehrten sich vielmehr, weil sie von der Güte und Milde des Predigers gerührt waren. Nach seiner Ankunft in Spanien 1409 setzte sich Vinzenz auch vehement für die Konversion von Juden zum katholischen Glauben ein. Die Juden sollten allerdings von sich aus zur Taufe kommen, denn er verabscheute jede Gewalt gegen sie. Die judenfreundliche Politik der Könige von Kastilien und Aragon hatte den Neid der spanischen Aristokratie geweckt und 1391 sogar zu Pogromen in Valencia geführt. Vinzenz erklärte den Verantwortlichen in Katalonien ohne Umschweife, dass „die Kampagne, die sie gegen die Juden betreiben, sich gegen Gott selbst richtet“. Er machte sich seine Hebräisch- und Talmud-kenntnisse zunutze, um mit Rabbinern auf versöhnlicher Basis und frei von jeder Polemik auch kontroverse Diskussionen auszutragen.
Gleichmut
1411 musste der unermüdliche Prediger in Murcia (Südspanien) seine heisere Stimme kurieren. „Gott hat es so gewollt“, kommentierte er, „damit meine vielen Predigten mich nicht zu eitler Ruhmsucht ermuntern und ich nicht vergesse, dass Gott mich für immer verstummen lassen könnte.“ Er freute sich über die Verlängerung seines Aufenthaltes in der Stadt, „damit er einer größeren Anzahl von Menschen Gelegenheit zur Umkehr bieten könne“. Mitunter behindere Gott selbst die Bemühungen um seinen Ruhm, indem er einem eine Krankheit oder ein anderes Ereignis schicke, erklärte er seinen Zuhörern. „Seien Sie nicht traurig darüber. Nehmen Sie alles mit Gleichmut hin und vertrauen Sie auf Den, der besser weiß, was Ihnen nützt, als Sie selbst; der ständig daran arbeitet, Sie zu sich emporzuheben, vielleicht ohne Ihr Wissen, wenn Sie sich Ihm nur ohne Vorbehalt anvertrauen.“
Doch das Schisma der Kirche betrübte das Herz des Dominikaners zutiefst. Schon 1407 hatte er eine Begegnung zwischen dem Avignoner Papst Benedikt XIII. und dem römischen Papst Gregor XII. in Savoyen herbeigeführt. Doch sie blieb wegen der Eigensinnigkeit Pedro de Lunas folgenlos; bereits da begann Vinzenz, an der Legitimität Benedikts XIII. zu zweifeln. 1409 missbilligte er zudem das Konzil von Pisa, das den Generalkonzilen Vorrang vor dem Papst eingeräumt und einen neuen Gegenpapst, Alexander V., gewählt hatte, so dass nunmehr drei Personen den Papsttitel für sich beanspruchten. Als 1414 das Konzil von Konstanz zusammentrat, um das Schisma zu überwinden, unterstützte Vinzenz Ferrer die vereinten Bemühungen Kaiser Sigismunds und des Königs von Aragon, Pedro de Luna zum Abdanken zu bewegen. Da dieser sich weiterhin sperrte, wurde er von dem Dominikaner formell für illegitim und 1416 öffentlich für abgesetzt erklärt. Das Konzil von Konstanz beendete schließlich das Schisma und wählte am 7. November 1417 Martin V. auf den Stuhl Petri, nachdem alle drei Prätendenten zurückgetreten bzw. abgesetzt worden waren.
Für die Wiederherstellung des Friedens
Danach blieb Vinzenz innerhalb Frankreichs: Seine Streifzüge führten ihn u.a. nach Lyon, Nevers, Bourges, Angers, Nantes und Vannes. Das Land war damals vom Hundertjährigen Krieg verwüstet. Der Prediger setzte sich für die Wiederherstellung des Friedens ein, und zwar nicht nur durch seine Predigten, sondern auch bei seinen Begegnungen mit den Machthabern, insbesondere den Herzögen von Burgund und der Bretagne sowie dem König von England. Da sich seine Gesundheit zunehmend verschlechterte, beschworen ihn seine Landsleute, nach Katalonien zurückzukehren und seine Tage dort zu beschließen. Er bestieg tatsächlich ein Schiff in Richtung Iberische Halbinsel, doch widrige Winde trieben das Schiff wieder nach Vannes zurück, wo der berühmte Prediger kurz darauf, am 5. April 1419, verschied. Er wurde dort im Chor der Kathedrale beigesetzt; die Dominikaner von Valencia reklamierten jedoch die sterbliche Hülle ihres Mitbruders für sich. Papst Nikolaus V. verfügte schließlich, dass sein Grab in Vannes blieb, wo sich viele Wunder ereigneten. Vinzenz Ferrer wurde am 29. Juni 1455 von Papst Calixtus III. heiliggesprochen.
Papst Franziskus verwies uns einmal auf das „Evangelium nach Johannes, wo es ausdrücklich heißt: Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat (Joh 3,17-18). Das bedeutet also, dass das Jüngste Gericht bereits stattfindet, jetzt im Laufe unseres Lebens beginnt. Das Urteil wird in jedem Augenblick unseres Lebens gesprochen, als Bestätigung unserer gläubigen Annahme des in Christus gegenwärtigen und wirkenden Heils oder unserer Ungläubigkeit, mit der daraus folgenden Verschließung in uns selbst. Wenn wir uns jedoch vor der Liebe Christi verschließen, verurteilen wir uns selbst. Das Heil bedeutet, sich Jesus zu öffnen, und er rettet uns … Aber dafür müssen wir uns öffnen gegenüber der Liebe Jesu, die stärker ist als alles andere. Die Liebe Jesu ist groß, die Liebe Jesu ist barmherzig, die Liebe Jesu vergibt; aber du musst dich öffnen, und sich öffnen bedeutet zu bereuen und sich der Dinge, die nicht gut sind und die wir getan haben, anzuklagen“ (Generalaudienz vom 11. Dezember 2013).
Indem Vinzenz Ferrer die Aufmerksamkeit einer ganzen Generation auf die Perspektive des göttlichen Gerichts lenkte und dafür all seine außerordentlichen Gaben einsetzte, sicherte er die Zuwendung von Gottes Barmherzigkeit für seine Zeitgenossen und die ganze Welt. Wie Jonas Verkündigung Ninive gerettet hatte, rettete die Verkündigung Vinzenz Ferrers gewissermaßen die gesamte Christenheit. Ausgehend von den Worten des hl. Johannes, Kinder, es ist die letzte Stunde (1 Joh 2, 18), verwies der hl. Johannes-Paul II. in einer Predigt zu Beginn seines Pontifikats darauf, dass in der Geschichte des Menschen nicht nur Christus wirkt, „sondern auch der Antichrist. Und doch muss sich der Mensch, und zwar jeder Mensch, der sich irgendwie für solche übermenschliche Bedrohungen, die auf der Menschheit lasten, verantwortlich fühlt, unbedingt dem Urteil seines Gewissens und dem Urteil Gottes stellen … In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen (Joh 1, 4-5)“ (31. Dezember 1979).