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9. März 2022 am Fest der hl. Francesca Romana |
„Nach der Vermählung Mariens mit Josef zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete durch das Wirken des Heiligen Geistes“, schreibt der hl. Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben über den hl. Josef. „Unter diesen Umständen beschloss Josef, ihr Bräutigam, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, sich in aller Stille von ihr zu trennen (Mt 1, 19). Er wusste nicht, wie er sich angesichts der wundersamen Mutterschaft Mariens verhalten sollte. Während er noch darüber nachdachte, erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben (Mt 1,20-21)“ (Redemptoris custos, 15. August 1989, Nr. 2-3). Die Erscheinung des Engels Gabriel vor dem hl. Josef, wie sie auf einem Gemälde in einem Museum in Toulouse dargestellt ist, hat Émilie de Vialar so tief beeindruckt, dass sie ihre neue religiöse Kongregation 1832 „Schwestern des heiligen Josef von der Erscheinung“ nannte.
Allein in meinem Zimmer
Anne-Marguerite-Adelaïde-Émilie de Vialar wurde am 12. September 1797 in Gaillac in der Diözese Albi (Südwestfrankreich) als Tochter von Baron Jacques-Augustin de Vialar und seiner Frau Antoinette geboren. Baron de Vialar – ein Anhänger der Aufklärung, ohne deshalb antireligiös zu sein – war bei Ausbruch der Französischen Revolution Mitglied des Gemeinderates von Gaillac. Er heiratete 1794 unter der Schreckensherrschaft Terreur; daher musste das Brautpaar von einem im Untergrund lebenden Priester getraut werden. Émilie war ein Kind, das sich sowohl zu Gott als auch zur Welt und zur Koketterie hingezogen fühlte. 1810 unternahm Madame de Vialar mit ihrer Tochter eine Reise nach Paris, um für diese ein religiöses Pensionat zu suchen. Von einer kurz zurückliegenden Entbindung geschwächt, erkrankte sie plötzlich und starb mit 34 Jahren. Émilie blieb in der Hauptstadt, lernte zwei Jahre lang bei den Schwestern von Notre-Dame und empfing dort die Erstkommunion. 1913 kehrte sie als hübsches junges Mädchen nach Gaillac zurück, tummelte sich bis zu ihrem 18. Lebensjahr gern auf mondänen Empfängen und vernachlässigte die Sakramente. 1815 wurde ihr dann eine einzigartige Gnade zuteil: „Eines Tages, als ich ganz allein in meinem Zimmer war, wurde ich wie entrückt in Gott.“ Zunächst wehrte sie sich gegen die Gnade, bekehrte sich jedoch im folgenden Jahr bei einer Gemeindemission, als sie „eines Abends von einer großen Furcht vor dem Urteil Gottes erfasst“ wurde. Sie beichtete, ging zur Kommunion und wandte sich vom mondänen Leben ab.
Émilie gingen nun die Augen auf, und sie wurde sich der Armut um sich bewusst. Die Stadt Gaillac zählte rund 800 Bedürftige, zumeist Bettler. Diese „soziale Lepra“ erregte ihr Mitleid und weckte ihre Hilfsbereitschaft. Sie begann, Kranke zu besuchen und sie mit heißen Suppen, Kleidung und Medikamenten zu versorgen; schließlich nahm sie sie zum Missfallen ihres Vaters sogar bei sich auf. Sie wollte etwas für die Bekehrung der Sünder sowie für die Rückkehr der Protestanten zum Katholizismus tun und unterzog sich zu diesem Zweck auch körperlichen Kasteiungen, konnte jedoch nicht länger in innerer Andacht verharren. Die Stimme des Herrn in ihrem Herzen riet ihr: „Halte an meiner Gegenwart fest. Ich werde dich daran erinnern, wenn du dich davon entfernst.“ Einmal sah Émilie an einem Anbetungstag in der Kirche Saint-Pierre über dem Tabernakel plötzlich das Bild des gekreuzigten Jesus aufscheinen: Sie fühlte sich von da an zu einem gottgeweihten Leben berufen und zeigte entgegen den Wünschen ihres Vaters keinerlei Bereitschaft zum Heiraten. Sie blieb trotzdem bei ihm, da er ohne sie kein christliches Leben mehr geführt hätte. 1822 legte sie im Alter von 25 Jahren ein privates Keuschheitsgelübde ab.
Als Émilie nach dem Tod ihres Großvaters eine stattliche Erbschaft erhielt, kaufte sie zusammen mit drei Gefährtinnen ein Haus in Gaillac für die geplante Kongregation. Sie verließ nun das väterliche Haus, besuchte ihren Vater jedoch weiterhin täglich. An Weihnachten 1832 wurde das Institut der Schwestern des heiligen Josef von der Erscheinung gegründet mit dem Ziel, Arme und Kranke zu pflegen. Sechs Monate später gab es bereits 26 Schwestern. Sie trugen eine schlichte Tracht und hatten in ihrem Haus weder eine Klausur noch Gitter, was zu allerlei Gerede führte. Auf Bitten der Zivilbehörden erklärten sich die frischgebackenen Ordensschwestern bereit, kostenlose Mädchenschulen anzubieten. Im Januar 1834 legte die Gründerin dem Erzbischof von Albi ein erstes Regelwerk vor, das er ein Jahr später auch billigte. Der Name der Kongregation „Schwestern des heiligen Josef von der Erscheinung“ bezieht sich zunächst auf die Erscheinung des Erzengels Gabriel vor dem hl. Josef, könnte aber auch vielleicht an eine Erscheinung des hl. Josef vor der Gründerin erinnern.
Sympathie gewinnen
Bald erging ein bedeutender Ruf an die Schwestern. 1830 hatte die französische Marine einen Stützpunkt in Algerien errichtet – bis dahin eine Hochburg der Piraterie, die das ganze westliche Mittelmeer unsicher gemacht hatte. Marineoffizier Augustin de Vialar, ein Bruder Émilies, hatte sich als Siedler in der damals noch nicht befriedeten Region Boufarik in der Nähe von Alger niedergelassen. Sein Grundsatz war: „Man darf die Eingeborenen nicht mit Waffengewalt in Schach halten, sondern muss sie durch die Wohltaten der Zivilisation für sich einnehmen.“ Er ließ auf eigene Kosten eine Ambulanz für kranke Beduinen eröffnen und bat seine Schwester um Unterstützung; gleichzeitig richtete auch der Stadtrat von Alger wegen einer Hospizes eine offizielle Anfrage an Émilie. Die Gründerin bestieg zusammen mit drei Schwestern ein Schiff und landete am 3. August 1835 in Algerien, wo gerade eine Choleraepidemie wütete. Die Ordensschwestern setzten sich so aufopferungsvoll ein, dass sie rasch die Sympathie der muslimischen Bevölkerung gewannen. Émilie gründete ein Pensionat für junge Mädchen aus wohlhabenden Familien und finanzierte mit den Einnahmen eine kostenlose Schule, die auf Anhieb großen Zuspruch fand.
Nachdem Mutter Émilie in Gaillac zur Generaloberin gewählt worden war, eröffnete sie 1838 zahlreiche Häuser in Algerien. Im selben Jahr wurde auf Antrag der französischen Regierung Pfarrer Antoine-Adolphe Dupuch zum ersten Bischof von Alger und ganz Algerien ernannt. Nach seiner Ankunft in dem Land legte der Bischof nicht nur wahren Glaubenseifer, sondern auch ein chaotisches und herrisches Temperament an den Tag. 1840 zog sich Émilie durch eine Neugründung in Constantine seine Feindschaft zu, denn er hatte die Absicht, die Schwestern exklusiv seiner Autorität zu unterwerfen. Er wollte sämtliche Ernennungen selbst vornehmen und über die geistliche Betreuung der Schwestern bestimmen. Da Mutter Émilie sich weigerte, ihn als einziges Oberhaupt ihrer aufstrebenden Kongregation anzuerkennen, waren sie und ihre Nonnen ab 1839 zahlreichen Schikanen und Disziplinarmaßnahmen seitens des Bischofs ausgesetzt: In den Kapellen der Schwestern durften keine Messen zelebriert und keine Sakramente mehr gespendet werden. Nichtsdestotrotz setzten die Schwestern ihr Apostolat fleißig fort und wurden dabei sowohl von der christlichen als auch von der muslimischen und jüdischen Bevölkerung unterstützt, die von ihrer Pflege- und Erziehungsarbeit gleichermaßen profitierten.
1840 fuhr Émilie de Vialar auf Anregung des Bischofs von Albi, Msgr. de Gualy, nach Rom, um den Papst um die kanonische Anerkennung ihres Instituts zu bitten. Trotz eines freundlichen Empfangs durch Gregor XVI. bekam sie nach 18 Monaten Aufenthalt in der Ewigen Stadt aufgrund der Intrigen des Bischofs von Alger lediglich ein „lobendes Dekret“. 1842 konnten selbst die Unterstützung des Heiligen Stuhls sowie eine von 133 muslimischen Würdenträgern unterzeichnete Petition nicht verhindern, dass die unter dem Einfluss von Bischof Dupuch stehende algerische Zivilregierung die Schwestern des hl. Josef des Landes verwies. Als 18 Schwestern im Hospiz von Alger gerade das Abendessen an die Kranken austeilten, wurden sie aufgefordert, ihren Platz augenblicklich an Nonnen einer anderen Kongregation abzutreten. „Warum weint ihr?“, fragte Mutter Émilie ihre Schwestern. „Das ist bloß eine Prüfung. Der Herr hat viel mehr gelitten als wir!“ Vier Jahre danach führten die Wechselfälle des Lebens dazu, dass Bischof Dupuch, der seine guten Werke durch Schulden finanziert hatte und nun von Gläubigern bedrängt wurde, im Haus Augustin de Vialars in Alger Zuflucht fand. Mutter Émilie begrüßte die barmherzige Geste ihres Bruders. Sie beantragte eine Entschädigung bei der französischen Regierung für die von ihr allein geschulterten enormen Bau- und Unterhaltungskosten in Algerien, doch der Antrag scheiterte an der Trägheit der Verwaltung. Die Gründerin war nun so gut wie ruiniert, nahm jedoch alles im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung hin.
Eine lehrreiche Lektion
In Gaillac begegnete der neue Bischof von Albi, Msgr. de Jerphanion, Mutter Émilie ebenfalls mit Misstrauen, da sie von ungeduldigen Gläubigern verfolgt wurde. Sie selbst bemühte sich in Paris um die zivile Anerkennung ihrer Kongregation. Doch trotz aller Lobeshymnen auf ihre Arbeit in Algerien antwortete der Justizminister mit einer höflichen Ablehnung: Die Regierung sei der Ansicht, dass es in Frankreich genügend religiöse Kongregationen gebe. Nichtsdestotrotz wurden weitere Häuser gegründet: 1840 in Tunesien, 1844 in Rom und Zypern, 1845 auf Malta und danach in Griechenland.
Umsorgt von seiner Tochter und nach Empfang der Sterbesakramente starb Baron de Vialar 1846 einen erbaulichen Tod. Doch in Gaillac hatte sich der Klerus inzwischen gegen Mutter Émilie gewandt und verweigerte ihr die heilige Kommunion, so dass sie sie in der Nachbardiözese empfangen musste. Geistlichen Beistand für sich und die vielen Novizinnen ihres Instituts fand sie bei den Jesuiten in Toulouse. Die Verwaltung ihrer Finanzen lag damals in den Händen eines zweifelhaften Geschäftsmannes namens Molis, der ihre Wachsamkeit einschläfern konnte. Die Mutter sah sich durch seine Unterschlagungen nahezu ruiniert; zudem wurde es für sie immer offenkundiger, dass Schwester Pauline, die Oberin von Gaillac, eine Rebellion gegen sie anzettelte, da sie die von ihr erbetenen Mittel nicht bekam. Die Klage der Gründerin gegen den Betrüger Molis wurde von einem Zivilgericht abgewiesen, so dass diese gezwungen war, die vertraglich vereinbarten Schulden aus ihrem Erbe zu begleichen. Der Rechtsstreit wurde erst 1851 durch ein höchstrichterliches Urteil beendet, das sich auf ein von Molis unterbreitetes gefälschtes Dokument stützte und Émilie de Vialar sowie ihre Familie endgültig ruinierte. „Ich habe eine lehrreiche Lektion empfangen“, schrieb sie an ihren geistlichen Vater. „Ich habe begriffen, dass irdische Güter nicht übermäßig erstrebenswert sind und dass wir uns mit Blick auf unsere wie auch immer gearteten Interessen ruhig auf den Herrn verlassen sollten. In meinem Geist herrscht immer Friede, selbst wenn mein Herz bedrückt ist. Wie gütig Gott doch zu allen ist, die Ihn lieben wollen!“
Das Erwachen eines wunderschönen Tages
Bei einer Romreise wurde Mutter Émilie vom neuen Papst Pius IX. überaus herzlich empfangen; er versprach ihr eine rasche Anerkennung ihrer Kongregation. Die Feindseligkeit des Klerus von Gaillac sowie die Gleichgültigkeit des Erzbischofs von Albi zwangen sie gleichwohl, das Noviziat ihrer Kongregation in eine andere Diözese zu verlegen. 1847 ließen sich die Schwestern in Toulouse nieder. Die Oberin war so betrübt über den Tod mehrerer Nonnen, über ihre finanziellen Sorgen sowie das schäbige Verhalten bestimmter Schwestern, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechterte. Doch aufgrund ihrer Glaubensstärke entdeckte sie in den Ereignissen auch Zeichen der Hoffnung: „Was mich tröstet in meinem Leid, ist, dass Gott alles, was mich verdrießt, nur um eines höheren Gutes willen zulässt, und dass Er in unserem Interesse besondere Ziele verfolgt. Inmitten all dieser Kreuze – und sicherlich erst durch sie – steht unser Haus vor dem Erwachen eines wunderschönen Tages.“ Getröstet durch mehrere Neugründungen im Heiligen Land, rief Mutter Émilie die Oberin des Jerusalemer Klosters nach Frankreich zurück, damit sie den jungen Neuberufenen, die im Nahen Osten eingesetzt werden sollten, Arabischunterricht erteilt. Sie selbst unternahm eine Reise in den Libanon und gründete dort eine Schule, um die Mission der Jesuiten zu unterstützen. Auf Bitten einer italienischen Männerkongregation entsandte sie sechs junge englischsprachige Nonnen nach Burma. Mutter Émilie und die Schwestern glaubten fest an den Schutz des hl. Josef, der „die unmöglichsten Dinge möglich machen kann“ (Hl. Franz von Sales). Bei der gefährlichen Überquerung der Landenge von Suez (den Suezkanal gab es damals noch nicht), wurden die Schwestern von wenig vertrauenswürdigen Guides eskortiert. Doch in jedem kritischen Augenblick trafen sie auf einen gütigen alten Mann, der ihnen weiterhalf und sie beruhigte: „Ich bin es, meine Kinder, habt keine Angst, ich bin da!“ Der Mann verschwand erst, nachdem er sie in Suez zum Schiff begleitet hatte. Die Schwestern erkannten in ihm ohne jeden Zweifel den hl. Josef, ihren himmlischen Schutzpatron.
Der Schutz deshl. Josef „muss erfleht werden“, schrieb der hl. Johannes Paul II. „Die Kirche braucht ihn immer noch, nicht nur zur Verteidigung gegen die aufkommenden Gefahren, sondern auch und vor allem zur Stärkung ihrer erneuten Anstrengung für die Evangelisierung der Welt und für die Neuevangelisierung in jenen Ländern und Nationen, in denen früher Religion und christliches Leben blühte und die nun harte Proben durchmachen. Um die erste Botschaft von Christus zu bringen oder um sie neu zu verkünden, wo sie vernachlässigt wurde oder in Vergessenheit geriet, braucht die Kirche eine besondere Gnade von oben (vgl. Lk 24,49), gewiss ein Geschenk des Geistes des Herrn und verbunden mit der Fürsprache und dem Beispiel seiner Heiligen. Außer in den sicheren Schutz vertraut die Kirche auch in das herausragende Beispiel des hl. Josef, ein Beispiel, das über die einzelnen Lebenslagen hinausgeht und sich der ganzen Kirche anbietet, in welcher Situation auch immer sie sich befindet und welches die Aufgaben jedes einzelnen Gläubigen sind“ (ibid., Nr. 29-30).
Rat und Tat eines Heiligen
1852 kam es zu einer Neugründung in Trabzon in der Türkei. Die Schwestern des hl. Josef waren nunmehr im gesamten Osmanischen Reich von Nordafrika bis zum Schwarzen Meer präsent. Das Mutterhaus der Kongregation konnte indessen nicht länger in Toulouse bleiben, sondern wurde vom Bischof von Marseille, dem hl. Eugène de Mazenod, dem Gründer der Oblaten der Unbefleckten Jungfrau Maria, aufgenommen, der die Gründerin mit Rat und Tat unterstützte und die Kongregation 1853 offiziell anerkannte. Die Anerkennung durch Rom erfolgte erst nach Émilies Tod im Jahre 1865. Die Konstitutionen der Kongregation legten deren Mission genau fest: „Die Schwestern des heiligen Josef von der Erscheinung weihen sich der Erziehung junger Mädchen aus wohlhabenden Kreisen gegen eine geringe Gebühr, die dazu verwendet wird, arme Kranke aus ihrer Pfarrgemeinde kostenlos zu pflegen und sich sämtlichen wohltätigen Werken zu widmen, in denen der Diözesanbischof sie einsetzen möchte.“
20 Jahre nach der Gründung und nach vielen materiellen und spirituellen Prüfungen sah Mutter Émilie de Vialar ihr Werk unverhofft aufblühen: 1856 besaß es 42 Häuser, darunter sogar eines in Australien. Doch um ihre Gläubiger zu besänftigen, sah sich die Gründerin genötigt, zuerst das Anwesen der Familie zu verkaufen, dann auch das Haus in Gaillac, das erste Kloster der Schwestern vom hl. Josef. Nach jahrelangen inneren Qualen stellte die Gründerin nun fest: „Die göttliche Vorsehung hat ihre Prüfungen ausgesetzt. Mein Alter nötigt sie, das Kreuz, das mir der Herr aus Liebe und Gnade auferlegt hat, abzumildern.“ Inmitten ihrer vielfachen weltlichen Geschäfte fand Émilie ihren Seelenfrieden in der Selbsthingabe wieder. Sie musste allerdings den schmerzlichen Verlust zahlreicher Schwestern verkraften, die vorzeitig an tropischen Krankheiten starben. Gleichwohl bemühte sie sich, die Oberinnen vor Ort zu unterstützen, ohne ihre Eigeninitiative zu lähmen: Sie hatten größtmögliche Handlungsfreiheit, damit sie die Gepflogenheiten ihrer Häuser an die Lage in den verschiedenen Ländern anpassen konnten.
„Wir hatten genügend Brot!“
1854 reiste der neugewählte Bischof von Alger, Msgr. Pavy, nach Marseille, um die Gründerin zu treffen und um die Entsendung von Schwestern in seine Diözese zu bitten; Mutter Émilie sagte zu; innerlich war es für sie eine Genugtuung, als ehemalige Vertriebene nach Algerien zurückzukehren. Im Oktober 1855 erhielt sie die offizielle Anerkennungsurkunde ihres Instituts, die im Rahmen des geltenden Konkordats unverzichtbar war; die Kongregation konnte von da an ganz legal über materielle Güter verfügen. Die Gründerin klagte nicht über die Geldprobleme, die die Schwestern in der Armut der Heiligen Familie in Bethlehem verharren ließen: „Wäre ich nicht arm geworden, so hätte ich die Kongregation nie etablieren können. Alles muss vom Siegel des Kreuzes geprägt sein. Man begreift nicht, welches Glück es bedeutet, aus Liebe zu Jesus arm zu sein. Gott steht uns immer bei“ (Brief aus dem Jahr 1855). Sie selbst ging mit gutem Beispiel voran und verschenkte sogar ihre Kleider. Es machte ihr Freude, lange zu beten; fragte man sie, was sie mache, erwiderte sie: „Was ich mache, meine Liebe? Ich betrachte die Liebe des Herrn!“ Ein paar Tage vor ihrem Tod empfing sie in Marseille einen Armen, der lauthals über Hunger klagte. Sie gab ihm den kleinen Brotrest, der für den Tag noch übrig war. Als die Schwester Köchin dagegen protestierte, antwortete sie: „Beruhigen Sie sich, meine Liebe; dieser Mann hat Hunger und muss was essen. Der hl. Josef wird uns helfen!“ Die Köchin bezeugte später: „Ich weiß nicht auf welchem Wege und wie, aber eines steht fest: Wir hatten genügend Brot zum Abendessen.“
Am 24. August 1856 starb die Gründerin mit 58 Jahren einen grausamen Tod – Spätfolge eines Unfalls, den sie in ihrer Jugend erlitten hatte, als sie einen schweren Sack voll Mehl zu den Armen trug. Sie wurde am 24. Juni 1951 von Papst Pius XII. heiliggesprochen; ihr Fest wird am 24. August gefeiert. 2017 zählte ihre Kongregation 829 Schwestern in 144 Häusern und 24 Ländern. Die Schwestern sind oft schwierigen und gefährlichen Situationen ausgesetzt und bewältigen sie, indem sie das Wort des Engels Gabriel an den hl. Josef beherzigen: „Fürchte dich nicht!“
Die Devise der hl. Émilie lautete: „Die unermessliche Liebe Gottes zur Menschheit offenbaren und an der Mission mitwirken, für die Jesus auf die Erde gekommen ist.“ Diese Mission beschreibt das Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche so: „Er wollte uns Sünder mit Gott versöhnen, uns seine unendliche Liebe kundtun, für uns Vorbild der Heiligkeit sein und uns an der göttlichen Natur Anteil geben“ (Nr. 85). Damit auch wir dieses schöne Programm verwirklichen können, „möge der hl. Josef für alle ein einzigartiger Lehrmeister im Dienst an der Heilssendung Christi werden, ein Dienst, der in der Kirche jeden einzelnen und alle angeht: die Eheleute und die Eltern, jene, die von ihrer Hände Arbeit oder jeder anderen Arbeit leben, die Personen, die zum beschaulichen Leben, wie jene, die zum Apostolat berufen sind“ (Redemptoris custos, Nr. 32).