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7. November 2006 Hl. Willibrord |
Zunächst geht es bei den Wundern um die Beglaubigung dessen, der im Namen Gottes spricht. Ihr Männer von Israel! Hört diese Worte", sagte der hl. Petrus am Pfingsttag. "Jesus, den Nazoräer, einen Mann, von Gott vor euch beglaubigt durch Machttaten, Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn wirkte, « habt ihr « ans Kreuz geschlagen und hingerichtet. Ihn hat Gott auferweckt (Apg 2,22-24). Ebenso bestätigt der hl. Johannes in seinem Evangelium: Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor den Augen seiner Jünger, die nicht niedergeschrieben sind in diesem Buch; diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus ist der Christus , der Sohn Gottes, und damit ihr im Glauben Leben habt in seinem Namen (Joh 20,30-31).
Darüber hinaus werden auch die Gläubigen im Laufe der Jahrhunderte im Namen Jesu Zeichen und Wunder vollbringen, wie unser Herr seinen Aposteln verkündet hat: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird auch selber die Werke tun, die ich tue, und noch größere als diese wird er tun (Joh 14,11-12). "Der Hauptzweck dieser Zeichen besteht darin", sagte Johannes-Paul II., "der Welt die Bestimmung des Menschen und seine Berufung in das Reich Gottes aufzuzeigen" (Generalaudienz vom 13. Januar 1988). Diese Zeichen und Wunder stießen jedoch bei manchen auf ein Vorurteil gegen alles Übernatürliche, welches "die Macht Gottes begrenzen oder auf die natürliche Ordnung der Dinge beschränken möchte, als wäre Gott gleichsam verpflichtet, sich an seine eigenen Gesetze zu halten" (9. Dezember 1987). So leugnen heute wie gestern viele Leute die Existenz, ja sogar die Möglichkeit von Wundern.
Kein Holzbein!
Wunder und die Welt des Übernatürlichen sind in der Tat miteinander verbunden. Wenn die Rationalisten Letzteres nicht anerkennen wollen, so leugnen sie die Möglichkeit des Ersteren. Die Wunderberichte des Evangeliums ordnen sie folglich den Fabeln zu, obwohl sie "ebenso glaubwürdig oder noch glaubwürdiger sind als Berichte aus anderen historischen Werken" (Johannes-Paul II., 9. Dezember 1987). Die Wunder des Evangeliums haben wirklich stattgefunden und sind wirklich von Christus bewirkt worden; diejenigen, die davon berichten, haben das sogar mit ihrem Blut bezeugt. Von den Evangelien besitzen wir viel ältere und zahlreichere Handschriften als von profanen Werken der Antike, die als historisch gelten.
Was ist nun ein Wunder? Ein erfahrbares Geschehen, das sich außerhalb der Wirkungsmöglichkeit der erschaffenen Natur ereignet bzw. darüber hinausgeht; es zeigt damit das Eingreifen einer über der Natur stehenden Macht an. Wunder sind durchaus beobachtet worden: "Die Kirchengeschichte und insbesondere die Heiligsprechungsprozesse stellen eine Dokumentation dar, die selbst im Lichte der strengsten historischen Kritik und der medizinischen Wissenschaft die Existenz jener Kraft aus der Höhe (Lk 24,49) belegt, die in der Ordnung der Natur wirkt und gleichzeitig über sie hinausgeht" (Johannes-Paul II., 13. Januar 1988).
Renan widerlegt
Miguel Juan Pellicer wurde am 25. März 1617 getauft. Er war das zweite von acht Kindern und stammte aus einer bescheidenen Bauernfamilie, die nach einem tugendhaften Leben strebte. Die Bildung der Kinder beschränkte sich auf den Katechismus. In diesem elementaren Religionsunterricht wurzelte Miguels schlichter und fester katholischer Glaube, der sich auf den regelmäßigen Empfang der Sakramente sowie eine inbrünstige und kindliche Liebe zur Jungfrau Maria stützte, die in Zaragoza als Nuestra Señora del Pilar (Unsere Liebe Frau vom Pfeiler) und Patronin Spaniens verehrt wurde. Mit 19 oder 20 Jahren verdingte sich Miguel als Landarbeiter bei einem Onkel mütterlicherseits in der Provinz Valencia. Als er Ende Juli 1637 zwei Maulesel vor einem mit Weizen beladenen Wagen zum Hof lenkte, fiel er vom Gespann; eines der Räder überfuhr sein Bein unterhalb des Knies und brach ihm das Schienbein.
Sein Onkel Jaime brachte den Verletzten unverzüglich in die benachbarte Kleinstadt, dann rund 60 km weiter nach Valencia, wo er am 3. August eintraf. Miguel blieb fünf Tage dort; es wurden ihm verschiedene Medikamente verabreicht, doch sie zeigten keine Wirkung. So reiste er nach Zaragoza zurück und kam dort Anfang Oktober 1637 an. Erschöpft und fiebernd wurde er in das Real Hospital de Gracia aufgenommen. Er wurde dort von Prof. Juan de Estanga, Chef der chirurgischen Abteilung, sowie von zwei weiteren ausgebildeten Chirurgen, untersucht. Da alle drei Ärzte einen fortgeschrittenen Wundbrand am Bein diagnostizierten, hielten sie eine Amputation für das einzige Mittel, das Leben des Kranken zu retten. Als sie später vor den Richtern aussagten, beschrieben die Mediziner das Bein als "sehr phlegmonös und brandig", stellenweise sogar "schwarz". Mitte Oktober führte Estanga die Operation durch: er trennte das rechte Bein "vier Fingerbreit unterhalb des Knies" ab. Obwohl der Patient durch ein damals übliches narkotisierendes alkoholisches Getränk betäubt war, litt er qualvolle Schmerzen. "In seiner Pein rief der junge Mann ununterbrochen und mit großer Inbrunst die Jungfrau del Pilar zu Hilfe", sagten die Zeugen. Ein Student der Chirurgie namens Juan Lorenzo García sollte das abgetrennte Bein einsammeln und auf dem dafür vorgesehenen Teil des Krankenhausfriedhofs würdig begraben. Zu jener Zeit gebot die Achtung vor dem zur Auferstehung bestimmten Leib, dass selbst abgetrennte Gliedmaßen pietätvoll behandelt wurden. García bezeugte im Nachhinein, dass er das Beinstück horizontal "in einem eine Handbreit tiefen Loch", das entspricht nach der in Aragon üblichen Maßeinheit 21 Zentimetern, beerdigt hatte.
Die Macht der Mutter Gottes
Anfang 1640 kehrte Miguel auf dem Rücken eines Esels in sein Heimatdorf zurück. Die 120 km lange Reise hatte ihn erschöpft; doch der herzliche Empfang seiner Eltern schenkte ihm wieder Kraft. Miguel war knapp 23 Jahre alt. Da er bei der Arbeit nicht richtig zupacken konnte, begann er zur Unterstützung der Seinen wieder um Almosen zu betteln. Viele Leute bezeugten später, den einbeinigen jungen Mann in den Dörfern um Calanda gesehen zu haben: Er sei auf einem kleinen Esel gesessen und hätte seinen Beinstumpf gut sichtbar platziert.Am 29. März 1640 wurde gemäß der Überzeugung der Leute aus der Region der 1600. Jahrestag der "Ankunft der Jungfrau Maria in ihrer sterblichen Hülle" am Ufer des Ebro gefeiert, die der jahrhundertelangen Verehrung der Jungfrau del Pilar seitens der Spanier zugrunde liegt. Zur gleichen Zeit erschien in Leuven (im damals spanischen Flandern) der "Augustinus", ein Buch des Bischofs Cornelius Jansen, nach dem der Jansenismus benannt ist; diese Lehre erlangte dadurch traurige Berühmtheit, dass sie die Marienverehrung, die Volksfrömmigkeit, Wallfahrten, Prozessionen, den Wunderglauben der einfachen Leute usw. als des reinen Glaubens unwürdig ablehnte.
An jenem 29. März versuchte Miguel den Seinen zu helfen, indem er die Tragkörbe auf dem Rücken seines kleinen Esels mit Mist belud. Er tat das neunmal hintereinander, obwohl es ihm schwerfiel, sich auf seinem Holzbein aufrecht zu halten. Als dann Abend wurde, ging er müde ins Haus, wobei sein Stumpf noch mehr wehtat als gewöhnlich. Diese Nacht musste die Familie Pellicer auf Befehl des Gouverneurs einen Soldaten der königlichen Kavallerie beherbergen, die in Richtung Grenze marschierte: Miguel musste ihm sein Bett überlassen und auf einer Matratze auf dem Boden im Schlafzimmer seiner Eltern übernachten. Er legte sich gegen zehn Uhr hin. Er hatte sein Holzbein abgenommen und breitete einfach einen viel zu kurzen Mantel über sich, um seinen Körper zuzudecken, denn er hatte seine Bettdecke an den Soldaten abgetreten; dann schlief er ein «
Zwei Füße und zwei Beine
Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, begann der junge Mann sein Bein zu bewegen und zu betasten. Bei näherer Betrachtung wies es Merkmale auf, die seine Echtheit belegten: Zunächst war da die von dem Wagenrad hinterlassene Narbe, als ihm das Schienbein gebrochen worden war; dann sah man die Spur, die von der Entfernung einer Zyste im Kindesalter herrührte; zwei tiefe, von einem Dornengewächs hinterlassene Kratzer; schließlich die Spuren eines Hundebisses an der Wade. Miguel und seine Eltern waren sich demnach sicher, dass die "Jungfrau del Pilar von Gott, unserem Herrn, das Bein wiederbekommen hat, welches mehr als zwei Jahre zuvor beerdigt worden war". Sie beeideten das ohne zu zögern vor den Richtern in Zaragoza. Eine Zeitung aus jener Zeit, der "Aviso Histórico", schrieb am 4. Juni 1640, einen Tag vor Prozessbeginn, das beerdigte Bein sei trotz aller Nachforschungen auf dem Hospitalfriedhof von Zaragoza nicht gefunden worden: Das Loch, in welches es gelegt worden war, sei leer!
Wie vor den Kopf geschlagen
Doch das Bein sah anfänglich nicht schön aus: Es war violett verfärbt, die Zehennägel waren verkrümmt, die Muskeln verkümmert, und vor allem war das Bein um einige Zentimeter kürzer als das andere. Es dauerte drei Tage, bis es wieder normal aussah und seine Gelenkigkeit sowie seine Kraft wiedergewonnen hatte. Diese Umstände, die beim Prozess sorgfältig dokumentiert und untersucht wurden, bestätigen, das es sich nicht um einen Zaubertrick handelte; sie beweisen, dass das wiedergeschenkte Bein dasselbe Bein war, welches zwei Jahre und fünf Monate zuvor und über 100 km weit entfernt beerdigt worden war « Im Juni bestätigten Zeugen vor den Richtern in Zaragoza, dass Miguel "seine Ferse auf die Erde drücken, die Zehen bewegen und ohne Schwierigkeiten laufen kann". Darüber hinaus wurde festgehalten, dass das wiedergeschenkte Bein seit Ende März "um beinahe drei Fingerbreit gewachsen" und nun ebenso lang war wie das andere. Ein einziges Mal an diesem Bein verschwand nicht: die Narbe, die einen roten Kreis an der Stelle bildete, wo die beiden Beinteile zusammengewachsen waren. Das war gleichsam ein unauslöschliches Zeichen des Wunders.
"Ein Wunder müsste demnach durch eine bestimmte Anzahl von vernünftigen Menschen festgestellt werden, die keinerlei Interesse an der Sache haben", forderte Voltaire. "Und ihre Zeugenaussagen müssten in korrekter Form aufgezeichnet werden: Denn wenn wir so viele Formalitäten bei Vorgängen wie einem Hauskauf, einem Ehevertrag oder einem Testament beachten müssen, wie viele wären dann eigentlich bei der Überprüfung von Natur aus unmöglicher Dinge notwendig?" (Artikel "Wunder" in seinem Philosophischen Wörterbuch). Genau solch eine Urkunde war 120 Jahre vorher in Calanda erstellt worden. Am 1. April 1640, einem Montag sowie dem vierten Tag nach dem Wunder, machten sich der Pfarrer sowie ein Vikar aus Mazaleón, einem 50 km entfernten Dorf, zusammen mit dem königlichen Notar vor Ort auf den Weg, um die Wirklichkeit der Fakten zu überprüfen und eine offizielle Urkunde darüber auszustellen.
Kein Einspruch
Die Wörter des hl. Augustinus über die Wunder Christi lassen sich auf jedes echte Wunder anwenden: "Die Wunder unseres Herrn Jesus Christus sind göttliche Werke, die den menschlichen Verstand lehren, sich über die sichtbaren Dinge zu erheben, um zu begreifen, was Gott ist". Papst Johannes-Paul II. sagte hierzu: "Solche Wunder beweisen die Existenz einer übernatürlichen Ordnung, die Gegenstand des Glaubens ist. Wer diese Wunder beobachtet und besonders wer sie persönlich erfahren hat, konnte durch sie ganz unmittelbar feststellen, dass die natürliche Ordnung die Wirklichkeit nicht vollständig abdeckt. Das Universum, in dem der Mensch lebt, passt nicht ganz in den Rahmen der mit den Sinnen bzw. dem Verstand, das durch die sinnliche Erfahrung konditioniert ist, erfassbaren Ordnung der Dinge. Das Wunder ist das Zeichen' dafür, dass diese Ordnung durch die Kraft aus der Höhe überwunden ist und somit ihr unterliegt. Diese Kraft aus der Höhe (vgl. Lk 24,49), d.h. Gott selbst, steht über der Ordnung der gesamten Natur. Sie bestimmt diese Ordnung und lässt gleichzeitig durch sie und über ihr erkennen, dass die Bestimmung des Menschen das Reich Gottes ist. Die Wunder Christi sind Zeichen' dieses Reiches « Nach der Auferstehung, der Himmelfahrt und Pfingsten wurden die von Christus bewirkten Zeichen und Wunder von den Aposteln und später von den aufeinanderfolgenden Generationen von Heiligen fortgesetzt'" (13. Januar 1988).
Das unvorstellbare und doch vollständig bezeugte Wunder von Calanda mag unseren Glauben an die Existenz einer unsichtbaren Welt, der Welt Gottes und seines ewigen Reiches, stärken, an der mitzuwirken auch wir als angenommene Kinder berufen sind. Dort liegt die höchste und ewige Wirklichkeit, auf die wir jede andere Wirklichkeit zurückführen müssen, wie ein kluger Mann die Mittel dem Zweck unterordnet. Die Wunder tragen dazu bei, dass wir unsere Hoffnung unerschütterlich auf die Barmherzigkeit Gottes setzen, und bieten uns immer wieder Anlass zu sagen: "Jesus, ich vertraue auf Dich!"