Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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7. November 2006
Hl. Willibrord


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

"Durch seine Offenbarung redet der unsichtbare Gott aus dem Übermaß seiner Liebe die Menschen wie Freunde an und verkehrt mit ihnen, um sie in die Gemeinschaft mit sich einzuladen und in sie aufzunehmen. Die dieser Einladung angemessene Antwort ist der Glaube. Durch den Glauben ordnet der Mensch seinen Verstand und seinen Willen völlig Gott unter « Der Beweggrund, zu glauben, liegt nicht darin, dass die geoffenbarten Wahrheiten im Licht unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend erscheinen. Wir glauben wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann. Damit nichtsdestoweniger der Gehorsam unseres Glaubens mit der Vernunft übereinstimmend sei, wollte Gott, dass mit den inneren Hilfen des Heiligen Geistes äußere Beweise seiner Offenbarung verbunden werden" (Katechismus der Katholischen Kirche, 142-143; 156).

Zunächst geht es bei den Wundern um die Beglaubigung dessen, der im Namen Gottes spricht. Ihr Männer von Israel! Hört diese Worte", sagte der hl. Petrus am Pfingsttag. "Jesus, den Nazoräer, einen Mann, von Gott vor euch beglaubigt durch Machttaten, Wunder und Zeichen, die Gott durch ihn wirkte, « habt ihr « ans Kreuz geschlagen und hingerichtet. Ihn hat Gott auferweckt (Apg 2,22-24). Ebenso bestätigt der hl. Johannes in seinem Evangelium: Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor den Augen seiner Jünger, die nicht niedergeschrieben sind in diesem Buch; diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus ist der Christus , der Sohn Gottes, und damit ihr im Glauben Leben habt in seinem Namen (Joh 20,30-31).

Darüber hinaus werden auch die Gläubigen im Laufe der Jahrhunderte im Namen Jesu Zeichen und Wunder vollbringen, wie unser Herr seinen Aposteln verkündet hat: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird auch selber die Werke tun, die ich tue, und noch größere als diese wird er tun (Joh 14,11-12). "Der Hauptzweck dieser Zeichen besteht darin", sagte Johannes-Paul II., "der Welt die Bestimmung des Menschen und seine Berufung in das Reich Gottes aufzuzeigen" (Generalaudienz vom 13. Januar 1988). Diese Zeichen und Wunder stießen jedoch bei manchen auf ein Vorurteil gegen alles Übernatürliche, welches "die Macht Gottes begrenzen oder auf die natürliche Ordnung der Dinge beschränken möchte, als wäre Gott gleichsam verpflichtet, sich an seine eigenen Gesetze zu halten" (9. Dezember 1987). So leugnen heute wie gestern viele Leute die Existenz, ja sogar die Möglichkeit von Wundern.

Kein Holzbein!

Im Jahre 1874 besuchte der Schriftsteller Émile Zola das Heiligtum von Lourdes. Angesichts der vielen Votivgaben in der Grotte erklärte er in spöttischem Ton: "Ich sehe viele Stöcke, viele Krücken, aber kein einziges Holzbein." Er wollte damit sagen, dass niemals, weder in Lourdes noch anderswo, jemandem ein fehlendes oder amputiertes Körperglied nachgewachsen sei. In gleichem Sinne erklärte ein Neurologe, Prof. Charcot: "Wenn man den Katalog der angeblichen ‚Wunderheilungen' von Lourdes betrachtet, wurde darin nie festgestellt, dass der Glaube ein amputiertes Körperglied habe nachwachsen lassen." Diese in herausforderndem Ton vorgebrachten Erklärungen zielten darauf ab, im Namen der Vernunft und des kritischen Geistes den Glauben an die Existenz der übernatürlichen Welt zu zerstören. Ernest Renan räumte ohne Umschweife ein: "Was wir zurückweisen, ist das Übernatürliche « Bis heute ist nicht ein einziges "Wunder" geschehen, welches von glaubwürdigen Zeugen beobachtet und mit Sicherheit konstatiert worden wäre" (Vorwort zum Leben Jesu).

Wunder und die Welt des Übernatürlichen sind in der Tat miteinander verbunden. Wenn die Rationalisten Letzteres nicht anerkennen wollen, so leugnen sie die Möglichkeit des Ersteren. Die Wunderberichte des Evangeliums ordnen sie folglich den Fabeln zu, obwohl sie "ebenso glaubwürdig oder noch glaubwürdiger sind als Berichte aus anderen historischen Werken" (Johannes-Paul II., 9. Dezember 1987). Die Wunder des Evangeliums haben wirklich stattgefunden und sind wirklich von Christus bewirkt worden; diejenigen, die davon berichten, haben das sogar mit ihrem Blut bezeugt. Von den Evangelien besitzen wir viel ältere und zahlreichere Handschriften als von profanen Werken der Antike, die als historisch gelten.

Was ist nun ein Wunder? Ein erfahrbares Geschehen, das sich außerhalb der Wirkungsmöglichkeit der erschaffenen Natur ereignet bzw. darüber hinausgeht; es zeigt damit das Eingreifen einer über der Natur stehenden Macht an. Wunder sind durchaus beobachtet worden: "Die Kirchengeschichte und insbesondere die Heiligsprechungsprozesse stellen eine Dokumentation dar, die selbst im Lichte der strengsten historischen Kritik und der medizinischen Wissenschaft die Existenz jener Kraft aus der Höhe (Lk 24,49) belegt, die in der Ordnung der Natur wirkt und gleichzeitig über sie hinausgeht" (Johannes-Paul II., 13. Januar 1988).

Renan widerlegt

Das Wunder, von dem wir nun berichten, geschah im 17.Jahrhundert. Es handelt sich weder um einen Traum noch um eine Fabel, sondern um eine Begebenheit, die in allen Einzelheiten durch unwiderlegbare historische Beweise bezeugt ist. Und diese Begebenheit widerlegt die Behauptung Renans ein für allemal! Durch eine sonderbare Fügung blieb dieses Wunder außerhalb Spaniens fast dreihundert Jahre lang so gut wie unbekannt. Die Person, an der das Wunder geschah, Miguel Juan Pellicer, ist dank zahlreicher Dokumente aus dem Archiv der Pfarrei von Calanda (in der Provinz Aragon in Nordspanien), gut bezeugt.

Miguel Juan Pellicer wurde am 25. März 1617 getauft. Er war das zweite von acht Kindern und stammte aus einer bescheidenen Bauernfamilie, die nach einem tugendhaften Leben strebte. Die Bildung der Kinder beschränkte sich auf den Katechismus. In diesem elementaren Religionsunterricht wurzelte Miguels schlichter und fester katholischer Glaube, der sich auf den regelmäßigen Empfang der Sakramente sowie eine inbrünstige und kindliche Liebe zur Jungfrau Maria stützte, die in Zaragoza als Nuestra Señora del Pilar (Unsere Liebe Frau vom Pfeiler) und Patronin Spaniens verehrt wurde. Mit 19 oder 20 Jahren verdingte sich Miguel als Landarbeiter bei einem Onkel mütterlicherseits in der Provinz Valencia. Als er Ende Juli 1637 zwei Maulesel vor einem mit Weizen beladenen Wagen zum Hof lenkte, fiel er vom Gespann; eines der Räder überfuhr sein Bein unterhalb des Knies und brach ihm das Schienbein.

Sein Onkel Jaime brachte den Verletzten unverzüglich in die benachbarte Kleinstadt, dann rund 60 km weiter nach Valencia, wo er am 3. August eintraf. Miguel blieb fünf Tage dort; es wurden ihm verschiedene Medikamente verabreicht, doch sie zeigten keine Wirkung. So reiste er nach Zaragoza zurück und kam dort Anfang Oktober 1637 an. Erschöpft und fiebernd wurde er in das Real Hospital de Gracia aufgenommen. Er wurde dort von Prof. Juan de Estanga, Chef der chirurgischen Abteilung, sowie von zwei weiteren ausgebildeten Chirurgen, untersucht. Da alle drei Ärzte einen fortgeschrittenen Wundbrand am Bein diagnostizierten, hielten sie eine Amputation für das einzige Mittel, das Leben des Kranken zu retten. Als sie später vor den Richtern aussagten, beschrieben die Mediziner das Bein als "sehr phlegmonös und brandig", stellenweise sogar "schwarz". Mitte Oktober führte Estanga die Operation durch: er trennte das rechte Bein "vier Fingerbreit unterhalb des Knies" ab. Obwohl der Patient durch ein damals übliches narkotisierendes alkoholisches Getränk betäubt war, litt er qualvolle Schmerzen. "In seiner Pein rief der junge Mann ununterbrochen und mit großer Inbrunst die Jungfrau del Pilar zu Hilfe", sagten die Zeugen. Ein Student der Chirurgie namens Juan Lorenzo García sollte das abgetrennte Bein einsammeln und auf dem dafür vorgesehenen Teil des Krankenhausfriedhofs würdig begraben. Zu jener Zeit gebot die Achtung vor dem zur Auferstehung bestimmten Leib, dass selbst abgetrennte Gliedmaßen pietätvoll behandelt wurden. García bezeugte im Nachhinein, dass er das Beinstück horizontal "in einem eine Handbreit tiefen Loch", das entspricht nach der in Aragon üblichen Maßeinheit 21 Zentimetern, beerdigt hatte.

Die Macht der Mutter Gottes

Noch bevor die Wunde völlig vernarbt war, begab sich Miguel nach einigen Tagen Krankenhausaufenthalt zum rund einen Kilometer entfernten Heiligtum del Pilar und dankte Unserer Lieben Frau dafür, dass "sie ihm das Leben gerettet habe, so dass er ihr weiter dienen und sie weiter verehren könne"; dann bat er sie inständig um ihren Beistand, damit er "von seiner Arbeit leben könne". Im Frühjahr 1638 wurden ihm von der Krankenhausverwaltung ein Holzbein sowie eine Krücke ausgehändigt. Zum Überleben blieb dem jungen Mann nichts anderes übrig, als "pordiosero", d.h. ein vom Stiftskapitel del Pilar autorisierter Bettler zu werden. Zaragoza zählte damals 25.000 Einwohner: Die meisten von ihnen kamen täglich vorbei, um die "Jungfrau zu grüßen". Die Leidensmiene des jungen Krüppels, der sie um eine milde Gabe bat, zog die Aufmerksamkeit unzähliger Besucher auf sich. Miguel nahm jeden Tag an der heiligen Messe in der Kirche teil; wenn die Messe zu Ende war, pflegte er seinen Beinstumpf mit dem Öl der vor der Statue Unserer Lieben Frau immer brennenden Lampen einzuschmieren. Professor Estanga konnte ihm noch so oft erklären, dass dadurch die Vernarbung der Wunde verzögert werden könnte, Miguel fuhr mit dem andächtigen Salben seines Beins fort: Dieser Akt des Glaubens an die Macht der Jungfrau war ihm wichtiger als alle Gesundheitsregeln.

Anfang 1640 kehrte Miguel auf dem Rücken eines Esels in sein Heimatdorf zurück. Die 120 km lange Reise hatte ihn erschöpft; doch der herzliche Empfang seiner Eltern schenkte ihm wieder Kraft. Miguel war knapp 23 Jahre alt. Da er bei der Arbeit nicht richtig zupacken konnte, begann er zur Unterstützung der Seinen wieder um Almosen zu betteln. Viele Leute bezeugten später, den einbeinigen jungen Mann in den Dörfern um Calanda gesehen zu haben: Er sei auf einem kleinen Esel gesessen und hätte seinen Beinstumpf gut sichtbar platziert.Am 29. März 1640 wurde gemäß der Überzeugung der Leute aus der Region der 1600. Jahrestag der "Ankunft der Jungfrau Maria in ihrer sterblichen Hülle" am Ufer des Ebro gefeiert, die der jahrhundertelangen Verehrung der Jungfrau del Pilar seitens der Spanier zugrunde liegt. Zur gleichen Zeit erschien in Leuven (im damals spanischen Flandern) der "Augustinus", ein Buch des Bischofs Cornelius Jansen, nach dem der Jansenismus benannt ist; diese Lehre erlangte dadurch traurige Berühmtheit, dass sie die Marienverehrung, die Volksfrömmigkeit, Wallfahrten, Prozessionen, den Wunderglauben der einfachen Leute usw. als des reinen Glaubens unwürdig ablehnte.

An jenem 29. März versuchte Miguel den Seinen zu helfen, indem er die Tragkörbe auf dem Rücken seines kleinen Esels mit Mist belud. Er tat das neunmal hintereinander, obwohl es ihm schwerfiel, sich auf seinem Holzbein aufrecht zu halten. Als dann Abend wurde, ging er müde ins Haus, wobei sein Stumpf noch mehr wehtat als gewöhnlich. Diese Nacht musste die Familie Pellicer auf Befehl des Gouverneurs einen Soldaten der königlichen Kavallerie beherbergen, die in Richtung Grenze marschierte: Miguel musste ihm sein Bett überlassen und auf einer Matratze auf dem Boden im Schlafzimmer seiner Eltern übernachten. Er legte sich gegen zehn Uhr hin. Er hatte sein Holzbein abgenommen und breitete einfach einen viel zu kurzen Mantel über sich, um seinen Körper zuzudecken, denn er hatte seine Bettdecke an den Soldaten abgetreten; dann schlief er ein «

Zwei Füße und zwei Beine

Gegen elf Uhr betrat Miguels Mutter mit einer Öllampe in der Hand das Zimmer. Sofort stieg ihr ein "lieblicher Duft" in die Nase. Neugierig hielt sie die Lampe höher: Unter dem Mantel, mit dem ihr tief schlafender Sohn zugedeckt war, schauten zwei Füße hervor, nicht nur einer; "ein Fuß über dem anderen". Bestürzt holte sie ihren Mann; dieser hob den Mantel hoch: Kein Zweifel, da waren zwei Füße, jeder am Ende eines Beins! Sie hatten einige Mühe, ihren Sohn zu wecken. Als dieser sich nach und nach bewusst wurde, was passiert war, war er ganz verzückt; das erste Wort, das ihm über die Lippen kam, war die Bitte an seinen Vater, "ihm die Hand zu reichen und alle Kränkungen zu vergeben, die er ihm jemals zugefügt hatte". Diese spontane und unmittelbare Reaktion der Demut bei jemandem, dem ein Wunder widerfahren ist, ist ein deutlicher Hinweis auf den göttlichen Ursprung des Wunders. Als die Eltern Miguel voller Rührung fragten, ob er "eine Ahnung hätte, wie das passiert sei", antwortete dieser, er wüsste es nicht; doch als er aus dem Schlaf geweckt worden sei, "hätte er gerade geträumt, er sei in der heiligen Kapelle del Pilar und würde, wie er es früher gewohnt war, seinen Beinstumpf mit dem Öl einer Lampe einschmieren". Er war sich auch sofort sicher, dass ihm Unsere Liebe Frau del Pilar sein abgetrenntes Bein wiedergeschenkt hatte. Am folgenden Montag bestätigten seine Eltern ihrerseits vor dem Notar, sie "seien der Ansicht, dass die Allerseligste Jungfrau del Pilar ihren Sohn, unseren Erlöser, um dieses Wunder gebeten und es von Gott erhalten hatte, und zwar wegen der Gebete Miguels oder, weil das ihr verborgener Wille war". Diese Christen hatten völlig klar erkannt, dass nicht die Gottesmutter selbst die Wunder "tut", sondern sie durch ihre Fürbitte von der heiligen Dreifaltigkeit erhält. Mag die heilige Jungfrau auch noch so geliebt und verehrt werden, sie wird nicht als eine heidnische Göttin betrachtet, sondern als Mittlerin zwischen uns und ihrem Sohn, gemäß ihrer Mutterrolle, die dieser ihr zuwies, als er zum hl. Johannes sagte: Siehe, deine Mutter (Joh 19,27).

Als sich die erste Aufregung gelegt hatte, begann der junge Mann sein Bein zu bewegen und zu betasten. Bei näherer Betrachtung wies es Merkmale auf, die seine Echtheit belegten: Zunächst war da die von dem Wagenrad hinterlassene Narbe, als ihm das Schienbein gebrochen worden war; dann sah man die Spur, die von der Entfernung einer Zyste im Kindesalter herrührte; zwei tiefe, von einem Dornengewächs hinterlassene Kratzer; schließlich die Spuren eines Hundebisses an der Wade. Miguel und seine Eltern waren sich demnach sicher, dass die "Jungfrau del Pilar von Gott, unserem Herrn, das Bein wiederbekommen hat, welches mehr als zwei Jahre zuvor beerdigt worden war". Sie beeideten das ohne zu zögern vor den Richtern in Zaragoza. Eine Zeitung aus jener Zeit, der "Aviso Histórico", schrieb am 4. Juni 1640, einen Tag vor Prozessbeginn, das beerdigte Bein sei trotz aller Nachforschungen auf dem Hospitalfriedhof von Zaragoza nicht gefunden worden: Das Loch, in welches es gelegt worden war, sei leer!

Wie vor den Kopf geschlagen

Bereits am frühen Morgen des 30. März verbreitete sich die unglaubliche Nachricht im ganzen Dorf. Don Juseppe Herrero, der Vikar der Gemeinde, eilte zu den Pellicers, gefolgt vom Friedensrichter, vom Bürgermeister, vom königlichen Notar und zwei Ärzten aus Calanda. Alle waren wie vor den Kopf geschlagen, als sie ihn wieder mit seinem rechten Bein erblickten, obwohl sie ihn bis zum Vorabend nur einbeinig gesehen hatten. Der durch ein Wunder geheilte Miguel beichtete und empfing während der vom Pfarrer zelebrierten Dankmesse die heilige Kommunion.

Doch das Bein sah anfänglich nicht schön aus: Es war violett verfärbt, die Zehennägel waren verkrümmt, die Muskeln verkümmert, und vor allem war das Bein um einige Zentimeter kürzer als das andere. Es dauerte drei Tage, bis es wieder normal aussah und seine Gelenkigkeit sowie seine Kraft wiedergewonnen hatte. Diese Umstände, die beim Prozess sorgfältig dokumentiert und untersucht wurden, bestätigen, das es sich nicht um einen Zaubertrick handelte; sie beweisen, dass das wiedergeschenkte Bein dasselbe Bein war, welches zwei Jahre und fünf Monate zuvor und über 100 km weit entfernt beerdigt worden war « Im Juni bestätigten Zeugen vor den Richtern in Zaragoza, dass Miguel "seine Ferse auf die Erde drücken, die Zehen bewegen und ohne Schwierigkeiten laufen kann". Darüber hinaus wurde festgehalten, dass das wiedergeschenkte Bein seit Ende März "um beinahe drei Fingerbreit gewachsen" und nun ebenso lang war wie das andere. Ein einziges Mal an diesem Bein verschwand nicht: die Narbe, die einen roten Kreis an der Stelle bildete, wo die beiden Beinteile zusammengewachsen waren. Das war gleichsam ein unauslöschliches Zeichen des Wunders.

"Ein Wunder müsste demnach durch eine bestimmte Anzahl von vernünftigen Menschen festgestellt werden, die keinerlei Interesse an der Sache haben", forderte Voltaire. "Und ihre Zeugenaussagen müssten in korrekter Form aufgezeichnet werden: Denn wenn wir so viele Formalitäten bei Vorgängen wie einem Hauskauf, einem Ehevertrag oder einem Testament beachten müssen, wie viele wären dann eigentlich bei der Überprüfung von Natur aus unmöglicher Dinge notwendig?" (Artikel "Wunder" in seinem Philosophischen Wörterbuch). Genau solch eine Urkunde war 120 Jahre vorher in Calanda erstellt worden. Am 1. April 1640, einem Montag sowie dem vierten Tag nach dem Wunder, machten sich der Pfarrer sowie ein Vikar aus Mazaleón, einem 50 km entfernten Dorf, zusammen mit dem königlichen Notar vor Ort auf den Weg, um die Wirklichkeit der Fakten zu überprüfen und eine offizielle Urkunde darüber auszustellen.

Kein Einspruch

Ende April desselben Jahres beschloss die Familie Pellicer, der Jungfrau del Pilar einen Dankesbesuch abzustatten. In Zaragoza verlangte die Stadtverwaltung die Eröffnung eines Prozesses, um Licht in das ganze Geschehen zu bringen. Am 5. Juni wurde dieser Prozess nach kanonischem Recht offiziell eröffnet. Er war öffentlich und für jedermann zugänglich. Über 100 Personen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten nahmen daran teil. Am 27. April 1641 verkündete der Erzbischof feierlich sein Urteil. Er erklärte die Wiederherstellung des vorher amputierten rechten Beins bei Miguel Juan Pellicer für "ein bewunderungswürdiges Wunder".

Die Wörter des hl. Augustinus über die Wunder Christi lassen sich auf jedes echte Wunder anwenden: "Die Wunder unseres Herrn Jesus Christus sind göttliche Werke, die den menschlichen Verstand lehren, sich über die sichtbaren Dinge zu erheben, um zu begreifen, was Gott ist". Papst Johannes-Paul II. sagte hierzu: "Solche Wunder beweisen die Existenz einer übernatürlichen Ordnung, die Gegenstand des Glaubens ist. Wer diese Wunder beobachtet und besonders wer sie persönlich erfahren hat, konnte durch sie ganz unmittelbar feststellen, dass die natürliche Ordnung die Wirklichkeit nicht vollständig abdeckt. Das Universum, in dem der Mensch lebt, passt nicht ganz in den Rahmen der mit den Sinnen bzw. dem Verstand, das durch die sinnliche Erfahrung konditioniert ist, erfassbaren Ordnung der Dinge. Das Wunder ist das ‚Zeichen' dafür, dass diese Ordnung durch die Kraft aus der Höhe überwunden ist und somit ihr unterliegt. Diese Kraft aus der Höhe (vgl. Lk 24,49), d.h. Gott selbst, steht über der Ordnung der gesamten Natur. Sie bestimmt diese Ordnung und lässt gleichzeitig durch sie und über ihr erkennen, dass die Bestimmung des Menschen das Reich Gottes ist. Die Wunder Christi sind ‚Zeichen' dieses Reiches « Nach der Auferstehung, der Himmelfahrt und Pfingsten wurden die von Christus bewirkten Zeichen und Wunder von den Aposteln und später von den aufeinanderfolgenden Generationen von Heiligen‚ fortgesetzt'" (13. Januar 1988).

Das unvorstellbare und doch vollständig bezeugte Wunder von Calanda mag unseren Glauben an die Existenz einer unsichtbaren Welt, der Welt Gottes und seines ewigen Reiches, stärken, an der mitzuwirken auch wir als angenommene Kinder berufen sind. Dort liegt die höchste und ewige Wirklichkeit, auf die wir jede andere Wirklichkeit zurückführen müssen, wie ein kluger Mann die Mittel dem Zweck unterordnet. Die Wunder tragen dazu bei, dass wir unsere Hoffnung unerschütterlich auf die Barmherzigkeit Gottes setzen, und bieten uns immer wieder Anlass zu sagen: "Jesus, ich vertraue auf Dich!"

Dom Antoine Marie osb

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