Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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7. Oktober 2008
Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

22. September 1774: Papst Clemens XIV. liegt im Sterben. Seit er auf vielfachen Druck hin den Jesuitenorden schließlich abgeschafft hatte, konnte sein Herz keinen Frieden mehr finden. Da schickte Gott in seiner Barmherzigkeit einen Heiligen, Bischof Alfons von Liguori, zu ihm, um ihm in seinen letzten Stunden beizustehen. Zur selben Zeit aber, in der der heilige Bischof in Rom dem Papst zur Seite stand, war er zugleich auch in seinem 200 km entfernten Bistum präsent. Es handelt sich dabei um ein Bilokationsphänomen, ein absolut erstaunliches, aber von mehreren Augenzeugen klar bezeugtes Wunder.

Alfons Maria von Liguori kam am 27. September 1696 in Neapel zur Welt. Seine Mutter brachte ihm schon sehr früh die Glaubenswahrheiten bei und lehrte ihn beten. Sein Vater wollte, dass er Anwalt wird. Er studierte also Jura und machte so schnelle Fortschritte, dass er bereits mit sechzehn Jahren seine Doktorprüfung im Zivil- sowie im Kirchenrecht erfolgreich ablegte. Die Prüfer staunten über die Klugheit und Schlagfertigkeit seiner Antworten.

Als Anwalt errang Alfons einen Erfolg nach dem anderen und fand erwartungsgemäß bald ebenso Gefallen daran wie an weltlichem Ruhm. Dennoch spielte er mit dem Gedanken, diesen Weg zu verlassen: Selbst überaus berechtigte Fälle wurden nur zu oft mit List und Tücke verdreht. Er betete fleißig, übte sich in Wohltätigkeit und konnte so seine Seele rein halten. Einmal pro Jahr begab er sich in ein Kloster, um an Exerzitien teilzunehmen. Später bekannte er, diese Exerzitien hätten in einzigartiger Weise dazu beigetragen, dass er sich von den irdischen Gütern lossagen und Gott zuwenden konnte. Namentlich in der Fastenzeit 1722 mahnte der Prediger daran, aus welchen Gründen die Seele sich ganz und gar Gott hingeben sollte; er schilderte ungeschminkt die Hinfälligkeit alles Weltlichen und führte den Teilnehmern ohne Scheu die ewigen Höllenqualen vor Augen, wie Jesus sie offenbart hatte. Daraufhin wurde dem Geist des jungen Alfons eine Erleuchtung zuteil: Die Eitelkeiten der Welt schwinden wie ebenso viele Wolken dahin!

1723 wurde in Neapel viel von einem wichtigen Prozess gesprochen, den der Herzog Orsini gegen den Großherzog der Toskana anstrengen wollte. Viele Anwälte drängten sich danach, den Fall zu übernehmen, doch Orsini ließ sich von Alfons vertreten, der bis dahin noch nie einen Prozess verloren hatte. Am festgesetzten Tag trat dieser vor das Gericht und legte klar und deutlich die Forderungen seines Klienten dar. Sein Gegner zog daraufhin ein Schriftstück hervor, das Alfons in den Händen gehabt hatte, das jedoch seine Argumentation entscheidend schwächte. Alfons war am Boden zerstört: Wie hatte er diesen Text übersehen können? Der Prozess war verloren, Alfons fühlte sich vom Gewicht der Demütigung erdrückt. Doch drei Tage später erkannte er plötzlich ganz klar, worin der Grund für seine Unachtsamkeit gelegen hatte: Gott hatte ihn blind gemacht, um ihn der irdischen Eitelkeit zu entreißen. Nach einer Zeit der Buße und des Gebets vernahm er den Ruf Gottes in den geistlichen Stand. Sobald er seine Ausbildung beendet hatte, wurde er am 21. Dezember 1726 zum Priester geweiht.

Die größte Versuchung für einen Priester

Vom Heiligen Geist erleuchtet, begriff Pater Alfons nun, dass die Tat aus der Betrachtung, die Nächstenliebe aus der Gottesliebe und der apostolische Eifer aus dem inneren Leben kommen müssen und dass die größte Versuchung für einen Priester darin liegt, Seelen entflammen zu wollen, ohne das göttliche Feuer in sich selbst zu spüren. So machte er sich von Anbeginn seines Priestertums an die täglichen Übungen zur Pflicht, ohne die das innere Leben verdorrt: Anbetung, heilige Messe, Stundengebet, Lesung und Marienverehrung – vor allem das Rosenkranz. Da er wusste, dass er Anleitung benötigte, ließ er sich in seinem spirituellen Leben gerne von anderen raten.

Der junge Priester predigte allen das Evangelium, am liebsten aber den Armen. Von heiligem Wissen durchdrungen und ungezwungen stieg er auf die Kanzel, mit der Autorität eines Gottesmannes, der dem Volk nicht seine eigene Lehre verkündete, sondern die des Meisters, der ihn gesandt hatte. Angesichts der religiösen Unwissenheit der Landbevölkerung von Mitleid bewegt, gründete Pater Alfons mit mehreren Gefährten im November 1732 ein neues Ordensinstitut mit dem späteren Namen «Kongregation des Allerheiligsten Erlösers». Die Redemptoristen waren ganz durchdrungen von der Fülle der von Christus auf dem Kreuz erlangten Erlösung und widmeten sich der Missionierung der armen Leute, um sie über die Grundwahrheiten des Glaubens zu unterrichten.

Alfons schrieb später: «Ein Anliegen übertrifft alle anderen an Wichtigkeit: das Anliegen unseres ewigen Heils; es geht dabei um unser ewiges Glück oder unser ewiges Verderben. Unmöglich, dieser Entscheidung auszuweichen: uns zu retten oder uns für immer zu verdammen, eine Ewigkeit an Freuden oder eine Ewigkeit an Leiden zu verdienen, für immer glücklich oder unglücklich zu leben» (Weg des Heils [VH], 1. Meditation). Das Heil der Seelen ist auch das zentrale Anliegen der Kirche, wie Papst Benedikt XVI. vor den lateinamerikanischen Bischöfen sagte: «Unser Herr will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4-6). Das ist die Zielsetzung der Kirche – eine andere gibt es nicht: die Rettung der Seelen, einer nach der anderen» (13. Mai 2007). «Es ist schon erstaunlich!», schrieb Pater Alfons. «Es gibt kaum jemanden, der nicht errötete, wenn man ihn in weltlichen Dingen als nachlässig bezeichnet; und es gibt so viele, die nicht erröten, obwohl sie das Wichtigste überhaupt vernachlässigen: die Ewigkeit!... Diese Sache ist wichtig, einmalig und unwiederbringlich. Wahrhaftig, es ist der Gipfel des Irrtums, die Wichtigkeit des ewigen Heils zu verkennen; und folglich ist es der Gipfel des Unglücks, sein Heil zu verfehlen. Für jedes andere Übel gibt es Abhilfe: Man verliert einen Geldbetrag, aber man kann wieder Geld verdienen; man verliert seine Arbeit, aber vielleicht bekommt man wieder eine; und selbst wenn man das Leben verlöre, wird alles wieder gut, sofern man seine Seele rettet. Wer sich aber verdammt, der verdammt sich ein für alle Mal. Denn man stirbt nur einmal, und wenn die Seele einmal verloren ist, so ist sie für immer verloren» (Vorbereitung auf den Tod [VT], 12. Betrachtung).

Ohne zu warten

Wir müssen uns also auf den Tod vorbereiten, da er jederzeit unerwartet eintreten kann. «Man muss sich wohl bewusst machen, dass der Augenblick des Todes nicht der geeignete Zeitpunkt ist, um sich in die Lage zu versetzen, das große Ziel des ewigen Heils sicher zu erreichen. Kluge Leute ergreifen bei weltlichen Dingen alle notwendigen Maßnahmen im Voraus, um sich einen Vorteil, einen Posten, ein Bündnis zu sichern; und wenn es um ihre körperliche Gesundheit geht, setzen sie sogleich die verordneten Medikamente ein. Was würden Sie sagen, wenn sich jemand um einen Lehrstuhl bewirbt, vor dem Beginn der Bewerberprüfung jedoch nicht fleißig arbeiten will?... Genau das tut der Christ, der darauf wartet, dass der Tod an seine Tür klopft, um seine Gewissensangelegenheiten zu regeln» (VT, 10. Betrachtung). Als Kommentar zu den Worten des hl. Paulus, Wirkt euer Heil mit Furcht und Zittern (Phil 2,12), schrieb Alfons: «Um uns zu retten, müssen wir uns davor fürchten, uns zu verdammen, jedoch so, dass wir nicht so sehr die Hölle als vielmehr die Sünde fürchten; denn nur die Sünde allein kann uns in die Hölle führen. Was aber bedeutet es, die Sünde zu fürchten? Das bedeutet, gefährliche Gelegenheiten zu meiden, sich oft Gott anzuvertrauen und dafür zu sorgen, dass man immer im Zustand der Gnade bleibt. Handelt man so, so rettet man sich; handelt man anders, so macht man sein Heil moralisch unmöglich» (VT, 6. Betrachtung).

Die Leute auf dem Lande, die missioniert wurden, nahmen diese heiligen Wahrheiten begierig auf und bereiteten sich auf das Sakrament der Buße vor. Im Dienste der Versöhnung verbrachten die Missionare lange Stunden im Beichtstuhl und wussten als wahre Seelenheiler die Beladenen zu trösten. «Je tiefer eine Seele in das Böse verstrickt ist», sagte Pater Alfons, «desto besser muss man sie empfangen, um sie den Klauen des Feindes zu entreißen.» Höre man einem Pönitenten mit Geduld und Milde zu, so bereite man ihn auch dadurch auf die Absolution vor, sei es sofort, sei es nach einer Bewährungszeit. Von ihren Sünden losgesprochen, empfingen die Leute anschließend die heilige Kommunion, zogen dann aus, um auch den Bewohnern der entferntesten Dörfer von ihrem Glück zu erzählen, und priesen so die Barmherzigkeit Gottes. «Gott könnte nie jemanden verachten, der sich ihm vor die Füße wirft. Was sage ich? Er selbst lädt den Sünder ein und sorgt dafür, dass er sogleich empfangen wird. Kehre zurück zu mir, spricht der Herr, und ich will dich empfangen (Jer 3,1). Kehrt um zu mir ..., so kehre ich um zu euch (Sach 1,3). Oh! Mit welcher Liebe, mit welcher Zärtlichkeit drückt Gott den Sünder, der zu ihm zurückkehrt, an sein Herz!... Er setzt seine Ehre darein, den Sündern gegenüber Barmherzigkeit zu zeigen und ihnen zu vergeben» (VT, 16. Betrachtung).

Erlösung in Fülle

Im Gegensatz zur Strenge der Jansenisten, die aus Gott einen strengen, erbarmungslosen Richter machen wollten, hob Pater Alfons, dessen Leitspruch «Copiosa apud eum redemptio : Bei Ihm ist Erlösung in Fülle» (Ps 129 [130]) lautete, die Güte Jesu und seine Liebe zu allen Menschen hervor. Gleichzeitig warnte er vor denen, die den Gedanken an die göttliche Gerechtigkeit beiseite schieben und nur Liebe predigen. Die Liebe zu Gott muss sich auf einen uneingeschränkten Glauben gründen, um fest und dauerhaft zu sein: Gott ist unendlich gütig, aber auch unendlich gerecht. «Sicherlich ist die Barmherzigkeit Gottes unendlich», schrieb er. «Doch die Akte dieser Barmherzigkeit und folglich auch die Gnade der Vergebung haben ihre Grenzen. Gott ist barmherzig, aber er ist auch gerecht ... Die Barmherzigkeit ist demjenigen versprochen, der Gott fürchtet und nicht demjenigen, der die Barmherzigkeit missbraucht. Sein Erbarmen gilt von Geschlecht zu Geschlecht denen, die ihn fürchten (Lk 1,50), ruft die Gottesmutter in ihrem erhabenen Lobgebet. Den Verstockten droht seine Gerechtigkeit. Und wenn Gott uns nicht täuscht, wenn Er etwas verspricht, wie der hl. Augustinus sagt, dann täuscht Er uns auch dann nicht, wenn Er droht. Er ist in seinen Versprechen wie in seinen Drohungen gleichermaßen treu. Nicht Gott, sondern der Teufel drängt euch zur Sünde durch die Hoffnung auf Erbarmen ...» (VT, 17. Betrachtung).

Das Wichtigste

Doch wie soll man den Seelen das richtige Bild des zugleich barmherzigen und gerechten Gottes einprägen? Gemäß der Überlieferung antwortete Alfons von Liguori: durch das tägliche Gebet. In seinem Denken verschmolz die Kunst der Gottesliebe mit der Kunst der Betrachtung bzw. des inneren Gebets, da für ihn die Seele nur in der Betrachtung zur Gotteserkenntnis gelangen und in Liebe zu Gott entbrennen konnte. Sein wichtigstes Buch war seiner eigenen Meinung nach «Das wichtige Mittel des Gebetes». In diesem Werk erklärte Alfons, der Mensch werde wegen der Folgen der Ursünde zum Bösen hingezogen und könne ihm aus eigener Kraft nicht zu jedem Zeitpunkt widerstehen; denn einzig die Gnade Gottes könne ihm die für das Heil notwendige Befolgung sämtlicher Gebote ermöglichen. «Weil die zehn Gebote die Grundpflichten des Menschen gegenüber Gott und dem Nächsten zum Ausdruck bringen, sind sie ihrem Wesen nach schwerwiegende Verpflichtungen. Sie sind unveränderlich, sie gelten immer und überall. Niemand kann von ihnen dispensieren ... Was Gott gebietet, ermöglicht er durch seine Gnade» (Katechismus der Katholischen Kirche, 2072, 2082). Oder, wie der hl. Augustinus sagte, «Gott will seine Gnade verschenken, aber Er schenkt sie nur dem, der um sie bittet». Denen, die behaupteten, die Befolgung der Gebote sei in bestimmten Fällen nicht möglich, entgegnete derselbe Kirchenvater: «Der Mensch, der will und nicht kann, möge erkennen, dass er noch nicht genug will, und möge darum bitten, dass sein Wille stark genug werde, um die Gebote zu halten». Daher schrieb auch der hl. Alfons: «Gott verweigert niemandem die Gnade des Gebetes, und diese hilft uns dabei, jede Begierde und jede Versuchung zu besiegen. Ich sage, ich wiederhole und werde wiederholen, solange ich lebe, dass unser Heil in einer einzigen Sache liegt: im Gebet.» Daher sein berühmter Lehrsatz, der auch vom Katechismus aufgegriffen wurde: «Wer betet, wird sicherlich gerettet; wer nicht betet, verdammt sich sicherlich» (Katechismus 2744).

Manche Autoren jener Zeit neigten unter dem Einfluss des Protestantismus und des Jansenismus dazu, die Gläubigen von der Verehrung der Allerseligsten Jungfrau Maria abzubringen. Daraufhin veröffentlichte Don Alfons 1750 das Werk Die Glorien Mariens [GM], einen Kommentar zum Salve Regina; er stellte darin die Privilegien der Gottesmutter dar: Alle Gnadengaben gehen durch die Hände Marias, und folglich ist Maria unsere unentbehrliche Mittlerin (s. GM, Kap. 5). Denn ebenso wie Maria die Mutter Jesu ist, will Gott, dass sie auch die Mutter jedes von Jesus erlösten Menschen ist. Ebenso wie sie Jesus in ihrem Schoße getragen hat, trägt sie auch uns in ihrem Herzen, bis Christus in uns Gestalt annimmt. «Um der Verdienste Jesu Christi willen wurde Maria mit dieser großen Macht ausgestattet, die sie als Mittlerin einsetzte, und zwar nicht aus Gerechtigkeit, sondern aus Gnade und durch Fürsprache» (ibd.). Don Alfons wollte, dass bei Missionierungen immer eine Predigt über die Jungfrau Maria, die Mutter der Barmherzigkeit, gehalten werden solle; und auch darüber, wie notwendig für alle, die standhaft bleiben und sich retten wollten, die häufige Bitte um ihre Fürsprache sei. Er schrieb: «Maria wurde als Königin der Barmherzigkeit eingesetzt, damit durch ihren Schutz und Schirm auch die schuldigsten und hoffnungslosesten Sünder gerettet werden, wenn sie sich nur ihr anvertrauen» (GM, Kap. 1).

Mit Jesus leben

Ausgehend von dem Grundsatz, dass alle Christen zur Heiligkeit berufen sind, die ihrerseits «aus der Liebe zu Jesus Christus, unserem Gott, unserem höchsten Gut, unserem Heiland besteht», publizierte Alfons mehrere Werke, die als Hilfen zur Betrachtung des Lebens Christi dienen sollten: Weihnachtsnovene, Reflexionen über die Passion, Visiten des Allerheiligsten Sakraments und vor allem die Übung der Liebe zu Jesus Christus. Ziel dieser Übung ist, dass man sein Herz von jedem Geschöpf loslöst und mit dem Willen Jesu vereint, damit man, auf diese Weise gewandelt, mit dem heiligen Paulus sagen kann: So lebe nun nicht mehr ich, es lebt in mir Christus (Gal 2,20). In den Schriften Die Art und Weise, vertraulich mit Gott umzugehen und Die Vereinigung unseres Willens mit dem Willen Gottes gibt Alfons wertvolle Ratschläge, die der Seele dazu verhelfen sollen, in Gegenwart des Herrn zu leben, von Herz zu Herz zu Ihm zu sprechen und alles, was uns widerfährt, aus Seiner liebenden Hand anzunehmen. Der Heilige verfasste daneben Werke, die in uns den Wunsch erwecken sollten, alles zu opfern, um Jesus konsequenter nachzufolgen: Selva über die Pflichten der priesterlichen Seele und Vera Sposa über die Pflichten all derer, die sich durch ein Gelöbnis an die evangelischen Räte gebunden haben. Bei der Ausbildung des geistlichen Nachwuchses trat der hl. Alfons nachdrücklich dafür ein, dass die Lehre des hl. Thomas von Aquin befolgt werde. Angesichts divergierender Meinungen unternahm er eine Revision der Moraltheologie, die so weise war, dass ihm 1950 von Papst Pius XII. der Titel «Himmlischer Patron der Beichtväter und Moralisten» verliehen wurde. Gegen den Rigorismus beteuerte er, dass der Priester dem gutwilligen Pönitenten, dessen Zerknirschung echt und dessen Wille, nicht mehr zu sündigen, fest sei, die Absolution nicht verweigern dürfe; gegen den Laxismus lehnte er es ab, dass Menschen, die nicht entschlossen waren, mit der Gnade Gottes jede schwere Sünde zu meiden, zu den Sakramenten zugelassen werden.

Die junge Kongregation der Redemptoristen hatte viele Prüfungen zu bestehen. 1752 verfügte der König beider Sizilien, Karl III., die Enteignung sämtlicher Güter des Instituts und ließ sie in bischöflichen Besitz übergehen. Späterhin sah sich Alfons durch Intrigen einiger Ordensbrüder genötigt, von seinem Posten abzudanken und sich zurückzuziehen. Unbeirrt predigte er seinen Anhängern weiter die Unterwerfung unter den Willen Gottes: «Der Herr», sagte er, «will das Institut nicht durch die Gunst oder den Schutz irgendwelcher Fürsten gedeihen lassen, sondern durch Verachtung, Armut, Leiden und Verfolgung. Wann habt ihr die Werke Gottes inmitten von Applaus beginnen sehen? Der hl. Ignatius deutete es als gutes Vorzeichen für die Zukunft, wenn er von einer neuen Schikane oder einem neuen Schicksalsschlag erfuhr.»

1762 wurde Pater Alfons zum Bischof von Sant'Agata dei Goti, einer kleinen Diözese nicht weit von Neapel, ernannt. Entgegen dem Vorbild vieler kirchlicher Würdenträger seiner Zeit, für die die Bischofswürde Luxus und Pracht bedeutete, führte er weiterhin ein ärmliches, entsagungsvolles Leben. Dank seiner Predigten hatte die ganze Bischofsstadt in kurzer Zeit ihr Gesicht verändert: Man ging häufiger zum Beichten und zur Kommunion, die Kirchen füllten sich und die Heilige Jungfrau wurde immer mehr im Herzen der Menschen verehrt. In einer Zeit, in der bezahlte kirchliche Posten zahlreiche Bewerber anzogen, die für das Amt denkbar ungeeignet waren, ließ ihn sein großer Eifer die unwürdigen Kandidaten ablehnen. Die mehr oder minder allgemein verbreitete Laxheit hatte zu einem Verfall der Inbrunst geführt, selbst am Altar. So sorgte Bischof von Liguori unter anderem dafür, dass man überall zur genauen Beachtung der heiligen Riten zurückkehrte. Die Herrlichkeit Gottes verlangt auch heute noch nach Würde im Dienste der göttlichen Mysterien: «Das Mysterium der Eucharistie ist zu groß, als dass sich irgend jemand erlauben könnte, nach persönlichem Gutdünken damit umzugehen, ohne seinen sakralen Charakter und seine universale Dimension zu achten ... Alle Christgläubigen haben das Recht auf eine wahre Liturgie und besonders auf eine Feier der heiligen Messe, wie sie die Kirche gewollt und festgesetzt hat» (Instruktion Redemptionis Sacramentum der Kongregation für den Gottesdienst, 25. März 2004, Nr. 11 und 12).

Neunzehn Jahre lang gelähmt

Ab 1768 litt Bischof von Liguori an einer Krankheit, die nach und nach alle Gelenke seines Körpers erfasste. Bald sackten seine Halswirbel in sich zusammen, und sein Kinn drückte dadurch so stark auf die Brust, dass eine schmerzhafte Wunde entstand und die Atmung behindert war. Der Heilige blieb für die restlichen neunzehn Jahre seines Lebens gelähmt. Trotz dieser Tortur kam nie ein Wort der Klage über seine Lippen. Er wandte sich an das große Kruzifix vor ihm und sagte: «Ich danke dir, Herr, dass du mir Anteil gewährst an den Schmerzen, die du an deinen Nerven erlitten hast, als man dich ans Kreuz nagelte. Ich will leiden, mein Jesus, wie und so viel du willst; schenk mir nur Geduld. Brenne mich, schneide mich, schone mich nicht hier auf Erden, verschone mich aber in der Ewigkeit.» Papst Pius VI. nahm im Juli 1775 seine Abdankung als Bischof an. Seine letzten Lebensjahre verbrachte Alfons mit Schreiben sowie mit der Verteidigung seiner Ordensbrüder. Im Juli 1787 stand Bischof von Liguori an der Schwelle des Todes. Als man ihm die heilige Wegzehrung reichte, rief er aus: «Mein Jesus, mein Jesus, verlass mich nicht!» Er entschlief sanft am 1. August mit dem Kruzifix und dem Bild Marias auf dem Herzen in dem Augenblick, in dem die Klosterglocke zum Angelus zu läuten begann. Er wurde vom seligen Papst Pius IX. 1871 zum Kirchenlehrer erhoben.

Aus Anlass seines 200. Todestages am 1. August 1987 schrieb Papst Johannes-Paul II.: «Die Liebe unseres Heiligen zum Volk, die ihm eigen war, lag die Angst um das ewige Heil zu Grunde: sich selbst und die Anderen retten. Er sehnte sich nicht nur heiß und innig nach dem Heil, sondern auch nach Vollkommenheit und sogar nach Heiligkeit. Deswegen schloss er niemanden aus seiner Seelsorgertätigkeit aus: Er schrieb an alle, er schrieb für alle.»

Heiliger Alfons Maria von Liguori, erwirke uns die Gnade, entschlossen auf dem Weg zum ewigen Heil weiterzugehen und möglichst viele Seelen dorthin mitzunehmen!

Dom Antoine Marie osb

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