|
Herunterladen als pdf![]() [Cette lettre en français] [This letter in English] [Deze brief in het Nederlands] [Esta carta en español] [Questa lettera in italiano] |
7. Juli 2021 am Fest des heiligen Willibald |
„Die Aufgabe, allen Menschen die Frohbotschaft zu verkündigen, ist die wesentliche Sendung der Kirche“, schrieb Papst Johannes--Paul II. Das große Heldenepos der Missionierung auf dem afrikanischen Kontinent in den letzten zweihundert Jahren sei eine Geschichte, die wir nicht vergessen dürfen. „Das großartige Wachstum und das Werk der Kirche in Afrika sind großenteils der heroischen, selbstlosen Hingabe von Generationen von Missionaren zu verdanken. Das wird von allen zugegeben. Die gesegnete Erde Afrikas ist in der Tat übersät von Gräbern tapferer Boten des Evangeliums. Die Heilige Schrift ermahnt: Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben; schaut auf das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach (Hebr 13,7)“ (Apostolisches Schreiben Ecclesia in Africa, 14. September 1995, Nr. 55; 35; 37).
Einer dieser Evangelisatoren Afrikas ist Pater François (Franz) Libermann. Der am 11. April 1802 in Saverne im Elsass geborene Jacob Libermann war das fünfte der neun Kinder von Lazarus Libermann, dem Rabbiner der Stadt. Der Junge wurde bald nach seiner Geburt beschnitten und in der strengen Welt der jüdischen Orthodoxie erzogen. Zart, empfindlich, ängstlich, folgsam und schüchtern, aber überaus intelligent, hatte der Junge sowohl einen Sinn für das Praktische als auch einen beharrlichen Willen. Der Vater betrachtete ihn bereits als seinen Nachfolger. Bis zu seinem 20. Lebensjahr lebte Jacob als praktizierender Jude und führte ein tugendhaftes Leben, doch die Strenge mancher Rabbiner stieß ihn ab. 1824 setzte er seine Studien in Metz an einer jüdischen Hochschule fort; er lernte dort auch Französisch und Latein, zwei Sprachen, die ihm später von großem Nutzen waren.
All meine Befürchtungen schwanden dahin
Während seines Aufenthalts in Metz erfuhr er von der Bekehrung seines Bruders Samson, der sich zusammen mit seiner Frau am 15. März 1824 in einer katholischen Kirche taufen ließ. Jacob machte seinem Bruder vor allem deswegen Vorwürfe, weil er ihrem gemeinsamen Vater Kummer bereitet hatte. Gleichwohl blieb er mit Samson weiterhin in Briefkontakt. Im November 1826 lernte er in Paris Paul-Louis (David) Drach kennen, einen zum Christentum konvertierten ehemaligen elsässischen Rabbiner, der ihm ein Zimmer im Collège Stanislas besorgte. Dort setzte sich Jacob bald mit zwei Werken Abbé Lhomonds (gest. 1794) auseinander: der „Christlichen Lehre“ sowie der „Geschichte der Religion vor dem Kommen Jesu Christi“. Es kam zu einer ersten „Bekehrung“, nämlich der intellektuellen Einsicht, dass die Kirche im Besitz der gesamten offenbarten Wahrheit ist. „Dieser Moment war extrem schmerzhaft“, schrieb er später, da er mit dem Glauben seiner Vorfahren von Herzen verbunden war. „Ich warf mich in Erinnerung an den Gott meiner Vorväter auf die Knie und beschwor ihn, mich über die wahre Religion aufzuklären. Der Herr, der allen nahe ist, die ihn aus dem Grunde ihres Herzens anrufen, erhörte mein Gebet. Ich wurde sogleich aufgeklärt, ich erkannte die Wahrheit. Der Glaube durchdrang meinen Geist und mein Herz.“ Jacob wurde bereits einen Tag vor Weihnachten 1826 auf den Namen François getauft. Bei diesem Anlass ließ ihm der Allmächtige auch eine innige Liebe zur Heiligen Jungfrau Maria zuteilwerden. Am Weihnachtstag empfing Jacob seine Erstkommunion. „Alle Unsicherheiten, all meine Befürchtungen schwanden plötzich dahin.“ Er war 24 Jahre alt. Er informierte seinen Vater in einem Brief über seine Konversion, stieß jedoch damit auf völliges Unverständnis.
François wollte Priester werden und wurde 1827 in das Pariser Saint-Sulpice-Seminar aufgenommen. „Ich bin immer zufrieden, immer glücklich“, schrieb er an seinen Bruder Samson. „Mein Herz befindet sich stets in völliger Ruhe, und nichts wird diesen Frieden je stören können.“ Er strahlte tatsächlich stets Frieden aus und schrieb später in einem Brief an seine Missionare: „Glaube nicht, dass das Idealbild des Missionars darin besteht, immer in Bewegung, in Aufruhr zu sein. Du wirst zwar viel tätig sein, aber mit Frieden in deinem Herzen. Wenn du unruhig, aufgeregt, hektisch bist, ist das ein Zeichen dafür, dass du Jesus bereits vergessen hast.“
In dieser Zeit brach bei François eine Epilepsieerkrankung aus, die ihn jahrelang quälte. Trotz erster Anfälle verlief das Jahr 1828 noch relativ reibungslos; seine Studienergebnisse waren überaus gut. Doch am Ende des folgenden Jahres erlitt er einen so schweren Anfall, dass es keinen Zweifel mehr über den Ernst seines Zustandes geben konnte. Danach hatte er immer wieder auch anfallfreie Zeiten, und er lernte allmählich, mit seiner „geliebten Krankheit“ umzugehen. Doch das Kirchenrecht ließ damals nicht zu, dass ein Epileptiker Priester wurde. Aufgrund seines positiven Einflusses auf die Seminaristen durfte François, der seiner eigenen Meinung nach nicht mehr in die Welt zurückkehren konnte, immerhin im Haus der Sulpizianer in Issy-les-Moulineaux bleiben. Er stand sechs Jahre lang dem Ökonom des Hauses als Hilfskraft zur Seite und setzte daneben sein Studium fort. Abgesehen von verschiedenen handwerklichen Arbeiten wurden ihm sowohl der Empfang der neuen Seminaristen als auch die geistliche Betreuung der Hausangestellten anvertraut. Aus dieser Zeit stammen seine ersten seelsorgerlichen Briefe. In einem schrieb er: „Das Leitprinzip des geistlichen Lebens besteht darin, die Dinge so weit zu vereinfachen, wie man nur kann. Je einfacher und gleichförmiger unser Gebaren ist, desto vollkommener ist es.“
Überaus leichtsinnig
1837 wechselte er zu den Eudisten (einer 1643 vom hl. Jean Eudes gegründeten Kongregation) nach Rennes, wo er den Novizenmeister als Assistent unterstützen sollte. Er gewann rasch das Vertrauen und die Wertschätzung der jungen Mönche und seiner Vorgesetzten, doch er fühlte sich nutzlos und fehl am Platz. Nichtsdestoweniger blieb er zwei Jahre lang dort. Zwei der Seminaristen, Frédéric Le Vavasseur und Eugène Tisserant, erzählten ihm getrennt voneinander, dass sie vorhatten, in Schwarzafrika ein Evangelisierungswerk zu gründen. François fühlte sich vom Heiligen Geist zur Mitarbeit an diesem Werk berufen. Die beiden Seminaristen baten ihn, für das Missionsprojekt die Regel der Eudisten entsprechend abzuwandeln. Nach und nach übernahm François die Leitung des Unternehmens, das am 28. Juli 1839 Gestalt annahm. Er wollte das Werk vom Heiligen Stuhl approbieren lassen, doch seine Berater rieten davon ab: Er fühlte sich dadurch tief verunsichert und gewann seine Zuversicht erst zu Füßen Unserer Lieben Frau von Fourvière in Lyon wieder. „Ich habe Rennes für immer verlassen“, schrieb er an seinen Bruder Samson. „Das war überaus leichtsinnig – um nicht zu sagen verrückt – in den Augen all derer, die die Dinge aus weltlicher Sicht beurteilen. Ich hatte dort eine gesicherte Zukunft; mein Lebensunterhalt und ein ehrenwertes Leben waren mir sicher. Aber bedenkt: Diese Erde vergeht; das Leben, das wir hier führen, währt nur einen Augenblick. Habt keine Angst; erkennt, dass ich der glücklichste Mensch der Welt bin, weil ich außer Gott nichts habe!“
François fuhr im Januar 1840 nach Rom und traf dort Paul-Louis Drach wieder, der bei der Kongregation für die Verbreitung des Glaubens als Bibliothekar arbeitete. Die beiden wurden am 17. Februar von Papst Gregor XVI. zu einer Audienz empfangen. Im folgenden Monat reichte François bei der Kongregation ein Gesuch auf Anerkennung seines Missionsprojekts in Schwarzafrika ein. Anfang Juni erfuhr er, dass sein Vorhaben unter einer Bedingung gebilligt werde: Er müsse zum Priester geweiht werden. Er war 38 Jahre alt, und da er seit Langem keine epileptischen Anfälle mehr erlitten hatte, galt die Krankheit als überwunden. François blieb noch einige Monate in Rom; er stellte dort die bereits in Rennes begonnene Regel fertig und verfasste einen Kommentar zum Evangelium des hl. Johannes.
„Du sollst auf die Ärmsten zugehen“
Während einer Wallfahrt zum Heiligen Haus von Loreto freundete er sich mit dem Gedanken an, doch Priester zu werden. Angesichts seines besseren Gesundheitszustandes meldete er sich in seiner Heimatdiözese Strassburg als Priesterkandidat an und trat am 23. Februar 1841 in das dortige Große Seminar ein. Gleichzeitig schlug M. de Brandt, ein ehemaliger Seminarist von Saint-Sulpice, die Anmietung eines Hauses in La Neuville bei Amiens für die entstehende Kongregation vor und machte die angehenden Mönche mit seinem Onkel, Msgr. Mioland, dem Bischof von Amiens, bekannt. Am 10. August 1841 in Strassburg zum Diakon geweiht, fuhr François Libermann anschließend gleich nach Amiens, wo er am 18. September von Bischof Mioland die Priesterweihe empfing. Seine Primiz feierte er im Beisein seiner Gefährten am 25. September im Pariser Heiligtum Notre-Dame-des-Victoires. Sie war zugleich die Gründungsmesse des Instituts, das den Namen Société du Saint-Cœur de Marie (Gesellschaft vom Heiligen Herzen Mariens) annahm. Das anfänglich von großer Armut geprägte Noviziat wurde am 27. September in La Neuville eröffnet. Ein Jahr danach hatte es bereits ein Dutzend Novizen, darunter sieben Priester.
Im März 1842 kaufte Pater Libermann das Anwesen in La Neuville und nahm die Errichtung von zwei Erweiterungsflügeln sowie einer Kapelle in Angriff. Er selbst beteiligte sich sowohl an der Gartenarbeit als auch an der geistlichen Schulung der Novizen: „Ich bin Diener Jesu. Er will, dass ich alle Menschen liebe, wie er sie liebt; aber er weckt in mir eine lebendigere, innigere Liebe zu schwarzen Menschen.“ Der Ruf des Herrn wies ihm die Richtung: „Du sollst auf die Ärmsten zugehen, auf die, an die niemand denkt.“ An seine Söhne schrieb er später: „Ihr werdet euch nicht heiligen können, ohne mit aller Kraft für das Heil der Seelen zu arbeiten. Die Seelen zu heiligen, wird aber kaum möglich sein, wenn ihr euch selbst dabei vernachlässigt.“
„Oft wird heute gesagt, unser Jahrhundert verlange geradezu nach Echtheit“, schrieb Papst Paul VI. „Besonders von der Jugend sagt man, sie habe einen Abscheu vor allem Gekünstelten, Unechten und suche vor allem Wahrheit und Transparenz. Solche ‚Zeichen der Zeit’ sollten uns wachsam finden. Still oder in lautstarken Ausbrüchen, immer aber voller Eindringlichkeit, fragt man uns: Glaubt ihr wirklich an das, was ihr verkündet? Lebt ihr, was ihr glaubt? Predigt ihr wirklich, was ihr lebt? Mehr denn je ist das Zeugnis des Lebens eine wesentliche Bedingung für die Tiefenwirkung der Predigt geworden“ (Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 76). Und zum Vers Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen (Hebr 10,24) versicherte Papst Benedikt XVI.: „Dies bedeutet, dass der andere zu mir gehört; sein Leben, sein Heil betreffen mein Leben und mein Heil. Unser Leben steht in einer wechselseitigen Beziehung zu dem der anderen, im Guten wie im Bösen; sowohl die Sünde als auch die Liebeswerke haben auch eine gesellschaftliche Dimension“ (Botschaft zur Fastenzeit 2012).
Wie Diener für ihre Herrn
Nach nur vier Monaten Noviziat kehrte Frédéric Le Vavasseur in seine Heimat auf der Insel Réunion zurück. Eugène Tisserant begab sich nach Martinique und wartete dort auf eine Gelegenheit zur Weiterreise nach Haiti. So arbeiteten ein knappes Jahr nach Gründung der neuen Kongregation einige Mitglieder bereits an ihrem Einsatzort. Am 28. September 1842 errichtete der Heilige Stuhl in Afrika das riesige Apostolische Vikariat von Guinea und Sierra Leone, das sich über einen 8000 km langen Küstenstreifen erstreckte. Zu dessen Leiter wurde der ehemalige Generalvikar von Philadelphia, Edward Barron, ernannt. Dieser nahm sogleich Kontakt mit Pater Libermann auf, der ihm die Unterstützung seiner Missionare zusicherte. Am 13. September 1843 schifften sich 7 Missionare in Begleitung von 3 Laien nach Afrika ein. „Sagt euch von Europa los, von seinen Sitten, von seinem Geist“, bat sie der Pater. „Werdet mit den Schwarzen zu Schwarzen, um sie zu formen, aber belasst ihnen ihre Eigenart; ihr sollt so etwas für sie werden, was Diener für ihre Herren sind; für die Gebräuche, für das Geschlecht und die Gewohnheiten ihrer Herren: um sie vollkommener zu machen, um sie zu heiligen und aus ihnen nach und nach auf lange Sicht ein Gottesvolk zu machen. Das meint der hl. Paulus, wenn er sagt: Allen bin ich alles geworden, um auf jede Weise einige zu retten (1 Kor 9,22)“.
Die Verkündigung Jesu Christi ist nicht unvereinbar mit dem Respekt vor den Völkern, im Gegenteil: „Die Kirche ist der Auffassung, dass diese vielen Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi (vgl. Eph 3,8) kennenzulernen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht“ (Ecclesia in Africa, Nr. 47).
Die Missionare landeten am 29. November 1843 in Liberia, wo der Apostolische Vikar Barron residierte, und begannen unverzüglich mit dem Erlernen der Lokalsprache. Sie lebten überaus asketisch, ihre Ernährung war karg. Ihr Eifer und ihre mangelnde Erfahrung in einem Land mit Äquatorialklima hatten dramatische Folgen: In weniger als 2 Wochen wurden 7 Missionare krank, und Ende Dezember waren 2 von ihnen tot. Pater Libermann schrieb an seine Söhne: „Alle Werke, die in der Kirche je unternommen und ausgeführt wurden, waren auf die gleichen Schwierigkeiten gestoßen, oft sogar auf noch größere; und doch haben diese Schwierigkeiten die apostolisch gesinnten Männer nicht abgeschreckt. Es lag schon immer in der Natur der Vorsehung, dass sie inmitten von Hindernissen mütterliche Fürsorge walten ließ, und die glücklichsten Ergebnisse wurden im Allgemeinen nach den größten Schwierigkeiten erzielt.“
„Halte dich an sein Tempo!“
Bischof Barron beschloss, Pater Bessieux mit zwei Gefährten an Ort und Stelle zurückzulassen, und nahm die anderen Missionare nach Grand Bassam an der Elfenbeinküste mit, wo sie – einer nach dem anderen – starben. Durch diese Katastrophe entmutigt, kehrte der Bischof im September 1844 nach Europa zurück. „Sei vor allem beharrlich“, sagte sich Pater Libermann. „Man unternimmt nichts für Jesus, ohne dabei auf Schwierigkeiten zu stoßen, und Gott nimmt sich gerne Zeit. Halte dich an sein Tempo.“ Die einzigen Überlebenden der Expedition, Pater Bessieux und Bruder Grégoire, zogen nach Gabun weiter und ließen sich in Libreville nieder.
Die Patres vom Heiligen Herzen Mariens nahmen Verbindung zu einer anderen französischen Missionskongregation auf, den Spiritanern; diese Kongregation war 1703 von Claude Poullart des Places (1679-1709), einem jungen bretonischen Adligen, gegründet worden, der, statt eine politische Karriere einzuschlagen, sich zum Priester weihen ließ. Poullard des Places hatte arme Studenten um sich geschart, die Priester werden und in armen Pfarrgemeinden wirken wollten. Aus diesem Kreis waren zu Pfingsten 1703 die „Gesellschaft vom Heiligen Geist“ sowie ein dazugehöriges Seminar hervorgegangen, zu dessen Auftrag auch die Ausbildung von Geistlichen für die französischen Kolonien gehörte, wobei die Spiritaner vor allem in Afrika lebende Europäer betreuten. Die Gesellschaft Pater Libermanns verfügte über eine Vielzahl von Berufenen, hatte jedoch keinen genau definierten juristischen Status; die von Pater Poullart des Places gegründete Gesellschaft wiederum existierte offiziell, hatte aber wenige aktive Missionare und Berufene. Da die beiden Kongregationen ähnliche Ziele verfolgten, schlossen sie sich mit Erlaubnis Roms am 28. September 1848 zusammen. Die römische Kongregation für die Verbreitung des Glaubens richtete folgenden Appell an die Oberen der fusionierten Missionsgesellschaften: „Es liegt bei Ihnen, die Fusion Ihrer beiden Institute zu einem Erfolg zu machen, indem die Kongregation vom Heiligen Herzen Mariens hinfort aufhört zu existieren und ihre Mitglieder und Anwärter in die Kongregation vom Heiligen Geist integriert werden.“ Am 3. November bestätigte der Heilige Stuhl die Wahl Pater Libermanns zum Oberen der Kongregation vom Heiligen Geist mit Sitz in Paris.
Pater Libermann hatte 1846 als Ersatz für das zu klein gewordene Haus in La Neuville bereits ein Anwesen bei Amiens erworben und kaufte für die Aufnahme von 30 Philosophie- und Theologiestudenten zusätzlich auch die in der Nähe gelegene Abtei Notre-Dame du Gard. Auf seinen Reisen durch das Land stellte der Pater fest, dass in Frankreich viele Arme genauso vernachlässigt waren wie in den Missionsländern, und er schloss sie hinfort in seine Berufung mit ein: „Du sollst auf die Ärmsten zugehen, auf die, an die niemand denkt.“ Er erweiterte auch den Auftrag seiner Kongregation – die Mission im engeren Sinn – um die soziale und religiöse Betreuung von Arbeitern. Im Mai 1851 verfasste er eine 60 Seiten lange Schrift mit dem Titel Instructions aux missionaires (Instruktionen für die Missionare) – sein geistliches Testament.
Eifriges Bemühen um die Seelen
Zum Jahresende 1851 überkam Pater Libermann eine große Müdigkeit; sein seit jeher labiler Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide. Pater Le Vavasseur, der nach erfolgreicher Missionstätigkeit heimgekehrt war, schrieb an Doktor Libermann, den Bruder des Kranken: „Es handelt sich nahezu um dieselbe Krankheit wie vor drei Jahren. Er kann praktisch nichts zu sich nehmen.“ Am 27. Januar 1852 empfing Pater Libermann die letzte Ölung. Am Abend des 30. Januar richtete er mühsam ein paar Worte an den versammelten Konvent: „Ich sehe euch zum letzten Mal. Opfert euch für Jesus, für Jesus allein. Gott ist alles, der Mensch ist nichts. Opfergeist, eifriges Bemühen um Gottes Ruhm und um die Seelen!“ Seine Agonie dauerte bis zum 2. Februar, und er starb in dem Augenblick, in dem in der benachbarten Kapelle das Magnificat angestimmt wurde. Seine sterbliche Hülle ruht seit 1967 in der Kapelle des Mutterhauses der Kongregation vom Heiligen Geist in der Rue Lhomond in Paris. Die Heldenhaftigkeit seiner Tugenden wurde durch ein Dekret vom 19. Juni 1910 anerkannt; es verlieh ihm offiziell den Titel „ehrwürdiger Diener Gottes“.
Pater Libermann strebte bei seinen Missionaren nicht nur einen wirklichen und ernsthaften Versuch der Inkulturation an, sondern wollte, dass sie die Afrikaner in die Evangelisierung ihrer Heimatländer einbeziehen, indem sie Katecheten sowie einheimische Priester ausbilden und Ordensgemeinschaften gründen. In diesem Sinne appellierte auch der heilige Johannes-Paul II. an die jungen Afrikaner: „Liebe junge Menschen: Die Synode trägt euch auf, euch für die Entwicklung eurer Nationen einzusetzen, die Kultur eures Volkes zu lieben und euch für ihre Revitalisierung zu verwenden in Treue zu eurem kulturellen Erbe, durch die Schärfung des wissenschaftlichen und technischen Geistes und vor allem durch das Zeugnis des christlichen Glaubens“ (ibid., Nr. 115).
Bitten wir den ehrwürdigen François Libermann um die Gnade eines unermüdlichen Engagements für die Evangelisierung, von der das ewige Heil unzähliger Seelen abhängt. Nach seiner Auferstehung hat Jesus seine Apostel mit den Worten ausgesandt: Geht hin in alle Welt und verkündet das Evangelium aller Kreatur. Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden (Mk 16,15-16). „Evangelisieren ist die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität“, sagte der hl. Johannes-Paul II. „Sie ist da, um zu evangelisieren. Entstanden (ist sie) aus dem evangelisierenden Wirken Jesu und der Zwölf. Wie der Völkerapostel kann die Kirche sagen: Wenn ich das Evangelium verkünde, liegt ein Zwang auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde! (1 Kor 9,16)“ (ibid., Nr. 55).