Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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6. Februar 2001
Hl. Agatha, Märtyrerin


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es viele Frucht (Joh 12,24). Am 7. Mai 2000 kommentierte Papst Johannes-Paul II. diesen Vers aus dem Evangelium im Kolosseum (Rom), der Todesstätte vieler christlicher Märtyrer, folgendermaßen: «Das Weizenkorn, das im Sterben unsterbliche Früchte des Lebens trug, ist Christus. Die Jünger des gekreuzigten Königs haben auf seinen Spuren gewandelt, und sie sind im Laufe der Jahrhunderte zu unermesslichen Massen jeder Nation, jeder Rasse, jeden Volkes und jeder Sprache angewachsen. Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts war, vielleicht mehr noch als in den Anfängen des Christentums, die Zahl derer sehr groß, die ihren Glauben inmitten oft heldenhafter Leiden bezeugt haben. Dort, wo der Hass das ganze Leben zu verseuchen schien, ohne eine Möglichkeit, seiner Logik zu entrinnen, haben die Märtyrer gezeigt, dass die Liebe stärker ist als der Tod (vgl. Hld 8,6). In den schrecklichen Systemen der Unterdrückung, die den Menschen entstellten, ist ihre feste Bindung an den gestorbenen und auferstandenen Christus zutage getreten.»

Unter diesen Märtyrern haben viele Frauen ihr Leben verloren, um ihre Würde und ihre Reinheit zu verteidigen. Teresa Bracco, die am 24. Mai 1998, dem Fest der Hilfreichen Gottesmutter Maria, seliggesprochen wurde, ist eine dieser heldenhaften Frauen.

«Lieber sterben als sündigen»

Teresa Bracco wurde am 24. Februar 1924 in Santa Giulia (in der Provinz Savona in Norditalien) als sechstes Kind von Giacomo und Angela Bracco geboren. Diese bestellten als einfache Bauern mit unermüdlichem körperlichem Einsatz ihre Felder. Der Vater war streng aber gerecht, die Mutter sanft und friedfertig. Jedes Wort aus dem Munde der Eltern Bracco war auf der Waage des Evangliums abgewogen und nach dem Maßstab der Gottesfurcht bemessen, wobei man Gott Gefühle der Achtung und der Liebe entgegenbrachte. Das gemeinsame abendliche Rosenkranzgebet der Familie wurde von Giacomo selbst geleitet.

1930 kam ein eifriger junger Priester, Don Natale Olivieri, nach Santa Giulia. Er wurde auf die Frömmigkeit Teresas aufmerksam, die regelmäßig seine Katechismusstunden besuchte. Das Kind verlangte es sehr nach der Erstkommunion; diese Gnade wurde ihm im Frühling 1931 gewährt. Teresas Leben spielte sich zwischen dem Elternhaus, wo sie der Mutter bei der Hausarbeit half, der Kirche, der öffentlichen Schule und den Feldern ab, wo sie manchmal das Vieh auf die Weide führte. Der Priester stellte sie als Vorbild hin: «Macht es wie Teresa; wenn jeder so wäre wie sie, hätte ich keine Sorgen.»

Am 2. Oktober 1933 empfing Teresa das Sakrament der Firmung. Die Worte Don Natales hatten sich ihrem Herzen eingeprägt: «Wir sind hier auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und ihn im anderen Leben im Paradies zu schauen. Darauf müssen wir zählen. Tun wir das nicht, verlieren wir alles.» Im gleichen Jahr las sie mit Rührung die Lebensgeschichte des heiligen Dominikus Savio (1842-1857), eines Schülers des heiligen Johannes Bosco; sie war vom Wahlspruch des jungen Heiligen, «Lieber sterben als sündigen», fasziniert. Die Betrachtung der Ewigen Maxime des heiligen Alphons von Liguori, die auf die Bedeutung des ewigen Heils und die letzten Bestimmung des Menschen ausgerichtet waren, verankerte den Entschluss in ihrem Herzen, jede Sünde zu vermeiden. Teresa liebte auch die heiligen und jungfräulichen Märtyrerinnen Agnes, Agatha, Cäcilie und die Patronin ihrer Pfarrgemeinde, die heilige Julia, die lieber gekreuzigt werden als ihren Glauben verleugnen wollte, sehr. Die Passion Jesu war oft Gegenstand ihrer Betrachtung. Der Besuch der Messe unter der Woche und die heilige Kommunion wurden ihr zum Bedürfnis. Sie ging an den ersten Freitagen neun aufeinander folgender Monate zur Kommunion, um das Heiligste Herz Jesu zu trösten, worum unser Herr die heilige Margarete-Maria gebeten hatte. Teresa wollte in die Gesellschaft der Kinder Mariä eintreten, doch ihr Vater erlaubte es nicht, da die jungen Mädchen in dieser Vereinigung von Tür zu Tür Spenden für die Gemeinde sammeln mussten. Teresa gehorchte ohne ein Wort, doch sie führte nichtsdestoweniger alle Übungen für das geistliche Leben aus, die den Kindern Mariä anempfohlen wurden.

Mit sechzehn Jahren wurde Teresa bei den härtesten landwirtschaftlichen Arbeiten eingesetzt, denn in der Familie gab es außer dem Vater keinen Mann (beide Brüder von Teresa waren an Typhus gestorben): Sie führte die Ochsen beim Pflügen, sie säte, erntete und pflückte Obst, doch sie klagte niemals über Müdigkeit. Sie wies keine Arbeit zurück und sprang gerne für ihre Schwestern ein, bis Giacomo eines Tages zu ihnen sagte: «Ich fürchte, ihr tut ihr Unrecht an, weil sie zu gut ist.» Teresas Schwester Giuseppina beschrieb deren Charakter folgendermaßen: «Ich weiß nicht, woraus sie soviel Kraft bezog... Aus Liebe zu Gott nahm sie Mühen und Opfer auf sich. Sie nahm alle Dinge von ihrer guten Seite. Ich habe sie nie wütend oder unüberlegt handeln gesehen.»

Ein natürliches Bollwerk

Angesichts der religiösen Inbrunst Teresas meinten ihre Eltern, sie sei zum Ordensleben berufen. Doch sie hatte ihre Entscheidung noch nicht getroffen. Eine ihrer Freundinnen sagte später: «Sie war immer schön und bescheiden in ihrer Art, sich zu kleiden.» Ihre Schwester Maria fügte hinzu: «Sie war in allem sehr gemäßigt und ausgewogen. Sie wollte nicht den äußeren Schein. Sie trug stets Zöpfe und wollte sich nie die Haare schneiden lassen.» Sie mochte sich auch nicht schminken, doch ihre natürliche Schönheit fiel im Dorf auf, und viele Burschen wollten sie auf dem Heimweg von der Messe oder bei der Rückkehr vom Feld begleiten. Sie zeigte sich freundlich und war stets bereit, jedermann einen Gefallen zu tun, doch sie blieb zurückhaltend und setzte kleine Mittel ein, um jungen Männern aus dem Wege zu gehen, insbesondere denen, deren Benehmen zu freizügig war. Teresa fand in der Bescheidenheit die Hüterin ihrer Keuschheit, wie der heilige Ambrosius schon sagte: Die Scham ist die «Begleiterin der Reinheit; ihr Vorhandensein macht die Keuschheit sicherer» (De Officiis, I,20).

«Die Scham», sagte Papst Pius XII., «ist das natürliche Bollwerk der Keuschheit, ihre wirksame Schutzmauer, denn sie mäßigt die Handlungen, die mit dem Objekt der Keuschheit eng verbunden sind. Wie eine Vorhut, lässt die Scham dem Menschen eine Mahnung zukommen, sobald er ein vernünftiges Alter erreicht, und sie begleitet ihn sein ganzes Leben lang; sie fordert, dass bestimmte Handlungen, die an sich anständig sind, weil sie von Gott so eingerichtet wurden, durch den diskreten Schleier der Verhüllung und die Zurückhaltung des Schweigens geschützt werden, um sie gewissermaßen mit der der Würde ihrer höheren Zwecke gebührenden Achtung zu versöhnen» (8. November 1957).

Der Schutz der Reinheit vollzieht sich nicht ohne Kämpfe, wie Pius XII. den jungen Mädchen der Katholischen Aktion in Rom erklärte: «Mit Ausnahme der Seligen Jungfrau, ist kein menschliches Leben vorstellbar, das rein und zugleich ohne Wachsamkeit und Kampf gelebt werden kann. Ihr kennt weder die Tiefe der menschlichen Zerbrechlichkeit noch wisst ihr, welch verdorbenes Blut aus den Wunden sickert, die in der menschlichen Natur durch die Sünde Adams zurückgelassen wurden, mit der Unwissenheit im Verstand, der Bösartigkeit im Willen, der Gier nach Lust und der Schwäche gegenüber der Stärke der sinnlichen Leidenschaften. Solange bestimmte provozierende Kleidungsstücke das traurige Privileg von Frauen zweifelhaften Rufs bleiben und gleichsam das Zeichen, an dem man sie erkennen kann, wird man nicht wagen, diese selbst anzulegen. Doch an dem Tag, an dem diese an Personen gesehen werden, die über jeden Zweifel erhaben sind, wird man nicht zögern, dieser Strömung zu folgen, einer Strömung, die vielleicht die schlimmsten Stürze zur Folge haben wird» (22. Mai 1941). Die Heilige Gottesmutter hatte bereits die selige Jacinthe Marto in Fatima gewarnt, es würden Moden aufkommen, «die unseren Herrn sehr kränken werden». Diese Warnung schärft die Wachsamkeit gegenüber den Gefahren und dem geistlichen Verfall, deren Keim auf unanständige Mode zurückgeht.

Der Päpstliche Rat für die Familie erinnerte am 8. Dezember 1995 daran, dass «es, selbst wenn sie sozial akzeptiert sind, Arten zu reden und sich zu kleiden gibt, die moralisch inkorrekt sind und eine Art und Weise darstellen, die Sexualität zu banalisieren und zu einem Konsumgut herabzuwürdigen. Die Eltern müssen ihren Kindern also den Wert der christlichen Bescheidenheit, einer vernünftigen Kleidung sowie die notwendige Freiheit gegenüber Modeströmungen beibringen» (Wahrheit und Bedeutung der menschlichen Sexualität, Nr. 97). Mode an sich ist nichts Schlechtes. Sie entsteht spontan aus der menschlichen Geselligkeit und folgt dem Trieb, sich mit seinen Mitmenschen in eine Harmonie zu begeben. Doch die Mode ist nicht die höchste Verhaltensregel. Der heilige Thomas von Aquin lehrt, dass es in der weiblichen Aufmachung ein verdienstvoller Akt liegt, wenn sie dem Stand der Person angemessen ist und in guter Absicht zur Schau getragen wird (Kommentar zum Propheten Jesaja). Doch er erinnert auch daran, dass das Wohl unserer Seele wichtiger ist als das unseres Leibes und dass wir das seelische Wohl unseres Nächsten über den Vorteil unseres Leibes setzen müssen (Summa theologiæ). Demnach existiert eine Grenze, die keine Form der Mode überschreiten darf, eine Grenze, bei deren Überschreiten die Mode sich der Verursachung geistlichen Verfalls schuldig macht.

Welches ist das höchste Kriterium?

Gestärkt durch die Sakramente, bot Teresa ein Vorbild an freudiger Bescheidenheit. Ihr beispielhaftes Leben bewies eine tiefe Liebe zu Gott und zu ihrem Nächsten, eine selbstvergessene Liebe, die Jesus seinen Jüngern mit folgenden Worten beschrieb: Wenn einer mit mir gehen will, so verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach (Mt 16,24). Wer sein Leben liebt, verliert es, und wer sein Leben in dieser Welt hasst, wird es zu ewigem Leben bewahren (Joh 12,25). «Es handelt sich dabei», erklärt Papst Johannes-Paul II., «um eine Wahrheit, die die heutige Welt oft verleugnet und verachtet, denn sie macht die Eigenliebe zum höchsten Kriterium der Existenz. Doch die Glaubenszeugen, die durch das Vorbild ihres Lebens zu uns sprechen, haben weder ihren eigenen Vorteil noch ihr Wohl, ja nicht einmal ihr physisches Überleben als der Treue zum Evangelium überlegene Werte betrachtet» (7. Mai 2000). Die Treue Teresas zum Willen Gottes in den kleinen Ereignissen des Alltagslebens bereitete sie auf den erhabenen Kampf des Märtyrertodes vor.

Beim Herannahen des Krieges rief Papst Pius XII. alle Christen auf, um den Frieden zu beten. Bei den Gottesdiensten war Teresa sehr gesammelt und hatte für nichts Augen als für den Altar, wo sich das Allerheiligste Sakrament befand. In der Fastenzeit des Jahres 1940 kamen zwei Passionistenpatres zur Volksmissionierung nach Santa Giulia. Zu Beginn jeder Unterweisung wiederholten die Missionare eindrückliche Worte: «Das Leben ist kurz, der Tod gewiss; die Stunde des Todes ist ungewiss; ich habe nur eine Seele; wenn ich sie verliere, was bleibt mir dann? Alles vergeht, alles wird bald zu Ende sein, die Ewigkeit wird nie enden.» Teresa sann über diese Wahrheiten nach und verstand die dringende Notwendigkeit, für das Reich Gottes zu arbeiten, nach dem Wort Jesu: Siehe, ich komme bald, und mit mir mein Lohn, um einem jeden zu vergelten nach seinem Werk (Apokalypse 22,12).

Angespannte Lage

September 1943. Zwei Monate nach der Entmachtung Mussolinis wurde ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Italien und den alliierten Mächten unterzeichnet. Als Vergeltungsmaßnahme sowie zur Verhinderung einer Invasion seines Gebietes beschloss das deutsche Dritte Reich die Besetzung der italienischen Halbinsel. Es formierten sich bewaffnete Widerstandsgruppen gegen den Besetzer («Partisanen»); in der Provinz Savona waren sie besonders aktiv. Die über den «Verrat» des italienischen Verbündeten erbitterten Deutschen begegneten den Guerilla-Operationen der Partisanen durch strenge Repressionsmaßnahmen. Die Diözese Acqui, zu der Santa Giulia gehörte, hatte schmerzlich darunter zu leiden. Unter Gefährdung seines Lebens vertrat der Ortsbischof, Mgr. Dell'Omo, die Sache der Zivilbevölkerung bei den kriegführenden Parteien. In diese unruhige Zeit fiel bei den Bracco der Tod des Vaters Giacomo am 13. Mai 1944 infolge einer Krankheit. Die sechs im Hause verbliebenen Frauen mussten nunmehr selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Teresa war zwanzig Jahre alt. Durch den Tod ihres Vater keineswegs zerbrochen und aus der Bahn geworfen, war sie nun noch stärker und mutiger, als hätte sie die Tugenden des Vaters geerbt. Am 24. Juli kam es in der Nähe von Santa Giulia zu einer blutigen Auseinandersetzung zwischen einer deutschen Einheit und einer Widerstandsgruppe. Nachdem sie einige Soldaten getötet hatten, flüchteten die Partisanen in das Dorf. Am folgenden Tag kamen die Deutschen mit Verstärkung wieder und begannen zu plündern. Fünf Höfe wurden zerstört. Es lief das Gerücht, dass Frauen und Mädchen von den Soldaten vergewaltigt wurden. Diese abscheuliche Praxis der Gewalt gegen Frauen unter Verachtung ihrer Würde und des göttlichen Gesetzes und unter der Androhung des Todes wiederholt sich in fast allen Kriegen. Doch viele katholische Frauen aller Nationalitäten sind lieber gestorben als gegen die Reinheit zu sündigen, was sie hätten tun können, wenn sie den Forderungen der Angreifer nachgegeben hätten.

Unbersorgte Kühnheit

Am 27. August kam es zu einem neuen Zusammenstoß. Die Partisanen ergriffen die Flucht. Am Morgen des 28. besuchte Teresa die hl. Messe um sieben Uhr. Dann ging sie, begleitet von ihren Schwestern Adele und Anna, auf die Felder zum Arbeiten. Plötzlich hörten die drei Mädchen Schüsse. Gegen neun Uhr wurden sie von Partisanen auf der Flucht davor gewarnt, nach Santa Giulia zurückzukehren, weil die Deutschen dort seien. Trotz ihrer angeborenen Ängstlichkeit hörte Teresa nicht auf sie. «Was sollten sie mir Schlimmeres antun als mich zu töten?», sagte sie zu einem Nachbarn. Sie wollte ihrer Mutter zu Hilfe eilen und die wertvollsten Familienbesitztümer in Sicherheit bringen, darunter die Fotografie ihres Vaters. Mit ihren Schwestern ging sie in Richtung des Dorfes los und gelangte zum sogenannten «Kastanienwäldchen», wo die Bewohner auf der Flucht, darunter auch ihre Mutter, sich bereits eingefunden hatten. Eine Freundin Teresas berichtet: «Ich sprach mit ihr über die Barbarei der Soldaten und über ihren Mangel an Respekt den Frauen gegenüber. Mit Entschiedenheit entgegnete sie mir: 'Lieber würde ich sterben, als geschändet zu werden'». Frau Bracco forderte die Anwesenden auf, den Rosenkranz zu beten.

Um fünfzehn Uhr näherten sie die Deutschen mit den gefangengenommenen Partisanen. Angela und Teresa versteckten sich in einem Felsspalt. Plötzlich entdeckten die Soldaten das Versteck der beiden Schwestern und befahlen ihnen, der Kolonne der Gefangenen zu folgen. Später trafen sie auf eine Frau mit ihrem Baby; es war Enrichetta Ferrera, eine Cousine Teresas. Als sie mit der Gruppe weggeführt werden sollte, schrie sie auf: «Meine anderen Kinder sind noch im Wald!» Daraufhin wurde ihr erlaubt zurückzukehren. Enrichetta gab ihr Kind Teresa, doch es begann zu weinen, so dass die Mutter es wieder nehmen musste. Da befahl ein Soldat Teresa, ihre Cousine zu begleiten.

Die Tragödie

Der Mann Enrichettas erzählte später: «Ich sah meine Frau, das Kind auf dem Arm, mit Teresa ankommen, die zu mir sagte: 'Sie haben mich hergeschickt, um euch zu helfen, die Kinder mitzunehmen'.» Da kamen vier Soldaten hinzu, die der Familie Ferrera befahlen, in ihr Haus zurückzukehren; Teresa aber und zwei ihrer jungen Gefährtinnen hielten sie zurück. Teresa wurde von einem Offizier beansprucht, der zwei Soldaten befahl, die beiden anderen Mädchen zu nehmen. Diese wurden einige Minuten später vergewaltigt. Als sie an jenem Abend in ihre unter Hausarrest stehenden Familien zurückkehrten und im Beisein von Frau Bracco über ihr trauriges Abenteuer berichteten, fühlte Teresas Mutter, wie sich ihr Herz verkrampfte: «Meine Tochter wird nie mehr nach Hause kommen, wenn ihr Ähnliches widerfährt», dachte sie. «Während sämtliche Frauen und Kinder nach Sanvarezzo geführt und dann in einem Zimmer meines Hauses eingesperrt wurden», sagte ein Bewohner dieses Fleckens später, «wurden die jungen Mädchen, darunter auch Teresa, von den Soldaten gezwungen, ihnen in verschiedene Richtungen zu folgen. Ich hörte wiederholt Schreie und Hilferufe; einer meiner älteren Nachbarn namens Baldo Giovanni traf den Soldaten, der Teresa mitgenommen hatte; er würgte sie am Hals und schleppte sie hinter sich her.»

Sogleich nach dem Abzug der deutschen Armee begab sich Don Natale begleitet von Venanzio Ferrari und von der Mutter des Opfers sowie dessen Schwester zum Schauplatz der Tragödie. Er fand Teresas Leichnam an einem Ort, der als «Kirschgarten» bekannt war. Teresa lag auf dem Rücken, die Hände auf der Brust gefaltet, in einer Haltung der Abwehr gegen den Angreifer. Eine Kugel hatte eine ihrer Hände durchbohrt und war ihr in die Brust gedrungen. An ihrer Kehle war ein graues Mal zu sehen. Das Gesicht von blauen Flecken verunstaltet; auf der Brust und den Armen trug sie entsetzliche Bisswunden. Der Schädel wies eine acht Zentimeter lange Vertiefung auf, wahrscheinlich hervorgerufen durch einen Tritt mit einem eisenbeschlagenen Stiefel. Unter unermesslichem Schmerz ließ der Priester den Leichnam rasch mit einem Tuch bedecken und erlaubte niemandem, ihn zu berühren. Dann kam Doktor Scorza, ein Arzt, um den Tod festzustellen und den Körper zu untersuchen. «An der Unberührtheit des jungen Mädchens hat sich nichts geändert», bestätigte er. «Sie hat gekämpft, bis der Soldat sie erwürgte und aus Wut darüber tötete, dass er sie sich nicht hat gefügig machen können.»

«Um Gott zu gehorchen, der von ihr verlangte, den Tempel ihres Körpers zu verteidigen (vgl. 1 Kor 3, 16)», schrieb Mgr. Livio Maritano, der Bischof von Acqui Terme, im Jahre 1998, «hat Teresa dem Mann den Gehorsam verweigert, der sie zwar vergewaltigt, sie aber dafür am Leben gelassen hätte. Ihre Haltung war kein ergebenes Schweigen angesichts eines zu allem bereiten Scheusals, sondern eine positive Weigerung, ihre jungfräuliche Schönheit besudeln zu lassen. Teresa ist keine anachronistische Persönlichkeit; sie steht den Jugendlichen von Heute nahe durch ihren Wunsch nach Authentizität und durch die Übereinstimmung zwischen ihrer Überzeugung – ihrem katholischen Glauben – und ihrer Lebensweise. Teresa Bracco war wirklich 'verliebt in Gott', deswegen hatte sie beschlossen, ihr Leben zu opfern; sie wollte es lieber hier auf Erden verlieren, um es für immer in der Unendlichkeit der Liebe wiederzugewinnen.»

Am 31. August fand in aller Stille eine religiöse Beerdigung statt. Doch der Besetzer war über die Exzesse seiner eigenen Soldaten so erschrocken, dass die Repressalien in dieser Gegend aufhörten; das Opfer Teresas begann bereits Früchte zu tragen. Als der örtliche Bischof einem deutschen General einen Protestbrief wegen der begangenen Belästigungen von Frauen schrieb, erkannnte dieser an, dass absichtlich Gewalttaten verübt worden waren, für die zwei deutsche Soldaten vor ein Militärgericht gestellt wurden.

Ein Leuchtturm für die Jugend

Seit 1945 pflegen sich die Bewohner von Santa Giulia am 28. August zu versammeln, um des Todes von Teresa zu gedenken. Zahlreiche Leute aus der Diözese schließen sich ihnen an; viele gehen zur Beichte und zur Kommunion, insbesondere Jugendliche. Während der Seligsprechungszeremonie für Teresa bemerkte Papst Johannes-Paul II.: «Welch bedeutendes evangelisches Zeugnis für die junge Generation! Welche Botschaft der Hoffnung für alle, die sich bemühen, gegen den in der Welt herrschenden Zeitgeist anzugehen! Ich stelle insbesondere den Jugendlichen dieses junge Mädchen vor Augen, damit sie von ihm den einfachen Glauben lernen, der im alltäglichen Engagement, in der kompromisslosen moralischen Folgerichtigkeit, im Mut zur Aufopferung, wenn nötig des eigenen Lebens, zum Ausdruck kommt, um die Werte nicht zu verraten, die dem Leben einen Sinn verleihen.»

Wir glauben «an Gott und an all das, was er uns gesagt und geoffenbart hat und was die heilige Kirche uns zu glauben vorlegt. Denn Gott ist die Wahrheit selbst» (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1814). Doch der Glaube «ist ja nicht lediglich eine Summe von Aussagen, die mit dem Verstand angenommen und bestätigt werden müssen. Er ist vielmehr eine gelebte Kenntnis von Christus, ein lebendiges Gedächtnis seiner Gebote, eine Wahrheit, nach welcher gelebt werden muss. Ein Wort wird schließlich nur dann wahrhaft angenommen, wenn es in die Handlungen übergeht, wenn es in die Praxis umgesetzt wird (...). So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen (Mt 5,14-16)» (Johannes-Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, 88-89).

Mögen der heilige Josef und die selige Teresa Bracco uns die Gnade einer völligen Übereinstimmung zwischen unserem Leben und unserem katholischen Glauben erlangen, die Quelle unzähliger Wohltaten für uns und für all diejenigen, die wir dem Herrn im Gebet ans Herz legen!

Dom Antoine Marie osb

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