Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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5. April 2011
Hl. Vinzenz Ferrer


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Wissen Sie, was ich nie habe begreifen können? Dass unser Herr,  der unendlich gut ist und uns grenzenlos liebt, von den  Menschen so wenig geliebt wird!« Diese Worte erschließen uns das Herz des heiligen Apostels Antonius Maria Claret.

Geboren am 23. Oktober 1807 in der katalanischen Industriestadt Sallent in der Provinz Barcelona, wurde Antonius (Antonio) Claret am Geburtstag des Erlösers getauft. Seine zutiefst christlich geprägten Eltern waren Weber. Die ersten Worte, die sie ihren Kindern beibrachten, waren die heiligen Namen Jesu und Mariä. Der junge Antonius wurde denn auch ein großer Verehrer der Allerseligsten Jungfrau, deren Heiligtümer er gerne besuchte. Am Tage seiner Erstkommunion war er der glücklichste Junge der Welt. Er fühlte sich bereits früh zum Priesteramt hingezogen, doch nach dem Willen seines Vaters sollte er Weber werden; er fand Gefallen an der Webkunst und erlernte sie schnell. Trotz vieler vorbildlicher Tugenden hatte er durchaus zu kämpfen, um dem Herrn treu zu bleiben. Den lockenden Versuchungen der Wollust und des Geizes widerstand er, indem er seine Gebete, vor allem zur Heiligen Jungfrau, intensivierte. Später gab er in seinem Katechismus der christlichen Lehre folgenden heilsamen Rat: „Wenn du von einer Versuchung belagert wirst, ruf augenblicklich Maria zu Hilfe und verehre ihr Bild. Ich versichere dir, dass sie dir unfehlbar helfen wird und dass du nicht mehr sündigen wirst, wenn du sie nur beharrlich darum bittest.«

Zu viele Hindernisse

Eines Tages merkte der junge Mann, dass ihn in der  Welt trotz seiner Treue zum täglichen Beten vieles daran hinderte, wirklich mit Gott zu leben. In der Kirche sah er so viele Ablenkungen auf sich einstürmen, dass er trotz aller Konzentrationsversuche „mehr Zeugs im Kopf hatte, als es Heilige im Himmel gibt«. Sein Vater erhielt ein Angebot, das ihnen einen Ausbau der Weberei gestattet hätte, und war gekränkt, als Antonius zögerte, weil er seit einiger Zeit in seinem Herzen den Widerhall eines Bibelwortes vernahm: Denn was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt gewinnt, an seinem Leben aber Schaden leidet (Mt 16,26). Bald darauf kam er bei einem Unfall fast zu Tode; da begriff er, dass Gott ihn rief, und beschloss, alles zu verlassen.

Zunächst erwog er, der Welt ganz den Rücken zu kehren und Kartäuser zu werden, doch dann entschied er sich für das Seminar in Vic. Unter der Anleitung eines Oratorianerpaters machte er rasche Fortschritte im spirituellen Leben, insbesondere in der Demut. Wurde er für die natürlichen und übernatürlichen Gaben gelobt, die er im Überfluss besaß, pflegte er zu antworten: „Ich mag zwar ein mit Schmuck und Edelsteinen beladener Esel sein, bleibe aber gleichwohl ein Esel.« Nach seiner Priesterweihe am 13. Juni 1835 wurde Antonius erst zum Vikar, zwei Jahre später zum Pfarrer seiner Heimatgemeinde ernannt. Die Einwohner Sallents waren erbaut von der Sorgfalt des jungen Priesters bei allen Amtshandlungen sowie beim Feiern der heiligen Messe. Man war angetan von seiner Wohltätigkeit Armen und Kranken gegenüber: Er gab ohne Bedenken, bis er selbst nichts mehr hatte. Er unterrichtete gern und nutzte seine ganze Freizeit, um sich weiterzubilden.

Die Welt um den jungen Priester war gerade dabei, orientierungslos zu werden: Der Glaube vieler Leute erlahmte, und der Liberalismus gewann selbst in katholischen Kreisen an Boden. „Liberalismus in der Religion ist die Lehre, nach der es keine absolute Wahrheit in der Religion gibt, sondern ein Glaubensbekenntnis so gut ist wie das andere«, betonte der selige John Newman, ein Zeitgenosse Clarets. „Er bestreitet die Überzeugung, dass irgendeine Religion wahr ist ... Er lehrt, dass die geoffenbarte Religion nicht eine Wahrheit ist, sondern eine Frage des Gefühls und des Geschmacks, dass sie ist keine objektive und keine übernatürliche Tatsache ist.« Doch Jesus hat uns selbst offenbart, dass Er die Wahrheit ist (Joh 14,6). Don Claret begann daher, gegen die Plage des philosophischen und religiösen Liberalismus anzukämpfen und die Grundsätze des christlichen Glaubens und der christlichen Moral, die letzte Bestimmung des Menschen und die Eitelkeit der Welt im Herzen der Menschen zu verankern.

1839 reiste er nach Rom und wurde Novize bei den Jesuiten. Der Versuch währte nur einige Monate, gab ihm jedoch einen neuen Impuls für die Seelsorge. „Gott hat mir eine große Gnade erwiesen«, schrieb er in seiner Autobiographie, „indem er mich nach Rom führte und, wenn auch nur für kurze Zeit, mit diesen frommen Ordensleuten leben ließ. Dort lernte ich, wie man die Geistlichen Übungen des hl. Ignatius richtig durchführt, wie man mit großem Ertrag für die Seelen predigt, Religionsunterricht erteilt und Beichten abnimmt. Sei über alles gelobt, mein Gott, mach, dass ich dich liebe und darauf hinwirke, dass alle dich lieben und dir dienen! Mögen alle Kreaturen erfahren, wie gut und barmherzig du bist!« Zu den Übungen sagte er später, sie gehörten zu den wirksamsten Instrumenten, deren er sich bei der Reform des Klerus bedient habe.

Nach seiner Rückkehr nach Spanien 1840 wurde Don Antonius zum Pfarrer von Viladrau ernannt, wo seine Nächstenliebe in vollem Maße zum Zuge kam. „Sobald ich mich in der Pfarrei Viladrau eingerichtet hatte«, notierte er, „stellte ich mich möglichst gut auf die spirituellen Bedürfnisse der Gläubigen ein. Beim Hochamt an Sonn- und Feiertagen erklärte ich das Evangelium und bot abends Katechismusstunden für die Kinder an. Jeden Tag machte ich Krankenbesuche. Da es in dem Ort leider keinen Arzt gab, war ich Leib- und Seelenarzt zugleich; ich griff dabei auf mein Allgemeinwissen, aber auch auf medizinische Werke zurück ... Der Herr hat mir bei meinen Bemühungen so gut geholfen, dass kein von mir betreuter Patient zu Tode kam.«

Nach den wahren Ursachen forschen

Bei meiner Ankunft in Viladrau gab es zahlreiche  angeblich Besessene; ihre Familien bedrängten mich, ihnen die Dämonen auszutreiben, denn ich hätte ja die Macht dazu. Ich stellte fest, dass nicht einmal einer von Tausend wirklich besessen war; das Leiden der Anderen hatte physische oder moralische Ursachen.« Um in solchen Fällen zu helfen, gab Don Claret passende Ratschläge: Er hatte gemerkt, dass die angeblich Besessenen nur zu oft zu Zornausbrüchen bzw. Alkoholmissbrauch neigten, und riet ihnen, sich geduldig in ihr Leid zu schicken, sich niemals zu ärgern und nüchtern zu leben. Zudem sollten sie dreimal am Tag sieben „Vaterunser« und „Gegrüßet seist du, Maria« zu Ehren der sieben Schmerzen der Allerseligsten Jungfrau beten, eine umfassende Generalbeichte ablegen und anschließend die heilige Kommunion empfangen. Wer diese Ratschläge befolgte, kam meistens schon bald zu ihm, um sich für eine völlige Genesung zu bedanken.

Zu den Lieblingsbeschäftigungen Don Clarets zählte der Katechismusunterricht: „Da der Katechismus die Basis der sittlichen und religiösen Unterweisung von Kindern ist, hielt ich ihn stets für das wichtigste Mittel des Apostolats. Der Geist von Kindern ist formbarer als der von Erwachsenen, sie können den Katechismus leicht lernen und verinnerlichen ... Zur Unterweisung von Kindern hat mich am meisten das Vorbild Jesu Christi und der Heiligen angeregt: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt es ihnen nicht; denn gerade für sie ist das Gottesreich (Mk 10,14). Es ist sicher so, dass in Gottes Augen ein Kind, dessen Unschuld durch eine gute Erziehung bewahrt worden ist, ein kostbarerer Schatz ist als aller Reichtum der Welt ... Der Katechismus für Erwachsene wiederum ist meines Wissens das beste Mittel, diesen etwas Gutes zu tun. Durch den Katechismus werden sie aus ihrer Unwissenheit befreit, die größer ist, als man denkt. Prediger gehen manchmal davon aus, dass die Zuhörer ihren Glauben und ihre eigenen Pflichten kennen: Das stimmt nicht ... Der Stoff des Katechismus fußte bei mir immer auf den Geboten Gottes, die ich mehr oder weniger ausführlich kommentierte ... Nie habe ich gleich zu Beginn gegen die Hauptlaster meiner Zuhörer losgewettert, sondern erst, wenn ich mein Publikum in der Hand hatte. Hielt ich es dann für gut vorbereitet, sprach ich die ernsteren Themen an; selbst als die Zuhörer merkten, dass ich nach und nach ihre kleinen Götzen zerschlug, wehrten sie sich nicht dagegen, und viele bereuten ihre Verfehlungen.«

Ein effektives Mittel der Einflussnahme

Don Claret versuchte auch sonst allen Menschen, die  ihm begegneten, Gutes zu tun: „Alltagsgespräche sind ein weiteres Mittel der Einflussnahme, und zwar ein sehr effektives! In meiner Studentenzeit habe ich mal gelesen, es habe unter den ersten Mitgliedern der Societas Jesu einen Laienbruder gegeben, der für den Einkauf zuständig war und somit jeden Tag aus dem Haus musste; bei den Gesprächen mit seinen weltlichen Gegenübern wirkte er so erbauend und so freundlich, dass er mehr Seelen bekehrte als jeder Missionar. Sein Beispiel hat mich so positiv beeindruckt, dass ich mich immer bemüht habe, ihm nachzueifern.«

Antonius Claret führte auch Volksmissionen durch und scheute sich nicht, dabei über die „letzten Dinge« – Tod, Gericht, Himmel und Hölle – zu predigen. Diese Grundwahrheiten hatten ihn bereits von Kind auf geprägt: „Die ersten Gedanken, die meinen kindlichen Geist beschäftigt haben, an die ich mich zumindest noch erinnern kann, beziehen sich auf die Ewigkeit. Ich war fünf Jahre alt; ich lag schlaflos im Bett und dachte über die Worte ‚immer' und ‚Ewigkeit' nach! Ich stellte mir eine riesenlange Strecke vor, an die ich eine weitere anfügte, dann noch eine und noch eine; und ich kam nie ans Ende. Mein Herz begann zu beben, und ich sagte mir: Wer in die Hölle kommt, hört also nie auf zu leiden? Nein, niemals. Wird er immer weiterleiden? Immer. Ich empfand großes Mitleid für die, die den Flammen anheimfallen, und mein Herz brach fast vor Schmerz, denn ich bin von Natur aus sehr mitfühlend. Dieser Gedanke hat sich mir fest eingeprägt, und ich kann sagen, dass er mir immer präsent ist. Er hat mich dazu veranlasst, auf die Bekehrung der Sünder hinzuwirken. Ich sage oft zu mir selbst: Der Glaube lehrt, dass es einen Himmel für die Guten und eine Hölle für die Bösen gibt; der Glaube lehrt, dass die Höllenstrafe ewig währt; der Glaube lehrt, dass eine einzige Todsünde ausreicht, damit die Seele verdammt wird auf Grund der unendlichen Verwerflichkeit der Todsünde, die ja eine Beleidigung des unendlichen Gottes ist. Diese absoluten Gewissheiten vorausgesetzt: Wie könnte ich ruhig bleiben, wenn ich sehe, wie leichtfertig Sünden begangen werden, wie viele Leute im Zustand der Todsünde verharren und so auf den Tod und auf die Hölle zugehen? Ich muss laufen, schreien. Ich sage mir: Wenn ich jemanden sehe, der gleich in einen Brunnen, in ein brennendes Feuer fallen wird, laufe ich doch bestimmt sofort los und schreie, damit ich ihn noch zurückhalten kann; warum soll ich nicht ebenso handeln, um Menschen daran zu hindern, sich in die Glut der Hölle zu stürzen!«

Wie ein guter Sohn

Don Antonius erinnerte immer wieder an die  Notwendigkeit, Gottes Gebote zu befolgen, um die ewige Glückseligkeit des Himmels zu erlangen: „Es ist sicher, dass Gott dein Vater ist; denn Er hat dich erschaffen und zwar nach seinem Bild, so dass du Ihm ähnlich bist, und Er will dich zum Erben des Himmels machen; zu diesem Zweck hat Er dich erschaffen. Doch Er will, dass du dich wie ein guter Sohn benimmst; wenn du das nicht tust, d.h. wenn du gegen seine Gebote verstößt und ohne zu bereuen stirbst, wirst du das Ziel, für das du erschaffen worden bist, verfehlen ... Gott ist dein Vater, und Er liebt dich sehr. Diese Liebe zu dir hat ihn bewegt, seinen Sohn zu entsenden, damit er dein Lehrmeister und dein Heiler wird; um deine tödliche Krankheit zu heilen, vergoss dieser sein Blut und stellte die göttliche Arznei in den heiligen Sakramenten zur Verfügung.« Um den Menschen zu helfen, die mitunter als zu schwere Last empfundenen Gebote zu befolgen, schrieb Don Claret: „Lieber Christ, wisse, dass mich nur die Liebe zu dir das Folgende schreiben lässt... Gott sei mein Zeuge, dass ich die Wahrheit sage, und dass ich einzig und allein dein Glück will. Willst du in dieser und in der anderen Welt glücklich sein? Dafür gibt es ein Geheimnis: Sündige nicht, dann erreichst du das. Willst du nicht mehr sündigen? Auch dafür gibt es ein unfehlbares Mittel: Denk an den Tod; denk daran, dass du sterben musst, und du wirst nicht mehr sündigen ... Befolge doch die Ratschläge, die mir der Wunsch nach deinem Wohl diktiert. Bringe deine Sachen jetzt in Ordnung und versetze dich in den Zustand, in dem du in deiner Todesstunde angetroffen werden möchtest. Lege eine aufrichtige Beichte voller Reue über deine Verfehlungen ab; meide das Böse; lege dir einen Vorrat an guten Werken zu, denn sie sind das Einzige, was du aus dieser Welt mitnehmen kannst.«

Antonius Claret gab über 150 Bücher und Hefte heraus, ließ große Mengen frommer Bilder drucken, die einen bescheidenen Anstoß zu vielen Gesprächen boten, und gründete zahlreiche Bruderschaften. Sein großes Lebenswerk war jedoch die Gründung der Missions–kongregation „Söhne des unbefleckten Herzens Mariens« am 16. Juli 1849, hervorgegangen aus einer Gruppe von Priestern, die sich dem Predigen und der Katechese verschrieben hatten, aber auch ein intensives religiöses Leben führen wollten. Antonius Claret beschrieb das ideale Mitglied der Kongregation so: „Ein Sohn des unbefleckten Herzens Mariens ist ein Mann, der sich vor Liebe verzehrt und alles auf seinem Weg mit seinem Feuer ansteckt. Er ist ein Mann, der sich ohne Unterlass dafür verausgabt, in der Welt das Feuer der Gottesliebe zu entfachen ... Er denkt nur an eines: arbeiten, leiden und sich stets für die größte Ehre Gottes und das Heil der Seelen einsetzen, um unserem Herrn Jesus Christus nachzueifern.«

Die Nachfolge des Herrn ging nicht ohne Demut. Don Claret schrieb: „Ich habe versucht, Jesus nachzueifern, der sagte: ... lernt von mir, denn ich bin gütig und bescheiden in meinem Herzen, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen (Mt 11,29). Immer wieder betrachtete ich ihn in der Krippe, in seiner Werkstatt, auf dem Kreuz. Ich sann über seine Worte, seine Lehren, seine Taten nach, über seine Art zu essen, sich zu kleiden, von einer Stadt zur anderen zu ziehen. Ich machte mir Mut, seinem Vorbild zu folgen, und fragte mich: Wie würde Jesus unter den gegebenen Umständen handeln? Dann versuchte ich es ihm nachzumachen und freute mich bei dem Gedanken, welche Freude ich ihm damit bereitete.«

Eine gefürchtete Last

Im August 1849 wurde Antonius Claret, dessen Arbeit  nicht unbemerkt geblieben war, zum Erzbischof von Santiago auf der spanischen Antilleninsel Kuba ernannt. In seiner Demut wehrte er sich zuerst dagegen, musste jedoch schließlich den Bitten des Apostolischen Nuntius nachgeben. Er wurde am 6. Oktober 1850 im Alter von 42 Jahren zum Bischof geweiht und nahm zusätzlich den Vornamen Maria an. Auf Kuba fand er eine von der Fläche her riesige, materiell und spirituell jedoch arme Diözese vor. Seine erste Sorge galt der Gründung eines Seminars, in dem viele fromme Priester ausgebildet wurden. Er hatte jedoch auch beim bereits existierenden Klerus für Reformen zu sorgen und verpflichtete daher alle Priester, einen Monat pro Jahr zur Fortbildung am Seminar zu verbringen.

Der politische Kontext auf Kuba war schwierig. Die heimischen Sklavenhändler warfen dem neuen Erzbischof Nachsicht vor und hielten ihn für einen Aufrührer, die Separatisten machten ihm zum Vorwurf, dass er Spanier war. Der Heilige nahm alle Anfeindungen gelassen hin: „Ich bleibe auf dem Kreuz, bis unser Herr mich abnimmt!« Denen, die ihn zur Gegenwehr aufforderten, erwiderte er: „Lasst sie; ich weiß, was mir bekommt. Die Anfeindungen lassen mich weiter in Demut und Ergebung verharren. Ich leide zwar unter der Schmach, die sie unserem Herrn zufügen; aber sie helfen mir, mein Ziel zu erreichen, und bieten mir Gelegenheit, aus Liebe zu Gott zu leiden.«

Auf Kuba herrschte damals große sittliche Verwahrlosung: Viele Menschen lebten unverheiratet zusammen. Bischof Claret bereiste seine ganze Diözese, um Missionen zu predigen und eheähnliche Verbindungen zu legalisieren.

Die pastorale Sorge des Bischofs um die christliche Ehe ist verständlich. Denn die körperliche Vereinigung von Mann und Frau ist ein Akt, dem eine tiefe Bedeutung zukommt. Sie steht für die totale, ausschließliche und endgültige Hingabe an den anderen und ist daher nur legitim, wenn sich die Betreffenden durch die Ehe tatsächlich einander hingegeben haben. „Was kann ein Liebesverhältnis bedeuten, bei dem die beiden Partner keine gegenseitigen Verpflichtungen eingehen und damit bezeugen, dass sie weder auf den Partner noch auf sich selbst noch auf die Zukunft genügend vertrauen?«, fragt der Katechismus der Katholischen Kirche. Konkubinat und freie Liebe „verletzen die Würde der Ehe; sie zerstören den Grundgedanken der Familie; sie schwächen den Sinn für Treue. Sie verstoßen gegen das moralische Gesetz: Der Geschlechtsakt darf ausschließlich in der Ehe stattfinden; außerhalb der Ehe ist er stets eine schwere Sünde und schließt vom Empfang der Heiligen Kommunion aus« (Katechismus 2390).

Auf seinem Posten bleiben

Im August 1852 sagte Bischof Claret ein Erdbeben vor- aus, der dann tatsächlich eintrat: In Santiago blieb kein Gebäude intakt, doch dank der Gebete des Heiligen war kein Todesopfer zu beklagen. Am 1. Februar 1856 entging der Bischof nur knapp einem Mordanschlag. Nach seiner Genesung reiste er nach Rom, wo er vom seligen Papst Pius IX. gebeten wurde, auf seinem Posten zu bleiben; er kehrte gehorsam nach Santiago zurück. Ein Jahr später wurde er jedoch von Königin Isabella II. nach Spanien zurückgerufen: Er sollte ihr Beichtvater werden. Die Diözese Santiago verwaltete er nebenbei noch bis 1860 weiter. Bei seiner Ankunft in Spanien erklärte ihm die Königin, sie habe sich für ihn entschieden, weil sie unbedingt Gottes Willen tun und ihr Seelenheil sichern wolle. Bischof Claret stellte lediglich die Bedingung, nicht im Königspalast wohnen zu müssen, damit er frei predigen und Krankenhaus–besuche machen konnte. In den 12 Jahren seiner Tätigkeit als Hofgeistlicher führte das Königspaar ein überaus harmonisches christliches Leben – mit häufigem Empfang der Sakramente, täglichem Rosenkranz und regelmäßiger geistlicher Lektüre. Prunkvolle Festessen und Theateraufführungen fanden nur selten statt. Auf provozierende Kleidung wurde verzichtet, nachdem Bischof Claret deswegen mehrfach mit seinem Rücktritt gedroht hatte.

Isabella II. folgte dem Rat ihres Beichtvaters, der zu ihrer Person anmerkte: „Niemandem sage ich die Wahrheit so unverblümt wie der Königin. Bei anderen Leuten überlege ich immer, wie ich ihnen die Wahrheit versüßen kann; dieser Dame kann ich sie ohne Abstriche und ungeschminkt präsentieren, ganz wie es mir in den Sinn kommt.« Die Reisen der Königin boten Bischof Claret Gelegenheit, überall im ganzen Land zu predigen sowie Missionen und Exerzitien abzuhalten.

Im November 1868 wurde Isabella II. durch einen Aufstand vom Thron gejagt: Sie musste ins Exil nach Frankreich gehen. Bischof Claret begleitete sie und kehrte Spanien endgültig den Rücken. Trotz seiner zunehmend angeschlagenen Gesundheit übernahm er die Betreuung der spanischen Kolonie in Paris. Am 30. März 1869 fuhr er nach Rom, um am I. Vatikanischen Konzil teilzunehmen, und kehrte erst im Juli 1870 nach Frankreich zurück. Der spanische Botschafter in Paris verlangte seine Verhaftung, doch er wurde vom Bischof von Perpignan rechtzeitig gewarnt und konnte in die Zisterzienserabtei Fontfroide im Languedoc flüchten. In diesem klösterlich friedlichen Rahmen gab er seine Seele am 24. Oktober 1870 in Gottes Hand zurück. Er wurde am 7. Mai 1950 von Papst Pius XII. heiliggesprochen. Heute gibt es weltweit etwa 3000 Claretiner-Missionare bzw. Söhne des unbefleckten Herzens Mariens.

Möge der heilige Antonius Maria Claret für uns erwirken, dass wir mit frischem Eifer für die Ehre Gottes und für das Heil unseres Nächsten eintreten und mit der dafür erforderlichen Seelenstärke durch unser Leben und unsere Worte die Wahrheit Christi verkünden können, der uns allein in die ewige Glückseligkeit zu führen vermag!

Dom Antoine Marie osb

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