Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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6. Dezember 2018
Hl. Nikolaus


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Maria, der Mutter der Zärtlichkeit, wollen wir alle an Körper und Geist Kranken anvertrauen, damit sie sie in der Hoffnung stütze“, schrieb Papst Franziskus vor Kurzem. „Sie bitten wir auch, uns zu helfen, gegenüber den kranken Brüdern und Schwestern Aufnahmebereitschaft zu zeigen. Die Kirche weiß, dass sie einer besonderen Gnade bedarf, um ihrem evangeliumsgemäßen Dienst der Krankenpflege gerecht zu werden“ (Botschaft zum Welttag der Kranken 2018, Nr. 3). Die Jungfrau Maria hat Luisa Guidotti die Gnade gewährt, ihre medizinischen Kenntnisse in den Dienst der Leidenden zu stellen und sogar ihr Leben für sie zu opfern.

Die am 17. Mai 1932 in Parma in Mittelitalien geborene Luisa Guidotti stammte aus einer bürgerlichen Familie. Ihr Vater war leitender Ingenieur einer Verwaltungsbehörde. Den Winter pflegte die Familie stets in Parma, den Sommer in ihrem behaglichen Ferienhaus auf dem Lande zu verbringen. Das launische, eigensinnige junge Mädchen verlor seine Mutter bereits mit 15 Jahren. Danach zog die Familie nach Modena um. Luisa interessierte sich nicht für das gesellschaftliche Leben, sondern widmete ihre Zeit lieber der Pfarrgemeinde, insbesondere im Rahmen der Katholischen Aktion für die weibliche Jugend, die sie zunächst auf lokaler, dann auf diözesaner Ebene als Vorsitzende leitete. Sie wollte von Kindheit an Missionsärztin werden und schrieb sich nach Abschluss der höheren Schule an der medizinischen Fakultät von Modena ein. „Das war in den Jahren vor dem Konzil“, schrieb sie später einmal, „in denen sich die Laien ihrer Möglichkeiten in der Kirche bewusst wurden: Ich wollte als Ärztin in die Mission gehen, als Laiin unter Laien.“

Ärzte für die Mission

Während ihres Studiums lernte Luisa auf einem Missionskongress den 1954 von Adele Pignatelli gegründeten Verband der Missionsärztinnen (AFMM) kennen, bei dessen Gründung Bischof Giovanni-Battista Montini, der frühere Seelsorger des katholischen Studentenverbandes Italiens (FUCI) und künftige Papst Paul VI., eine wichtige Rolle gespielt hatte. Nach ihrem Studium beantragte Luisa 1960 bei Adele die Aufnahme in den Verband als Hilfsmitglied, d.h. als Mitglied für einen zeitlich begrenzten Einsatz. Die Gründerin riet ihr, erst eine Facharztausbildung zu absolvieren; Luisa entschied sich für die Radiologie und schloss ihr Aufbaustudium im Dezember 1962 ab. In der Zwischenzeit betreute sie im Rahmen des Missionsärztinnenverbandes AFMM ein Heim für Studentinnen aus Missionsländern; sie wollte nunmehr als Vollmitglied aufgenommen werden, doch Adele riet ihr zunächst zum Abwarten. 1962 besuchte Bischof Montini während einer Reise durch Rhodesien (das heutige Simbabwe) eine einfache Ambulanz auf einer riesigen Zuckerrohrplantage in der Nähe von Chirundu. Er schlug Adele vor, die Ambulanz zu einem Missionszentrum mit medizinischer Versorgung auszubauen; diese war sogleich einverstanden. Nach seiner Wahl zum Papst im Juni 1963 empfing Paul VI. Adele und das für Chirundu vorgesehene Missionars-team zu einer Audienz und entsandte sie im Namen der Kirche als Vertreter Christi zu den Kranken.

Luisa fuhr nicht mit: Zum einen war ihre Ausbildung zur Missionarin noch nicht abgeschlossen, zum anderen erschwerte ihr schwieriges Temperament ihre Integration in die Gruppe der angehenden Missionarinnen. Schließlich wurde nichtsdestoweniger beschlossen, dass sie ihre Ausbildung vor Ort in Afrika beenden sollte. Nach einem Besuch bei ihrer Familie in Modena, wo sie vom Bischof das Missionskreuz empfing, flog sie am 9. August 1966 nach Afrika. Sie schrieb nach ihrer Ankunft an die in Rom verbliebenen Gefährtinnen: „Chinundu ist großartig. Strengt euch im Studium an, damit ihr bald aufbrechen könnt. Die Mission ist eine wunderbare Sache.“ Luisa litt sehr unter der Hitze und den Moskitos, leistete jedoch gleichwohl jeden Tag harte Arbeit: Zu den 70 stationär untergebrachten Patienten kamen neben der Ambulanz vor Ort auch noch drei weitere, am anderen Flussufer gelegene Ambulanzen hinzu; um diese zu erreichen, musste der Fluss jedes Mal mit dem ganzen medizinischen Material in einem wackligen Boot überquert werden. Mitunter waren dort an einem einzigen Tag bis zu hundert Patienten zu versorgen.

Kostbares Erbe

D

as Gedächtnis der langen Geschichte des Dienstes an den Kranken ist für die christliche Gemeinschaft Grund zur Freude“, schrieb Papst Franziskus am 26. November 2017. „Aber man muss auf die Vergangenheit schauen, vor allem um sich davon bereichern zu lassen. Von ihr müssen wir lernen: die Großzügigkeit bis zur völligen Selbstaufopferung vieler Gründer von Instituten im Dienst der Kranken; die aus der Liebe erweckte Kreativität vieler im Lauf der Jahrhunderte unternommener Initiativen; den Einsatz in der wissenschaftlichen Forschung, um den Kranken innovative und zuverlässige Behandlungen anzubieten. Dieses Erbe der Vergangenheit hilft dabei, die Zukunft gut zu planen: zum Beispiel, um die katholischen Krankenhäuser vor der Gefahr eines rein unternehmerischen Denkens zu bewahren, das auf der ganzen Welt darauf aus ist, die Gesundheitsfürsorge im Bereich des Marktes anzusiedeln, und so am Ende die Armen ausschließt. Die weise Organisation und die Liebe verlangen vielmehr, dass die Person des Kranken in ihrer Würde geachtet wird und immer im Mittelpunkt des Behandlungsprozesses bleibt. Diese Einstellungen müssen auch den Christen zu eigen sein, die in den öffentlichen Strukturen tätig sind und mit ihrem Dienst das Evangelium authentisch bezeugen sollen“ (Botschaft zum Welttag der Kranken 2018, Nr. 5).

Rhodesien befand sich seit 1965 im Kriegszustand. Nachdem die Regierung unter Ian Smith in Salisbury einseitig die Unabhängigkeit von England erklärt hatte, wurden von afrikanischstämmigen Rhodesiern marxistischer Prägung sogleich Guerillagruppen gegründet. Bald wurde die Grenze zum Nachbarland Sambia geschlossen, so dass viele Sambier keinen Zugang mehr zur Ambulanz in Chirundu hatten. Da zugleich die Gesellschaft, die die Plantage verwaltete, nach Sambia übersiedelte, stand die Ambulanz völlig isoliert da. Luisa war arbeitslos und wurde nach Salisbury geschickt, um eine Zusatzausbildung in Kinderheilkunde zu absolvieren. Sie fiel durch ihren etwas nachlässigen Auftritt und ihr katastrophales Englisch unter dem englischsprachigen medizinischen Personal besonders auf und litt sehr darunter.

1967 kehrte Luisa nach Italien zurück. Zu ihrer großen Freude durfte sie nun ihre ersten Gelübde ablegen. 1969 reiste sie wieder nach Rhodesien und übernahm die Leitung eines Bezirks in Nyamaropa, der neben dem regionalen Ambulanz- und Krankenhausbetrieb namens „Regina Cæli Mission“ auch eine Leprakolonie umfasste. Sie fühlte sich sehr wohl dort und arbeitete mit völliger Hingabe. Als ein Kind in die Ambulanz kam, dessen Zustand eine spezielle Behandlung erforderte, fuhr sie es noch in der folgenden Nacht über eine unwegsame Strecke 160 km weit in ein besser ausgestattetes Zentrum.

Hier fehlt es an allem

Im Dezember 1969 wurde Luisa in die „All Souls Mission“ nach Blantyre (150 km nördlich von Salisbury) entsandt. Die Station verfügte über eine von zwei Jesuitenpatres sowie einem kleinen Nonnenkonvent betreute Kirche, eine Schule, eine Ambulanz sowie ein behelfsmäßiges Landkrankenhaus. In einem Brief an ihre Mitschwestern in Rom schrieb Luisa: „Ich bin in der neuen Mission angekommen. Alle hier sind Afrikaner, selbst die Schwestern und die Patres. Das Krankenhaus besteht aus Gebäuden, die zwar Wände und Dächer haben, aber sonst so gut wie gar nichts … Hier fehlt es an allem … 96 Betten sind schon unterwegs. Geld haben wir kaum, wir müssen an allem zu sparen. Wir bräuchten mehr Personal und planen die Gründung einer Schwesternschule. Wenn wir eine Bluttransfusion machen müssen, bitten wir die Verwandten des Patienten um eine Blutspende. Reicht das nicht, fungieren wir alle - Schwestern, Patres und Krankenpflegerinnen – als Spender.“ Dank der von der AFMM in Italien gesammelten Spenden konnte Luisa rasch eine Grundausstattung beschaffen, kurz vor ihrem Tod sogar noch einen Generator sowie einen Röntgen-apparat. Während akuter Ausbrüche von Malaria, einer durch Mückenstiche übertragenen Krankheit, beherbergte das Krankenhaus bis zu 150 Kranke.

In einem anderen Brief erklärte Luisa, die örtliche Kultur gestehe der Frau zwei wesentliche Rollen in der Gesellschaft zu: die Rolle der Mutter und die der Großmutter. Sie werde von den Patienten meistens als „Doktor“ angesprochen, mitunter aber auch als „ambuya“ – Großmutter. Des Weiteren berichtete sie: „In der Mission ist das Leben schlicht und freudvoll, selbst wenn es zu viel zu tun gibt. Ich bin glücklich wie noch nie. Der Herr war gütig zu mir. Ich liebe die Leute, ich liebe meine Patienten, und sie lieben mich. Und diese Liebe wird wachsen, bis sie die Fülle der Liebe zu Christus erreicht.“ 1975 wurde Luisa endgültig in die Gemeinschaft aufgenommen. Von da an wuchs ihre Opferbereitschaft, und sie engagierte sich auch im Dienste der Leprakranken von Mtemwa, 15 km von Blantyre entfernt, wo sie ihrer Rolle als Missionarin vollauf gerecht wurde, indem sie die Freude Christi um sich verbreitete und andere dazu animierte, Christus zu lieben und sich für Ihn zu opfern.

Anfang der 60-er Jahre hatte es in Mtemwa rund 600 gut versorgte Leprakranke gegeben. Dank einer neuen Behandlungsmethode konnten die meisten von ihnen bald geheilt werden, doch die durch die Krankheit hervorgerufenen schrecklichen Entstellungen blieben. Die Regierung beschloss nun, die geheilten Kranken nach Hause zu schicken und die Infrastruktur aufzulösen. Es blieben allerdings 70 ehemalige Patienten übrig, die niemand aufnehmen wollte. Ihnen wurde ein geringer Betrag für Nahrung bewilligt und das Dorf einem Aufseher unterstellt. Bald erwies sich letzterer jedoch als ein überaus herzloser Mensch. Die Bewohner der Siedlung kapselten sich immer mehr in der Einsamkeit ihres Elends ab. Als der lokale Obere der Jesuiten davon Kenntnis bekam, sorgte er dafür, dass der Aufseher fristlos entlassen wurde, und konnte eine außergewöhnliche Persönlichkeit als Ersatz für ihn gewinnen: John Bradburne. Dieser war ein Nachfahre Robert Baden-Powells, des Gründers der Pfadfinderbewegung, und hatte als ehemaliger Offizier der britischen Armee in Malaysia und Burma gegen die Japaner gekämpft. Von seinen schrecklichen Erfahrungen geprägt, wurde er zum rastlosen Wandereremiten, bis ihn die göttliche Vorsehung nach Mtemwa führte, wo er sich sogleich in den Dienst der Leprakranken stellen wollte. Nach seiner Ernennung zum Aufseher schenkte er ihnen alle menschliche Wärme, die ihnen bis dahin gefehlt hatte.

Eine fruchtbare Zusammenarbeit

Als Luisa ihre Station zur ambulanten und stationären Krankenversorgung in Blantyre eingerichtet hatte, machte sie sich daran, die Umgebung zu erkunden, und stieß dabei auf die Leprastation sowie deren Leiter, John Bradburne. Die ersten Kontakte zwischen den beiden gestalteten sich schwierig, doch schon bald lernten sie sich besser kennen, und damit begann eine fruchtbare Zusammenarbeit. Bei der Einzeluntersuchung der Dorfbewohner fand Luisa 20 Personen, die noch krank und ansteckend waren.

Eine Schülerin der Missionsschule namens Elisabeth schloss sich der Unterstützerinnengruppe um Luisa an und half gelegentlich aus. Doch sie war zu sensibel, um in die AFMM aufgenommen zu werden. Als sie die Leprakolonie zum ersten Mal besuchte, war sie so ergriffen, dass sie sie sechs Monate lang nicht wieder betrat. Erst später gelang es ihr, sich zu überwinden, und sie wurde in die AFMM-Gemeinschaft aufgenommen. Als gebürtige Afrikanerin war sie sehr hilfreich, insbesondere im Hinblick auf die zwischenmenschliche Verständigung. Ihr war es zu verdanken, dass die Gruppe menschliche Wärme sowie die Liebe Gottes in der Leprakolonie verbreiten konnte. Die Bewohner der benachbarten Stadt staunten immer wieder, wenn Luisas mit Leprakranken vollgeladener Jeep auf dem Wege zum Krankenhaus vorüberfuhr: Die Patienten sangen und klatschten fröhlich in die Hände! Luisa schrieb: „Ich spüre jetzt eine Ruhe und eine Freude, die ich mir nie hätte vorstellen können. Der Herr ist gütig. Ich bin es überhaupt nicht, aber seine Kraft stärkt mich in meiner Armut …“

Ein Herz für die Kranken 

1975 kam der von europäischen Eltern stammende, aber in Rhodesien aufgewachsene Pater David Gibs in die Mission. Er war erst kurz zuvor zum Priester geweiht worden, „All Souls“ war seine erste Station. Er beschrieb Luisa zunächst als wenig umgänglich „mit ihren streng im Nacken zusammengeknoteten Haaren, ihren stets dunklen Kleidern“. Doch dieser erste Eindruck wurde rasch korrigiert; Luisa war in Wirklichkeit gutmütig und liebenswürdig, immer zu einem „Schwätzchen“ bereit, ohne sich wegen der Arbeit zu sorgen, die auf sie wartete. Sie half den Leuten – als aufmerksame Ärztin ebenso wie als liebevolle Beraterin. „Sie war völlig desorganisiert“, sagte Pater Gibs später über sie. „Wenn sie in die Lektüre eines medizinischen Artikels vertieft war oder darüber nachdachte, wie sich die Qualität der Pflege in der Mission verbessern ließe, konnte sie nichts davon ablenken, und die Patienten mussten bisweilen stundenlang warten. Wenn sie schließlich erschien, untersuchte sie einen Kranken nach dem anderen, ohne sich um die Zeit zu kümmern … Jedes Mal, wenn sie zu spät dran war, entschuldigte sie sich so demütig, dass man es ihr einfach nachsehen musste … Als Ärztin war sie außerordentlich geschickt. Ich habe nie jemanden gekannt, dem die Kranken so sehr am Herzen lagen wie Luisa. Ihr war nichts zu anstrengend; ich habe nie erlebt, dass sie sich weigerte, jemandem zu helfen, ganz gleich wem und wann. Oft schlief sie nachts nur wenige Stunden.

Mitunter besuchten wir eine kleine, von einer afrikanischen Schwester geführte Ambulanz. Sobald Luisa in den überladenen Bus stieg, wurde sie von allen begrüßt … Alle freuten sich, sie zu sehen; die meisten hatten schon einmal ihre Behandlung in Anspruch genommen – entweder für sich selbst oder für ihre Verwandten und Freunde. Luisa befand sich sofort gleichsam inmitten einer fröhlichen Familie, deren Mutter sie war. Mein Eindruck von ihr: eine zutiefst lebhafte und glückliche Frau, die die Leute liebte, ihren Beruf und ihre Rolle als Missionarin liebte, die bereit war, alles auf sich zu nehmen, um den Leuten zu dienen, die sie liebte. Die fünf Stunden lange Busreise war mühsam, und zur Ambulanz war auch noch ein weiter Fußweg zurückzulegen. Danach machte sich Luisa unverzüglich an die Arbeit, aufmerksam zu jedem einzelnen der Kranken, die bisweilen kilometerweit gelaufen waren. Nachdem sie auch den Letzten von ihnen versorgt hatte, legte sie sich schlafen und stand morgens um halb 5 auf, um mit dem 6-Uhr-Bus zurückzufahren und anderswo weiterzuarbeiten … Sie unterrichtete auch an der Krankenschwesternschule.“

Doch der kommunistische Aufstand breitete sich aus. Schon 1972 hatte der Leiter der Mission Luisa und ihren Mitarbeiterinnen wegen der Gefahr untersagt, bestimmte Dörfer zu besuchen. Bald waren manchmal auch unweit der Mission Schüsse zu hören. Luisa schrieb an ihre Oberin in Rom: „Wir sind gefasst und haben im Augenblick keine Angst: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln (Ps 22). Der Satz, den Sie mir geschickt haben, hat mir gutgetan: ‚Mir scheint, unsere Präsenz ist wichtig. Die junge Christenheit Rhodesiens muss spüren, dass die Kirche ihr nahe ist, wenn das Volk leidet, und dass sie an kein politisches System gebunden ist.’“

Im Mai 1976 befand sich die Missionstation mitten im Kriegsgebiet: Es gab Kämpfe, kreisende Militärhubschrauber, durch Landminen verletzte Personen. Am 24. Juni wurde ein Jugendlicher mit Schussver-letzungen in die Mission gebracht. Luisa und die anderen versorgten ihn, ohne Fragen zu stellen. Bald danach brach er in Begleitung eines Ordensbruders zu Fuß auf, um ein besser ausgestattetes Krankenhaus aufzusuchen. Unterwegs wurde er verhaftet; man hielt ihn für einen Aufständischen. Bald danach wurde die Polizei in der Mission vorstellig und beschuldigte das Pflegepersonal, die Rebellen zu unterstützen, anstatt sie als Terroristen zu melden. Vier Tage danach rückte ein ganzes Polizeikommando an. Luisa wurde festgenommen. Obwohl sie körperlich nicht misshandelt wurde, machte sie eine leidvolle Zeit durch; erst nach vielfachen Interventionen – darunter auch von Papst Paul VI. – wurde sie vorläufig auf freien Fuß gesetzt.

Moralische Einsamkeit

Luisa kehrte während der Wartezeit auf ihren Prozess in die Mission zurück. Von regierungsseite zur „Schutzzone“ erklärt, wurde das Dorf mit Stacheldraht umzäunt und von einer ständig dort stationierten Soldatengruppe bewacht. Dennoch kam es bei Angriffen der Rebellen immer wieder zu Gefechten. Im Dorf drängten sich viele Flüchtinge; das Rote Kreuz intervenierte und versorgte an die 7000 Personen in der „Schutzzone“ mit Nahrung. 1977 wurden 7 Missionare ermordet, der Bürgerkrieg wütete überall. Die Polizei setzte die Mission unter Druck, da sie sie der (medizinischen) Unterstützung der Rebellen verdächtigte. Luisa sagte einmal zum Polizeichef: „Ich werde selbst Sie behandeln, wenn Sie in meiner Gegenwart einen Herzanfall erleiden: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich Ärztin bin.“ 1978 behandelte sie die Mutter von Robert Mugabe, dem Anführer der kommunistischen Rebellen und künftigen Diktator Simbabwes, und nahm sie in ihr Krankenhaus auf. Schon bald hatte sie trotz aller Diskretion unter den Folgen zu leiden. 1979 wurden die meisten Leute in weniger gefährdete Zonen evakuiert; Luisa weigerte sich, ihnen zu folgen, obwohl sie von der Generaloberin dazu aufgefordert worden war (die Oberin lies doch Luisa frei, die letzte Entscheidung zu treffen). Sie fühlte sich trotz des treuen Beistandes von Pater Gibs, der ebenfalls an Ort und Stelle geblieben war, moralisch sehr einsam. Zwei Monate vor ihrem Tod schrieb sie an eine Freundin: „Es ist hart, allein zu bleiben, ohne jemanden, mit dem man sprechen kann. Mitunter habe ich das Gefühl, nutzlos und ungeliebt zu sein. Dann gehen Traurigkeit und Wut vorbei. Vielleicht müsste ich lernen, einzig und allein auf Gott zu vertrauen. Ich habe versucht, dieses Vertrauen zu erreichen, und bekam unversehens tatsächlich Seine wahre, wenngleich rätselhafte Präsenz zu spüren. Sie mögen auf mich schießen, aber Gott ist mit mir.“ In einem anderen Brief stand: „Es ist schön, jeden Tag ein bisschen mehr zu geben, gänzlich und voller Vertrauen in der Hand des Vaters zu sein und den uns innewohnenden Heiligen Geist zu bitten, er möge uns lehren, den Willen des Vaters zu erfüllen.“

Am 6. Juli 1979, als sie entgegen dem Rat aller anderen einen Patienten in einem Krankenwagen in ein Krankenhaus begleitete, wurde das Fahrzeug an einer Straßensperre von einer Gruppe aufständischen Soldaten „zu einer Kontrolle“ angehalten. Plötzlich fielen Maschinengewehrschüsse: Luisa wurde tödlich getroffen und starb einige Stunden später im Krankenhaus. Ihr Seligsprechungsprozess ist auf Diözesanebene abgeschlossen; die Akte wurde bereits der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse überstellt.

„Möge uns das Gebet zur Mutter des Herrn alle in einem inständigen Flehen vereinen, damit jedes Glied der Kirche in Liebe die Berufung zum Dienst am Leben und der Gesundheit lebe“, schreibt Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der Kranken 2018. „Die Jungfrau Maria möge diesen 26. Welttag der Kranken mit ihrer Fürsprache begleiten; sie möge den kranken Menschen helfen, ihr Leiden in Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus zu leben, und möge denen beistehen, die für sie Sorge tragen“ (Nr. 7).

Dom Antoine Marie osb

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