Brief

Blason   Abtei Saint-Joseph de Clairval

F-21150 Flavigny-sur-Ozerain

Frankreich


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5. Oktober 2022
hl. Faustina Kowalska


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Pater Titus Brandsma ist eine Gestalt, die fast in unsere Zeit gehört und die sich durch ihre hohe moralische Statur auszeichnet“, sagte der heilige Johannes Paul II., „ein integrer Priester, Universitätsprofessor, kirchlicher Fachberater für die katholische Presse, Schriftsteller und Journalist. Ein Leben für Christus – bis hin zur heroischen Selbstaufopferung für die Verteidigung der Wahrheit und des katholischen Glaubens gegen die Angriffe des Totalitarismus in der finsteren Zeit der Naziherrschaft in Holland. Mit unerschrockenem Mut und ebenso klarer seelischer Gelassenheit ging Pater Titus seine Prüfung an, wechselte von einem Gefängnis ins andere inmitten der Gräueltaten, denen die Häftlinge ausgesetzt waren, und besiegelte sein Zeugnis mit dem Opfer seines Lebens im Konzentrationslager Dachau“ (Seligsprechungspredigt, 4. November 1985). Titus Brandsma wurde am 15. Mai 2022 von Papst Fraziskus heiliggesprochen.

Die Eltern des Paters, Titus Brandsma und seine Frau Titsje Postma, waren Bauern in Friesland im Norden der Niederlande. Bei der Geburt ihres ersten Sohnes Anno am 23. Februar 1881 hatten sie bereits 4 Töchter, und es kam noch ein weiterer jüngerer Bruder dazu. Sie lebten in der mehrheitlich protestantischen Gegend als gläubige Katholiken, besuchten täglich die heilige Messe und beteten jeden Abend im Familienkreis. Der Vater war Mitglied des Pfarrgemeinderats sowie des Stadtrats und diente bei der Sonntagsmesse als Kantor. In der Familie gab es insgesamt fünf Berufungen (3 Töchter und 2 Söhne).

Eine königliche Livree

Anno war lebenslang von zarter Konstitution, aber von lebhafter Intelligenz und Sensibilität. Er ging bei den Franziskanern zur Schule und wurde dank seines phänomenalen Gedächtnisses bald Klassenbester, obwohl er häufig unter Magenverstimmungen litt. Schon sehr früh fühlte er sich zum Ordensleben hingezogen. Seine besondere Verehrung für Maria und seine Vorliebe für das Gebet wiesen ihm den Weg zu den Karmelitern, in deren Broxmeerer Kloster er schließlich eintrat. Am 22. September 1898 wurde er eingekleidet und erhielt den Ordensnamen Bruder Titus. Das Skapulier Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel war für ihn so etwas wie die Uniform der Ehrengarde Mariens: „Es ist weder ein Talisman, noch ein Amulett, sondern ein Ehrenzeichen, eine königliche Livree.“ Am 3. Oktober 1899 legte er seine ersten Gelübde ab. Aufgrund seiner schwachen Gesundheit wurde er von bestimmten Stundengebeten dispensiert, insbesondere vom Nachtgebet. Er war noch keine 20 Jahre alt, als er eine 300-seitige Anthologie der Werke der hl. Teresa von Avila verfasste, die von den Ordensoberen als publikationswürdig erachtet wurde.

1901 kam der Karmeliterpater und Philosophiedozent Hubert Driessen aus Rom in die niederländische Provinz, um dem Studium dort neue Anstöße zu geben. Bruder Titus half den Studenten, die Mühe hatten, dem Lehrer zu folgen, doch nach drei Monaten bekam er heftige Magenschmerzen und musste eine Zeitlang das Bett hüten. Bald wurde P. Driessen zum Generalprokurator ernannt und kehrte nach Rom zurück. Nach seiner ewigen Profess zog Bruder Titus zum Theologiestudium in das Kloster von Oss um. Am 17. Juni 1905 zum Priester geweiht, setzte er seine Studien in Rom fort, wo er 1909 zum Doktor der Philosophie promoviert wurde. Anschließend ernannte man ihn im Kloster von Oss zum Philosophie- und Theologieprofessor. P. Hubert Driessen, nunmehr Provinzial für die Niederlande, berief ihn zum leitenden Studienbeauftragten für die niederländischen Karmeliter. Trotz seiner leisen, etwas monotonen Stimme konnte P. Titus die Studenten davon überzeugen, dass Philosophie und Theologie keine rein spekulativen Wissenschaften waren, sondern vielmehr zu einer besseren Kenntnis Gottes verhalfen und das spirituelle Leben bereicherten.

1916 nahm er die Übersetzung der Werke der hl. Teresa von Avila ins Niederländische in Angriff. Als Mitglied und Sekretär der Katholischen Union von Friesland übersetzte er die Nachfolge Christi ins Friesische und gehörte zu den Mitbegründern eines Lehrstuhls für das Friesische an der katholischen Universität von Nimwegen. Im täglichen Leben zeigte er sich überaus hilfsbereit: beriet alle, die ihn konsultierten, korrigierte Artikel vor der Publikation und besorgte Unterkünfte für Wohnungslose. Nach dem Ersten Weltkrieg führte er sogenannte Missionswochen ein und finanzierte mit deren Erlös Werke der Karmeliter in Brasilien. Im Sommer 1921 wirkte er als Missionsprediger in Holland, war jedoch von Ermüdung und inneren Blutungen schon bald so geschwächt, dass er erneut bettlägerig wurde. Er konnte erst im Oktober seine Arbeit wieder aufnehmen.

P. Titus bewarb sich als Freiwilliger um eine Entsendung als Karmelitermissionar in die damals niederländische Kolonie Java. Doch seine Vorgesetzten hielten sein Verbleiben in der niederländische Provinz für nützlicher, vor allem nach seiner Ernennung zum Professor an der neuen katholischen Universität von Nimwegen. Dort musste alles erst organisiert werden, angefangen von der Errichtung eines neuen Karmeliterklosters in der Nachbarschaft (zu dessen Prior er später ernannt wurde) bis zur Aufnahme von Studenten. P. Titus führte jedes Jahr Kongresse durch, um die Universität und die flämische katholische Kultur im Ausland bekannt zu machen, und war nach Einführung des Christkönigsfestes durch Papst Pius XI. im Jahre 1925 auch an der Errichtung einer riesigen Christkönigsstatue in Oss beteiligt.

Mit gebannten Augen und Ohren

1926 trat er einer Apostolatsbewegung bei, die sich für die Rückkehr der getrennten Ostkirchen zur Einheit mit der katholischen Kirche engagierte, und erreichte, dass in Nimwegen ein Lehrstuhl für orientalische Theologie eingerichtet wurde. Er bewies Mitgefühl mit den verfolgten Armeniern und schloss auch alle nichtkatholischen Christen in sein Engagement ein. Neben seinem verantwortungsvollen Amt an der Universität setzte er sich für die höheren Schulen und die Gründung von Gymnasien ein. 1932 wurde er für drei Jahre zum Rektor der Universität Nimwegen gewählt und erwies sich als hervorragender Verwalter, der auch überaus heikle Situationen gut bewältigen konnte. Danach kehrte er friedlich in den Lehrbetrieb und zu seinem Apostolat zurück. Bald wurde er zu einer Vortragsreise in die Vereinigten Staaten eingeladen, wo er sich insbesondere für die Minderheiten und die katholische Presse interessierte.

Auch inmitten seines geschäftigen Lebens hielt P. Titus an seinem intensiven Innenleben fest. Er versuchte, aus jeder seiner Handlungen ein Gebet, eine Lobeshymne zu machen. „Das Gebet ist Leben und keine Oase in einer Wüste“, sagte er.

Papst Benedikt XVI. formulierte den gleichen Gedanken folgendermaßen: Das wahre Gebet besteht gerade darin, „unseren Willen mit dem Willen Gottes zu vereinen. Für einen Christen bedeutet Beten daher nicht, der Wirklichkeit und den damit einhergehenden Verantwortungen zu entfliehen, sondern vielmehr sie voll und ganz zu übernehmen im Vertrauen auf die treue und unerschöpfliche Liebe des Herrn. Liebe Brüder und Schwestern, das Gebet ist nichts Nebensächliches, nichts Beliebiges, sondern es ist eine Frage von Leben oder Tod, denn nur wer betet, wer sich also mit kindlicher Liebe Gott anvertraut, kann ins ewige Leben eingehen, das Gott selbst ist“ (4. März 2007).

P. Titus schrieb: „Wenn jeder Mensch in der Gegenwart Gottes leben wollte und wir alle in völliger Abhängigkeit von dieser Gegenwart lebten, dann wäre das Licht des Herrn so lebendig in uns, dass wir nur in Einklang mit seinen Gesetzen handeln könnten. Die Menschen müssen Gott wiederfinden und in seinem Licht leben: Das nennt man Mystik. Der mystische Geist steht nicht in Widerspruch zur Natur, ganz im Gegenteil: Liegt die Berufung des Menschen nicht darin, Gott zu schauen?“ Nach eingehendem Studium der Mystiker, vor allem der Mystiker seines Ordens und seines Landes, wurde er zum Apostel der spirituellen Theologie, wobei er mehr Wert auf die Lehre der Heiligen als auf übernatürliche Phänomene legte. Anlässlich der Seligsprechung der hl. Therese von Lisieux 1923 schrieb er: „Im Allgemeinen erwartet man etwas Besonderes von einem Heiligen, etwas, was über das Gewöhnliche hinausgeht. Hier begegnet einem die Heiligkeit jedoch so prosaisch und gewöhnlich, dass man von außen betrachtet die Heiligkeit gar nicht erkennt. Aber genau das ist die wahre Heiligkeit.“ Die Armut lag ihm besonders am Herzen: „Ohne Armut ist der Ordensmann ein Pharisäer. Hier in den Niederlanden hängen wir mehr noch als anderswo viel zu sehr an allen möglichen Dingen und genießen unseren Komfort.“

Eine energische Stimme

1933 gelangte in Deutschland Adolf Hitler an die Macht. Er setzte einen spektakulären Wirtschaftsaufschwung in Gang, errichtete aber eine Diktatur, die auf einer extrem schädlichen, von Rassismus geprägten Ideologie gründete. P. Titus gehörte zu den Ersten, die darauf hinwiesen. Bereits 1934 untersagten die holländischen Bischöfe den Katholiken in einem Hirtenbrief jede Nazipropaganda. 1936 wurde in Amsterdam ein Büchlein mit dem Titel „Holländische Stimmen zum Umgang mit Juden in Deutschland“ publiziert; darunter war auch die energische Stimme Professor Brandsmas. Seine Stellungnahme blieb in Deutschland nicht unbemerkt: In Berlin brachte eine Tageszeitung einen beleidigenden Artikel über ihn mit der Überschrift „Der böse Professor“. Aufgrund dieses Artikels wurde in Nimwegen eine Verleumdungskampagne gegen ihn gestartet; es wurden ihm Sympathien für den Kommunismus vorgeworfen. 1937 verurteilte Papst Pius XI. kurz hintereinander sowohl den Nazismus durch die Enzyklika Mit brennender Sorge als auch den Kommunismus durch die Enzyklika Divini Redemptoris: Die Naziideologie enthalte neuheidnische Elemente, die einen Abfall vom Glauben und eine Loslösung von der wahren Kirche Christi bewirken würden.

In seinen Philosophievorlesungen zeigte P. Titus ohne zu zögern die Perversität der nazionalsozialistische Ideologie auf, die auf der Philosophie Nietzsches gründete und in deren Mittelpunkt der Wille zur Macht stand. In seinem Buch „Der geistliche Weg des Karmel“ schrieb er: „Das Neuheidentum mag die Liebe zurückweisen, die Geschichte lehrt uns, dass wir dieses Neuheidentum durch die Liebe besiegen werden. Wir werden die Liebe nicht aufgeben. Die Liebe wird uns das Herz dieser Heiden zurückgewinnen. Die Natur ist stärker als die Philosophie. Mag eine Philosophie die Liebe zurückweisen, verdammen und Schwäche nennen, das lebendige Zeugnis der Liebe wird stets seine Kraft erneuern, die Herzen der Menschen zu erobern und in ihren Bann zu ziehen.“ Pius XI. bekräftigte: „Die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des Priesters an seine Umwelt ist der Dienst an der Wahrheit, und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums, gleich in welcher Form, in welcher Verkleidung, in welcher Schminke er einherschreiten mag“ (Mit brennender Sorge, Nr. 44).

Unter der zunehmenden Verfolgung

Im Mai 1940 wurden die im europäischen Konflikt neutralen Niederlande von deutschen Truppen besetzt. Ein Jahr danach wurde Ordensleuten und Priestern das Recht entzogen, Schulen zu leiten. Der Erzbischof von Utrecht bat P. Brandsma als Präsidenten der Union katholischer Schulen, beim Ministerium für die Bildungsfreiheit zu intervenieren. Doch die Zusagen, die dieser erhielt, wurden nicht eingehalten. Als im August 1941 die katholischen Schulen aufgefordert wurden, jüdische Schüler vom Unterricht auszuschließen, erklärte Titus: „Die Kirche diskriminiert keine Rasse und kein Volk. Wir können diese Kinder nicht von unseren Schulen verweisen.“ Die katholische Presse bot ebenfalls Konfliktstoff. Am 18. Dezember teilte das Propagandaministerium der holländischen Presse mit, dass es ihr verboten sei, aus der nationalsozialistischen Bewegung hervorgegangene Artikel abzulehnen. Am 31. Dezember forderte Titus als offizieller kirchlicher Berater die katholischen Journalisten auf, das Verbot zu ignorieren: Zeitschriften, die solche Artikel veröffentlichten, verlören ihren katholischen Charakter. In einem Gespräch riet der Erzbischof P. Titus zu Vorsicht: „Sie werden Sie viel leichter verhaften als mich.“ – „Ich weiß“, erwiderte der Karmeliter. „Aber ich kann leichter handeln als Sie.“

Im Januar 1942 machte der Pater im Auftrag des Erzbischofs eine Rundreise durch das Land, um die Bischöfe und die Leiter katholischer Zeitschriften zu überzeugen, dass sie die Richtlinien seines Briefes vom Dezember befolgen sollen. Die Gestapo war auf den geschickten und hartnäckigen Widerstand des Paters aufmerksam geworden und folgte dem „kleinen, aber gefährlichen Ordensmann“ auf Schritt und Tritt. Am 19. Januar erschienen zwei Gestapoleute im Kloster, um ihn zu verhaften. Der Pater kam gerade aus einer Vorlesung. Die Gestapoleute teilten ihm mit, dass sie ihn mit dem Zug um 18.30 Uhr nach Arnhem mitnehmen werden, und begannen, sein Zimmer gründlich zu durchsuchen; sie fanden jedoch nichts Belastendes. Als die Abfahrtszeit des Zuges nahte, sagte der Pater zu ihnen: „Meine Herren, gleich ist es soweit! Die holländischen Züge pflegen keine Verspätung zu haben, sie warten selbst auf deutsche Polizisten nicht!“ Auf der Treppe kam ihnen der Direktor der katholischen Tageszeitung von Nimwegen entgegen, der den Pater konsultieren wollte. Dieser sagte zu ihm: „Leider kann ich Sie nicht empfangen: Diese Herren haben mich gerade verhaftet. Verschieben wir das Gespräch!“

Ein gefährliches Element

Am 20. Januar wurde P. Titus in die politische Abteilung des niederländischen Gefängnisses von Scheveningen verlegt und dort zum ersten Mal verhört. Die Bischöfe hatten ihm zuvor geraten, alles auf sie zu schieben, doch P. Titus hatte das abgelehnt. Er erklärte dem Offizier Hardegen, der Glaube verleihe den Kindern der Kirche die Kraft, alle Opfer zu ertragen. Am folgenden Tag übergab der Karmeliter seinen Vernehmern eine Denkschrift, in der er ausführte, dass die niederländische Nazipartei nicht in der Lage sei, die von der christlichen Kultur geprägte einheimische Gesellschaft nachhaltig zu beeinflussen. In seinem Abschlussbericht ließ der Offizier seine Bewunderung für die Entschlossenheit des Paters durchblicken, doch dieser müsse als ein für die Politik des Reichs gefährliches Element bis zur Entscheidung der übergeordneten Behörden in Haft bleiben. Der Pater blieb 50 Tage lang in Scheveningen und machte seine Gefängniszelle zu einer Klosterzelle: Morgens sprach er die Messgebete und vollzog eine geistliche Kommunion; danach folgte erst eine Gebets-, dann eine Brevierstunde. Während seiner Haft verfasste er sieben weitere Kapitel einer bereits begonnenen Biographie der hl. Teresa von Avila; sie wurde nach seinem Tod von einem seiner Mitbrüder fertiggestellt. P. Titus wandte sich mit folgenden Worten an den Herrn: „Wenn ich Dich anschaue, Jesus, begreife ich, dass Du mich liebst wie den Teuersten Deiner Freunde. –Steh mir bei, Jesus, ich war Dir noch nie so nah. Bleib bei mir, lieber Jesus. Deine Nähe macht mir alle Dinge gut.“ Später bekannte er: „Ich habe mich selten so glücklich gefühlt.“

Am 12. März wurde er in das Zwangsarbeitslager Amersfoort verlegt und musste 10 Stunden am Tag bei der Planierung eines Schießplatzes den gefrorenen Boden umgraben. Gleichwohl schrieb er an seine Mitbrüder: „Ich darf an der frischen Luft sein und mit Bekannten sprechen. Mir geht es gut; macht euch keine Sorgen.“ Die Häftlinge wurden nur mangelhaft ernährt und magerten rasch ab. Der Pater litt unter Schwäche- und Schwindelanfällen; als er zusätzlich Durchfall bekam, musste er sich auf die Krankenstation begeben. Gleichwohl fand er auch dort die Kraft, die Moral der Mitgefangenen zu stärken; sie nannten ihn „Onkel Titus“ und suchten seine Nähe. Da er vonseiten der Wächter eine gewisse Nachsicht genoss, durfte er am Karfreitag vor rund hundert Häftlingen einen Vortrag über den Sinn des Leidens halten: „Jesus ist unser Vorbild; Er ist unsere Stärke; wir müssen zuallererst sein Leben, seine Passion betrachten.“

„In seinem Leiden wusste sich P. Titus zutiefst mit Christus verbunden“, bemerkte der hl. Johannes Paul II. „Das verlieh ihm eine christliche Ruhe, selbst seinen Henkern gegenüber, und gab ihm die Kraft, den Hass, dem er begegnete, mit Liebe zu beantworten. Seine Solidarität mit den Mithäftlingen und sein gelebter Glaube – der ihn sogar für seine Henker beten ließ – haben allen Licht und Hoffnung vermittelt, die die Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Lagers mit ihm teilten“ (4. November 1985).

„Wir können das nicht zulassen!“

Wieder nach Scheveningen zurückverlegt, wurde P. Titus am 28. April erneut lange von Hardegen verhört, der feststellte, dass die Erfahrung der Zwangsarbeit die Entschlossenheit des Paters nicht erschüttert hatte. Er sprach folgendes Urteil: Titus „ist nicht deutschfeindlich, aber gegen den Nazionalsozialismus; und das können wir nicht zulassen.“ Der Pater teilte seine Zelle mit zwei jungen protestantischen Häftlingen, denen er die Geschichte seiner Berufung erzählte. Sie vertieften sich gemeinsam in die Bibel und beteten selbst für ihre Wärter. Einer der beiden war so beeindruckt von der freudigen Ausstrahlung des Paters, dass er bei ihm beichtete. „Für uns war es eine wunderbare Sache, P. Brandsma als Mithäftling zu haben“, sagten die beiden. „Wir sind überzeugt, dass er ein außergewöhnlicher Mann war und dass er jetzt im Paradies ist. Er ist als Märtyrer für seinen Glauben gestorben.“ Am 16. Mai, einem Samstag, wurde der Pater nach Kleve in ein deutsches Selektionslager für Deportierte überführt. Das Leben dort war erträglicher. Die Gefangenen mussten keine Zwangsarbeit leisten, und man ließ sie weitgehend in Ruhe. Es gab eine Kapelle, in der Titus die Messe besuchen und an Sonn- und Feiertagen die heilige Kommunion empfangen konnte. Am meisten hatte er dort unter Hunger zu leiden. Am 13. Juni wurde er einer Häftlingsgruppe zugeteilt, die in das Konzentrationslager Dachau verlegt wurde. Während der Zwangsmärsche und danach im Lager wurde er von den Aufsehern jeden Tag verprügelt. Über seine Henker sagte er: „Auch sie sind Kinder Gottes, und vielleicht ist etwas davon in ihnen noch geblieben.“ Er wurde trotz seines Erschöpfungszustandes für arbeitsfähig erklärt und musste jeden Tag zwei Stunden marschieren und elf Stunden arbeiten, um einen Park herzurichten. Am 12. Juli schrieb er an seine Angehörigen: „Mir geht es gut. Mit Gottes Hilfe füge ich mich einmal mehr.“ Doch seine Kräfte ließen nach, und er hatte Mühe, den Arbeitsrythmus einzuhalten, was ihm trotz des Schutzes seiner Mithäftlinge weitere Schläge einbrachte. Er verbrachte 37 Tage in Dachau und konnte des Öfteren die Kommunion empfangen, da die gefangenen deutschen Priester heimlich Messen feierten. In 5 Jahren gingen 2 600 Priester durch das Lager, 1 600 starben dort. Am 26. Juli wurde P. Titus von einer Krankenschwester durch eine tödliche Phenolspritze getötet.

Am 20. Juli hatten die katholischen Bischöfe Hollands einen Brief veröffentlicht, in dem sie die Verfolgung der Juden durch die Nazis anprangerten. Am 27. befahl ein Dekret des Reichskommissars für die Niederlande: „Alle katholischen Juden werden im Laufe dieser Woche deportiert.“ So wurde auch die heilige Edith Stein zusammen mit ihrer Schwester sowie Tausenden von Juden verhaftet und in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie kurz nachher starb.

Bei der Seligsprechung von P. Titus versicherte der hl. Johannes Paul II.: „Der selige Titus Brandsma hat gesagt: ‚Wer die Welt für Christus gewinnen will, muss den Mut haben, gegen die Welt zu kämpfen.’ Er selbst hat so gelebt und uns ein Beispiel dafür gegeben. Habt auch ihr den Mut, aus Liebe zu Christus euch nicht an die Welt anzupassen, ihren trügerischen Versuchungen zu widerstehen und einzig den Wegen Gottes getreu zu folgen!“

Dom Antoine Marie osb

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