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4. Oktober 2006 Hl. Franz von Assisi |
Alfred Curtis wurde am 4. Juli 1831 in Maryland (Vereinigte Staaten) geboren. Seine Eltern gehörten der Episkopalkirche an, einer aus dem Anglikanismus hervorgegangenen amerikanisch-protestantischen Konfession. Er war ein sehr lernbeflissener Junge, der ganze Stücke von Shakespeare auswendig konnte und die lateinische sowie die griechische Sprache beherrschte. Sein Lerneifer hinderte ihn nicht daran, mit großer Hingabe den Gottesdienst zu besuchen. Von heftigem, manchmal etwas impulsivem Temperament, war er im Grunde sehr liebenswürdig und bat stets als Erster um Vergebung.
Als Alfred 17 Jahre alt war, starb sein Vater; die Mutter hatte nun für sechs Kinder zu sorgen. Alfred setzte seine Talente ein, um die Mutter und die Schwestern zu unterstützen. Vier Jahre lang arbeitete er als Hilfslehrer, doch dann verspürte er den Wunsch, sich der Seelsorge zu widmen. Er legte vor einer Jury von Pfarrern der Episkopalkirche eine Prüfung ab und wurde zunächst zum Diakon, dann zum Priester dieser Religionsgemeinschaft ordiniert. Da er sich rückhaltlos seinem Amt widmen wollte, verzichtete er auf eine Ehe.
1862 wurde Alfred zum Rektor der Mount Calvary Episcopal Church in Baltimore ernannt, wo er neun Jahre lang unermüdlich wirkte. Eifrig um die Rettung von Seelen bemüht, widmete er sich beharrlich dem Beten, Fasten sowie dem Studium der Heiligen Schrift. Um Hebräischunterricht zu nehmen, wandte er sich an einen Rabbiner und lernte dadurch das Wort Gottes noch gründlicher kennen. Er interessierte sich lebhaft für die Kirchenväter und machte sich mit deren Lehre vertraut, da diese seiner Meinung nach den Glauben der Kirche widerspiegelte. Als protestantischer Pastor, der sich dem Katholizismus verbunden fühlte, trug er eine Soutane, betete das römische Brevier und verehrte die Jungfrau Maria. Er ging so weit, dass er die Wahrheit seiner eigenen Konfession in Frage stellte. Eines Tages kamen zwei Besucher in seine Kirche; sie fragten, ob es sich dabei um eine katholische Kirche handelte und ob er Priester sei. Er antwortete kühn mit «Ja», doch dann bekam er Gewissensbisse, lief ihnen hinterher und erklärte: «Ich dachte, ich sei Priester, aber ich bin es nicht; die katholische Kirche finden Sie drei Straßen weiter.» Er schien also die Gültigkeit seiner Priesterweihe zu bezweifeln, die in der Episkopalkirche tatsächlich nicht in gültiger Weise gegeben wird. Die Pastoren dieser wie auch der anglikanischen Kirche hielten sich jedoch für richtige Priester, die befugt waren, die Eucharistie zu konsekrieren. Pastor Curtis brachte diesem Sakrament hohe Verehrung entgegen. Von den Kirchenvätern geschult, nahm er die Christusworte «Das ist mein Leib» und «Das ist mein Blut» wörtlich. Für ihn war Jesus, der Meister und Führer, den zu predigen und zu verteidigen er sich berufen fühlte, in den eucharistischen Gestalten wirklich gegenwärtig.
Wo ist die Kirche Christi?
1871 kam es zum entscheidenden Wendepunkt im Leben von Pastor Curtis. Sein Vorgesetzter, der Bischof der Episkopalkirche von Maryland, veröffentlichte einen Hirtenbrief zur Heiligen Eucharistie, in welchem er die Behauptung aufstellte, wenn Christus in diesem Sakrament gegenwärtig sei, so nicht, um darin angebetet zu werden, sondern nur, um zur Nahrung unserer Seelen zu werden. Folglich verbot er seinen Gläubigern, dieses Sakrament in gleicher Weise zu verehren wie die Person Christi. Curtis fühlte sich in seinem Glauben so tief verletzt, dass er von seinem Pastorenamt zurücktrat. In einem Brief an den Bischof vom 8. November 1871 legte er folgendes Glaubensbekenntnis ab: «Wenn es nicht wahr ist, dass Christus als Gott und Mensch zunächst selbst in der Heiligen Eucharistie für die Lebenden und die Toten geopfert wird und dass Er mit seiner ganzen lebenden Person in meinen Händen gegenwärtig ist, um dort angebetet zu werden und die ewige Huldigung all dessen, was ich bin und habe, entgegenzunehmen, dann gibt es keine Wahrheit für mich. Mein ganzes Lehrgebäude hängt davon ab, dass der Herr in der Eucharistie in der Gestalt von Brot und Wein wirklich gegenwärtig ist, wie Er einst im Stall in der Gestalt des Kindes gegenwärtig war«» Einige Tage danach erklärte er seine Idee näher: «Ich kann mir nicht vorstellen, wie Christus als Christus empfangen werden kann, ohne angebetet zu werden. Sagt man, Er sei zwar gegenwärtig, dürfe aber nicht angebetet werden, ist das für mich so, als sagte man, Er sei überhaupt nicht gegenwärtig.»
Den anbeten, den wir empfangen
Wie so viele andere, die, um der Stimme ihres Gewissens treu zu bleiben, auf eine vorteilhafte Position und ihren guten Ruf verzichteten, stürzte sich Pastor Curtis ins Ungewisse. Er gab seine Pfarrstelle und sein gesichertes Einkommen auf und wusste nicht, was aus ihm werden sollte. «Ich hatte das Gefühl, ich wäre im Begriff, mich in einen tiefen Abgrund zu stürzen, ohne zu wissen, wo ich landen würde», gestand er einem Freund. Gott in seiner Barmherzigkeit lässt diese Art von Erfahrung zu, um die Seele seiner Freunde zu läutern, ihre Liebe auf die Probe zu stellen und sie zu größerer Vollkommenheit zu führen. Er lässt seine Getreuen nie im Stich. Nach und nach kehrte Licht in den Geist von Pastor Curtis ein. Er war sich nun beinahe sicher, dass der einzige Weg der Übertritt zur Römischen Kirche sei. Aus Rücksicht auf die Konfession, deren Pastor er gewesen war, wollte er diesen entscheidenden Schritt nicht in seinem Heimatland tun. Anfang März 1872 schiffte er sich nach England ein und begab sich nach Oxford. Er suchte mehrere Vertreter der anglikanischen Kirche auf, um sich zu versichern, dass er sich nicht täuschte; ihre Antworten stellten ihn nicht zufrieden. Daraufhin bat er um ein Gespräch mit Newman, dessen Konversion beinahe 30 Jahre zurücklag. Der künftige Kardinal hörte ihn gütig an, erzählte ein bisschen von seinem eigenen Weg und überreichte ihm zwei Bücher mit den Worten: «Lesen Sie das, wenn Sie wollen; aber beten Sie, beten Sie; nichts wird Ihnen so helfen wie ein demütiges Gebet.»
Die Gewissheit der Wahrheit
Curtis litt bis zu seinem Tode darunter, dass seine Angehörigen für seine Bekehrung kein Verständnis hatten. Von seiner Familie folgte ihm lediglich ein einziger Bruder in die wahre Kirche Christi nach. Als er später über den Tod seiner Eltern betrübt war, die nicht zum Katholizismus übergetreten waren, ließ er sich von einem Priester mit der Versicherung trösten, seine Mutter hätte zumindest völlig aufrichtig gehandelt. Kardinal Newman, dem Ähnliches widerfahren war, schrieb: «Man kann nicht erzwingen, dass die anderen so denken, wie man möchte, selbst die nicht, die uns die Nächsten und Liebsten sind.»
Nach seiner Aufnahme in die Kirche fragte sich Curtis, wie seine Zukunft aussehen sollte. Mit seinem Bedürfnis nach absoluter Selbsthingabe hätte er sich am liebsten dem Kartäuserorden angeschlossen; doch Newman ahnte, dass dieser Mann noch viel Gutes würde bewirken können, und riet ihm, in seine Heimat zurückzukehren und dort in den Dienst des Erzbischofs von Baltimore zu treten. Curtis reiste also nach Baltimore und schrieb sich im Seminar ein, um mit Blick auf das Priesteramt seine Kenntnisse zu vervollständigen. Älter als die meisten Seminaristen, wurde er von allen wegen seiner Milde, seiner Demut und seines Einsatzes für die gemeinsame Disziplin und bei der Askese bewundert. Am 19. Dezember 1874 wurde er zum Priester geweiht.
Das bin nicht mehr ich, das ist Christus
1883 durfte Pfarrer Curtis seinen Erzbischof nach Rom begleiten. 1886 wurde er zum Bischof von Wilmington, einem Suffraganbistum von Baltimore ernannt. Aus Demut versuchte er erst dem Amt auszuweichen. Doch seine Bemühungen, diese Bürde auszuschlagen, scheiterten. Am 14. November 1886 empfing er die Bischofsweihe. Als Bischof suchte er die Nähe zu seinem Volk und seinen Priestern. Er scheute keine Mühen und kümmerte sich aufopferungsvoll um die ihm anvertrauten Seelen. Er sorgte sich um Waisen und Gefangene und hatte große Achtung vor der Armut; er fürchtete daher nicht, für einen Armen gehalten zu werden. Sein Amt kam ihm vor, als wäre er lediglich ein Verwalter des Evangeliums, ein Knecht, dessen Obhut der Herr sein Hab und Gut anvertraut hatte, bevor er in ein fernes Land aufbrach (s. Luk 19,13). Er ermahnte die Gläubigen, stets wachsam zu bleiben, denn der Herr ließe uns über den Tag seiner Wiederkunft im Ungewissen: «Unser Herr in seiner Barmherzigkeit verbirgt den Zeitpunkt seines Kommens vor uns, denn wenn die Leute wüssten, wie viele Jahre sie noch zu leben hätten, würden sie die meiste Zeit mit weltlichen Vergnügungen zubringen und sich erst auf den Tod vorbereiten, wenn er kurz bevorstünde; so verlören sie den Lohn, den sie hätten bekommen können, wenn sie sich jederzeit für sein Kommen bereitgehalten hätten.»
Die schwierigste Heiligkeitsprüfung
Von all seinen Diözesanen heiß geliebt, las Bischof Curtis selbst nach der Weihe seines Nachfolgers weiterhin feierliche Messen, hielt Predigten und erwies den Armen manch einen Dienst. Ebenso blieb er Beichtvater der Schwestern von der Heimsuchung Mariä. Die letzten zehn Jahre seines Lebens verbrachte er in Baltimore in der Residenz von Kardinal Gibbons, der ihn zum Generalvikar ernannte. Tag und Nacht verharrte er lange vor dem Allerheiligsten Sakrament. «Es ist schön, bei Ihm zu verweilen und, wie der Lieblingsjünger an seine Brust gelehnt (vgl. Joh 13, 25), von der unbegrenzten Liebe seines Herzens berührt zu werden», schrieb Papst Johannes-Paul II. «Wenn das Christentum in unserer Zeit sich vor allem durch die Kunst des Gebetes auszeichnen soll, wie könnte man dann nicht ein erneuertes Bedürfnis verspüren, ausgiebig vor Christus, der im Allerheiligsten Sakrament gegenwärtig ist, im geistlichen Zwiegespräch und in einer Haltung der Liebe zu verharren? So viele Male habe ich diese Erfahrung gemacht, und daraus Kraft, Trost und Stärkung bezogen! Von dieser Übung, die immer wieder vom Lehramt gelobt und empfohlen wurde, geben uns zahlreiche Heilige ein Beispiel. In besonderer Weise zeichnete sich darin der heilige Alfons von Liguori aus, der schrieb: Unter allen Frömmigkeitsformen ist die Anbetung des eucharistischen Christus die erste nach den Sakramenten; sie ist Gott die liebste und uns die nützlichste'» (Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, Nr. 25).
Seinem Wunsch gemäß, bis zuletzt im Weinberg des Herrn zu arbeiten, begleitete Altbischof Curtis den Kardinal auf seinen Firmungsreisen. Bei einer Feier richtete er folgende Worte an die Firmlinge: «Der Heilige Geist kommt zu euch, um euer wahrhaftester und bester Freund zu werden, ein Freund, der immer zur Stelle ist« Alle anderen Freunde wären nur dem Namen nach Freunde, gemessen an diesem göttlichen Freund, der heute zu euch kommt« Denkt daran und pflegt diese Liebe und diese Freundschaft sorgfältig, die für euer Seelenheil absolut wesentlich sind. Dieser göttliche Freund wird euch nie verlassen, wenn ihr ihn durch die Sünde nicht davonjagt. Möge Gott dafür sorgen, dass euch das nie passiert; da euch aber jetzt das Glück widerfahren ist, Tempel des Heiligen Geistes Gottes zu werden, schätzt und bewahrt den Beistand eures göttlichen Freundes durch eure Treue und euer Verbleiben in der Gnade Gottes.»
Diese noch unbekannten Heiligen
Hoffen wir, dass Alfred Allen Curtis zu den noch unbekannten Heiligen zählt, von denen er selbst in einer Predigt zu Allerheiligen sprach: «Ehren wir alle Heiligen, besonders aber das Heer der unzähligen unbekannten Heiligen. Die kanonisierten Heiligen, von denen es im Vergleich zu den anderen wenige gibt, waren fähig, ihre Tugend heroisch zu üben, jenseits dessen, was wir erreichen können. Wir aber sollten auf das riesige Heer der unbekannten Heiligen blicken, die keine Geschichte haben, die das gleiche alltägliche Leben gelebt haben wie wir, die die alltäglichen Dinge besonders gut erledigt haben, die gearbeitet, sich geduldet und gelitten haben; die geglaubt, gehofft, geliebt und bereut haben; diesen können wir nacheifern.»
Wir wollen nach dem Vorbild dieses großen Konvertiten von unserem Herrn Jesus das Geschenk seiner eigenen Person und seines Heilswerkes in der Heiligen Eucharistie empfangen; Er zeigt uns darin eine Liebe, die kein Maß kennt: «Die Eucharistie ist ein unermesslicher Schatz: sie zu feiern, aber auch außerhalb der Messe vor ihr in Anbetung zu verharren, lässt uns aus der Quelle der Gnade selbst schöpfen» (Johannes-Paul II.).