Brief

7. Juli 1997

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7. Juli 1997
Hl. Willibald


Lieber, verehrter Freund der Abtei Saint-Joseph,

Der Mensch kann ohne Liebe nicht leben. Die Liebe ist die grundlegende Kraft, die all seine anderen Energien speist. Aus diesem Grunde sieht Gott, der Schöpfer des Menschen, für diesen ein Leben der Liebe vor. ,,Ein besonderer Wesenszug der Würde des Menschen liegt in seiner Berufung zur Gemeinschaft mit Gott. Zum Dialog mit Gott ist der Mensch schon von seinem Ursprung her aufgerufen: er existiert nämlich nur, weil er, von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; und er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt und sich seinem Schöpfer anheimgibt" (II. Vatikanum, Gaudium et spes, 19, 1).

Gelobt seist du !

Doch woran erkennt man die Liebe? Der heilige Ignatius von Loyola macht darauf aufmerksam, daß ,,die Liebe im gegenseitigen Teilen der Güter besteht. Einerseits schenkt die liebende Person alles, was sie hat oder von dem sie etwas hat, bzw. alles, was sie geben und teilen kann, dem geliebten Wesen und teilt es mit ihm; andererseits handelt die geliebte Person ebenso im Hinblick auf die sie liebende. Wenn eine Person Wissen besitzt, so teilt sie es mit der, die es nicht hat; das gleiche gilt für Ehren und Reichtümer, und zwar gegenseitig" (Geistliche Exerzitien, 231).

Gott, die ewige Glückseligkeit, das unsterbliche Leben, das nie verlöschende Licht selbst, will die Herrlichkeit seines seligen Lebens mit den Menschen teilen. Dieser göttliche Plan entfaltet sich im Werk der Schöpfung, der Erhöhung zur Gnade, vor allem aber im Werk der Erlösung nach dem Fall des Menschen.

Bereits die Herrlichkeit der Schöpfung beweist uns die Liebe Gottes und lädt uns ein, ihn zusammen mit dem heiligen Franziskus von Assisi zu lobpreisen:

,,Gelobt seist du, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, vornehmlich durch die Herrin, die Schwester Sonne, die uns den Tag heraufführt und uns erhellt durch ihr Licht. Schön ist sie und strahlend mit großem Glanz: sie bietet uns ein Gleichnis von dir, du Höchster...

Gelobt seist du, mein Herr, durch die Brüder Mond und Sterne, die du am Himmel erschaffen hast, hell, kostbar und schön!

Gelobt seist du, mein Herr, für den Bruder Wind und für die Luft und die Wolken...

Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester, das Wasser, das gar sehr nützlich und demütig ist, kostbar und keusch...

Gelobt seist du, mein Herr, für unseren Bruder, das Feuer, durch das du die Nacht erhellst und das schön und freudig, kräftig und stark ist!

Gelobt seist du, mein Herr, für unsere Schwester, die Mutter Erde, die uns trägt und nährt und mancherlei Früchte hervorbringt und vielfarbene Blumen und Kräuter...

Lobet und preiset meinen Herrn, sagt ihm Dank und dienet ihm in großer Ergebung!"

Ich liebe den Vater

Um unser Herz ganz zu gewinnen, genügte es der Liebe Gottes nicht, uns in den Besitz der Wunder des Alls zu setzen, Er hat uns sogar sich selbst voll und ganz geschenkt. Der himmlische Vater hat uns nämlich seinen eingeborenen Sohn geschenkt: Denn so sehr liebte Gott die Welt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe (Joh 3, 16). Zusammen mit seinem Sohn, den Er uns schenkte, gab er uns alle möglichen Wohltaten: seine Gnade, seine Liebe und das Paradies. Doch er ist noch weiter gegangen: Er überließ seinen Sohn dem Kreuzestod für unsere Sünden: Darin besteht diese Liebe: Nicht daß wir Gott liebten, sondern daß er uns liebte und seinen Sohn sandte zur Sühne für unsere Sünden (1 Joh 4, 10). Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren (Röm 5, 8).

Der Sohn seinerseits fügte sich vollkommen in die Pläne des Vaters. Vom ersten Augenblick seiner Menschwerdung an machte er sich dessen liebevollen Erlösungsplan zu eigen: Siehe Vater, ich komme, deinen Willen zu vollbringen (vgl. Hebr 10, 5-10). Das Opfer Jesu für die Sünden der ganzen Welt ist Ausdruck seiner liebenden Gemeinschaft mit dem Vater: Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe (Joh 10, 17). Die Welt soll erkennen, daß ich den Vater liebe und so handle, wie es mir der Vater aufgetragen hat (Joh 14, 31). Durch seinen Gehorsam bis in den Tod erfüllt Jesus die Prophetie des Jesaia vom ,,leidenden Gottesknecht", der sein Leben als Sühnopfer hingab (vgl. Jes 53, 10-12). Diese Liebe bis zur Vollendung (Joh 13, 1) verleiht dem Opfertod Christi seinen Wert als Erlösung, Widergutmachung, Sühne und Genugtuung (Katechismus der Katholischen Kirche, 609).

Liebe ruft nach Liebe

Die Liebe Christi drängt uns (2 Kor 5, 14). Die vom leidenden Jesus bezeugte Liebe drängt uns, Liebe mit Liebe zu vergelten und, sofern Er in uns ist, das wechselseitige Teilen der Güter zu verwirklichen, von dem der heilige Ignatius spricht. Jesus hat uns ,,ein Beispiel gegeben, damit wir seinen Spuren folgen (1 Petr 2, 21). Er will diejenigen, denen sein Erlösungsopfer zuerst zugutekommt, an diesem Opfer beteiligen. Das gilt vor allem für seine Mutter, die in das Mysterium seines erlösenden Leidens tiefer hineingenommen wird als jeder andere Mensch" (Katechismus, 618). ,,Wir müssen die Zustände und Mysterien Jesu in uns weiter und zu Ende führen und ihn oft bitten, er solle sie in uns und in seiner ganzen Kirche vollenden und vollbringen... Der Sohn Gottes hat nämlich vor, durch die Gnaden, die er durch diese Mysterien uns mitteilen, und durch die Wirkungen, die er durch sie in uns hervorbringen will, uns an seinen Mysterien teilhaben zu lassen, sie gleichsam auszudehnen und sie in uns und in seiner ganzen Kirche gewissermaßen weiterzuführen (Hl. Johannes Eudes, Katechismus, 521). So sind alle Heiligen aufgerufen, in ihrem Fleisch zu ergänzen, was an Christi Drangsalen noch aussteht... zum Besten seines Leibes, das ist die Kirche (Kol 1, 24).

Am 23. Mai 1982, bei der Seligsprechung von Pater Pieter Donders, sagte Papst Johannes-Paul II.: ,,In diesen Menschen haben wir einen wahren Widerschein der Liebe gesehen, die den unvergleichlichen Reichtum Gottes innerhalb des dreifaltigen Lebens ausmacht und die sich in der Hingabe des eingeborenen Sohnes für das Heil der Welt geäußert hat, insbesondere in seinem Erlösungsopfer... Durch das Vorbild seines Lebens hat Pater Donders gezeigt, wie die Ankündigung der Guten Nachricht von der Erlösung und von der Befreiung von der Sünde in einem wahren evangelischen Leben, einem Leben tätiger Liebe für seinen Nächsten, vor allem für die kleinsten Brüder Christi, Unterstützung und Bestätigung finden muß" (Homilie vom 23. Mai 1982).

Ein zweiundzwanzigjähriger schüler

Pieter Donders wurde am 27. Oktober 1809 geboren. Seine Familie bewohnte ein ärmliches Holzhaus in einer Vorstadt von Tilburg in den Niederlanden. Nach dem Besuch der Grundschule half Pater Donders seinem Vater, der den Beruf des Webers ausübte, doch schon in sehr jungem Alter fühlte er sich zum Priestertum hingezogen. Er war sieben Jahre alt, als seine Mutter diese Erde für das Jenseits verließ. Als der Priester kam, um Beistand zu leisten, bemächtigte sich Pater Donders seines liturgischen Buches: ,,Eines Tages", sagte er, ,,werde ich auch so eins haben". Er schrieb später: ,,Nie werde ich dem lieben Gott genug dafür danken können, daß er mich vor den zahlreichen Gefahren bewahrt hat, die mein Seelenheil aufs Spiel hätten setzen können, und daß er mich zu Maria, seiner Mutter, hingelenkt hat. Nach Gott habe ich meine Berufung ihr zu verdanken".

Eines Tages schrieb er an seinen Gemeindepfarrer und bat ihn um seine Unterstützung bei der Aufnahme eines Lateinstudiums. Der Priester geriet in große Verlegenheit: Sollte er diesen jungen Mann abweisen? Das wäre ein Fehler. Wäre es aber nicht unklug, ihn auf ein Seminar zu schicken? Der Junge war schon 22 Jahre alt und hatte auf der Grundschule nicht gerade geglänzt... Nach vielen Schwierigkeiten fand dieser sich dennoch in einer albernen Schar junger Schüler auf der Schulbank wieder. Nach und nach gelang es ihm, die Zuneigung aller zu gewinnen: die der Professoren, der Schüler und der Angestellten. 1839 trat er mit der Absicht, Missionar zu werden, in das Priesterseminar von Haaren ein. Dort begegnete er Bischof J. Grooff, dem apostolischen Vikar von Surinam (Holländisch-Guyana), einer damals niederländischen Kolonie am Äquator im Norden Lateinamerikas. Der Prälat erläuterte den Theologiestudenten die spirituellen Anforderungen seines Vikariats. Die Seminaristen hörten ihm interessiert zu, doch nur ein einziger, Pieter Donders, äußerte die Absicht, ihm zu folgen. Bischof Grooff nahm ihn. Er wurde am 5. Juni 1841 zum Priester geweiht und am 14. April 1842 offiziell zum ,,apostolischen Missionar" ernannt; mit vor Freude überfließendem Herzen begab er sich sofort auf seinen Posten.

Während der ersten vierzehn Jahre nahm Pater Donders sein Apostolat von Paramaribo, der Hauptstadt, aus wahr. Am 7. Oktober 1842 wurde er bereits von Bischof Grooff zu einer staatlichen Leprastation in Batavia inmitten eines Palmenwaldes mitgenommen. Sie kamen dort in einem Boot an. Nachdem er die Leprakranken gesegnet hatte, begab sich der apostolische Vikar in die Holzkirche, wo das Vaterunser gesungen wurde.

Eine tiefe rührung

,,Eine tiefe Rührung schnürte mein Herz beim Anblick dieser Versammlung zusammen", notierte Pieter Donders. ,,Manche der Kranken hatten ihre Zehen, andere ihre Finger verloren; wieder andere hatten schrecklich geschwollene Füße. Einige, bei denen die Zunge befallen war, konnten nicht mehr sprechen; alle konnten nur mühsam gehen". Und er schloß: ,,Ihre Krankheit ist keine Ungnade. Wie gut Gott zu ihnen ist, und wie väterlich seine Vorsehung! Denn für den größten Teil von ihnen ist die Krankheit das einzige Mittel zum Heil". In der Tat: ,,Sehr oft führt Krankheit zur Suche nach Gott, zur Rückkehr zu ihm" (Katechismus, 1501).

Bischof Grooff und sein Mitarbeiter blieben bis zum 20. Oktober in der Leprastation. Der junge Missionar taufte drei Kinder und zwei Greise. Drei älteren Frauen sowie einem elfjährigen Mädchen, das einem frühzeitigen Tod geweiht war, spendete er die Erstkommunion und traute zwei Kranke, die keine Finger mehr an den Händen hatten. Doch vor allem trösteten die Missionare diese Unglücklichen, von denen sie bei ihrer Abreise weinend zu ihrem Boot begleitet wurden.

Auf dem Fluß unterwegs wies der Bischof seinem Gefährten ein anderes Betätigungsfeld zu: die Kaffee-, Baumwoll- und Zuckerrohrplantagen, wo sich damals noch Sklaven abmühten. Es gab etwa 400 Einrichtungen dieser Art, wo 40 000 Afrikaner unter der Knute der Aufseher zu ununterbrochener Arbeit gezwungen wurden. Es war nicht einfach, sich ihnen zu nähern, denn die Plantagenbesitzer waren den katholischen Missionaren als erklärten Feinden ihres unmoralischen Tuns und ihrer schändlichen Spekulation gegenüber mißtrauisch. Pater Donders mußte den schrecklichen Aufsehern die Stirn bieten. Doch wenn man ihn zurückwies, entfernte er sich mit einem Lächeln und reichen Segenwünschen. Dann kehrte er nach langem Beten sobald wie möglich noch einmal, zweimal und öfter zurück und versuchte, das harte Herz dieser Menschen zu erweichen. So gelang es ihm, einen Aufseher für sich zu gewinnen, der ihn gewähren ließ. Auf die gleiche Art verschaffte er sich Zugang zu drei, dann fünf und schließlich zu zweiunddreißig dieser Sklavenkolonien und erteilte den Sklaven Religionsunterricht. Die Zahl der Getauften stieg von 1145 im Jahre 1851 auf 3000 im Jahre 1866. Das Gebet, die unermüdliche Geduld und die Einfachheit des Missionars haben diesen sprunghaften Anstieg bewirkt.

Trotz dieser apostolischen Fahrten ins Hinterland, hielt sich Pater Donders einen großen Teil des Jahres über in Paramaribo auf, wo er die rund 2000 Katholiken der Hauptstadt betreute. Durch seine Wohltätigkeit wurde er für alle zum Vater: Er verteilte alles, was er hatte, an die Armen. Besaß er nichts mehr, so wandte er allerlei Kunstgriffe bei seinem Bischof an, damit dieser seine Geldbörse aufmachte: ,,Aber mein Lieber", sagte der Bischof eines Tages zu ihm, ,,Sie tun nichts als geben, geben! Was werden Sie machen, wenn ich einmal tot bin? - Oh! Gott stirbt niemals", erwiderte er. Eines Tages blieb ihm nur noch seine Uhr, um einer in Not geratenen Familie zu helfen. Er ging also zu einem Trödler und verkaufte sie. Der gerührte Trödler wollte ihm den Gegenstand zurückbringen; doch da Pater Donders nicht zu Hause war, gab er ihn dem Bischof. Dieser machte zur Essenszeit seiner Tischgesellschaft folgendes bekannt: ,,Meine Freunde, man hat mir eine Uhr geschenkt. Losen wir sie aus, mal sehen, wer der glückliche Gewinner sein wird". Natürlich kehrte sie zu Pieter Donders zurück, der sich mit einem Lächeln bedankte.

1843 verausgabte sich Pater Donders über seine Kräfte hinaus während einer Choleraepidemie, doch er erkrankte nicht. Sieben Jahre später wütete das Gelbfieber noch schlimmer als die Cholera. Diesmal wurde auch der Missionar von der Krankheit niedergestreckt und schwebte vier Wochen lang zwischen Leben und Tod, bevor er sich erholte. ,,Wer von euch würde guten Mutes nach Batavia gehen, wo das Gouvernement die Leprakranken unterbringen läßt?" fragte eines Tages der Bischof seine Missionare. ,,Ich, euer Hochwürden", antwortete sogleich Pater Donders.

Achtundzwanzig jahre unter den leprakranken

Er brach auf. Er blieb 28 Jahre dort: An diesem Posten hatte es niemand vor ihm länger als zwei Jahre ausgehalten. ,,Dieser Priester tat für die Leprakranken, was kein anderer auf der Welt hätte tun können", bezeugte später ein in Surinam stationierter Soldat. ,,Eines Tages bat ich ihn um die Erlaubnis, einen Blick in die Baracken werfen zu dürfen. - Oh, nein, junger Mann, antwortete er; Sie könnten einen so schrecklichen Anblick nicht ertragen!" Für das ewige Heil der Kranken hielt Pater Donders diesen unerträglichen Anblick jeden Tag aus, und das länger als ein Drittel seines Lebens.

Von Zeit zu Zeit setzten Schiffe neue Leprakranke an der Leprastation an Land; diese heulten laut vor Verzweiflung beim Anblick dieses Ortes, den sie niemals würden verlassen können. Doch als sie das bleiche und magere Gesicht von Pater Donders auftauchen sahen, beruhigten sie sich plötzlich. Er hatte viel Güte in den Augen, ein Lächeln auf den Lippen und Zuspruch auf der Zunge. Er führte die Ankömmlinge zu ihren Hütten und brachte ihnen Kuchen und Erfrischungen. Er lud sie ein, sich zu freuen, denn nun seien sie Freunde, und das zeigte er ihnen auch. Seine Leprakranken unterrichtete er in Religion, half ihnen beim Beten, pflegte sie und fütterte diejenigen, die keine Hände mehr hatten. Er weigerte sich jedoch, bei chirurgischen Operationen zu assistieren, denn er konnte sich an den Anblick von Blut nicht gewöhnen. Das macht deutlich, welchen Heldenmut er bewies, als er so viele Jahre lang seine täglich auf eine harte Probe gestellte Empfindlichkeit bezwang.

1873 wollte der Gouverneur der Kolonie die Kinder der Leprakranken der Ansteckungsgefahr entziehen. Als man versuchte, sie ihren Eltern wegzunehmen, kam es zu einem Aufstand in der Leprastation. Der Priester bat die Soldaten, sich zurückzuziehen und wandte sich an die Menge: ,,Wenn ihr eure Kinder liebt, laßt sie nicht an Lepra sterben!" Daraufhin trennten sich die Mütter von ihren Kleinen. Nur ein Chinese floh mit seinem Kind fort, entschlossen, es lieber zu töten als sich von ihm zu trennen. Vater Donders fand und überredete auch ihn.

1867, mit 57 Jahren und nach sechs Monaten Noviziat, hatte er das Gelübde der Redemptoristenkongregation abgelegt: Unvorhergesehene Ereignisse hatten ihn dazu geführt, doch er machte aus seiner Freude darüber, zum Ordensleben zugelassen zu sein, keinen Hehl. Neben seinem Apostolat bei den Leprakranken, widmete er sich damals der Bekehrung des wilden Kannibalenstammes der Cariben. Er mußte sich zunächst mitten in den Wäldern und Sümpfen an sie heranpirschen und sich ihnen behutsam nähern. Sie hörten ihm ohne Schwierigkeiten zu, wenn er vom Himmel, von der Hölle, vom ewigen Heil und Jesus, dem Erlöser, sprach. Sobald der Missionar aber die christliche Moral darlegte, wurden sie taub, denn sie waren an Polygamie und Laster gewöhnt. Seine unerbittlichen Feinde, die Zauberer, erklärten den Indianern: ,,Wenn ihr eure Kinder taufen laßt, werden sie zugrunde gehen". So versteckten die Eingeborenen ihre Nachkommenschaft, sobald ein Missionar auftauchte. Doch Pater Donders gelang es, mehrere Zauberer zu bekehren, deren Beispiel bald befolgt wurde, und zwar so gründlich, daß ein Zeuge bald sagen konnte: ,,In dieser Gegend haben fast alle Indianer den Glauben angenommen".

Eine vollkommene ähnlichkeit

Um die Ähnlichkeit von Pater Donders mit Jesus vollkommen zu machen, der von denen, die zu retten er gekommen war, zurückgewiesen und verachtet wurde, erlaubte die göttliche Vorsehung, daß der Missionar im Januar 1883 vom Schauplatz seines Apostolats entfernt wurde. Einige Leprakranke, angeführt von einem gewissen Josef, dem Pater Donders sein anstößiges Verhalten vorgehalten hatte, suchten den Bischof auf und verlangten die Abberufung des Missionars, unter dem Vorwand, er sei zu alt. Der Bischof willigte ein. Doch im November 1885 wurde P. Donders, um den dringenden Bedarf zu stillen, nach Batavia zurückgeschickt. Dort verbrachte er seinen Lebensabend inmitten der Leprakranken, die ihn auf Knien empfingen.

Im Dezember 1886 erkrankte er an einer schweren Nierenentzündung. In der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1887 bat er um die Sterbesakramente, die ihm von einem leprakranken Redemptoristenpater gespendet wurden. Am 12. Januar erklärte der Kranke dem Arzt: ,,Noch ein wenig Geduld! Am Freitag gegen drei Uhr nachmittags werde ich sterben!" Das war eine Weissagung: Er verschied am 14. Januar gegen drei Uhr dreißig am Nachmittag. Alle Leprakranken weinten, selbst die, die ihn einige Jahre zuvor von Batavia entfernen wollten.

Eine größere Liebe hat niemand als die, daß er sein Leben hingibt für seine Freunde (Joh 15, 13). Wie der Heiland, hat auch Pieter Donders sein Leben für seine Brüder hingegeben. Mögen wir, ihm folgend, in der Passion Christi den leuchtendsten Beweis der Liebe Gottes zu uns erkennen: ,,O unbegreifliche Huld deiner Liebe; um loszukaufen den Knecht, hast du hingegeben den Sohn!" (Liturgie der Ostervigil). Bitten wir den Geist der Liebe, aus dem Herzen des gekreuzigten Jesus bis ins Innere unseres Herzens herabzusteigen. Dann werden wir die folgenden Worte der heiligen Therese vom Kinde Jesu verstehen: ,,Von Liebe leben, bedeutet auf Erden nicht, daß man sein Zelt auf dem Gipfel des Tabor aufschlägt, sondern daß man mit Jesus zum Kalvarienberg hinaufsteigt, daß man das Kreuz als einen Schatz betrachtet".

Um diese Gnade flehen wir durch die heilige Jungfrau Maria und den heiligen Josef für Sie und alle, die Ihnen teuer sind. Wir beten für all Ihre Verstorbenen.

Dom Antoine Marie osb

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